Handbuch Arzthaftungsrecht

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dd) Arznei-, Heil- und Hilfsmittel

196

Ist es für die weitere medizinische Versorgung des Patienten erforderlich, Arzneimittel zu applizieren, so ist das Krankenhaus berechtigt, im Rahmen des Entlassmanagements die Verordnung von Arzneimitteln in Form einer Packung mit der kleinsten Packungsgrößenkennzeichnung gem. der Packungsgrößenverordnung zu verordnen.

197

Da Verordnungsrecht ist quantitativ insgesamt zeitlich begrenzt, denn das Krankenhaus soll im Rahmen des Entlassmanagements nur die Leistungen verordnen können, die die unmittelbare Zeit nach der Entlassung betrifft. Das Krankenhaus soll durch das Entlassmanagement nicht als neuer Leistungserbringer im ambulanten Sektor fungieren[194].

198

Gemäß den Vorgaben der Packungsgrößenverordnung ist daher eine Verordnung von Arzneimitteln für eine maximale Behandlung von 10 Tagen möglich. Für die weiteren verordnungsfähigen Leistungen wie Verbands-, Heil- und Hilfsmittel, häusliche Krankenpflege und Soziotherapie gilt ein maximal verordnungsfähiger Zeitraum von sieben Tagen. Auch hier gilt, dass verordnete Leistungen im Rahmen des Entlassmanagements auf das Erforderliche zu beschränken sind. Es gilt das Wirtschaftlichkeitsgebot gem. § 12 SGB V. Für die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit gilt § 113 Abs. 4 SGB V. Den Krankenkassen steht mithin ein Prüfungsrecht zu.

199

Generell ist zu beachten, dass das Recht der freien Apothekenwahl nach § 31 Abs. 1 S. 5 SGB V gewährleistet werden muss. Bei allen weiteren verordneten Leistungen ist das Recht auf freie Wahl des Leistungserbringers zu berücksichtigen. Das Krankenhaus ist verpflichtet, den Patienten ausdrücklich auf das Recht der freien Wahl des Leistungserbringers hinzuweisen. Eine Bevorzugung eines Anbieters ist nicht statthabt. Vereinbarungen oder Absprachen zwischen Krankenhäusern und Apotheken oder sonstigen Leistungserbringern veranlasste Leistungen, die auf eine Zuweisung von Patienten abzielen, sind unzulässig.

200

Davon unberührt bleibt aber die grundsätzliche Möglichkeit, Aufgaben des Entlassmanagements an zugelassene Ärzte, zugelassene MVZ, ermächtigte Ärzte und ermächtigte Einrichtungen zu delegieren.

201

Bei der Delegation auf weitere Leistungserbringer oder der Kooperation mit weiteren Leistungserbringern sind das Verbot der Zuweisung gegen Entgelt (§ 31 MBO-Ä) sowie eine mögliche Strafbarkeit nach § 299a StGB zu berücksichtigen.

ee) Arbeitsunfähigkeit

202

Im Rahmen des Entlassmanagement ist das Krankenhaus nunmehr berechtigt und verpflichtet, die Feststellung und Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit durch den Krankenhausarzt vornehmen zu lassen.

203

§ 5 Abs. 1 des Rahmenvertrages spricht von „dem Krankenhausarzt“. Der Gleichlauf mit der Formulierung in § 3 Abs. 2 des Rahmenvertrages legt es nahe anzunehmen, dass die Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit durch den verantwortlichen Krankenhausarzt, der die Lotsenfunktion i.S.v. § 3 Abs. 2 des Rahmenvertrages innehat, erfolgen soll.

