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Das Horoscop

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VI.
Die Sirene

Vor der Wohnung angelangt, welche der Herr Marschall von St. André in seiner Eigenschaft als Königlicher Kammerherr im Louvre inne hatte, klopfte der Admiral; aber die langsam aufgestoßene Thüre wich unter seinem Finger und öffnete sich ins Vorzimmer.

Dort stand ein Lakai mit äußerst bestürzter Miene.

»Mein Freund,« sagte der Admiral zu ihm, »ist der Herr Marschall in so späther Nacht noch sichtbar?«

»Der Herr Marschall,« antwortete der Lakai, »würde es gewiß für Eure Excellenz noch sein, aber ein unerwartetes Ereigniß hat ihn so eben genöthigt zum König zu gehen.«

»Ein unerwartetes Ereigniß,« sagte Condé.

»Ein unerwartetes Ereigniß führt auch uns zu ihm,« versetzte Herr von Coligny, »und wahrscheinlich ist es dasselbe. Handelt es sich nicht um einen Stein, der eines seiner Fenster zertrümmert hat?«

»Ja, gnädigster Herr, und der zu den Füßen des Herrn Marschalls in dem Augenblick niederfiel, wo er aus seinem Arbeitscabinet in sein Schlafzimmer trat.«

»Ihr sehet, daß ich das Ereigniß kenne, mein Freund, und da ich dem Herrn Marschall vielleicht aus die Spur des Verbrechers helfen könnte, so hätte ich mich gerne mit ihm über die Sache besprochen.«

»Wenn der Herr Admiral,« antwortete der Lakai, »warten und inzwischen bei Fräulein von St. André vorsprechen möchte, so würde der Herr Marschall wahrscheinlich bald zurückkommen.«

»Aber das Fräulein ist vielleicht in diesem Augenblick nicht mehr auf?« fragte der Prinz von Condé »und wir möchten um Alles in der Welt nicht zudringlich sein.«

»Oh gnädigster Herr,« sagte der Kammerdiener, der den Prinzen erkannt hatte, »Eure Hoheit kann beruhigt sein. Ich habe so eben eine der Frauen des gnädigen Fräuleins gesehen, und sie hat gesagt, das gnädige Fräulein werde nicht zu Bette gehen, bis ihr Vater zurückgekommen sei und bis sie wisse, was dieser Brief bedeute.«

»Welcher Brief?« fragte der Admiral.

Der Prinz stieß ihn mit dem Ellbogen.

»Das ist ganz einfach,« sagte er, »der Brief, der wahrscheinlich um den Stein gebunden war.«

Dann sagte er leise zu dem Admiral:

»Das ist eine Art von Correspondez, die ich mehr als einmal mit Erfolg angewandt habe, mein Vetter.«

»Nun wohl,« sagte der Admiral, »wir nehmen Euer Anerbieten an, mein Freund. »Fragt das Fräulein von St. André ob sie den Herrn Prinzen von Condé und mich empfangen könne.«

Der Diener entfernte sich und kam nach einigen Secunden mit der Nachricht zurück, das gnädige Fräulein erwarte die beiden Herrn.

Dann schritt er ihnen nach dem Corridor voran, welcher zur Wohnung des Fräuleins von St. André führte.

»Gesteht, mein lieber Prinz, sagte der Admiral halblaut, »daß Ihr mich da zu einem sonderbaren Handwerk veranlaß habt.«

»Mein lieber Vetter,« sagte Condé, »Ihr kennet das Sprichwort: Es gibt kein dummes Handwerk, besonders unter denjenigen, die man aus Ergebenheit treibt.«

Der Diener meldete Seine Hoheit den Herrn Prinzen von Condé und Seine Excellenz den Admiral Coligny. Dann hörte man Fräulein von St. André mit ihrer lieblichsten Stimme sagen:

»Sie mögen eintreten.«

»Der Diener entfernte sich»und die beiden Herren traten in das Zimmer, wo Fräulein von St. André sich aufhielt; in der Mitte desselben funkelte jene fünfarmige Lampe, deren Licht der Prinz schon seit drei Monaten zwischen den Scheiben und den Fenstervorhängen des jungen Mädchens hindurch beobachtete.

