Dionarah - Das Geheimnis der Kelten

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Überrascht glotzte Adamath ihnen hinterher. »Merkwürdig, normalerweise sind Orks nicht so wählerisch«, sagte er kopfschüttelnd und machte dann eine ungeduldige Handbewegung zu König Assan. »Lasst diese Sauerei forträumen. Es sieht nicht sehr appetitlich aus!«

Ein Würgen unterdrückend beauftragte König Assan einen Pagen, der ziemlich blass wurde, Harakoels Überreste zu entsorgen. Anschließend ging der Hochkönig in Begleitung des Schattenmagiers zum Schloss zurück. Der immer noch entsetzte und fassungslose König Assan zeigte ihnen den Eingang zu den Tunneln, wo die Gesuchten verschwunden waren.

Adamath nickte. »Meine Männer finden sie sicher. Ich werde einige Dämonenreiter schicken.«

Zweifelnd wiegte König Assan den Kopf. »Ich befürchte, die Gänge dort unten sind sehr weitläufig. Niemand hat sie jemals wirklich erforscht.«

Daraufhin machte Adamath ein wütendes Gesicht und Krethmor blickte kritisch in die dunkle Öffnung.

»Gibt es noch Aufzeichnungen aus der Zeit der Zwerge über die unterirdischen Gänge?«, schnarrte der Schattenmagier und fuhr mit der Hand über seinen weißen Spitzbart.

»Nur sehr wenige und noch dazu unvollständige Zeichnungen.«

»Trotzdem, zeigt sie mir«, verlangte Krethmor und König Assan nickte.

Sie begaben sich in das Arbeitszimmer des Königs und Krethmor studierte die wenigen, uralten Pergamentrollen genauestens.

Währenddessen liefen Ceara, Daron und der kleine Ergon zurück durch die Gänge. Sie kamen gut voran, obwohl alle ziemlich erschöpft waren. Sie konnten nicht mehr weit von dem ehemaligen Thronsaal der Zwerge entfernt sein, als man aus einem Seitengang heraus das Geklirr von Schwertern hörte. Vorsichtig schlich Daron vorwärts und bedeutete den anderen zu warten.

Er schaffte es gerade noch, Ergon zurückzuhalten, der an ihm vorbeischlüpfen wollte, und ihm den Mund zuzuhalten, als er: »Va… «, schrie. Gerade verteidigte sich Prinz Trian gegen einen Soldaten.

Bevor Daron eingreifen konnte, hatte Prinz Trian den Mann jedoch bewusstlos geschlagen. Ergon riss sich los und rannte so schnell ihn seine kurze Beine trugen auf seinen Vater zu.

Diesem sah man seine Erleichterung an. »Ich suche dich schon einige Zeit«, sagte er, noch immer etwas atemlos, »ich wusste nämlich nicht, welcher Gang nach draußen führt.« Dann wandte er sich an Daron und Ceara. »Vielen Dank, dass Ihr ihn begleitet habt.«

Die beiden nickten lächelnd.

Prinz Trian seufzte. »Wir werden ebenfalls diesen Weg nehmen müssen. Ich kann nicht zurück ins Schloss, ich habe mich mit meinem Vater überworfen. Wenn Ihr nichts dagegen habt, schließe ich mich Euch an. Zehn meiner Soldaten sind bereits mit meiner Frau unterwegs zu den Steinen.«

Daron sah überrascht aus und Ergon fragte mit großen Augen: »Sind wir jetzt auch Rebellen?«

Als sein Vater nickte, begannen Ergons Augen zu strahlen. »Das ist ein Abenteuer!«

Prinz Trian drehte sich nervös um. »Wir sollten uns beeilen.«

So lief er mit seinem kleinen Sohn voraus, den er ab der Hälfte des Weges tragen musste, da ihm seine kurzen Beine einfach nicht mehr gehorchten. Auf dem Arm seines Vaters schlief Ergon ein.

Krethmor studierte bereits seit einiger Zeit die Schriftrollen.

»Ha, das ist es«, sagte er schließlich zufrieden.

Adamath hob interessiert den Kopf. Er hatte die Karaffe mit Weinbrand bereits bis auf den letzten Tropfen geleert, wie König Assan missmutig feststellte. Er würde es jedoch niemals wagen, den Hochkönig zu kritisieren.

»Ihr müsst nur den Fluss stauen, damit die Höhlen und Gänge voll laufen. Dann sind diese Verräter unschädlich gemacht«, meinte Krethmor emotionslos.