204

Wird Arbeitsunfähigkeit bescheinigt, so sind bei deren Feststellung und Bescheinigung, die zur Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit genannten Regelungen zur stufenweisen Wiedereingliederung nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 SGB V in der jeweils gültigen Fassung anzuwenden. Die Festlegung und Bescheinigung setzt im Übrigen voraus, dass das Muster 1 gem. der Anlage 2/2 a BMV-Ä[195] in der jeweils gültigen Fassung – zu verwenden ist.

ff) Kommunikation mit weiteren Leistungserbringern

205

Es muss ein Informationsaustausch mit den an der Anschlussversorgung des Patienten beteiligten Leistungserbringern sichergestellt werden. Dabei handelt es sich nicht lediglich um eine deklaratorische Verpflichtung. Vielmehr handelt es sich um einen medizinisch relevanten Baustein der Organisationsverpflichtung. Das Krankenhaus ist daher verpflichtet, eine Kommunikation mit sämtlichen Leistungserbringern, die im Anschluss an den stationären Behandlungszeitraum in die Behandlung involviert werden, zu gewährleisten und einen medizinisch adäquaten Übergang in die weitere ambulante Leistungserbringung zu gewährleisten.

206

Dazu gehört nicht nur die Festlegung von etwaigen weiteren ambulanten ärztlichen oder nicht ärztlichen Leistungen, sondern vielmehr auch die Vermittlung sämtlicher medizinischer Informationen an die weiteren Leistungserbringer.

207

Auch hier gilt, dass Fehler in diesem Bereich den Gesichtspunkt des voll beherrschbaren Risikos zuzuordnen sind, da Fehler in der Planung und Organisation des Entlassmanagements durch die Vorgaben des Rahmenvertrages sicher ausgeschlossen werden sollen.

208

Ist durch den Krankenhausaufenthalt häusliche Krankenpflege oder sind sonstige Pflegesachleistungen besprochen worden, so ist der Pflegedienst oder die stationäre Pflegeinrichtung des Patienten über den Termin der bevorstehenden Entlassung zu informieren. Bei Bedarf muss das Krankenhaus rechtzeitig vor der Entlassung das Gespräch mit dem weiterbehandelnden Arzt führen. Besteht ein komplexer Versorgungsbedarf, so muss zeitnah ein Termin bei einem weiterbehandelnden Haus oder Facharzt vereinbart werden.

209

Auch Kranken- und Pflegekassen werden durch das Entlassmanagement verpflichtet. Neben der o.g. Kooperationspflicht besteht auch die Verpflichtung, die Durchführung des Entlassmanagements des Krankenhauses in geeigneter Weise zu unterstützen. Hierzu gehört das Bereitstellen von Informationen zu Versorgungsstrukturen.

210

Aufgabe der Krankenkasse ist es hierbei, gemeinsam mit dem Krankenhaus rechtzeitig vor der Entlassung die für die Umsetzung des Entlassplans erforderliche Versorgung zu organisieren, etwa die notwendigen Leistungserbringer zu kontaktieren und für deren zeitgerechten Einsatz zu sorgen. Die Krankenkasse muss darüber hinaus zu ihren Geschäftszeiten die telefonische Erreichbarkeit eines für die Unterstützung des Entlassmanagements verantwortlichen Ansprechpartners sicherstellen.

5. Delegation ärztlicher Leistungen

211

Das hiesige Gesundheitssystem belegt im internationalen Vergleich nach wie vor eine Spitzenposition. Dies beruht nach Ansicht der Bundesärztekammer insbesondere auf der ärztlichen Gesamtverantwortung für Diagnostik und Therapie in Klinik und Praxis[196]. Der sich seit Jahren abzeichnende Ärztemangel hat die Übertragung von ärztlichen Leistungen auf nichtärztliches Personal im Klinikalltag schon lange Zeit zur gelebten Praxis gemacht[197]. Bundesweit existieren ca. 58 % Krankenhäuser mit Stellenbesetzungsproblemen im Ärztlichen Dienst. Im Jahr 2013 waren nahezu 2.000 Vollzeitstellen unbesetzt sein. 2019 wird diese Zahl prognostisch auf 6.000 ansteigen. 2030 besteht eine prognostische Lücke im Ärztlichen Dienst vom ca. 33 % aller deutschlandweit zu besetzenden Stellen[198]. Um dem genannten Ärztemangen entgegen zu steuern, delegierten bereits 2008 ca. 38,2 % der Krankenhäuser ärztliche Tätigkeiten an Pflegekräfte. 16,6 % der Krankenhäuser stellten schon seinerzeit neue Berufsgruppen ein oder qualifizieren solche neuen Berufsgruppen[199]. Die gesamtgesellschaftliche demographische Entwicklung sowie der Anstieg chronischer Erkrankungen bei gleichzeitigem Nachwuchsmangel in medizinischen Berufen führen zu der Notwendigkeit einer anderen Koordination und Kooperation bei der Patientenbetreuung[200].

a) Begriffsbestimmungen

212

Bevor man sich der Frage zuwendet, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Delegation überhaupt zulässig ist, sind zunächst begriffliche Klarstellungen nötig.

