Hochschulrecht im Freistaat Bayern

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b) Mitwirkungsrechte der Kirchen bei der Besetzung von Lehrstühlen in den theologischen Fakultäten

aa) Die Pflicht zur Einholung des „nihil obstat“

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Da die theologischen Fakultäten konfessionell ausgerichtet sind und da evangelische und katholische Theologie als unterschiedliche Wissenschaften zu betrachten sind, sind im Hinblick auf ihr Bekenntnis Anforderungen an die Hochschullehrer zu stellen: Ein römisch-katholischer Theologe oder ein bekennender Atheist kann nicht mit der erforderlichen Qualifikation, zu der auch die persönliche Glaubwürdigkeit zählt, bekenntnisgebundene evangelische Theologie lehren.[22] Bei den Professuren in den theologischen Fakultäten handelt es sich daher um „konfessionsgebundene Staatsämter“[23], die sich gegenüber dem Verfassungsgebot des gleichen, vom religiösen Bekenntnis unabhängigen Zugangs zu öffentlichen Ämtern (Art. 94 II, 107 IV, 116 BV) durch die gleichrangige Garantie des Art. 150 II BV rechtfertigen lassen.[24] Da der religiös-weltanschaulich neutrale Staat, dem auch die Universität mit ihren Einrichtungen zuzuordnen ist, keinen Maßstab dafür besitzt, was bekenntnisgemäße „evangelische“ oder „katholische“ Theologien sind, kann er nicht selbst darüber urteilen, ob ein Kandidat geeignet ist, ein Lehramt in der Theologie der jeweiligen Konfession auszuüben. Er ist vielmehr auf das Urteil der jeweiligen Religionsgemeinschaften darüber angewiesen. Das Bundesverfassungsgericht sieht die damit verbundene Einflussnahme der Religionsgemeinschaften auf die personelle Zusammensetzung der theologischen Fakultäten dadurch gerechtfertigt, dass mit der Errichtung theologischer Fakultäten an staatlichen Hochschulen das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften betroffen ist. Die Bekenntnisgebundenheit des Amtes des Hochschullehrers an einer theologischen Fakultät sei eine Funktionsbedingung dieses Amtes.[25] Dementsprechend ist in Art. 3 § 2 des Konkordats für die katholisch-theologischen Fakultäten festgelegt, dass Professoren und andere Personen, die zur Lehre berechtigt sind, vom Staat erst ernannt oder zugelassen oder Lehraufträge erteilt (werden), wenn gegen die in Aussicht genommenen Kandidaten von dem zuständigen Diözesanbischof keine Erinnerung erhoben worden ist („nihil obstat“). Genauere Regelungen zum Verfahren sind in einem Notenwechsel zwischen dem Apostolischen Nuntius und dem Bayerischen Ministerpräsidenten vom 7.9.1974 enthalten.[26] Für die staatliche Berufung kommt es nur auf das Votum des Diözesanbischofs an. Ob darüber hinaus nach kanonischem Recht die Zustimmung des Heiligen Stuhls (– der ja Vertragspartei des Konkordats ist –) erforderlich ist, ist für den Staat ohne Belang.[27]

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Nach dem Sinn der Pflicht zur Einholung des diözesanbischöflichen „nihil obstat“ darf dieses nicht aus beliebigen Gründen verweigert werden. Es kommen nur solche Gründe für seine Verweigerung in Betracht, die die Fähigkeit des Kandidaten zur Lehre gemäß den Grundsätzen der römisch-katholischen Kirche in Frage stellen. Da zur Glaubwürdigkeit der Lehre auch die Einhaltung der grundlegenden Normen römisch-katholischer Lehre über den Lebenswandel gehört (z.B. der zölibatäre Lebenswandel eines Hochschullehrers, der die Priesterweihe empfangen hat), kann das „nihil obstat“ auch aus entsprechenden Gründen verweigert werden, wie sie in Art. 3 § 3 des Konkordates für die nachträgliche Beanstandung eines Hochschullehrers genannt werden.[28] Die im Konkordat nicht ausdrücklich enthaltene Beschränkung der Berechtigung zur Verweigerung des „nihil obstat“ auf die genannten Gründe ergibt sich daraus, dass nur die Besonderheiten des „konfessionellen Staatsamtes“, nicht aber andere Gründe eine Abweichung vom Verfassungsgebot der gleichen, bekenntnisunabhängigen Zulassung zu den öffentlichen Ämtern rechtfertigen können.[29] In der Regel wird kein Anlass zum Zweifel bestehen, dass das Votum des Diözesanbischofs durch derlei sachliche Gründe getragen wird. Sind aber keine solchen ersichtlich, darf der Staat zum Schutz von Art. 94 II, 107 IV, 116 BV um Erläuterung der Gründe für die Verweigerung eines „nihil obstat“ ersuchen und entsprechend verfahren.

