Handbuch Arzthaftungsrecht

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

4. Expertenstatus des Arztes und Selbstbestimmungsrecht des Patienten

50

Die Vertrags- wie die Deliktshaftung beruhen auf der Anerkennung des Prinzips vom Expertenstatus des Arztes und des Selbstbestimmungsrechts des Patienten. Der Patient muss in beiden Haftungssystemen gleichermaßen als Subjekt, nicht als Objekt der Behandlung angesehen werden. Das längst nicht mehr paternalistisch bestimmte, sondern im Zeichen grundgesetzlicher Wertentscheidungen stehende Verhältnis zwischen Arzt und Patient vereint den Expertenstatus des Behandelnden mit dem Selbstbestimmungsrecht und der personalen Würde des Kranken. So hat der Patient ein Recht darauf, vor größeren, nicht plötzlich anstehenden Eingriffen seinen Operateur vorher kennenzulernen und jedenfalls stets, zumindest nachträglich, seinen Namen zu erfahren.[104] Auch hat er das Recht, von einem vereinbarten Arzt behandelt zu werden. Ansonsten wird der Eingriff rechtswidrig[105]. Insoweit gibt es keine Differenzierung zwischen honorarrechtlicher und haftungsrechtlicher Rechtsprechung.

5. Beweislast für anspruchsbegründende Voraussetzungen

51

Dem Vertrags- und Deliktsrecht gemeinsam ist, dass der Anspruchsteller grundsätzlich die Beweislast für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen trägt. Im Einzelnen sind das der Arztfehler, die daraus entstandene Verletzung, die Kausalität und das Verschulden des Arztes[106], seit dem Erlass des Patientenrechtegesetzes aber auch die Aufklärungspflichtverletzung[107]. Schon zuvor ließ sich die Beweislast des Arztes für die Aufklärungspflichtverletzung letztlich allenfalls deliktisch begründen. Die Pflichtverletzung nach § 280 Abs. 1 BGB hätte der Patient beweisen müssen. Auch die §§ 630 a–g BGB begründen im Grundsatz keine neuen Beweislastregelungen i.S. einer allgemeinen Beweislastumkehr.[108]

6. Prägnante Unterschiede

52

Da die Pflichten des Arztes aus Vertrag und Delikt sich schon immer glichen, bedeuteten die Reformen im Arzthaftungsrecht keine wirklichen Veränderungen. Ehestens wird die Bedeutung des Deliktsrechts als Anspruchsgrundlage zurückgedrängt. Ansprüche aus § 823 BGB sind in Zukunft nur noch für Ansprüche gegen Ärzte von Bedeutung, zu denen kein Vertragsverhältnis besteht, z.B. den angestellten Klinikärzten.

53

Von größerer praktischer Bedeutung ist der Haftungsumfang, der deutlich weiter gefasst ist als im Vertragsrecht. Vertragliche Ansprüche stehen grundsätzlich nur dem Vertragspartner zu, im Deliktsrecht gibt es auch Ansprüche von Dritten. Im Deliktsrecht finden sich Ersatzansprüche für Unterhaltsverlust und entgangene Dienste bei Verletzung, ja selbst bei Tod des Patienten (§§ 844, 845 BGB).[109] Zu beachten ist insoweit insbesondere auch der neu eingefügte § 844 Abs. 3 BGB (Schmerzensgeld für nahe Angehörige bzw. Hinterbliebenengeld), dem im Arzthaftungsrecht größte Bedeutung zukommen wird[110].

V. Klagebefugnis, Aktiv- und Passivlegitimation

54

Zu den Haftungsgrundlagen gehört auch die Darstellung derjenigen Personen, die aus dem Haftungstatbestand – vertraglicher oder deliktischer Natur – Ansprüche herleiten können bzw. ihnen ausgesetzt sind. Das betrifft in prozessualer Hinsicht die Frage der Klagebefugnis und in materiell-rechtlicher Hinsicht die Frage der Aktiv- und der Passivlegitimation.