213

Als Delegation wird die Übertragung von beruflichen Tätigkeiten von einer Berufsgruppe auf eine andere verstanden, wobei die Übertragung jeweils durch einen Delegierenden an einen Delegationsempfänger angeordnet wird[201]. Der Begriff der Delegation ist für den Bereich des ärztlichen Handels gesetzlich nicht definiert. Zusammenfassend lässt sich der Terminus aber als die unter fachlicher Verantwortung des Arztes stehende einmalige oder wiederholte Übertragung unter Arztvorbehalt stehender Tätigkeiten auf nichtärztliches Personal bestimmen[202].

214

Für die Delegation ist nach dem bisher wohl bestehenden Rechtsverständnis kennzeichnend, dass die fachliche Verantwortung für die Frage des „Ob“ einer delegierten Maßnahme stets bei dem Delegierenden verbleibt, wohingegen die Verantwortlichkeit für das „Wie“ einer delegierten Maßnahme auf den Delegationsempfänger übergeht. Die Verantwortungsbereiche lassen sich im Sprachgebrauch begrifflich als Anordnungsverantwortung („Ob“) und Durchführungsverantwortung („Wie“) trennen.

215

Mit der Delegation ärztlicher Leistungen geht stets die Frage einher, ob die Delegation einen Verstoß gegen den gesetzlichen Heilkundevorbehalt aus § 1 Abs. 1 HeilprG[203] darstellt und damit eine Strafbarkeit nach § 5 HeilprG begründet. § 5 HeilprG lautet:

Wer, ohne zur Ausübung des ärztlichen Berufs berechtigt zu sein und ohne eine Erlaubnis nach § 1 zu besitzen, die Heilkunde ausübt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

 

216

Heilkunde ist per definitionem jede Tätigkeit, die auf die Feststellung, Heilung oder Linderung einer Krankheit, eines Leidens oder eines Körperschadens abzielt[204], so dass bereits per se bereits jede ärztliche Tätigkeit, die die vorbenannten Voraussetzungen erfüllt, nicht delegationsfähig wäre. Dieses Ergebnis ist nicht gewollt und wäre gesetzeshistorisch nicht sachgerecht.

217

Denn die Tätigkeit der Heilhilfs- oder Medizinalfachberufe, die aufgrund besonderer Rechtsvorschriften „die notwendigen medizinischen Fachkenntnisse sowie nach einer staatlichen Prüfung die behördliche Erlaubnis erworben haben, die entsprechende und jeweils gesetzlich geschützte Berufsbezeichnung zu führen (…) wenn sie auf ärztliche Anordnung oder Verschreibung am Patienten therapeutisch tätig werden, gelten rechtlich als verlängerter Arm des Arztes und üben kraft Delegation durch den Arzt auf erlaubte Weise Heilkunde aus“[205].

218

Von der Delegation ist stets die Substitution ärztlicher Leistungen zu unterscheiden.

219

Eine Substitution liegt vor, wenn eine dauerhafte Übertragung von Tätigkeiten einer Berufsgruppe auf eine andere stattfindet[206]. Bei der Substitution wird mithin auch die Entscheidung über die Frage des „Ob“ einer ärztlichen Leistung dauerhaft an einen Dritten übertragen und somit auch die Anordnungsverantwortung vom Arzt an einen Dritten, nichtärztlichen, Aufgabenträger abgegeben[207].

b) Rechtliche Grundlagen

220

Eine allgemeine Rechtsgrundlage, die die Voraussetzungen einer Delegation regelt, fehlt. Eine Fülle von Rechtsvorschriften setzt die Zulässigkeit einer Delegation ausdrücklich oder konkludent voraus[208]. Mit Blick auf die Rechtsprechung muss angemerkt werden, dass keine gerichtliche Entscheidung existiert, die sich in abstrakt genereller Art und Weise so mit den Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Delegation befasst, dass diese als Maßstab zur grundsätzlichen Beurteilung einer Zulässigkeit herangezogen werden kann.