Voller Entsetzen starrte König Assan den Schattenmagier an und es gelang ihm nicht, etwas zu erwidern.

»Hervorragend!«, dröhnte der Hochkönig unterdessen. »Lasst einige Orks kommen, die haben den Fluss gleich gestaut.«

König Assan schüttelte sich und konnte endlich sprechen. »Aber meine Soldaten sind ebenfalls dort unten, und vor allem, mein Sohn!«

»Na und, ich werde Euch Ersatz besorgen.«

»Aber mein Sohn …«, setzte der alte König erneut an.

Adamath erhob sich und wies eine der wartenden Wachen an, einige Orks zu holen. Dann schlug er König Assan auf die Schulter.

»Ihr seid zwar schon alt, aber es wird sich sicher noch eine Frau finden, die Euch einen neuen Sohn gebärt.«

König Assan war nicht in der Lage, einen Ton herauszubekommen. Er starrte Adamath fassungslos an, der gerade zur Tür gehen wollte, gefolgt von dem Zauberer.

Endlich fasste sich der alte König. »Nein, das könnt Ihr nicht tun!«

Adamath fuhr herum. »Was sagt Ihr da?«

König Assan schluckte. Noch niemals hatte er es gewagt, etwas gegen den Hochkönig zu sagen, aber jetzt musste es sein.

»Ihr wisst doch gar nicht, ob sich die Verräter noch in den Gängen aufhalten. Vielleicht haben sie bereits einen Weg nach draußen gefunden.«

»Vielleicht aber auch nicht«, erwiderte Adamath gleichgültig und drehte dem König den Rücken zu.

Nun nahm König Assan all seinen Mut zusammen. Er hatte sich zwar mit seinem Sohn gestritten und sie waren auch selten einer Meinung, aber in den sicheren Tod schicken wollte er Trian dann doch nicht. So fasste er den zwei Kopf größeren Hochkönig an der Schulter. »Das lasse ich nicht zu!«

Mit vor Hass verzerrter Miene fuhr Adamath herum. »Ihr stellt Euch gegen mich?«

König Assan schluckte und nickte schließlich. »Ich bringe doch nicht meinen eigenen Sohn um!«

Adamath zuckte die Achseln, zog mit einer für seinen Körperbau ungewöhnlich geschmeidigen Bewegung sein riesiges Schwert und rammte es dem entsetzt aufkeuchenden König Assan in den Leib.

»Ihr werdet Euren Sohn bald wiedersehen«, sagte er emotionslos und stieß den alten König zurück, der auf die klaffende Wunde blickte, aus der das Blut schoss. Wenige Augenblicke später brach er zusammen.

Mit donnernden Schritten ging Adamath hinaus und sagte belustigt zu Krethmor: »Vielleicht hätte ich Harakoel doch verschonen sollen. Er wäre sicherlich ein mir treu dienender neuer König des Felsenreichs geworden.«

Krethmor verzog nur das Gesicht. Er hatte für die makaberen Scherze von Adamath nichts übrig.

Die Orks trafen ein, vergrößerten innerhalb kürzester Zeit mit Hilfe von schweren steinernen Äxten und Keulen die Gänge, bis sie auf den unterirdischen Fluss trafen. Dort schichteten sie Felsbrocken und Holz auf, bis sich das Wasser zu stauen begann und sich nur noch ein kläglicher Rinnsal durch die errichtete Mauer ergoss.

Adamath kehrte ins Arbeitszimmer des toten Königs zurück, dessen Leiche bereits fortgebracht worden war, und plünderte seinen Vorrat an Alkohol. Wenn die Rebellen in den Gängen wären, würden sie sicher bald ertrunken sein. Wenn nicht, hätte er auch nichts verloren. Fürs Erste war Adamath zufrieden.

Die vier Flüchtenden glaubten, sich langsam dem Ausgang zu nähern. Sie waren todmüde, wagten jedoch nicht, anzuhalten. Ceara war die Erste, die bemerkte, dass sich Wasser unter ihren Füßen zu sammeln begann.

»Was ist das denn?«, fragte sie nervös. Doch die anderen wussten keine Antwort darauf.

»Wir müssen weiter«, drängte Daron. Hin und wieder hatten sie das Leuchten von Fackeln in einem der Seitengänge gesehen. Offensichtlich suchten König Assans Soldaten noch immer nach ihnen. So hasteten sie so schnell es ging voran. Das Wasser stieg merklich und bald reichte es ihnen bis zu den Waden.