1. Klagebefugnis

55

In prozessualer Hinsicht ist anzumerken, dass sowohl Privat- als auch Kassenpatienten ihre Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen eines Fehlers im Rahmen ambulanter oder (teil-)stationärer Behandlung grundsätzlich im Zivilrechtsweg verfolgen müssen.[111]

56

Die GKV des Patienten kann dabei dessen Haftpflichtprozess gegen den Arzt nicht als Nebenintervenient beitreten, da das von ihr verfolgte Interesse nicht als rechtliches i.S. von § 66 ZPO angesehen werden kann.[112] Das hat sich auch nicht durch den § 66 SGB V geändert, der die gesetzlichen Krankenkassen verpflichtet, die „Versicherten bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen, die bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen aus Behandlungsfehlern entstanden sind und nicht nach § 116 des Zehnten Buches auf die Krankenkassen übergehen, unterstützen.“ Damit ist nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht die forensische Unterstützung gemeint: „Die Unterstützung der Krankenkassen nach S. 1 kann insbesondere die Prüfung der von den Versicherten vorgelegten Unterlagen auf Vollständigkeit und Plausibilität, mit Einwilligung der Versicherten die Anforderung weiterer Unterlagen bei den Leistungserbringern, die Veranlassung einer sozialmedizinischen Begutachtung durch den Medizinischen Dienst nach § 275 Abs. 3 Nr. 4 sowie eine abschließende Gesamtbewertung aller vorliegenden Unterlagen umfassen.“ Diese Aufgabe bereitet den gesetzlichen Krankenkassen noch immer große Schwierigkeiten.

2. Aktivlegitimation

57

Zur Geltendmachung eines vertraglichen oder deliktischen Anspruchs ist grundsätzlich der Patient selbst berechtigt, soweit nicht seine Ansprüche gemäß § 116 SGB X auf die gesetzliche Krankenversicherung übergegangen sind.[113] Gemäß § 116 SGB X können allerdings nur die Behandlungskosten übergehen. Ansprüche z.B. auf Verdienstausfall und insbesondere auf Schmerzensgeld sind grundsätzlich vom Verletzten selbst zu verfolgen.

58

Schadensersatzansprüche können darüber hinaus aber auch durch Dritte, welche dem primären Schadensereignis fern stehen und einen Schaden an einem eigenen Rechtsgut erlitten haben, geltend gemacht werden. Das Paradebeispiel einer solchen sekundären Betroffenheit sind die so genannten Schockschäden[114]. Ob diese Rechtsprechung durch § 844 Abs. 3 BGB abgelöst wird, wird sich zeigen.

59

Da die Ansprüche des Patienten nach § 1922 BGB auf den Erben übergehen können, ist gegebenenfalls auch dieser aktivlegitimiert.[115]

60

Aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter oder aus §§ 844, 845 BGB können auch Familienangehörige des Patienten zur Geltendmachung eigener Ansprüche berechtigt sein.[116] Diese Konstellationen sind deutlich von denjenigen der sekundären Betroffenheit zu unterscheiden.[117] Das Vertrags- und das Deliktsrecht schützen zudem die Integrität der Leibesfrucht während jedes ärztlichen Eingriffs sowohl pränatal als auch während der Geburt.[118]

3. Passivlegitimation

61

Eine vertragliche Einstandspflicht trifft den Behandler, der die diagnostische oder therapeutische Aufgabe abredegemäß übernahm oder zu übernehmen hatte. In Frage kommen der niedergelassene Arzt, der Chefarzt für seine Privatpraxis und seine Krankenhausambulanz, der Krankenhausträger und der selbstliquidierende Krankenhausarzt für die stationäre sowie die vor- und nachstationäre Behandlung und der Krankenhausträger für das ambulante Operieren.[119]

62

Vgl. sehr detailliert hierzu 3. Teil, 1. Kap.