bb) Die nachträgliche Beanstandung

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Art. 3 § 3 des Konkordats regelt die nachträgliche Beanstandung eines der in Art. 3 § 2 genannten (Hochschul)lehrers durch den Diözesanbischof wegen (der) Lehre oder wegen (des) sittlichen Verhaltens des Betreffenden aus triftigen Gründen. Er regelt als Rechtsfolge einer solchen Beanstandung, dass der Staat unbeschadet der staatsdienerlichen Rechte alsbald auf andere Weise für einen entsprechenden Ersatz sorgen wird. Darin ist Mehreres enthalten. Zum einen verweist der Bezug auf die staatsdienerlichen Rechte darauf, dass der Grund für die Beanstandung nicht gleichzeitig auch ein Verstoß gegen die Dienstpflichten des Betreffenden sein muss. Überdies steht dem Lehrer der Theologie an einer wissenschaftlichen Hochschule das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit zur Seite. Dieses vermittelt zwar kein Recht auf ein bestimmtes Amt, aber es schützt den Amtsträger vor Sanktionen für seine wissenschaftlich begründete Auffassung, auch wenn sie mit den kirchlichen Grundsätzen nicht vereinbar sein sollte. Indes sind durch Konkordat und Art. 150 II BV die theologischen Fakultäten als konfessionell gebundene Einrichtungen garantiert – mit den entsprechenden Konsequenzen für die Anforderungen an die Hochschullehrer als Inhaber eines „konfessionsgebundenen Staatsamtes“. Die Konsequenz aus dieser Spannung zwischen den staatsdienerlichen Rechten, insbesondere der Wissenschaftsfreiheit (und sonstigen Grundrechten des Hochschullehrers wie z.B. ihre Religions- oder ihre Eheschließungsfreiheit) und der ebenfalls im Kern verfassungsrechtlich begründeten Rechtsposition der Kirche werden – zum zweiten – dadurch gelöst, dass der Betreffende grundsätzlich sein Lehramt und seine dienstrechtliche Stellung behält, aber nicht in der theologischen Fakultät verbleibt.[30] Diese Konsequenz ist im Schlussprotokoll zum Konkordat festgehalten[31] und in Art. 103 I S. 2 BayHSchG umgesetzt.[32] Damit ist auch eine eindeutige gesetzliche Grundlage geschaffen, womit dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes Rechnung getragen wird, der Anwendung fände, wenn man die Entfernung des betreffenden Hochschullehrers aus der Fakultät als Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit ansieht.[33] Schließlich enthält Art. 3 § 3 die Zusage, dass der Staat in diesem Fall, unter den üblichen Voraussetzungen, für einen grundsätzlich gleichwertigen Ersatz für die theologische Fakultät auf Staatskosten sorgt, d.h. eine der betreffenden Professur gleichwertige Stelle neu einrichtet und nach Maßgabe des Art. 3 § 2 besetzt.

cc) Die Mitwirkungsrechte der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern

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Die Mitwirkungsrechte der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern bei der Besetzung von Lehrämtern in den evangelisch-theologischen Fakultäten sind nach dem Wortlaut des Kirchenvertrages schwächer ausgeprägt als die entsprechenden Rechte der römisch-katholischen Kirche. So wird in Art. 2 Abs. 2 S. 2 des Kirchenvertrages der Mitwirkungsvorbehalt für die Ernennung von Hochschullehrern an evangelisch-theologischen Fakultäten auf solche Personen beschränkt, die zur selbstständigen Lehre berechtigt sind, während auf dieses Merkmal für die Lehrer an katholisch-theologischen Fakultäten durch den Vertrag zur Änderung des Konkordats vom 7. Juli 1978 verzichtet wurde. Abweichend von der Regelung im Konkordat soll das Votum des Landeskirchenrates[34] über eine zu ernennende Person lediglich gutachtlicher Natur sein. Diese Einschränkung erinnert an das landesherrliche Kirchenregiment, unter dem der Monarch auch die evangelische Kirche als summus episcopus vertrat und das Konsistorium als Vorgänger des Landeskirchenrates eine landesherrliche Behörde wie das für die Hochschulen zuständige Ministerium war. Unter den heutigen verfassungsrechtlichen Verhältnissen, namentlich unter dem Grundsatz der Trennung von Staat und Kirche und der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates, dürfte sich aber das für Ernennungen zuständige Ministerium bzw. die sonst zuständigen Behörden nicht anmaßen, gegen ein Votum des Landeskirchenrates zu entscheiden, sofern dies auf nachvollziehbaren Gründen für die mangelnde Eignung des Kandidaten zu evangelisch-lutherischer Lehre beruht. Entsprechend ist der Vertrag dahingehend verfassungskonform auszulegen, dass unter der genannten Voraussetzung nicht vom Votum des Landeskirchenrates abgewichen werden darf. Das Bundesverfassungsgericht hat darauf hingewiesen, dass die Beschränkung der Mitwirkung der Kirchen auf eine Begutachtung nicht die Pflicht des Staates ausschließe, an seinen staatlichen theologischen Hochschulen das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen zu achten.[35]

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Abweichend von Art. 3 § 3 des Konkordates sieht der Kirchenvertrag die nachträgliche Beanstandung eines Hochschullehrers nicht vor. Allerdings ergibt sich aus der Garantie der theologischen Fakultäten als konfessionell gebundene Einrichtungen, die durch die Zusicherung des evangelisch-lutherischen Charakters in Art. 2 II S. 1 KV bestärkt und konkretisiert wird, dass einem Hochschullehrer der Theologie, dessen Lehre die durch das lutherische Bekenntnis gezogenen (weiten) Grenzen überschreitet, die erforderliche Eignung für sein Lehramt fehlt. Nach Art. 103 I S. 3 BayHSchG wird demgemäß auch dem Landeskirchenrat die Möglichkeit einer nachträglichen Beanstandung eingeräumt. Zwar ordnet Art. 103 I S. 3 BayHSchG auch hier lediglich die gutachterliche Einvernahme des Landeskirchenrates an. Da der Staat aber nicht über die Frage entscheiden kann, ob die bekenntnismäßigen Voraussetzungen vorliegen, wird er bei einer entsprechenden, begründeten und nachvollziehbaren Beanstandung der Lehre durch den Landeskirchenrat die Konsequenzen ziehen und den betreffenden Hochschullehrer gem. Art. 103 I S. 3 BayHSchG – wie im Parallelfall eines katholischen Theologen – aus der Fakultät entfernen müssen.[36] Auch dafür bildet Art. 103 I S. 3 BayHSchG die gesetzliche Grundlage. Vergleichbar ist in einem derartigen Fall – außerhalb Bayerns – unter Billigung des Bundesverfassungsgerichts verfahren worden.[37]

 

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Zwar sind Fälle vorstellbar, dass auch das sittliche Verhalten eines Hochschullehrers die Glaubwürdigkeit seiner evangelisch-theologischen Lehre beseitigt.[38] Da aber die evangelisch-lutherische Kirche vergleichbar geringere Anforderungen an das Verhalten stellt, dürfte eine entsprechende nachträgliche Beanstandung ein eher theoretischer Fall sein.