Es war ein mit hellblauem Atlas ausgeschlagenes Boudoir, in welchem Fräulein von St. André rosaroth, weiß und blond, wie eine Najade in einer azurnen Grotte erschien.«

»Ach mein Gott!« begann der Prinz von Condé wie wenn ihm seine Aengstlichkeit nicht gestattete sich mit den gewöhnlichen Complimenten aufzuhalten, »was ist denn Euch oder dem Herrn Marschall so eben widerfahren?«

»Ah,« versetzte das Fräulein von St. André, »Ihr wißt das Ereigniß schon, Herr Prinz?«

»Ja, mein Fräulein,« versetzte der Prinz; »der Herr Admiral und ich kamen aus dem Louvre; wir befanden uns just unter Euern Fenstern, als ein Stein zischend über unsere Köpfe hinflog; zu gleicher Zeit hörten wir ein starkes Geklirre von zertrümmerten Fenstern, das uns erschreckte; wir kehrten deßhalb augenblicklich in den Louvre zurück und nahmen uns die Freiheit hierher zukommen, um bei Euern Lakeien zu fragen, ob dem Herrn Marschall Nichts zugestoßen sei. Der brave Mann an den wir uns wandten, hatte und sehr unkluger Weise gesagt, daß wir uns bei Euch selbst erkundigen können, daß Ihr vielleicht trotz der späten Nacht die Gewogenheit haben würdet uns zu Gunsten des Motivs, das uns herbeiführte, Eure Thüre zu öffnen. Der Herr Admiral nahm Anstand. Ich da gegen bei dem großen Interesse, das ich dem Herrn Marschall und den übrigen Personen seiner Familie widme, bestand darauf. daß wir hierhergehen sollten, und so sind wir denn da, mein Fräulein, mögt Ihr uns nun zudringlich nennen oder nicht.«

»Ihr seid in Wahrheit allzu gütig, mein Prinz, daß Ihr uns blos allein bedroht glaubtet und Euch um unsertwillen beunruhiget. Aber diese Gefahr gilt, wenn sie vorhanden ist, höheren Häuptern als die unsrigen sind.«

»Was wallt Ihr damit sagen, mein Fräulein?« fragte der Admiral lebhaft.

»Dieser Stein, der die Scheiben zertrümmerte, war mit einem beinahe drohenden Schreiben an den König umwickelt. Mein Vater hat die Botschaft aufgehoben und an ihre Adresse gebracht.«

»Aber,« fragte der Prinz von Condé in plötzlicher Inspiration, »hat man den Hauptmann der Garden in Kenntniß gesetzt?«

»Das weiß ich nicht, gnädigster Herr,« antwortete Fräulein von St. André, »aber jedenfalls sollte man, wenn es nicht geschehen ist» es sogleich tun.«

Allerdings, es ist keine Minute zu verlieren,« fuhr der Prinz fort. Dann wandte er sich zu Coligny mit der Frage:

»Commandirt nicht Euer Bruder Dandelot diese Wache im Louvre?«

»Er selbst, mein lieber Prinz,« antwortete der Admiral, der Condé's Gedanken im Flug erfaßte; »jedenfalls will ich ihm selbst sagen, daß er seine Wachsamkeit verdoppeln, die Parole verändern, kurz und gut auf seiner Hut sein solle.«

»Geht, Herr Admiral,« rief der Prinz ganz vergnügt darüber, daß man ihn so gut begriffen hatte, »und Gott gebe, daß er noch zur Zeit ankommt!«

Der Admiral trat lächelnd ab und ließ den Prinzen von Condé allein bei dem Fräulein von St. André zurück.

Das junge Mädchen schaute mit spöttischem Blick dem ernsten Admiral nach.

Dann wandte sie sich an den Prinzen und sagte:

»Jetzt behaupte man noch, daß Eure Hoheit dem König nicht wie Ihrem eigenen Bruder zugethan sei.«

»Wer hat denn je an dieser Anhänglichkeit gezweifelt, mein Fräulein?« fragte der Prinz.

»Der ganze Hof, gnädigster Herr, und ich ins Besondere.«

»Daß der Hof daran zweifelt, finde ich sehr natürlich; der Hof gehört Herrn von Guise, während Ihr, mein Fräulein. . .«

»Ich gehöre ihm noch nicht; aber ich werde ihm gehöre: das ist der Unterschied zwischen dem Präsens und dem Futurum, gnädigster Herr, mehr nicht.«

»Also hält man noch immer an dieser unglaublichen Verbindung fest?«

»Mehr als je, gnädigster Herr.«

»Ich weiß nicht warum,« sagte der Prinz, »aber ich habe in meinem Kopf, ich sollte sagen in meinem Herzen, den geheimen Gedanken, daß sie nie zu Stande kommen werde.«

»Wahrhaftig, mein Prinz, ich würde Angst bekommen, wenn Ihr nicht ein so schlechter Prophet wäret.«

»Gütiger Gott! Wer hat denn meine astrologische Wissenschaft bei Euch so sehr in Verruf gebracht?«