VI. Fehler eines Erfüllungs- oder Verrichtungsgehilfen

63

Als Vertragspartner des Patienten haben Krankenhausträger und Arzt für die Fehler der von ihnen herangezogenen Gehilfen nach § 278 BGB einzustehen. Für die Gehilfen selbst kann eine deliktische Haftpflicht in Frage kommen. Der Garantiehaftung für Erfüllungsgehilfen liegt der Gedanke zugrunde, dass der Schuldner durch die Indienstnahme von Gehilfen im eigenen Interesse seinen Geschäftskreis erweitert und darum das mit der Arbeitsteilung verbundene Personalrisiko zu tragen hat. Nach ständiger Judikatur ist Erfüllungsgehilfe, wer rein tatsächlich mit dem Willen des Schuldners, also des Krankenhausträgers oder des Arztes, als dessen Hilfsperson bei der Erfüllung der geschuldeten Leistung tätig wird. Der Erfüllungsgehilfe kann in den Betrieb des Schuldners integriert sein, aber auch selbstständig tätig werden. Auf eine Weisungsbefugnis kommt es daher nicht an.[120]

64

Nimmt der behandelnde Arzt einen Konsiliarius in Anspruch, kommt es für die Haftung auf die vertraglichen Beziehungen an. Zieht der behandelnde Arzt im ausdrücklichen oder stillschweigenden Einverständnis seines Patienten einen Konsiliarius hinzu, so kommt zwischen diesem und dem Kranken regelmäßig ein weiterer selbstständiger Arztvertrag zustande, mit der Folge, dass der Konsiliararzt selbst liquidiert und auch selbst gegenüber seinem Patienten haftet.[121] Fehlt es an diesem Vertrag, honoriert der beauftragende Arzt den Konsiliarius und haftet auch für den Konsiliarius nach § 278 BGB.[122] Entsprechendes gilt für den hinzuzuziehenden Laborarzt. Haftungsansprüche zwischen dem beauftragenden Arzt und den Konsiliarius bleiben davon unberührt.

65

Auch der Urlaubsvertreter des niedergelassenen Arztes gilt grundsätzlich als dessen Erfüllungsgehilfe[123]. Der Vertreter selbst haftet dem Patienten, sofern keine Überweisung an ihn vorliegt, grundsätzlich nur deliktisch.[124]

66

Ist der Arzt Teil einer ärztlichen Gemeinschaft, hängt die Frage des Haftungsschuldners von der Art der ärztlichen Kooperation ab.[125] Bei der Praxisgemeinschaft haften die Partner nur für die Rechtsgeschäfte und Handlungen, die sie in Verfolgung des Gesellschaftszwecks vornehmen, gesamtschuldnerisch. Deliktisch indessen bleibt jeder von ihnen mangels Weisungsunterworfenheit für die eigenen Fehler passiv legitimiert. Für das Praxisnetz gilt das gleichermaßen.[126]

 

67

Wird eine Gemeinschaftspraxis als Gesellschaft bürgerlichen Rechts betrieben, ist nach neuerer Rechtsprechung[127] die Gesellschaft selbst Haftungssubjekt und haftet grundsätzlich selbst für Fehlbehandlungen ihrer als Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) handelnden Ärzte und Gehilfen aus dem mit ihr geschlossenen Behandlungsvertrag.[128] Sie ist auch deliktsrechtlich verpflichtet. Die einzelnen Ärzte sind mangels Weisungsabhängigkeit zwar keine Verrichtungsgehilfen i.S.d. § 831 BGB, die Behandlung durch den Arzt ist aber der Geschäftsführung für die Gemeinschaftspraxis zuzurechnen und analog § 31 BGB ihr als eigenes Handeln zuzuordnen.[129] Die Ärzte der Gemeinschaftspraxis haften daneben akzessorisch mit ihrem Privatvermögen als Gesamtschuldner für vertragliche und deliktische Verbindlichkeiten analog §§ 128, 130 HGB. Im Innenverhältnis haftet nur der Arzt, der für den Schaden verantwortlich ist.[130]