c) Theologische Lehrstühle außerhalb der theologischen Fakultäten

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In Art. 3 § 4 des Konkordats (insgesamt vier der katholischen Theologie gewidmete Professuren) und in Art. 3 und 4 des Kirchenvertrages (insgesamt 13 der evangelischen Theologie gewidmete Professuren) sind auch staatliche Zusagen für Theologieprofessuren außerhalb der theologischen Fakultäten enthalten. Durch die 2007 in Kraft getretenen Zusatzprotokolle[39] haben die Kirchen den Staat von einem Teil dieser Verpflichtungen entbunden (so für insgesamt 5 Professuren der evangelischen Theologie) bzw. zeitweise freigestellt (Zeit des „Ruhens“ für vier katholisch-theologische Professuren). Diese Professuren dienen den Erfordernissen der Lehrerbildung, namentlich der Ausbildung von Religionslehrern, wie sich aus den näheren Bestimmungen der Verträge ergibt. Da der Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen nach Art. 7 III GG bzw. Art. 136 II BV in konfessioneller Gebundenheit gemäß den Grundsätzen der jeweiligen Religionsgemeinschaften zu erteilen ist, ist sicherzustellen, dass auch die fachliche und didaktische Ausbildung diesen Grundsätzen entspricht. Da auch in diesen Fällen der Staat die Frage, ob ein Hochschullehrer geeignet ist, Theologie im Sinne der jeweiligen Religionsgemeinschaft zu lehren, nicht selbst entscheiden kann, ist er auch hier auf das Votum der Religionsgemeinschaften angewiesen. Dementsprechend gilt auch für diese Professuren das für das „nihil obstat“ bzw. die gutachtliche Einvernahme des Landeskirchenrates vor der Ernennung und für die nachträgliche Beanstandung Ausgeführte entsprechend. Die Geltung der entsprechenden Vorschriften wird in Kirchenvertrag und Konkordat jeweils ausdrücklich angeordnet (Art. 3 I S. 3, 4 I S. 2 Kirchenvertrag, Art. 2 § 4 S. 2 des Konkordates). Das Berufungsverfahren für diese Professuren wird nach den vertraglichen Regelungen jeweils durch eine benachbarte theologische Fakultät der jeweiligen Konfession durchgeführt.

d) „Konkordatsprofessuren“

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Nach Art. 3 § 5 des Konkordats unterhält der Staat an den Universitäten Augsburg, Bamberg, Erlangen-Nürnberg, München (LMU), Passau, Regensburg und Würzburg je einen Lehrstuhl für Philosophie, Gesellschaftswissenschaften und für Pädagogik, gegen deren Inhaber hinsichtlich ihres katholisch-kirchlichen Standpunktes keine Erinnerung zu erheben ist. Auch für die Besetzung dieser Professuren ist bisher die Einholung des „nihil obstat“ vor der Ernennung erforderlich gewesen. Eine nachträgliche Beanstandung ist hier freilich nicht vorgesehen. Im Zusammenhang mit Rechtsstreitigkeiten über die Besetzung eines solchen „Konkordatslehrstuhls“ im Fach Philosophie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg haben die römisch-katholischen Bischöfe Bayerns im Jahr 2013 ihren Verzicht auf die Mitwirkung bei der Besetzung der Konkordatsprofessuren angekündigt. Damit ist die verfassungsrechtliche Problematik der Konkordatsprofessuren weitgehend obsolet. Insofern kann auf die Vorauflage dieses Handbuchs verwiesen werden.

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Im Kirchenvertrag sind keine den Konkordatsprofessuren vergleichbaren „Kirchenvertragslehrstühle“ vereinbart. Die evangelische Kirche hat auch keine entsprechenden Forderungen formuliert. Das in Art. 2 III des Kirchenvertrages enthaltene Versprechen, die Ausbildungsbedürfnisse der Studierenden der evangelischen Theologie im Fach Kirchenrecht zu berücksichtigen und die dazu in den Notenwechseln vom 12.9.1974 und 10.7.1978 ergangene staatliche Zusicherung, dass die Professur für Kirchenrecht am Juristischen Fachbereich der Universität Erlangen-Nürnberg wie bisher gewährleistet bleibt, räumt der Kirche kein formelles Mitspracherecht bei der Besetzung der entsprechenden Professuren ein.[40] Freilich wird dabei in der Praxis das Einvernehmen mit dem Landeskirchenrat gesucht. Das ist sinnvoll, um sicherzugehen, dass die vertragliche Verpflichtung zur Berücksichtigung des evangelischen Kirchenrechts durch den betreffenden Kandidaten auch erfüllt werden kann. Diese wäre beispielsweise durch die Berufung eines nicht-evangelischen oder eines betont kirchenfeindlichen Kandidaten jedenfalls gefährdet.