Keuchend hielt Trian an. »Verdammt! Ich hatte nicht gedacht, dass mein Vater so weit geht, sogar die Gänge fluten zu lassen. Er muss mich wirklich hassen.«

»Wer weiß, ob er überhaupt dahinter steckt«, meinte Daron beruhigend, blickte jedoch kritisch auf das rasch steigende Wasser. »Wir müssen die niedrigen Gänge so schnell es geht hinter uns bringen, sonst sind wir vom Ausgang abgeschnitten. Wenn wir erst auf dem Grat neben dem Fluss sind, wird es einfacher.«

Trian nickte und kroch in den halb eingefallenen Gang vor ihnen. Ergon hing auf seinem Rücken und schlief, er bekam von alledem nicht viel mit. Auf Händen und Knien krochen sie durch das steigende Wasser und bald waren alle vollkommen durchnässt. Der Bergbach war auch jetzt im Sommer eiskalt. Endlich hatten sie einen der etwas höheren Gänge erreicht, in dem man zumindest stehen konnte.

»Geht es noch, Ceara?«, fragte Daron besorgt.

Sie nickte, obwohl sie todmüde war und unterdrückte ein heftiges Zittern. Nun hasteten sie durch das knietiefe Wasser, welches rasend schnell stieg.

Ergon wachte irgendwann auf. »Vater, wo kommt denn das viele Wasser her?«, fragte er ängstlich.

»Ich weiß nicht. Keine Angst«, antwortete dieser keuchend und versuchte, seine Schritte zu beschleunigen.

Das Wasser stieg beängstigend und stand Ceara nun bereits über der Hüfte. Die größeren Männer kamen etwas besser voran, doch auch sie waren erschöpft. Endlich erreichten sie die Stelle, an welcher der schmale Felspfad noch einige hundert Meter am Rande der Höhle entlang führte. Bald wären sie im Freien.

»Haltet euch ganz an der Wand, dort ist der Weg sicher«, schrie Daron von hinten und Trian balancierte, mit seinem Sohn auf dem Arm, vorsichtig tastend am Rand entlang.

Man konnte nicht erkennen, wo der Fels endete und der Fluss begann. Plötzlich tauchte aus einem Seitengang ein Soldat auf, der die Augen weit aufgerissen hatte. Als er die Flüchtenden sah, zog er sein Schwert.

»Lass das«, rief Daron, »sonst ertrinken wir alle!«

Doch der Soldat war so pflichtbesessen, dass er mit erhobenem Schwert auf ihn los ging. Fluchend zog Daron sein eigenes Schwert, ebenso wie Ceara. Prinz Trian stand unentschlossen im steigenden Wasser.

 

»Lauft vor, Trian, bringt Euren Sohn in Sicherheit«, rief Daron und wehrte die durch das kalte Wasser etwas unbeholfenen und verlangsamten Schläge des Soldaten ab. »Ceara, geh mit ihm!«

Sie schüttelte den Kopf und blieb mit erhobenem Schwert stehen. Prinz Trian zögerte ebenfalls kurz, ging aber schließlich weiter.

»Wartet nicht auf uns, lauft zum Treffpunkt«, schrie Ceara ihm hinterher und der Prinz hob die Hand, zum Zeichen, dass er sie verstanden hatte.

Ceara kämpfte sich durch das eiskalte Wasser weiter zu Daron und dem Soldaten durch. Daron versuchte noch immer, den Mann zur Vernunft zu bringen.

»Jetzt lass es doch. Wir ertrinken beide!«, rief er verzweifelt und wehrte einen Schlag über dem Kopf ab.

Der Soldat schüttelte verbissen den Kopf. »Es … ist … meine … Pflicht«, keuchte er zwischen mehreren Schlägen durch.

»Du Idiot!«, schimpfte Daron und schaffte es endlich, dem Soldaten seine Klinge in die Schulter zu rammen. Dieser ließ seine Waffe fallen und kippte erschrocken nach hinten und das Wasser färbte sich rot. Er wurde rasch von der stärker werdenden Strömung davon gespült.

Daron kämpfte sich durch das Wasser, welches auch ihm bereits über die Hüfte reichte, zu Ceara durch und fasste sie am Arm.

»Du hättest vorgehen sollen«, sagte er anklagend.

Ceara brachte nur ein zittriges Grinsen zustande, ihr war eiskalt.

»Hättest du auch nicht gemacht«, antwortete sie mit klappernden Zähnen.