»Ihr selbst, Prinz.«

»Und wie das?«

»Indem Ihr mir prophezeitet, daß ich Euch lieben werde.«

»Hab ich das wirklich prophezeit?«

»Oh, ich sehe, daß Ihr den Tag des wunderbaren Fischfangs vergessen habt.«

»Um ihn zu vergessen, mein Fräulein müßte ich die Maschen des Netzes zerrissen haben, worin Ihr mich an diesem Tage finget.«

»Oh Prinz, Ihr würdet besser von einem Netz sprechen, worin Ihr Euch selbst gefangen habt. Ich habe, Gott sei Dank, niemals ein Netz ausgespannt, womit es auf Euch abgesehen gewesen wäre.«

»Nein; aber Ihr habt mich an Euch gelockt wie jene Sirenen, von denen Horaz spricht.«

»Oh,« sagte Fräulein von St. André die, wie damals alle Damen, die beinahe eben so gelehrt als galant waren, Latein verstand, »desinit in pisceam« sagt Horaz. Schaut mich einmal an, höre ich als Fisch auf?«

»Nein, und Ihr seid deßhalb nur um so gefährlicher, weil Ihr die Stimme und die Augen der antiken Zauberinnen habt. Ihr habt mich ohne es zu wissen, unschuldiger Weise vielleicht, an Euch gelockt, aber ich bin jetzt da und ich schwöre Euch, daß ich in unauflösliche Ketten geschlagen bin.«

»Wenn ich Euren Worten den mindesten Glauben schenken könnte, Prinz, so würde ich Euch aufrichtig beklagen, denn unerwiederte Liebe scheint mir der grausamste Schmerz zu sein, den ein fühlendes Herz empfinden kann.«

»Beklaget mich also von ganzer Seele, mein Fräulein; denn nie ist ein liebender Mann weniger geliebt worden als ich.«

»Ihr werdet mir wenigstens die Gerechtigkeit widerfahren lassen, Prinz,« antwortete Fräulein von St. André lächelnd, »daß ich Euch zur Zeit gewarnt habe.«

»Ich bitte um Entschuldigung, mein Fräulein; es war bereits zu spät.«

»Und von welcher Aera datiret Ihr die Geburt Eurer Liebe? von der christlichen oder von der muhamedanischen?«

»Beim Landifest, mein Fräulein, von jenem unglücklichen oder glücklichen Tag, wo ich Euch gänzlich in Euren Mantel vermummt sah, wo Eure Haare im Sturm sich aufgelöst hatten und in blonden Flechten um Euren Schwanenhals sich schlängelten.«

»Aber Ihr habt mich an diesem Tag kaum an geredet, Prinz.«

»Wahrscheinlich sah ich Euch zu viel an, und so hat die Anschauung das Wort getötet. Man spricht zu den Sternen auch nicht: man schaut sie an, man träumt und man hofft!«

 

»Aber wißt Ihr auch, Prinz, daß dieß eine Vergleichung ist, die Herrn Ronsard eifersüchtig machen könnte?«

»Sie wundert Euch?«

»Ja, ich wuße nicht. daß Ihr so viel poetischen Sinn habt.

»Die Poeten, mein Fräulein, sind die Echos der Natur: die Natur singt, und die Poeten singen die Lieder der Natur nach.«

»Es kommt immer besser, Prinz, und ich sehe, daß man Euch verleumdet hat, wenn man sagte, daß Ihr blos Geist besitzet; Ihr besitzet, wie mir scheint, noch überdieß eine glänzende Einbildungskraft.«

»Ich habe in meinem Herzen Euer Bild, und dieses strahlende Bild beleuchtet selbst meine unbedeutendsten Worte: schreibet also das Verdienst, das Ihr mir zuerkennen wollt, einzig und allein Euch selbst zu.«

»Nun wohl, Prinz, so laßt Euch einen Rath geben: Schließt Eure Augen und sehet mein Bild nicht an, das ist das Glücklichste was ich Euch wünschen kann.«

»Fräulein von St. André trat jetzt, eben so triumphirend über ihren Sieg als Herr von Condé durch seine Niederlage gedemüthigt war, einen Schritt auf ihn zu und reichte ihm die Hand mit den Worten:

»Sehet, Prinz, so behandle ich einen Besiegten.«

Der Prinz ergriff die weiße, aber kalte Hand des jungen Mädchens und drückte feurig seine Lippen darauf.

Bei dieser schlecht berechneten Bewegung fiel eine Thräne, die im Winkel seines Auges zitterte und die sein Hochmuth vergebens zu trocknen versucht hatte, auf diese Marmorhand, wo sie zitterte und wie ein Diamant glänzte.

Fräulein von St. André fühlte und sah sie zugleich.