e) Regelungen zu Lehrangebot und zur Beteiligung bei Prüfungen

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Die hochschulbezogenen Regelungen in Konkordat und Kirchenvertrag beschränken sich nicht auf die Garantie von theologischen Fakultäten, Professuren und Einflussrechten der Kirchen in Bezug auf das Lehrpersonal. Vielmehr werden auch Regelungen inhaltlicher Art über das Lehrangebot an den Hochschulen und über die Rechte der Kirchen in Bezug auf das Prüfungswesen statuiert. So wird in Art. 5 I des Kirchenvertrages festgelegt, dass das Lehrangebot an den evangelisch-theologischen Fakultäten insbesondere den Bedürfnissen des Berufs eines evangelischen Pfarrers unter Berücksichtigung der kirchlichen Prüfungsordnungen Rechnung tragen muss. Damit wird darauf verwiesen, dass die Regelungen über die erforderliche Qualifikation zum Pfarrerberuf eine Angelegenheit der Kirchen ist, die dementsprechend eigene Regelungen dazu getroffen haben. Die evangelische Kirche unterhält auch ein eigenständiges Prüfungswesen.

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Ähnlich ist die Regelung für die katholisch-theologischen Fakultäten in Art. 4 § 1 des Konkordats, wonach deren Lehrangebot den Bedürfnissen des priesterlichen Berufs, daneben denen anderer seelsorgerischer Dienste nach Maßgabe der kirchlichen Vorschriften Rechnung tragen muss. Freilich wird, anders als bei der evangelischen Theologie, ein Studiengang mit kirchlichem Abschluss neben dem universitären Diplom an den bayerischen katholisch-theologischen Fakultäten nicht angeboten.

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Weiter wird im Konkordat und im Kirchenvertrag im Einzelnen angeordnet, inwiefern das Lehrangebot in den theologischen Fakultäten, der übrigen der Theologie gewidmeten vertraglich garantierten Professuren und in anderen Einrichtungen auch den Bedürfnissen der Lehrerausbildung entsprechen muss (Art. 5 II des Kirchenvertrages, Art. 4 § 2 des Konkordates). Den Kirchen wird ferner das Recht eingeräumt, Vertreter zu solchen staatlichen bzw. universitären Prüfungen zu entsenden, in denen die Lehrbefähigung für den Religionsunterricht festgestellt werden soll (Art. 5 VII des Kirchenvertrages, Art. 4 § 5 des Konkordates). Schließlich werden staatliche Studienordnungen an staatlichen Ausbildungsstätten für Studiengänge, die auf einen kirchlich ausgerichteten Beruf abzielen, im Benehmen mit dem Landeskirchenrat erteilt, Art. 4 VII des Kirchenvertrages – gemeint sind natürlich nur Berufe in der evangelischen Kirche.

f) Einrichtung neuer Studiengänge – insbesondere der „Bologna-Prozess“

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Unter der übergroßen Zahl von Reformen im Hochschulwesen der letzten Jahre nimmt der Bologna-Prozess einen besonderen Rang ein. Bei der Einführung konsekutiver Studiengänge nach dem Bachelor-/Master-Modell mit dem Bachelor-Abschluss als erstem berufsqualifizierenden Abschluss und beschränktem Zugang zum weiterführenden Master-Studiengang ist aber – anders als in anderen Fächern – im Bereich der theologischen Fakultäten die besondere Rechtsstellung der Kirchen auch in der Studienreform zu beachten.[41] Einseitig, d.h. ohne Zustimmung der Kirchen, kann der Staat, dem Universität und Fakultät für diese Problematik im Verhältnis zur Kirche zuzuordnen sind, das kirchliche Examen bzw. das Diplom jedenfalls nicht durch einen Bachelor- oder Masterabschluss ersetzen. Es gehört zu den eigenen Angelegenheiten der Kirchen, die Voraussetzungen festzulegen, unter denen der Zugang zum priesterlichen bzw. zum Pfarrerberuf möglich ist.[42] Das ergibt sich aus Art. 142 III BV sowie Art. 137 Abs. 3 WRV in Verbindung mit Art. 140 GG, der das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften sichert.[43] Die Kirchen haben das Recht, die Anforderungen an die Vorbildung ihrer theologischen Mitarbeiter, insbesondere der Pfarrer, selbst zu bestimmen. Da die theologischen Fakultäten der Vorbildung der Pfarrer dienen, müssen die Fakultäten auch auf diese Anforderungen hin ausbilden. Die Kirchen versuchen, den Anforderungen des Bologna-Prozesses für das Theologiestudium aufgrund eigener Ordnungen auf verschiedene Weise Rechnung zu tragen, insbesondere durch eine stärkere Modularisierung des Studiums bei Beibehaltung der Besonderheiten der theologischen Ausbildung und ihrer Studienabschlüsse.[44]