Er seufzte und zog sie an der Hand mit sich. Die Strömung wurde immer stärker und das Wasser reichte Ceara bis zur Schulter, als sie endlich den Felsgrat erreicht hatten. Hintereinander hangelten sie sich am Felsen entlang, als sie plötzlich von einem starken Sog gepackt wurden, der sie beide in die Mitte des Flusses zog – was sie nicht wussten war, dass der Staudamm gebrochen war. Das Wasser saugte nun alles in sein natürliches Flussbett zurück.

Ceara schrie auf und Daron erwischte sie gerade noch am Ärmel, bevor sie von den Wassermassen weggerissen wurde. Kurz bevor der Fluss in ein bodenlos scheinendes Loch stürzte, schaffte es Daron, sich an einem vorstehenden Felsen festzuhalten. An der anderen Hand hielt er Ceara eisern fest, die gegen die Strömung kämpfte, jedoch nicht bis zum Rand kam. Sein Gesicht verspannte sich vor Anstrengung und immer wieder drohte seine Hand vom glitschigen Felsen abzurutschen. Er versuchte verzweifelt, Ceara zu sich zu ziehen, doch der Sog war stärker.

»Du musst mich loslassen«, rief sie mit vor Schrecken geweiteten Augen. »Du kannst uns nicht beide festhalten.«

Verbissen schüttelte er den Kopf. »Nein, diesmal nicht!«

Daron packte Ceara fester am Handgelenk und bemühte sich erneut, sie an den Rand zu ziehen, aber der Sog ließ nicht nach.

Eine kleine Ewigkeit schien zu vergehen. Daron hatte die Augen geschlossen und sein Kiefer war zum Zerreißen gespannt. Er würde Ceara nicht loslassen, egal was passierte.

Endlich verlor der reißende Sog etwas an Gewalt und Ceara schaffte es aus eigener Kraft, an den Rand zu schwimmen und sich festzuhalten. Daron atmete erleichtert auf und hielt sich, nun zu Tode erschöpft, mit beiden Händen fest.

»Wir müssen uns nach vorne hangeln«, sagte Ceara mit bebenden Lippen.

Daron nickte müde und sie machten sich durch das kalte Wasser auf den Weg zu dem Felsgrat. Nach einer Weile hatte der Fluss wieder beinahe seine ursprüngliche Form zurück. Daron und Ceara ließen sich zitternd auf dem Felsgrat nieder. Er nahm sie erleichtert in den Arm und sie lehnte sich gegen ihn. Beide waren vollkommen durchnässt und durchgefroren.

»Wir müssen weiter«, sagte Daron kurze Zeit später und erhob sich mit tropfenden Kleidern. Er versuchte seine linke Schulter zu bewegen. »Du hast mir fast den Arm rausgerissen.«

»Das tut mir leid«, sagte sie betreten. »Aber ich habe doch gesagt, du sollst mich loslassen.«

Er verzog das Gesicht zu einem halbherzigen Grinsen. »Na, dann lieber ein abgerissener Arm.«

Rasch machten sie sich auf den Weg nach draußen. Beide hatten auf einen warmen, sonnigen Nachmittag gehofft, doch nun regnete es in Strömen. Ein Gewitter hatte die Luft abgekühlt. Von Trian und Ergon war keine Spur zu sehen. Sie waren wohl bereits zum Treffpunkt aufgebrochen.

Mit eingezogenen Köpfen und todmüde machten sich Daron und Ceara auf den Weg nach Nordwesten, um die anderen zu treffen.

»Zumindest sieht so niemand unsere Spuren«, meinte Daron und lief mit gezogenem Schwert hinter Ceara her, die sich bemühte, nicht zu stolpern. Sie war wirklich am Ende ihrer Kräfte. Hin und wieder mussten die beiden sich hinter einem Felsen verstecken, da immer wieder Orks und Soldaten auftauchten.

Als der Abend dämmerte und Ceara ständig hinfiel, suchten sie sich eine Felsnische und ließen sich erschöpft nieder.

Ceara zitterte unkontrolliert und umklammerte ihre Knie. Daron setzte sich neben sie und legte den Arm um sie.

»Komm her, dann wird es vielleicht etwas wärmer.«

»Gggehht schschhon. Iist gar nicht so kkalt«, erwiderte Ceara mit klappernden Zähnen.