»Ei warhaftig, ich glaube, Ihr weinet in allem Ernst, Prinz,« rief sie mit lautem Lachen.

»Es ist ein Regentropfen nach einem Gewitter,« antwortete der Prinz seufzend. »Was gibt es da zum Verwundern?«

Fräulein von St. André heftete einen flammenden Blick auf den Prinzen und schien einen Augenblick zwischen Coketterie und Mitleid zu schwanken; endlich aber zog sie, ohne daß man sagen konnte, welches von beiden Gefühlen obsiegte, vielleicht unter dem Einfluß der Vermischung beider, ein seines Battisttüchlein ohne Wappen und Anfangsbuchstaben, aber ganz von ihrem Lieblingsgeruch durchduftet, aus der Tasche, warf es dem Prinzen zu und sagte:

»Sehet gnädigster Herr, solltet Ihr zufällig an dieser Krankheit des Weinens leiden, so habt Ihr hier ein Schnupftuch, um Eure Thränen zu trocknen.«

Dann fügte sie mit einem Blicke, der ganz entschieden dem Gebiet der Coketterie angehörte, hinzu: »Behaltet es zum Andenken an eine Undankbare.«

Und sie verschwand leicht wie eine Fee.

Der Prinz nahm halb liebestoll das Schnupftuch und eilte, als fürchtete er, man möchte ihm das kostbare Geschenk wieder nehmen, die Treppe hinab. Er dachte nicht mehr daran, daß das Leben des Königs bedroht war; er vergaß daß sein Vetter, der Admiral, ihn bei dem Fräulein von St. André abholen sollte, und das Einzige was er zu thun vermochte war, darüber das theure Tüchlein mit Liebesküssen bedeckte

VII.
Die Tugend des Fräuleins von St. André

Erst am Uferrand blieb Condé stehen, wie wenn er gedacht hätte, daß zum mindesten die fünfhundert Schritte, die er jetzt zwischen sich und Fräulein von St. André gebracht hatte, nöthig seien, um ihm den ruhigen Besitz des kostbaren Schnupftuchs zu sichern.

Jetzt erst fiel ihm auch ein, daß er dem Admiral versprochen hatte auf ihn zu warten: er wartete also ungefähr eine Viertelstunde, während welcher er das Tüchlein an seine Lippen preßte und an seine Brust drückte, wie etwa ein sechzehnjähriger Gymnasiast bei seiner ersten Liebe.

Erwartete er jetzt wirklich den Admiral oder blieb er ganz einfach stehen, um noch länger dieses Licht zu sehen, das den fatalen Einfluß hatte, ihn, den glänzenden Nachtschmetterling anzulocken, bis er sich daran verbrannte?

Im Uebrigen war der arme Prinz in allem Ernst entflammt, und dieses durchduftete Schnupftuch trug dazu bei ihn schrecklich in Brand zu stecken.

Der stolze Kämpe der Liebe war weit entfernt sich überwunden zu glauben, und hätte das junge Mädchen, hinter ihren Fenstervorhängen verborgen, beim Mondschein eine zweite Thräne, diesmal eine Thräne der Wonne, in den Wimpern des Prinzen glänzen gesehen, so würde sie ohne Zweifel begriffen haben, daß dieses Schnupftuch die Thränen nicht nur nicht trocknete, sondern vielmehr die Gabe hatte sie hervorzulocken und daß dies Thränen des Kummers durch die Thränen der Wonne vermischt waren.

Nach einigen Minuten dieser Liebesentzückungen und wahnsinnigen Küsse wurde einer der Sinne des Prinzen, der nicht beschäftigt war, ohne Zweifel zur Rache dafür, daß sein Herr ihn gänzlich vergessen hatte, plötzlich durch ein unerwartetes Geräusch geweckt. Dieser Sinn war der Gehörsinn.

Das Geräusch kam offenbar aus den Falten des Schnupftuchs. Es erinnerte an den Tanz der beim ersten Hauch des Herbstwindes abgefallenen Blätter oder auch an eine kleine Völkerschaft von Insekten, die nach dem Fest des Tages massenhaft in ihre Baumhöhle zurückkehrt; oder endlich an jene melancholischen Töne, welche die Wassertropfen machen, wenn sie aus den Brunnen in die Becken herabfallen.

Es war eine Art von Geknitter, wie wenn man ein seidenes Kleid unter die Hand bekommt.

Woher kam es?

Augenscheinlich konnte dieses allerliebste Battisttüchlein nicht aus eigenem Antrieb und vermöge seiner eigenen Willenskraft ein Geräusch erregen, das für ihn eine so entschiedene Wirklichkeit hatte.