68

Haben sich Freiberufler in einer Partnerschaftsgesellschaft zusammengeschlossen, so haften die Gesellschaft und die Partner für Verbindlichkeiten gesamtschuldnerisch (§ 8 Abs. 1 PartGG). Nach § 8 Abs. 2 PartGG haften im Schadensfall aber nur die an der Behandlung beteiligten Ärzte neben der Partnerschaft. Deliktisches Handeln wird der Partnerschaft gemäß § 31 BGB zugerechnet.[131]

69

Die Ärzte-GmbH haftet als juristische Person für Behandlungsfehler der beteiligten Ärzte und Helfer vertraglich und deliktisch. Daneben haben angestellte Ärzte persönlich und gesamtschuldnerisch für eigene Fehler einzustehen, die zu einer Schädigung des Patienten geführt haben.[132]

70

Da für das MVZ gemäß § 95 Abs. 1 S. 6 SGB V alle genannten zulässigen Gesellschaftsformen gewählt werden können,[133] folgt das Haftungsrecht der gewählten Rechtsform.[134]

VII. Krankenhausträger

71

Den Krankenhausträger[135] kann eine Haftpflicht aufgrund eines totalen Krankenhausvertrages oder eines Krankenhausvertrages mit Arztzusatzvertrag auch für den Chefarzt als seinen Erfüllungsgehilfen treffen.[136] Insbesondere bei kirchlichen Häusern kann sich die Suche nach dem richtigen Beklagten extrem schwierig gestalten. Im Rahmen gespaltener Vertragsverhältnisse haftet der Krankenhausträger nicht für Fehler des selbstliquidierenden (Beleg-)Arztes, die diesem bei dem persönlich geschuldeten Dienst unterlaufen.[137] Das gilt nicht nur für die stationäre, sondern auch für die teilstationäre Behandlung.[138] Zum Pflichtenkreis des Krankenhausträgers indessen gehört es, falls nicht anders vereinbart, die ärztliche und nichtärztliche Assistenz zu stellen, auf die der selbstliquidierende Arzt angewiesen bleibt; insoweit droht dem Träger dann auch eine Haftpflicht nach § 278 BGB. Bildet die Pflege des Patienten einschließlich der Gabe von Medikamenten und Infusionen in erster Linie eine Vertragsaufgabe des Krankenhausträgers, der damit eine eigene Verantwortlichkeit für das eingesetzte Personal trägt, so kann der pflegerische Dienst doch auch zum Pflichtenkreis des Arztes gehören, „soweit es um die von ihm dem Pflegepersonal zu gebenden Instruktionen“ geht. „Die erforderlichen Anweisungen für die Behandlungspflege zu geben, ist Sache des die Behandlung führenden Arztes.“[139]

72

Bei einer Klage gegen die Arztseite darf der Anwalt keinesfalls den Krankenhausträger übersehen. Er ist regelmäßig der solventeste und präsente Beklagte. Unterlässt der Anwalt eine Klage gegen den Krankenhausträger, wird das regelmäßig zu seiner Haftung führen[140].

VIII. Selbstliquidierende Ärzte und Belegärzte

73

Der selbstliquidierende Chefarzt oder Klinikdirektor wird jedenfalls im Rahmen seiner Pflichten zur persönlichen Behandlung des Patienten aus einem gespaltenen Arzt-Krankenhaus-Vertrag oder aus einem Zusatzvertrag zum Krankenhausvertrag nicht nur für eigene Rechnung tätig, sondern haftet grundsätzlich auch selbst.[141] Dies gilt auch für den Belegarzt.[142] Dieser hat damit auch für die ihm nachgeordneten Ärzte einzustehen, die er als Assistenten heranzieht oder denen er medizinische Aufgaben überträgt. Leistungen der Beleghebamme schuldet der Belegarzt nicht. Er hat jedoch für deren Fehler einzustehen, sobald er die Behandlung der Gebärenden übernommen hat, denn damit gilt die Hebamme kraft Berufsrecht als seine Gehilfin.[143]

74

Nimmt der selbstliquidierende Arzt medizinische Dienste und Hilfen anderer Fächer in Anspruch, so eröffnen sich neue Verantwortlichkeiten, nämlich Einstandspflichten des Krankenhausträgers und der selbstliquidierenden Ärzte der zusätzlich befassten Disziplin. Für eigene Koordinations-, Kommunikations- und Informationsfehler bleibt er selbstverständlich verantwortlich.[144]