Er grinste. »Dir vielleicht nicht, aber mir. Also, tu deine Pflicht und wärme mich!«

Ceara lachte bebend und lehnte sich an ihn, auch Daron zitterte am ganzen Körper. Eng umschlungen warteten sie in der kleinen Felsnische auf den Morgen. Schlafen konnte jedoch niemand, es war einfach zu kalt. Noch bevor die Dämmerung einsetzte, machten sie sich todmüde und erschöpft auf den Weg. Zum Glück konnten sie den Orks aus dem Weg gehen, denn Kraft zum Kämpfen hätte wohl niemand mehr gehabt.

Erst am Ende dieses Tages erblickten sie mit großer Erleichterung die markanten Felsen, die ihr Treffpunkt waren. Zumindest hatte gegen Mittag der Regen aufgehört. Die Kleider waren jedoch noch immer tropfnass und der aufgeweichte Proviant zum größten Teil ungenießbar. Ceara und Daron lächelten sich erleichtert an und eilten so schnell sie konnten auf die Felsen zu. Doch plötzlich sprangen ihnen fünf Soldaten in den Weg. Daron und Ceara zogen ihre Schwerter, aber ihre Schläge waren schwach und kraftlos.

Sie hätten wohl nicht sehr lange durchgehalten, wenn nicht kurz darauf Pfeile durch die Luft geschwirrt wären. Bran stand mit zum Gruß erhobener Hand über ihnen und auch die anderen kamen nun mit gezogenen Waffen zu Hilfe. Bald waren die Soldaten besiegt. Aber von weitem sah man schon Nachschub heran eilen.

»Beeilt euch«, rief Alan. »Die anderen sind in der Höhle. Es kommen noch mehr Soldaten.«

Ceara und Daron sammelten ihre letzten Kräfte und eilten hinter Alan her. Bald hatten sie die Höhle erreicht und verschwanden in dem schmalen Durchlass. Myrthan begrüßte sie erleichtert. In der kleinen Höhle warteten bereits acht von Trians Soldaten, zwei waren während der Flucht getötet worden, Ergon, Prinz Trian, und seine etwas missmutig dreinblickende Gattin Seora.

»Es tut mir leid, ihr seid sicher erschöpft, aber wir müssen weiter, falls die Soldaten hier nach uns suchen«, drängte Myrthan.

Ceara seufzte tief, doch dann raffte sie sich auf und alle flohen so schnell sie konnten durch die Felsengänge. Zumindest konnte man hier im Gegensatz zu den Katakomben überall aufrecht stehen.

»Es ist eine Art Felsenlabyrinth, das an den Rand von Fearánn führt«, erklärte Trian im Laufen.

»Dorthin müssen wir sowieso«, antwortete der Zauberer.

Als sie ein gutes Stück hinter sich gebracht hatten und ziemlich sicher waren, nicht verfolgt zu werden, gab Myrthan das Zeichen zum Anhalten. Eigentlich war Ceara viel zu müde, sich umzuziehen, doch Bran drückte ihr entschieden ihre Wintersachen zum Wechseln in die Hand.

»Los, sonst wirst du krank!«

Seufzend verschwand sie hinter einem Felsen. Daron zog sich ebenfalls um und wickelte sich in eine Decke. Ceara kam bald zurück und setzte sich neben ihn. Beide waren zum Umfallen müde. Kurz darauf brachte Prinz Trian etwas zu essen, während sich seine Frau im Hintergrund über den harten Boden und die kratzigen Decken beschwerte. Trian verdrehte die Augen und gab Daron ein Stück Brot und etwas Käse. Ceara war an seine Schulter gelehnt bereits eingeschlafen.

»Sie kann später essen«, sagte Daron leise und streichelte ihr liebevoll über die Haare.

Prinz Trian betrachtete sie nachdenklich. »Eure Gefährtin ist sehr tapfer.«

»Ich weiß auch nicht, wie sie das durchhält. Ich bin selbst ziemlich am Ende.«

»Meine Frau ist wütend, weil ich das Schloss verlassen habe.« Der junge Prinz setzte sich neben ihn.

»Sie wird es schon noch verstehen, Prinz Trian«, erwiderte Daron und unterdrückte ein Gähnen.

»Wir sollten die Förmlichkeiten lassen«, schlug Trian vor und grinste dann. »Schließlich bin ich jetzt auch ein Rebell, wie mein Sohn so schön sagen würde.«

Daron nickte lächelnd und schaffte es noch, einige Bissen von dem Brot zu essen, bevor auch er einschlief. Viele Stunden Schlaf waren ihnen allen nicht vergönnt. Myrthan weckte sie bald wieder auf.