Verwundert über dieses Geräusch wickelte der Prinz sorgfältig das Schnupftuch auf, das ihm naiv sein Geheimniß überlieferte.

Es war ein zusammengerolltes Papierchen, das sich ohne Zweifel aus Versehen in den Falten dieses Schnupftuchs befand.

Dieses Billet schien nicht blos von desselben, Parfum durchduftet zu sein, wie das Schnupftuch, sondern dieses allerliebste Parfum kam vielleicht nicht von dem Schnupftuch, sondern von dem Billet.

Herr von Condé schickte sich an das Papierchen zwischen dem Daumen und dem Zeigefinger zu fassen, und zwar so sorgfältig wie ein Kind, das einen auf einer Blume sitzenden Schmetterling an den Flügeln zu ergreifen wünscht; aber wie der Schmetterling dem Kind entwischt, so entwischte das Billet durch einen Windstoß entführt, Herrn von Condé.

Herr von Condé sah es in der Nacht wie eine Schneeflocke flattern und sprang ihm mit noch weit größerer Hast nach, als ein Knabe seinem Schmetterling nachjagt.

Unglücklicher Weise war das Papier mitten unter die für die Palastbauten zugehauenen Steine gefallen, und da es beinahe dieselbe Farbe hatte, so war es schwer es unter ihnen herauszufinden.

Der Prinz begann mit hartnäckigem Eifer zu suchen. Hatte er sich nicht in den Kopf gesetzt (die Verliebten sind doch in Wahrheit sonderbare Leute), Fräulein von St. André habe ihn unter ihren Fenstern gesehen, sie habe dieses Billetchen, zum Voraus geschrieben, um es ihm bei kommender Gelegenheit zu geben, und jetzt da diese Gelegenheit sich gefunden, habe sie es ihm überreicht?

Dieses Billetchen gab ihm wahrscheinlich die Erklärung ihres Benehmens: das Geschenk mit dein Schnupftuch war blos eine Beförderung des Billets auf die Post.

»Man muß gestehen, es war wirklich Unglück ein solches Billet zu verlieren.

Aber das Billet durfte nicht verloren gehen; Herr von Condé schwur es zu Gott, und mußte er bis zum Morgen warten.

Inwischen suchte er, aber vergebens.

Einen Augenblick kam er aus die Idee nach der Wachstube im Louvre zu laufen, dort ein Licht zu entlehnen und dann weiter zu suchen.

Ja; aber wenn während dieser Zeit der Fenstern einen neuen Windstoß herbeiführte, wer sagte dann dem Prinzen, daß er das Billet da finden werde, wo er es gelassen?

Während der Prinz sich diesen schmerzlichen Betrachtungen überließ, sah er eine Patroullie auf sich zukommen, von einem Sergenten geführt, der eine Laterne in der Hand trug.

Besseres konnte er sich für den Augenblick nicht wünschen.

Er rief den Sergenten, gab sich zu erkennen und borgte ihm seine Laterne ab.

Nachdem er zehn Minuten lang gesucht, stieß er einen Freudenschrei aus: er hatte das glückselige Papier so eben bemerkt.

Dießmal machte es keinen Fluchtversuch und mit unsäglicher Freude deckte der Prinz seine Hand darauf.

Aber im selben Augenblick verspürte er eine Hand, die sich auf seine Schulter legte, und eine wohlbekannte Stimme fragte ihn in verwunderten Tone:

»Was zum Teufel macht Ihr denn da, mein lieber Prinz? Solltet Ihr zufällig einen Menschen suchen?«

Der Prinz erkannte die Stimme des Admirals.

Er gab dem Sergenten rasch die Laterne zurück und schenkte den Soldaten die zwei oder drei Goldstücke, die er bei sich hatte, und die wahrscheinlich für den Augenblick das ganze Vermögen des armen jüngeren Sohnes ausmachten.

»Ah, sagte er, »ich suche Etwas was für einen Verliebten noch weit wichtiger ist als ein Mensch für einen Philosophen: ich suche einen Brief.«

»Und habt Ihr ihn gefunden?«

»Ja, zum Glück, denn hätte ich ihn nicht so hartnäckig gesucht, so würde wahrscheinlich morgen eine ehrsame Dame vom Hof schrecklich compromitirt werden.«

»Ei zum Teufel, das nenne ich einen discreten Kavalier Und dieses Billet. . .«

»Hat nur für mich Wichtigkeit, mein lieber Admiral,« sagte der junge Prinz, indem er es in die Seitentasche seines Wamses steckte. »Sagt mir also, während ich Euch in die Rue Bethisy begleite, was zwischen dem Marschall von St. André und dem König vorgefallen ist.«

