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Vom Mars zur Erde

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„Ich werde Ihrem Wunsche in bescheidenem Umfange zu entsprechen suchen,“ antwortete Frommherz. „Wann soll ich erscheinen?“

„Um acht Uhr in der Liederhalle.“

„Gut! Ihr kommt doch mit mir, meine Freunde?“

„Selbstverständlich,“ knurrte Piller, ehrlich zornig über die seinem Freunde gemachte wenig rücksichtsvolle Zumutung.

„Also bis heute abend, meine Herren. Auf Wiedersehen und besten Dank für Ihr Entsprechen!“ Damit verabschiedete sich der Graf von Neckartal.

„Kaum zurück, wirst du zu einem Vortrage gepreßt, mit dem es wahrlich keine Eile gehabt hätte,“ polterte Piller, als der Graf gegangen war.

„Er wird kurz genug ausfallen, laß mich nur machen,“ erwiderte Frommherz lächelnd. „Ihr habt ja durch eure Publikationen über den Mars und seine Bewohner, wie ihr mir gesagt, genügende und erschöpfende Schilderungen gegeben. Somit bleibt mir glücklicherweise nur wenig mehr zu erklären übrig.“

„Es ist gut, daß du meine Größe hast, Fridolin. So kann ich dir mit entsprechender Kleidung für heute abend aushelfen. Auch mein Diener Hans, ein ehemaliger Haarkünstler, wird dir deine Marsitenmähne nach augenblicklicher Erdenmode um- und zustutzen,“ sprach Stiller. „Und nun laßt uns noch ein wenig den schönen Tag genießen und durch Wald und Flur streifen!“

Pünktlich um acht Uhr betraten die berühmten Gelehrten die festlich bekränzte und erleuchtete Liederhalle. Graf von Neckartal führte Herrn Frommherz in den großen Saal, der bis auf den letzten Platz von Stuttgarts bestem Publikum besetzt war. Minutenlanges Händeklatschen und Bravorufen empfing Frommherz, als er mit seinem Führer langsam und würdevoll dem Podium zuschritt, auf dessen Hintergrund seine drei Freunde Platz genommen.

Eine kurze, offizielle Begrüßungsrede des Vorsitzenden schloß mit einer scharfen Verurteilung des heutigen, im „Volksmund“ erschienenen Artikels. Nun erhielt Frommherz das Wort.

„Verehrte Anwesende!“ hub er mit seiner klangvollen Stimme zu sprechen an. „Nehmen Sie zuerst meinen verbindlichen Dank für den Willkomm, den Sie mir geboten. Daß mein Fortgehen vom Mars, auf dem ich während vierzehn Jahren gelebt, Ihnen eine große Überraschung bereitet hat, ist nach dem, was Sie von jenem Planeten durch meine Freunde gehört haben, nur zu leicht begreiflich. Es werden Sie daher die Gründe besonders interessieren, die mich zur Rückkehr in die alte schwäbische Heimat veranlaßten. Ich muß dabei etwas weiter ausholen.

Wie Sie wissen, war ich einst Professor religiöser Ethik an der Universität in Tübingen, als ich diese Professur aufgab, um mit meinen Gefährten und treuen Freunden die gewagte Reise nach dem fernen Kinde des Lichtes zu unternehmen. Meine Beschäftigung mit der Pflege des Geistes in ethisch-religiöser Richtung hatte mir meinen Glauben an den Wert unserer Kultur wie auch an die der führenden Nationen der Mutter Erde in starkes Wanken gebracht. Was sah ich in dieser Richtung überall hier unten? Eine Ablösung des Menschen von seiner natürlichen Basis. Als Folge davon ein künstliches Dasein mit Tausenden von Bedürfnissen, mit tausendfachen Abhängigkeitsverhältnissen und einer dadurch bedingten untergehenden individuellen Selbständigkeit.

Eine Weichlichkeit der Seele, ein betrübendes Siechtum der Kraft und des Selbstvertrauens bei zunehmendem Raffinement des Lebens. Immer weniger wurde das Leben hier eigenes Leben und bei allem Prunke äußerer Erfolge wurde es mehr und mehr ein unglückliches, haltloses Dasein. Ob dies heute gegen früher um vieles besser geworden ist? Ich wage zu zweifeln.

Ein schrankenloser Egoismus beherrschte alle und alles. Dem heftigsten Kampfe um die materiellen Güter, um Macht und Erwerb und um die Sicherheit für die Zukunft folgten ebenso heftige, rasch wirkende Genüsse, die Körper und Geist der Menschen gleich verderblich schädigten. Das Ich war der Götze, dem auch die ideellen Güter geopfert wurden. Das war die Signatur unserer so sehr gepriesenen Kultur, und ich fürchte, daß sie es wahrscheinlich auch noch heute ist.