»Ceara, wir müssen aufstehen.«

Sie grummelte etwas und verzog das Gesicht, dann legte sie den Arm um Daron und hielt ihn fest. »Ich mach einfach die Augen nicht auf und lass dich nicht gehen«, murmelte sie.

Lächelnd streichelte er ihr über die Haare. »Ein verlockender Gedanke, das muss ich zugeben!«

Ceara öffnete mühsam die Augen und seufzte. »Ich glaube, durch die Zeit im Schloss bin ich etwas verweichlicht.«

Daron küsste sie flüchtig und half ihr beim Aufstehen. »Ist dir jetzt wieder warm?«, fragte er und betrachtete sie von oben bis unten.

»Ja. Sind unsere Sachen schon wieder trocken?«

»Nein, aber hier in den Höhlen ist es ohnehin ziemlich kühl, da ist es nicht so schlimm, wenn wir die Winterkleidung anhaben.«

Noch einmal gähnte Ceara herzhaft und streckte sich mit verzerrtem Gesicht, sie hatte heftigen Muskelkater. Anschließend machte sie sich daran, ihre Sachen zusammenzupacken. Am anderen Ende der Höhle hörte man Prinz Trian mit seiner Frau streiten, die sich über das armselige Essen beklagte. Ergon war währenddessen schon wieder voll in seinem Element und wartete ungeduldig darauf, aufbrechen zu können. Prinzessin Seora hielt sich deutlich von den Gefährten fern und betrachtete sie ein wenig abfällig. Auch ihrem Sohn verbot sie es streng, zu den anderen zu gehen und hielt sich nur in der Nähe der Soldaten auf. Bereits nach wenigen Stunden Marsch durch die Felsgänge behauptete Seora, erschöpft zu sein und eine Pause zu brauchen. Prinz Trian redete eindringlich auf sie ein und überzeugte sie davon, zumindest noch ein kurzes Stück zu gehen, woraufhin Seora mit beleidigter Miene an ihrem Mann vorbeistolzierte und ihn keines Blickes mehr würdigte. Trian stand kopfschüttelnd da und sah seiner Frau hinterher.

Daron schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter. »Sie wird sich schon noch daran gewöhnen«, versicherte er.

»Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Sie wird mir ewig vorhalten, dass wir das Schloss verlassen haben.«

»Du hast doch nur das getan, von dem du überzeugt warst«, entgegnete Daron verständnislos.

»Natürlich, aber ich habe ihr bequemes Leben aufs Spiel gesetzt.« Trian wirkte resigniert und sein Blick wanderte zu Ceara, die zwar deutlich müde war, jedoch ohne zu murren ihres Weges lief. »Ceara ist ganz anders. Kennt ihr euch schon lange?«

»Nein, noch nicht sehr lang. Aber sie ist wirklich anders als die meisten Frauen, die ich kenne. Zu Anfang dachte ich, sie wäre ein Mann«, meinte er lachend.

Trian grinste. »Das kann man sich schwer vorstellen, ich finde sie sehr hübsch.«

»Damals war sie verhüllt und hatte kurze Haare«, erklärte Daron.

Erneut blickte Trian seiner Frau hinterher, die mit ihrem Sohn schimpfte. »Obwohl Seora und ich beide in adligen Familien aufgewachsen sind, glaube ich manchmal, wir kommen aus verschiedenen Welten.«

Daron grinste und schlug ihm im Weiterlaufen auf die Schulter. »Das tun Ceara und ich auch. Das kannst du mir glauben!«

Verwirrt blickte Trian Daron nach und beeilte sich dann, ihm zu folgen.

Sie wanderten den ganzen Tag über. Hin und wieder öffneten sich die Felsengänge und die kleine Gruppe machte auf einer sonnigen Lichtung Rast, wo auch endlich Cearas und Darons Kleider trocknen konnten. Nach weiteren Stunden anstrengenden Weges erreichten sie endlich das Ende der Felsengänge und die Gefährten traten wieder auf offenes, mit schroffen Felsen bedecktes Land. Am Nachthimmel leuchteten bereits die Sterne.

 

»Gut. Wir bleiben über Nacht hier und stellen Wachen auf. Ich denke, so weit im Westen sollten nicht viele Orks unterwegs sein«, sagte Trian.

Einige Männer verschwanden, um Wache zu halten. Alle anderen ließen sich müde nieder, wo sie gerade standen.

»Ich kann doch nicht schon wieder auf dem nackten Felsen schlafen«, rief Seora empört aus, obwohl Trian ihr gerade seine eigene Decke überlassen hatte, damit sie es etwas bequemer hatte.