»So wahr ich lebe, etwas sehr Seltsames: ein Brief, worin gegen die auf den 22. angekündigte Hinrichtung des Rathes Anna Dubourg protestirt wird.«

»Ei ei, mein lieber Admiral,« sagte der Prinz lachend, »das sieht mir gerade aus, als käme es von irgend einem kezerischen Tollkopf.«

»Ich fürchte es in der That, versetzte Coligny, »und ich zweifle sehr daran, ob dem armen Rath damit ein Gefallen geschieht. Wie kann man jetzt noch um seine Begnadigung bitten? Der König kann immer antworten: Nein, denn wenn ich den Rath nicht hinrichten ließe, so wurde man glauben, ich habe Furcht.«

»Nun wohl,« sagte Condé überlegt diese wichtige Frage, mein lieber Admiral. und ich zweifle nicht daran, daß Ihr in Eurer Weisheit ein Mittel finden werdet die Sache in Ordnung zu bringen.«

Und da man erst an der Kirche St. Giermain-l'Auxerrois angelangt war, da ferner der Prinz auf der Müllerbrücke über die Seine gehen mußte um sein Hotel zu erreichen, da endlich die Nachtwächter zehn Schritte von ihm Ein Uhr schreen, so lieferte ihm das Alles zusammen, die Localität, der weite Weg und die späte Nacht, einen erwünschten Vorwand, um den Admiral zu verlassen und nach Hause zu gehen.

Der Admiral seinerseits war zu sehr mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, um ihn zurückzuhalten.

Es stand also dem Weggang des Herrn von Condé Nichts im Weg, und als dieser sich einmal außer der Sehweite des Herrn von Chatillon befand, da begann er aus Leibeskräften zu laufen, hielt aber beständig seine Hand fest auf dem kost baren Billet in seiner Wammstasche, um es nicht von Neuem zu verlieren. Aber diesmal war kleine Gefahr vorhanden.

Nach Hause kommen, die fünfzehn oder achtzehn Stufen, die in seine Wohnung führen, hinanstiegen, durch seinen Kammerdiener Wachskerzen anzünden lassen, ihn fortzuschicken mit dem Bedeuten, daß er seiner Dienste nicht mehr bedürfe, die Thüre schließen, an die Lichter treten und das Papier aus seiner Tasche ziehen – das Alles war die Sache von kaum zehn Minuten.

Nur zog im Augenblick, wo er diese bezaubernde Liebesbotschaft – ein so süß duftendes Billet konnte nichts Anderes sein – aufrollte und las, eine Wolke über seine Augen hin, und sein Herz schlug so heftig, daß er genöthigt war sich an das Kamin zu stützen.

Endlich beruhigte sich der Prinz. Seins Augen klärten sich, konnten auf dem Billet haften, und er las folgende Zeilen, auf welche er in dem holden Wahn einer Selbsttäuschungen ganz und gar nicht gefaßt war.

Und Ihr, liebe Leser. seid Ihr wohl gefaßt auf den Inhalt dieses Briefs, der aus Versehen in dem Schnupftuch geblieben, das Fräulein von St. André ihrem verzweifelten Liebhaber zugeworfen hat?

Ihr Kenner des Menschenherzens, habt Ihr eine gute Meinung von dem jungen Mädchen, das weder für diesen hübschen Pagen noch für diesen schönen Prinzen Liebe empfindet, und das dem Einen Rendezvous gibt um eine Angelleine von ihm zu verlangen, dem Andern ihr Schnupftuch zuwirft, damit er sich die Thränen trockne, die ihretwegen fließen, und zwar dieß Alles, während sie im Begriff steht einen Dritten zu heirathen?

Bringt die Natur wirklich solche steinerne eher Herzen hervor, welche die stärkste und schneidendste Klinge nicht zu ritzen vermag? Ihr zweifelt?

 

Sehet den Inhalt des Briefes an und Ihr werdet nicht mehr zweifeln.

»Lieber Schatz. kommt morgen Nacht um Ein Uhr sei gewiß in das Zimmer der Verwandlungen: das Zimmer, wo wir gestern Nacht beisammen waren, es liegt zu nahe beim Gemach der beiden Königinnen; unsere Vertraute wird dafür sorgen, daß die Thüre offen bleibt.«

Keine Unterschrift; die Hand unbekannt.

»Oh, das verworfene Geschöpf!« rief der Prinz, indem er mit der Faust auf den Tisch schlug und den Brief fallen ließ.

Und nach diesem ersten Ausbruch, der aus seinem tiefsten Herzen kam, stand er einen Augenblick wie vernichtet da.