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Durch die Einführung eines Bachelor-/Master-Studiums nach dem Bologna-Modell neben dem zum kirchlichen Examen führenden Studium würde dagegen die Funktion der theologischen Fakultäten nicht unmittelbar berührt. Dennoch können auch solche Studiengänge jedenfalls dann nicht ohne Zustimmung der Kirchen eingeführt werden, wenn sie zu einem kirchlichen Beruf hinführen oder wenn durch ihre Einführung die Theologenausbildung insgesamt beeinflusst wird. Zwar enthält nur der Kirchenvertrag die Klausel, dass für Studiengänge, die zu einem kirchlichen Beruf hinführen, (lediglich) das Benehmen mit dem Landeskirchenrat hergestellt werden muss. Allerdings kann insofern auf die Argumente der Rechtsprechung des BVerwG im Streit um die Einrichtung eines Diplomstudienganges katholische Theologie an der Universität Frankfurt zurückgegriffen werden.[45] Diese geht davon aus, dass die Einrichtung eines Diplomstudienganges „katholische Theologie“ an einer staatlichen Universität, der auf die Ausbildung zum katholischen Volltheologen abzielt und mit einem theologischen Diplom abschließt, wegen seiner Rückwirkungen auf die Theologenausbildung eine gemeinsame Angelegenheit von Staat und Kirche sei.[46] Obwohl die Einführung eines Studienganges an sich ein staatlicher Organisationsakt ist, wird damit die Errichtung eines theologischen Studienganges auch als Angelegenheit der Kirchen eingestuft und damit grundsätzlich auch dem Selbstbestimmungsrecht der Kirche zugeordnet. Das Bundesverwaltungsgericht hat zwar weiter ausgeführt, dass das Recht der Kirchen, ihre Angelegenheiten selbstständig zu ordnen und zu verwalten, seine Schranke nicht nur in einfach-gesetzlichen Regelungen findet, sondern auch in verfassungsrechtlichen Gewährleistungen, insbesondere in der Garantie der Wissenschaftsfreiheit mit den daraus herzuleitenden staatlichen Aufgaben.[47] Die staatliche Aufgabe der Wissenschaftspflege und das Eigeninteresse des Staates an der Pflege der wissenschaftlichen Theologie kann danach auch dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht als für alle geltendes Gesetz entgegen gehalten werden. Soweit die Kirche aber nachvollziehbare Gründe dafür ins Feld führen kann, dass die übrige Theologenausbildung und sonstige schützenswerte kirchliche Belange einschneidend berührt werden, müssen die möglicherweise verfolgten staatlichen Interessen zurücktreten. Dies ist aber bei einem auf einen kirchlichen Beruf ausgerichteten Theologiestudium ohne Weiteres der Fall, sollen nicht der Kirche von ihr für ungeeignet gehaltene Kandidaten aufgedrängt werden. Daher wäre unter Zugrundelegung der bisherigen Rechtsprechung die Einführung eines gestuften Studiengangs mit dem Anspruch, mit dem Bachelorgrad eine Qualifikation für einen kirchlichen Beruf zu vermitteln, auch neben der herkömmlichen Ausbildung gegen den Willen der betroffenen Bekenntnisgemeinschaft nicht möglich.[48] Dieser Anspruch dürfte aber bei einem angeblich berufsqualifizierenden Abschluss wie dem Bachelorgrad implizit enthalten sein. Eine Einführung des Bachelor-/Master-Modells ließe sich allenfalls dann mit dem Selbstbestimmungsrecht der Kirchen vereinbaren, wenn dieser implizite Anspruch nicht erhoben und dies auch nach außen, insbesondere gegenüber den Studierenden, deutlich gemacht würde. Zulässig wäre selbstverständlich auch die Einführung von Studiengängen nach diesem Modell mit Zustimmung der Kirche.

 

Das soeben Ausgeführte gilt allgemein für die Einführung neuer theologischer Studiengänge – auch abseits des Bachelor-/Master-Modells.

1. Kapitel Grundlagen › III. Staatskirchenrechtliche Grundlagen › 2. Verpflichtete und Berechtigte der staatskirchenrechtlichen Garantien