Und nun kamen wir nach dem Mars. Was wir dort sahen und erlebten, wissen Sie ja zur Genüge aus den Schilderungen meiner Freunde. Die hohe Kultur des Marsvolkes aber bannte mich in ihren wunderbar schönen Zauberkreis. Ich war unsagbar glücklich darüber, das Ideal des Daseins da oben in vollendeter Form vorgefunden zu haben. Die Erde reizte mich nicht mehr zur Rückkehr, und so ließ ich meine Freunde fortziehen und blieb allein, gegen ihren Willen, zurück.

Welch ein Gegensatz besteht zwischen dem Leben dort und hier! Das Prinzip des naturgemäßen Lebens, das ich hier unten vertrat, dort oben traf ich es verwirklicht. Und das Resultat ist daher keine kranke, sondern eine gesunde, frohe und frische Kultur, getragen von jener wahren, echten Menschlichkeit, die nur im Wohle des Nächsten das eigene Glück erblickt. Auf dem Mars ist jeder einzelne von Jugend auf gewöhnt, sich geistig und körperlich zu beschäftigen. Er findet daher keine Zeit, allzuviel an sich selbst zu denken, sein eigenes Ich in den Vordergrund zu stellen, einem Subjektivismus zu frönen, der hier unten eine so große und verderbliche Rolle spielt.

Die Pflege des Idealen, die Gattungsliebe, nur von dem Wunsche beseelt, der Gesamtheit zu dienen, lediglich beeinflußt von der Rücksicht auf das Wohl aller, schafft bei den Marsiten als natürliche Folge jenes wunderbare Gleichgewicht des Innern, das ihrer materiellen Tätigkeit, dem auch auf dem Mars bestehenden Kampfe ums Dasein jegliches Schädigende, Verletzende und Giftige vorwegnimmt. Ein gereiftes, hochstehendes Volk, gleich kräftig und gesund an Körper wie an Geist, ein Volk, bei dem die Solidarität die Haupttriebkraft seines ganzen Handelns bildet.

Welch großartiger Leistungen diese Solidarität fähig ist, habe ich oben auf dem Planeten selbst erfahren dürfen. Sie war es, die mich aufrüttelte, die mir meinen den Freunden gegenüber begangenen Fehler des eigenmächtigen, egoistischen Zurückbleibens zu klarem Bewußtsein brachte und in mir den Wunsch reifen ließ, in ehrlicher Weise meinen Fehler gut zu machen. So entschloß ich mich zur Rückkehr zur Erde, um, mit meinen Freunden wieder vereint, gemeinsam an dem schwierigen Werke der Menschenerhebung weiter zu arbeiten. Eine dankbare Aufgabe ist dies nicht, das weiß ich wohl, aber ich frage danach nicht. Ich will praktisch hier unten verwerten, was in mir oben lebendig geworden ist. Meine heutige Religion ist die des Erbarmens, der Nächstenliebe.

Langsam ist der Gang der menschlichen Entwicklung. Dornenvoll ist deren Bahn, aber trotzdem unhemmbar in ihrem Vorwärtsschreiten. Der Menschheit das strahlende Banner der Wahrheit, der Vernunft und der natürlichen Moral auf diesem Wege voranzutragen, betrachte ich als die Pflicht eines jeden, dem das Wohl seiner Brüder, die Förderung wahren Menschentums am Herzen liegt.

So bin ich also zurückgekommen und habe Ihnen offen den Beweggrund mitgeteilt, der mich in den Dienst einer Pflicht ruft, der ich fortan den Rest meines Lebens weihen will. Ich habe gesprochen.“ Mit leichter Neigung des Kopfes gegen die Zuhörer verließ Frommherz das Podium.

Die wenigen, aber bedeutungsvollen Worte des Redners hatten auf die Versammelten außerordentlich tief eingewirkt. Sie offenbarten die sittliche Größe des Mannes, vor der sich jeder der Anwesenden unwillkürlich achtungsvoll verneigte. Wenn auch mancher der Erschienenen einen Reisevortrag voll Abenteuer und aufregender Erlebnisse zu hören erwartet hatte, so fühlte er sich für den Ausfall durch das, was Frommherz gesprochen, nicht nur reichlich entschädigt, sondern auch geistig merkwürdig bewegt. Es waren diesen Abend Samenkörner ausgestreut worden, die da und dort auf wirklich fruchtbaren Boden fielen.

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