Bald aber bekam er wieder Sprache und Bewegung; er ging mit großen Schritten im Zimmer auf und ab und rief:

»Also hatte der Admiral Recht.«

Er bemerkte jetzt den Brief, den er auf einen Lehnstuhl hatte fallen lassen.

»Also,« fuhr er immer hitziger werdend fort, »also bin ich das Spielzeug einer ausgemachten Cokette gewesen, und Diejenige die mit mir gespielt hat, ist ein Kind von fünfzehn Jahren! Ich, der Prinz von Condé, d. h. der Mann, der bei Hof für den feinsten Kenner des Frauenherzens gilt, ich habe mich durch die Gaunereien eines kleinen Mädchens bethören lassen. Beim Blute Christi, ich schäme mich meiner selbst! Ich habe mich wie ein Schuljunge hänseln lassen, und ich habe drei Monate meines Lebens, drei Monate im Leben eines gescheidten Mannes mit zwecklosen Opfern ohne Vernunft, ohne Nutzen, ohne Ruhm vergeuden ich habe drei Monate mit einer fieberhaften Liebe zu einer nichtswürdigen Dirne vergeudet, ich! ich!«

Er erhob sich wüthend.

»Ach ja; aber jetzt da ich sie kenne,« fuhr er fort, »jetzt soll sie es mit mir zu thun haben; wir wollen sehen, wer von uns Beiden am feinsten spielt. Du kennst mein Spiel, schönes Jungfräulein; aber ich kenne jetzt auch das Deinige. Oh, ich bürge dir dafür, ich werde den Namen dieses Menschen erfahren, der kein ruhiges Vergnügen genießen konnte.«

Der Prinz zerknitterte den Brief, steckte ihn zwischen seine hohle Hand und seinen Handschuh, nahm seinen Degen wieder, setzte seinen Hut auf und wollte eben ausgehen, als plötzlich ein Gedanke ihn zurückhielt.

Er stemmte sich mit dem Ellbogen an die Wand, lehnte seine Stirne in seine Hand und sann tief nach; dann, nach einem Augenblick der Ueberlegung, nahm er seinen Hut wieder ab, ließ ihn durch's Zimmer fliegen, setzte sich wieder an den Tisch und las diesen Brief, der eine so schreckliche Aenderung in seinem Gemüth hervorgebracht hatte, zum zweiten Male.

»Teufelsbrut!« sagte er, als er mit der Lectüre fertig war, »heuchlerisches und lügnerisches Weibsstück du stießest mich mit der einen Hand zur und locktest mich mit der andern an; da gebrauchtest gegen mich, einen bis zur Einseitigkeit ehrlichen Mann, alle Mittel Deiner höllischen Falschheit, und ich sah Nichte; ich begriff Nichts; als ehrlicher Mann war ich so dumm an Ehrlichkeit zu glauben, als tugendhafter Mann, war ich so dumm mich vor der falschen Tugend zu verbeugen. Ach ja, ich weinte; ja ich weinte vor Aerger; ja ich weinte vor Wonne! Fließet, fließet jetzt, meine Thränen! Thränen der Scham und Wuth! Fließet und verwischet die Flecken, womit diese unsaubere Liebe mich bedeckt hat! Fließet und reißet, wie ein Strom das dürre Laub, die letzten Selbstverwünschungen meiner Jugend, den letzten Glauben meiner Seele mit fort!!!

Und in der That begann dieser kräftige Geist, dieses Löwenherz zu schluchzen wie ein Kind.

Als er auf solche Art seinem Schmerz Genüge geleistet, las er den Brief zum dritten Mal, aber dießmal ohne Bitterkeit.

Die Thränen hatten die Selbsttäuschungen der Jugend und den Glauben der Seele, welchen nur diejenigen Verlieren die ihn nie gehabt haben, nicht fortgerissen, wohl aber im Gegentheil den Zorn und die Galle.

Freilich lassen sie Hohn und Verachtung hinter sich.

»Jedenfalls,« sagte er nach einem Augenblick, »habe ich mir selbst geschworen den Namen dieses Mannes in Erfahrung zu bringen, und ich werde ihn auch in Erfahrung bringen; man soll nicht sagen, daß ein Mann, mit welchem sie sich über meine lächerliche Leidenschaft lustig gemacht, mich verhöhnt habe und am Leben geblieben sei. Aber dieser Mann, fuhr der Prinz fort, »wer mag er sein?.«

Und er las den Brief von Neuem.