75

Die nichtärztliche Grund- und Funktionspflege gehört zur Verantwortlichkeit des Krankenhausträgers, nicht des liquidationsberechtigten Arztes. Dies gilt grundsätzlich auch für die Behandlungspflege, es sei denn, dieser Dienst hinge so eng mit der ärztlichen Tätigkeit zusammen, dass den die Behandlung leitenden Mediziner die Direktions- und Kontrollzuständigkeit trifft.[145]

76

Kommt ein Wahlleistungsvertrag wegen formeller Mängel nicht zustande, führt das einerseits zum Verlust des Honoraranspruchs, andererseits dazu, dass der Wahlarzt nicht aus Vertrag haftet. Die Haftung obliegt dann dem Krankenhausträger. Anderes gilt freilich, wenn die Beteiligten auf die Wirksamkeit des Vertrages vertrauend alle Leistungen erbracht haben[146].

IX. Instituts- und Chefarztambulanzen

77

Zusätzlich zur vollständigen Krankenhausbehandlung ist gemäß § 115a SGB V die vor- und nachstationäre Behandlung durch das Krankenhaus ebenso wie gemäß § 115b SGB V das ambulante Operieren im Krankenhaus zugelassen.[147] Als Folge dieses Systemwechsels in der Krankenversorgung treten Krankenhausambulanzen auf, die sich in der Hand des Trägers befinden (Institutsambulanz); damit wird dieser alleiniger Vertragspartner des Patienten und einstandspflichtig.[148] Entsprechend der Rechtslage bei der stationären Versorgung sind Leistungserbringung, Haftung und auch Liquidation konzentriert.[149]

78

Bei der Krankenhausambulanz kommt es also bezüglich der Haftung darauf an, ob es sich um eine vom Chefarzt oder vom Krankenhausträger betriebene Ambulanz handelt. Mit der Überweisung des Kassenpatienten in die Chefarztambulanz und der Aufnahme zur Behandlung kommt ein Behandlungsvertrag zwischen diesem und dem beteiligten Chefarzt zustande.[150] „Vertragspartner des Kassenpatienten, der an die Krankenhausambulanz überwiesen wird, ist ausschließlich der an der kassenärztlichen ambulanten Versorgung beteiligte Chefarzt” – abgesehen von der trägereigenen Ambulanz. Denn der Chefarzt ist über seine Mitgliedschaft bei der Kassenärztlichen Vereinigung durch den öffentlich-rechtlichen Gesamtvertrag mit der Krankenkasse des sozialversicherten Kranken verbunden. Nicht das Krankenhaus als Institution, also dessen Träger, soll die ambulante Behandlung übernehmen, „sondern der Chefarzt der Ambulanz, der sozialversicherungsrechtlich gegenüber dem Kassenpatienten allein dazu befugt ist, sofern es nicht um eine Einweisung zur stationären Behandlung oder um eine Notfallbehandlung in der Ambulanz geht”.[151] Unklarheiten darüber, ob der Patient vertragsärztliche Leistungen oder Krankenhausleistungen in Anspruch genommen hat, dürfen haftungsrechtlich nicht zu seinen Lasten gehen.[152] „Wenn nämlich in den Räumlichkeiten des Krankenhauses durch angestellte Ärzte des Krankenhausträgers ambulante Operationen durchgeführt werden, ohne dass die behandelnden Ärzte oder der Chefarzt zur vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt sind, wird auf Grund des gesetzlichen Leitbildes der Anschein erweckt, dass zumindest der Krankenhausträger als von Gesetzes wegen grundsätzlich zur ambulanten Operation zugelassener Leistungsträger sozialrechtlich befugt ist. Deshalb muss dem gesetzlich Versicherten in dem Fall, dass keine anderen sozialrechtlich als befugt anzusehenden Ärzte zu ermitteln sind, jedenfalls der Krankenhausträger als zumindest auf Grund eines Organisationsverschuldens nach § 823 Abs. 1 BGB Haftender zur Verfügung stehen.”[153]