»Kannst du mir sagen, wo du dann schlafen möchtest?«, fragte er gereizt.

Seora schnaubte zornig und versuchte, ihr zerknittertes Kleid zu glätten.

Anschließend fuhr sie sich mit wütender Miene durch die einst kunstvoll frisierten Haare, aus denen sich einige zerzauste Strähnen gelöst hatten.

»Du wirst mich zu meiner Schwester nach Huellyn bringen!«

Trian sah sie verständnislos an. »Was meinst du, wo mein Vater oder Adamath zuerst nach dir suchen werden?«

»Na und, wir sollten ohnehin ins Schloss zurückkehren.«

Trian packte sie etwas härter als nötig an den Schultern und blickte ihr nachdrücklich ins Gesicht. »Wir können nicht zurück ins Schloss. Mal abgesehen davon, dass ich mich mit meinem Vater überworfen habe, würde mich Adamath sicher töten und dich und Ergon höchstwahrscheinlich auch. Ich habe seinen Feinden geholfen, ist dir das nicht klar?«

Sie schnaubte empört. »Und das war die größte Dummheit, die du dir jemals geleistet hast. Uns ging es gut auf dem Schloss.«

Trian stieß einen mühsam unterdrückten Schrei aus. »Du denkst immer nur an dich. Hast du dich jemals gefragt, wie es den anderen Menschen geht?«

»Unseren Bediensteten ging es auch recht gut«, unterbrach ihn Seora.

I»Ach ja, und hast du dir auch nur ein einziges Mal die Mühe gemacht, in die Minen zu gehen, wo die vielen Männer sich zu Tode arbeiten, damit Adamath in Reichtum schwelgt? Hast du dich jemals gefragt, wie es mir dabei geht, immer zu allem ›Ja‹ zu sagen, das vollkommen gegen meine Überzeugung war? Du bist nichts weiter als ein dummes, verwöhntes Gör!«

Entsetzen stand in Seoras Gesicht, so hatte Trian noch niemals mit ihr geredet. »Ich … ich … werde zu meiner Schwester gehen«, beharrte sie. »Der Hochkönig wird mich begnadigen.«

»Bist du dir da so sicher? Ich habe gesehen, wie er ohne mit der Wimper zu zucken Frauen und Kinder umgebracht hat«, erwiderte Trian kalt.

Seora schreckte zusammen, dann sagte sie weinerlich: »Aber ich kann nicht wie eine Gewöhnliche im Freien leben!«

»Oh doch, das kannst du. Und es wird dir wahrscheinlich nicht einmal schaden.« Entschlossenheit stand in Trians Gesicht.

»Denkst du denn überhaupt nicht an deine Kinder? Ich bin schwanger, falls du das vergessen hast!«, kreischte Seora .

»Ich habe dir schon einmal gesagt, dass ich möchte, dass unsere Kinder stolz auf uns sind. Und das können sie momentan eher, wenn sie in einer einfachen Holzhütte wohnen, als in einem Schloss mit einem Leben, das nur aus Lügen besteht.« Trian ließ die wütende Seora einfach stehen.

Zornig setzte sich der Prinz an das kleine rauchlose Feuer und stocherte in der Glut herum.

»Sie wird schon noch einsehen, dass Ihr Recht habt«, sagte Myrthan beruhigend.

Trian schnaubte. »Seora hat ihr ganzes Leben lang nur Wohlstand kennen gelernt, sie wird sich nicht ändern.«

»Das habt Ihr auch. Und trotz allem seid Ihr hier.« Auf Myrthans weisem Gesicht erschien ein Lächeln.

Der Prinz zog die Augenbrauen zusammen. »Ja, aber es war meine freie Entscheidung. Ich habe sie gezwungen, mit mir zu kommen.«

Myrthan nickte. »Trotzdem, sie wird es noch einsehen, glaubt mir.«

Zwei Tage lang wanderte sie am Fuße eines gewaltigen Felsmassivs entlang, welches das Felsenreich von Fearánn trennte. Zunächst hatten sie überlegt, es zu überqueren, doch das hätte wohl länger gedauert und wäre anstrengender gewesen, als außen herum zu gehen. Zwischen Seora und Trian herrschte noch immer eisiges Schweigen, aber die Prinzessin hatte zumindest mit ihrem ständigen Genörgel aufgehört.

Am Abend des zweiten Tages hörte man von weitem ein Donnern. Ceara blickte sich um, konnte aber am wolkenlosen Himmel keine Anzeichen eines Gewitters erkennen. Außerdem war die Luft angenehm klar und eine leichte Brise wehte.