»Ich kenne dies Handschrift beinahe sämtlicher Herrn am Hofe, vom König an bis herab bis auf Herrn von Mouchy, und doch ist mir diese da unbekannt. Bei genauerer Betrachtung könnte man sie für eine Frauenhand, für eine nachgemachte Hand halten. Nachts Ein Uhr Saal der Verwandlungen. Warten wir auf morgen; Dandelot hat die Wache im Louvre, Dandelot wird mir behilflich sein, und nöthigenfalls auch der Herr Admiral.«

Und nachdem der Prinz diesen Entschluß gefaßt hatte, ging er noch drei oder viermal in seinem Zimmer auf und ab, dann warf er sich zuletzt ganz angekleidet aus sein Bett.

Aber die Gemüthsbewegungen aller Art, die ihn heimgesucht, hatten ihm ein Fieber zugezogen, das ihm nicht gestattete ein Auge zu schließen.

Nie hatte er vor einer wenn auch nach so mörderischen Schlacht eine solche Nacht erlebt.

Glücklicher Weise war es schon sehr spät; die Nachtwächter riefen drei Uhr, als der Prinz sich auf sein Bett warf.

Bei Tagesanbruch stand er auf und ging zum Admiral.

Herr von Coligny war ein Frühaufsteher, und der Prinz fand ihn schon auf den Beinen. Als der Admiral Herrn von Condé erblickte, erschrack er über seine Blässe und Aufregung.

»Oh mein Gott!« rief er, »was habt Ihr denn, mein lieber Prinz, was ist Euch zugestoßen?«

»Ihr erinnert Euch,« sagte der Prinz, daß Ihr mich gestern angetroffen.habt, wie ich unter den Steinen im Louvre einen Brief suchte, nicht wahr?«

»Ja, und Ihr habt auch das Glück gehabt ihn zu findend.«

»Das Glück! Ich glaube in der That, daß ich diesen Ausdruck gebraucht habe.«

»War dieser Brief nicht von einer Frau?«

»Doch.«

»Und diese Frau?«

»Sie ist, wie Ihr gesagt habt, mein Vetter ein Ungeheuer von Heuchelei.«

»Ah, ah! Fräulein von St. André; es scheint, da? von ihr die Rede ist.«

»Da leset selbst; dieß ist der Brief, den ich verloren und den der Wind aus einem Schnupftuch entführt hatte, das sie mir geschenkt.«

Der Admiral las.

Im Augenblick wo er zu Ende war kam Dandelot vom Louvre her, wo er die Nacht zugebracht hatte. Dandelot war im Alter des Prinzen und sehr nahe mit ihm verbunden.

»Ah. mein lieber Dandelot,« rief Condé, »ich kam zu dem Herrn Admiral hauptsächlich in der Hoffnung Euch da zu treffen!«

»Nun wohl. da bin ich, mein Prinz.«

»Ich habe Euch um einen Dienst zu ersuchen.«

»Zu Eurem Befehl.«

»So hört, um was es sich handelt: Ich muß aus einem Grund, den ich Euch nicht mittheilen darf. heute Abend um Mitternacht in's Zimmer der Verwandlungen kommen; habt Ihr irgend einen Grund mir den Gang zu verschließen?«

»Ja, gnädigster Herr, und zu meinem großen Bedauern.«

»Und warum das?«

»Weil Seine Majestät heute Nacht einen Drohbrief erhalten hat, worin ein Mann erklärt, daß er Mittel habe bis zum König zu gelangen, und weil der König die strengsten Befehle ertheilt hat, wodurch sämmtlichen Edelleuten, die keinen Dienst haben, der Eintritt in den Louvre nach zehn Uhr untersagt ist.«

»Aber, mein lieber Dandelot,« sagte der Prinz, »diese Maßegel kann mich nicht betreffen; ich habe bis jetzt zu jeder Stunde meinen Eintritt im Louvre gehabt. und wenn die Maßegel nicht persönlich gegen mich erlassen werden ist. . .«

»Es versteht sich von selbst, gnädigster Herr daß die Maßegel nicht gegen Euch persönlich erlassen sein kann; da sie aber gegen Alle erlassen ist, so seid Ihr auch darunter begriffen.«

»Nun wohl. Dandelot,« Ihr müßt zu meinen Gunsten eine Ausnahme machen aus Motiven, die der Herr Admiral kennt und die diesen Vorgängen da gänzlich, fremd sind: aus einem ganz persönlichen Grund muß ich heute um Mitternacht in den Saal der Verwandlungen gelangen, und es ist überdieß dringend nöthig, daß dieser Besuch für Jedermann, selbst für Seine Majestät ein Geheimnis bleibe.«

Dandelot zögerte, weil er sich schämte dem Prinzen Etwas abzuschlagen.

Er wandte sich gegen den Admiral, um ihn mit den Augen zu befragen, was er thun solle

Der Admiral machte mit dem Kopf ein Zeichen das so viel bedeutete als die vier Worte: »Ich hafte für ihn.«