79

Auch der Privatpatient, der sich im Krankenhaus ambulant behandeln lässt, tritt grundsätzlich in vertragliche Beziehungen zu dem Chefarzt, der die Ambulanz betreibt und gemäß seiner Abrede mit dem Krankenhausträger liquidationsberechtigt ist. Dieser Vertrag kommt auch dann zustande, wenn in Abwesenheit des Chefarztes nur der diensthabende nachgeordnete Krankenhausarzt Dienste leistet.[154]

80

Kommt es in der ambulanten Krankenversorgung zu einer ausschließlichen Vertragsbeziehung zwischen Patient und Chefarzt (Chefarztambulanz), haftet letzterer allein[155]. Dagegen folgt der BGH für die stationäre Behandlung dem patientenfreundlichen Grundsatz der umfassenden Leistungs- und Haftungskonzentration beim Krankenhausträger.[156] Die haftungsrechtliche Differenzierung zwischen ambulanter und stationärer Behandlung findet angesichts legislativer Bemühung um eine effektivere Verzahnung der beiden Versorgungsformen[157] keine Entsprechung im Sozialrecht. Darin liegt die Gefahr zunehmender Divergenz zwischen Haftpflicht- und Sozialversicherungsrecht.[158]

X. Beamtete Ärzte

81

Beamtete Ärzte haften nach § 839 BGB, der insoweit als lex specialis § 823 BGB verdrängt (Dopplung). Die Haftung des Beamten wird auf den Staat übergeleitet, wenn der Beamte hoheitlich handelt (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG). Handelt der Beamte hingegen im fiskalischen Tätigkeitsbereich des Staates, so greift die Staatshaftung nicht ein. Vielmehr bleibt es dann bei der Eigenhaftung des Beamten nach § 839 BGB[159]. Nach ständiger Spruchpraxis betätigt sich der beamtete Arzt regelmäßig nicht hoheitlich, sondern fiskalisch[160]. Bei ihm kommt daher in der Regel nur die Eigenhaftung aus § 839 BGB in Betracht. Sie gilt für beamtete Ärzte sowohl gegenüber Privatpatienten als auch gegenüber gesetzlich Versicherten.

82

Schwierig ist, dass das deutsche Recht für die beiden staatlichen Tätigkeitsbereiche mit unterschiedlichen Beamtenbegriffen arbeitet. Im Rahmen der Eigenhaftung des Beamten fallen unter § 839 BGB nur Beamte im statusrechtlichen Sinne[161], also Personen, denen eine Ernennungsurkunde mit den Worten „unter Berufung in das Beamtenverhältnis“ ausgehändigt worden ist, unabhängig davon, ob die Beamten auf Dauer, auf Probe, auf Widerruf oder auf Zeit berufen sind. Nichtbeamte im öffentlichen Dienst, etwa Angestellte oder Arbeiter, haften demzufolge nach § 823 BGB.

83

Betätigen sich hingegen Arzt oder auch Pflegepersonal ausnahmsweise hoheitlich (etwa Polizei-[162] und Truppen[163]), dann haftet statt ihrer gemäß § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 S. 1 GG die Körperschaft, in deren Dienst sie stehen. Eine statusrechtliche Beamteneigenschaft ist dafür nicht erforderlich, vielmehr gilt hier der haftungsrechtliche Beamtenbegriff[164]. Demnach haftet der Staat für jeden, der in Ausübung hoheitlicher Tätigkeit handelt. Darunter werden sowohl sonstige Personen in öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen verstanden, „wie Soldaten oder Richter“[165], als auch Personen, die in privatrechtlichen Dienstverhältnissen zum Hoheitsträger stehen und sogar Beliehene.

84

Betreibt der Krankenhausträger eine Institutsambulanz, gehört die ärztliche Leistung zu den Dienstaufgaben, mit der Folge, dass dem beamteten Arzt auch das Verweisungsprivileg zusteht.[166]