221

Es existieren eine Fülle von gerichtlichen Entscheidungen, die sich alle samt mit Einzelfällen einer Delegation befasst haben[209]. Eine generelle und auf jeden Fall übertragbare Aussage über die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Delegation ist hierbei nicht getroffen worden. Seitens des Bundesgerichtshofs ist bereits seit dem Jahr 1975 anerkannt, dass eine Delegation ärztlicher Leistungen auf nichtärztliches Personal unter bestimmten Umständen zulässig ist[210]. Das OLG Dresden hatte mit sehr instruktivem Urteil vom 24.7.2008[211] über die Zulässigkeit einer Applikation von Kontrastmittel durch eine MTRA zu entscheiden. Im Rahmen dieser Entscheidung hat das OLG Dresden sehr umfangreich die möglichen allgemeinen Voraussetzungen einer Delegation dargestellt.

222

Die Gesetzesbegründung zu § 630b BGB[212] geht von einer grundsätzlichen Zulässigkeit der Delegation ärztlicher Leistungen aus[213]. Gleiches gilt für die Bundesärztekammer[214] sowie die Kassenärztliche Bundesvereinigung[215].

c) Formelle und materielle Voraussetzungen der Delegation

223

Fraglich ist, welche Zulässigkeitsvoraussetzungen im konkreten Delegationsfall vorliegen müssen. Auch hier gilt, dass die Bestimmung der Voraussetzungen in ihrem konkreten Umfang von der konkret zu delegierenden Maßnahme abhängen.

224

Die Voraussetzungen und Grenzen der Delegation lassen sich nach hiesiger Ansicht gut als absolutes und relatives Delegationshindernis umschreiben. Bei Vorliegen eines absoluten Delegationshindernisses ist eine Delegation – selbst bei Hinzutreten weiterer Zulässigkeitsvoraussetzungen – grundsätzlich unzulässig. Es läge dann ein unüberwindliches, mithin absolutes, Delegationshindernis vor.

225

Ein solches absolutes Delegationshindernis ist bereits in formeller Hinsicht gegeben, wenn Fälle der höchstpersönlichen Leistungspflicht gegeben sind. Hier sind etwa die Konstellationen des ausdrücklich normierten Arztvorbehalts, Fälle der Ermächtigung oder der Kernbereich der Wahlleistung zu benennen.

226

Materiell besteht ein solches absolutes Delegationshindernis, wenn der Kernbereich ärztlichen Handelns betroffen ist. Dies ist für jeden Einzelfall medizinisch zu beurteilen aber stets anzunehmen, wenn es sich bei der zu delegierenden Maßnahme um eine solche handelt, die namentlich aufgrund ihrer Art und Schwierigkeit, der Umstände ihrer Erbringung oder der Gefährlichkeit und/oder Unvorhersehbarkeit zwingend von einem Arzt erbracht werden muss[216]. Auch hier ist eine Delegation bereits dem Grunde nach ausgeschlossen[217].

227

Eine Leitschnur zur Bestimmung dieses Kernbereichs kann die gemeinsame Stellungnahme der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vom 29.8.2009 bieten. Diese bestimmt den Kernbereich wie folgt[218]:

228

Kernbereich ärztlichen Handelns – absolutes Delegationshindernis


Besondere Gefahr der Maßnahme für den Patienten?
Besondere Schwierigkeit der Durchführung?
Erhebliche Komplikation möglich?
Setzt das Komplikationsmanagement spezielles ärztliches Wissen und Können voraus?
Sind spezifische ärztliche Fachkenntnisse und spezielles ärztliches Fachwissen bei der Durchführung erforderlich?