»Was ist das für ein Geräusch?«, fragte Ceara zu Daron gewandt, der neben ihr herlief.

»Das Meer«, antwortete er lächelnd.

Die Sonne ging glutrot im Westen unter, als sie schließlich eine felsige, steil abfallende Küste erreichten. Unter ihnen donnerte das Meer an die Klippen, zahllose Seevögel kreischten am Himmel und etwas weiter westlich sah man lange Sandstrände, die sich in felsige Buchten schmiegten. Dahinter erstreckten sich lichte Wälder, die in der untergehenden Sonne glitzerten. Hier und da hatten sich sogar schon einige Blätter bunt gefärbt.

»Das ist wunderschön.« Voller Staunen blickte Ceara auf das unglaublich blaue Meer hinab.

Daron schlang die Arme um sie. »Dort im Westen beginnt Fearánn. Ich war auf den nördlichen Hügeln nicht mehr …« Er stockte und seine Stimme wurde heiser. »… seitdem unser Dorf zerstört wurde. Ich hatte selbst vergessen, wie schön es hier ist.«

»Eines Tages möchte ich mit dir über diese Strände galoppieren. Meinst du, wir werden Morrigan und Cahan irgendwann wiedersehen?«

»Das wäre schön.« In melancholischen Gedanken versunken betrachtete Daron die untergehende Sonne. Auf ihrer Reise durch das ehemalige Elfenreich Myth´allan waren sie vor längerer Zeit zu den Elfenpferden gekommen, hatten diese jedoch zurücklassen müssen, als sie durch den verfluchten Wald von Drath´Mor gereist waren. So standen die beiden lange in der Abenddämmerung, während die anderen bereits ihr Nachtlager aufschlugen.

An diesem Abend beratschlagten alle, wie es weitergehen sollte. Ergon saß, sehr zum Ärger seiner Mutter, auf Cearas Schoß und lachte über die kleinen Zaubertricks, die Fio´rah ihm vorführte. Der Kleine hatte mittlerweile seine ganze Scheu verloren und schien sich richtig wohl zu fühlen.

»Wir brauchen nur noch zwei Runen«, begann Myrthan ernst und alle Gespräche verstummten. »Wie ihr wisst, befindet sich die eine Rune in Fearánn. Daron, du wirst wissen, wo Norns Auge liegt.«

Dieser nickte ernst, mit leicht angespanntem Gesicht.

Myrthan lächelte. »Ich befürchte, Ceara wird sich nicht davon abhalten lassen, dich zu begleiten?!«

Als sie grinsend nickte, zwinkerte Myrthan ihr zu, doch dann wurde er ernst. »Im Moment scheinen keine Orks in der Nähe zu sein. Aber Adamath und Krethmor werden vermuten, dass wir nach Fearánn flüchten wollen, also ist es nicht ganz ungefährlich. Wir sollten in kleinen Gruppen reisen. Ich werde versuchen, die Höhlenmänner aus Drago´llaman zusammenzutrommeln. Wenn wir erst alle Runen haben, müssen wir die Feuerquelle einnehmen. Wirst du die Fiiljas holen, Fio´rah?«

»Selbstverständlich, Myrthan!«

»Wir wissen nicht, wie wir auf die Feeninsel gelangen sollen«, fuhr Myrthan fort, »aber darum sollten wir uns später kümmern. Wir werden uns in dem Dorf am Rande von Myth´allan treffen, in das Daron damals die Flüchtlinge gebracht hat.

Ich schlage vor, dass Ihr Eure Frau dorthin bringt, Prinz Trian.«

Seora schnaubte entrüstet, sagte aber nichts.

»Meine Frau legt keinen Wert auf meine Gesellschaft«, antwortete Trian bitter, »ich werde ihr fünf meiner Soldaten mitgeben. Ich möchte mich Daron und Ceara anschließen, falls sie nichts dagegen haben.«

Seoras Blick schien ihn erdolchen zu wollen, doch er hielt ihm stand. Erst vorhin hatten sie wieder heftig gestritten.

»Nun gut, aber sie brauchen jemanden, der schon einmal in dem Dorf war, sonst finden sie nicht hin«, wandte der Zauberer ein.

»Ich werde mitgehen«, bot Bran an.

Unentschlossen blickte Alan von Bran zu Ceara. Diese sagte schließlich lächelnd: »Ich würde mich freuen, wenn du mit uns kommst, Alan.«