229

Kommt man zu dem Ergebnis, dass mit der beabsichtigten Maßnahme lediglich ein relatives Delegationshindernis gegeben ist, müssen zur Komplettierung der Zulässigkeit der Delegation weitere Voraussetzungen eingehalten werden. Den delegierenden Arzt treffen hier verschiedene Pflichten.

230

Es besteht eine Auswahlpflicht bezogen auf den zu Delegationsempfänger, weiter bestehen eine Anleitungspflicht und eine Überwachungspflicht. Schlussendlich muss sich der delegierende Arzt im Einzelfall in Rufweite befinden[219]. Exemplarisch wird auf die Delegationsvereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und dem GKV Spitzenverband für den Bereich der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung verwiesen[220].

231

Auszugsweise heißt es dort:

§ 2 Nicht delegierbare (höchstpersönliche) Leistungen des Arztes

Der Arzt darf Leistungen, die er aufgrund der erforderlichen besonderen Fachkenntnisse nur persönlich erbringen kann, nicht delegieren. Dazu gehören insbesondere Anamnese, Indikationsstellung, Untersuchung des Patienten einschließlich invasiver diagnostischer Leistungen, Diagnosestellung, Aufklärung und Beratung des Patienten, Entscheidungen über die Therapie und Durchführung invasiver Therapien und operativer Eingriffe.

§ 4 Allgemeine Anforderungen an die Delegation

(1) Der Arzt entscheidet, ob und wann er eine Leistung delegiert.

(2) Der Arzt hat sicherzustellen, dass der Mitarbeiter aufgrund seiner beruflichen Qualifikation oder allgemeinen Fähigkeiten und Kenntnissen für die Erbringung der delegierten Leistungen geeignet ist (Auswahlpflicht). Er hat ihn zur selbstständigen Durchführung der zu delegierenden Leistung anzustellen (Anleitungspflicht) sowie regelmäßig zu überwachen (Überwachungspflicht). Die Qualifikation des Mitarbeiters ist ausschlaggebend für den Umfang der Anleitung und der Überwachung.

232

Aus den vorstehenden Ausführungen folgt nachstehende Übersicht:


[Bild vergrößern]

233

Die Auswahlpflicht verpflichtet den delegierenden Arzt dazu, die geeigneten Delegationsempfänger vorab auszuwählen. Hierbei ist anerkannt, dass der jeweilige Arzt bei dem Vorhandensein einer entsprechend formalen Qualifikation (i.d.R. einschlägige Berufsausbildung) des Delegationsempfängers grundsätzlich darauf vertrauen kann, dass dieser formal zur Durchführung der zu delegierenden Maßnahme geeignet ist, wenn diese Gegenstand des Ausbildungskataloges der jeweiligen Berufsausbildung ist.

234

Mit der Anleitungspflicht muss sichergestellt werden, dass der Delegationsempfänger sowohl in theoretischer als auch in praktischer Hinsicht mit der durchzuführenden Maßnahme betraut wird. Der Umfang der Anleitung hängt sowohl von der Qualifikation des Delegationsempfängers als auch der konkreten Komplexität der Maßnahme ab.

235

Die Überwachungspflicht sieht vor, dass ärztlicherseits fortlaufende – ggf. stichprobenartige – Kontrollen über die angeleiteten theoretischen Kenntnisse und praktischen Fertigkeiten stattfinden[221]. Auch dieses Erfordernis ist logische Konsequenz der Delegation, da es sich gerade nur um eine einmalige oder wiederholte Übertragung ärztlicher Aufgaben handelt und somit sichergestellt werden muss, dass die Delegationsempfänger auch nach einem bestimmten Zeitablauf die Fertigkeit zur Durchführung der Aufgaben aufweisen.

236

Schlussendlich muss sich der delegierende Arzt im Einzelfall in Rufweite aufhalten. Kernaspekt dieses Kriterium ist es, im Falle eines medizinischen Zwischenfalls durch die delegierte Maßnahme, ärztlicherseits eingreifen zu können. Bei der Rufweite ist nicht auf ein starres zeitliches Kriterium abzustellen. Entscheidend ist vielmehr, dass ein Arzt in medizinisch vertretbarer Zeit anwesend ist[222].

237

Liegen alle vorbenannten Voraussetzungen vor, ist die Delegation einer ärztlichen Leistung zulässig.

d) Aufzählung delegierbarer Leistungen in der Praxis

238

Exemplarisch soll auf die nachstehende Tabelle verwiesen werden. Sie stellt einen Beispielkatalog delegierbarer ärztlicher Leistungen, die in der Praxis gelebt werden, dar[223]:


Delegierbare ärztliche Tätigkeit Mindestqualifikation des Delegationsempfängers [224] Besonderheiten/Einschränkungen
Anamnesevorbereitung MFA Ggf. Überprüfung durch Arzt
Aufklärung Unterstützung bei der Vermittlung standardisierter Informationen Überprüfung durch Arzt
Röntgen/CT/MRT MTRA/MFA mit Zusatzqualifikation Strahlenschutz Bei KM Applikation muss der Arzt anwesend sein; Indikationsstellung i.Ü. sonst nur durch Arzt
Ausgewählte Früherkennungsuntersuchungen MFA mit evtl. Zusatzqualifikation Zuvor immer persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt
Hausbesuche MFA mit Zusatzcurriculum
Injektionen (i.m.; i.v.) MFA/Krankenpfleger Erstapplikation nicht delegierbar; ggf. Arztanwesenheit, je nach zu applizierender Substanz
Labordiagnostik MFA/MTLA Nur allgemeine Leistungen delegierbar, Urin, BZ, technische Aufarbeitung
Unterstützende Maßnahmen der Diagnostik MFA kapillare und venöse Blutentnahme, Langzeit-RR, Langzeit- EKG, Pulsoxymetrie, BGA
Wundversorgung/Verbandwechsel MFA ggf. mit Zusatzcurriculum „Wundexperte/Wundmanager Initiale Versorgung durch Arzt, weitere Wundversorgung nur nach Rücksprache mit dem Arzt
Überwachung der Vitalfunktionen in der Anästhesie MFA Abhängig vom Risikoprofil des Patienten
Audiometrische Messungen/Prüfen des Hörens/der Gleichgewichtsnerven MFA/MTFA
Metrische und fotografische Dokumentation vor Beginn und nach Abschluss der Therapie in der Dermatologie MFA
Vorbereitung von Diagnostik in der Gastroenterologie MFA ggf. mit Curriculum „Gastroenterologische Endoskopie Bei Risikokonstellationen muss der Arzt anwesend sein
Entfernen von Portnadeln/Vorbereitung und Assistent bei der Punktion MFA ggf. mit Curriculum „Onkologie Bei Risikokonstellationen muss der Arzt anwesend sein
Unterstützende Maßnahmen bei der Anlage, Steuerung und Überwachung der Dialyse MFA ggf. mit Curriculum „Dialyse Bei Risikokonstellationen muss der Arzt anwesend sein
Spirografische Leistungen in der Pneumologie/Lungenfunktionsdiagnostik mit grafischer Registrierung MFA ggf. mit Curriculum „Pneumologie Bei Risikokonstellationen muss der Arzt anwesend sein, insbesondere bei Provokationstests
Vereinzelte Untersuchungen in der Schwangerschaft (Gewicht/BZ) CTG Anlage MFA Zuvor immer persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt, Mutterschaftsrichtlinie beachten!
EEG, elektroneugraphische Untersuchungen der motorischen und sensiblen Nervenleitgeschwindigkeit MFA/MTFA Zuvor immer persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt
Anlage und Wiederanlage von Orthesen/Anleitung zu Bewegungsübungen/Abdrucknahme und Modellherstellungen durch Gips oder andre Werkstoffe MFA ggf. mit Fortbildung zum Wundexperten/Wundmanager Bei Anlage fixierender Verbände (insb. Gips) ist die anschließende Kontrolle durch den Arzt erforderlich
Unterstützung bei der apparativen Untersuchung bei Harninkontinenz/Durchführung eines Katheterwechsel MFA