Dionarah - Das Geheimnis der Kelten

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Sobald Harakoel gegangen war, bedeutete König Assan seiner Schwiegertochter, sich zu setzen. Er wirkte wütend. »Dieser Narr, der sich deinen Gemahl nennt, unterstützt irgendwelche Rebellen bei – weiß der Donnergott was!«

Seora wurde blass und fragte kaum hörbar: »Woher weißt du das?«

»Harakoel sagte, Trian würde mit einer Gruppe von vermummten Männern durch das Schloss schleichen.«

Der alte König schlug mit der Faust auf die hölzerne Lehne seines Stuhles. »Ich habe die ganze Zeit schon so etwas vermutet. Seora, weißt du davon?«

Die junge Frau schüttelte den Kopf. Sie wusste zwar, dass ihr Mann etwas gegen Adamath unternehmen wollte, und er in den letzten Nächten häufig nicht in ihrem gemeinsamen Schlafgemach gewesen war, doch in seine Pläne hatte er sie nicht eingeweiht.

Mit einer Schnelligkeit, die man in seinem Alter eigentlich nicht vermutet hätte, sprang König Assan auf und fasste seine Schwiegertochter etwas härter am Arm als nötig.

»Bist du sicher? Ich habe den Wachen zwar gesagt, sie sollen sein Leben verschonen, doch man weiß ja nie …«

Nun wurde Seora noch blässer und Tränen traten in ihre Augen. »Nein, er hat nichts gesagt. Ich weiß nur, dass er nach diesen Rebellen Ausschau halten wollte.«

König Assan fluchte und ließ seine Schwiegertochter los. Dann begann er unruhig im Zimmer auf und ab zu gehen.

Was er nicht wusste war, dass sein kleiner Enkel vor der Tür stand und sein Ohr dagegen presste. Ergon hatte nicht alles verstanden, doch ihm war klar, dass er seinen Vater warnen musste. Und er wusste sehr genau, wo der sich im Moment aufhielt. Also rannte Ergon so schnell ihn seine kurzen Beine trugen durch das Schloss und kam in den engen Gängen natürlich sehr viel schneller voran als die Erwachsenen. Zum Glück suchten die Soldaten ohnehin nicht in den halb verschütteten Gängen. Doch Ergon war klar, dass er sich beeilen musste.

»Geh in dein Gemach«, befahl König Assan seiner Schwiegertochter. »Ich werde dich benachrichtigen lassen, falls mein närrischer Sohn gefunden wird.«

Seora nickte resigniert und ging mit hängenden Schultern in ihr Gemach, sie machte sich entsetzliche Sorgen. Die Prinzessin warf rasch noch einen Blick in das Zimmer ihres Sohnes, doch der schien unter seinen Decken tief und fest zu schlafen. Leise zog sie die Tür zu und setzte sich mit sorgenvoller Miene in einen der weichen Sessel.

Wieder einmal waren die Gefährten auf dem beschwerlichen, endlos scheinenden Weg durch die niedrigen Gänge zum ehemaligen Thronsaal der Zwerge. Von der Aufregung, die mittlerweile im Schloss herrschte, bekamen sie nichts mit. Endlich erreichten sie den Thronsaal und blieben überrascht stehen. Diesmal war es nicht dunkel wie sonst, sondern weiches Mondlicht fiel in die Höhle.

»Es muss etwas mit dem Stand der Monde zum Zeitpunkt der Wintersonnenwende zu tun haben«, murmelte Myrthan und betrat ehrfürchtig den verlassenen Thronsaal.

Erst jetzt sah man richtig, wie wunderschön er einst gewesen sein musste. Die Säulen waren mit in den Stein gehauenen Reliefs verziert. Der steinerne Thron selbst war kunstvoll verziert. Doch nun war vieles verfallen. Myrthan trat mit gerunzelter Stirn näher. Ein Mondstrahl fiel auf einen Diamanten, der in dem Thron eingearbeitet war, und brachte ihn zum Strahlen. Dieser Strahl setzte sich fort und fiel auf ein meisterhaft gearbeitetes steinernes Bild an der rechten Wand der Höhle. Auf dem Bild waren einige Zwerge in voller Rüstung zu sehen, die Äxte schwingend gegen eine Horde Orks kämpften. Einer der Zwerge hielt etwas in der Hand. Genau darauf zeigte nun auch der Lichtstrahl. Myrthan trat näher an das Bild und hielt kurz darauf triumphierend einen kleinen Kieselstein mit einer Rune in der Hand.

»Wir hätten die Rune ohne das Mondlicht niemals gefunden«, sagte er begeistert und zeigte den anderen den kleinen Stein. Alle waren sehr erleichtert, die Rune nun doch noch gefunden zu haben.

»Vielen Dank für Eure Gastfreundschaft und Eure Hilfe, Prinz Trian.« Myrthan verbeugte sich. »Wir werden jetzt weiterziehen.«

Prinz Trian nickte und wirkte sogar ein wenig enttäuscht, als er sagte: »Es war mir eine Ehre. Meine Soldaten werden Euch sicher aus dem Felsenreich führen. Wenn Ihr erneut Hilfe benötigt, dann wendet Euch jederzeit an mich.« Der Prinz hatte sich an den Zauberer und seine Gefährten gewöhnt und er mochte sie.

Der Zauberer deutete eine Verbeugung an. »Es mag sein, dass wir eines Tages erneut Eure Hilfe benötigen werden. Aber fürs Erste habt Ihr mehr als genug für uns getan.«

Die Gefährten hatten sich gerade wieder zum Gehen gewandt, als sie plötzlich hastende Schritte hörten. Sie zogen die Waffen und Prinz Trian machte ein mehr als erschrockenes Gesicht, als plötzlich sein kleiner Sohn in der Öffnung erschien.

»Ergon, im Namen des Donnergottes! Was tust du hier?«

Ergon konnte nicht gleich antworten. Er war so schnell gerannt, dass er jetzt keine Luft mehr bekam.

»Die … Soldaten … sie … suchen euch«, stieß er heftig schnaufend hervor.

Sein Vater kniete sich neben ihn und fasste ihn am Arm. »Was sagst du?«

Ergon erzählte alles, was er wusste. Als er geendet hatte, blickten sich alle betreten an.

»Durch das Schloss könnt Ihr nicht flüchten«, stellte Prinz Trian besorgt fest. »Ihr werdet Euch wohl hier verstecken müssen, bis sich die Aufregung ein wenig gelegt hat.«

Die anderen stimmten ihm zu. Ergon zupfte seinem Vater ununterbrochen am Ärmel. »Vater ich …«

»Nicht jetzt, Ergon«, unterbrach dieser ihn und beratschlagte mit Myrthan und den anderen, wie es weitergehen sollte.

»Ich muss zu meiner Frau. Seora ist sicherlich schon krank vor Sorge.«

»Vater ich …«, setzte Ergon erneut an und begann neben seinem Vater auf und ab zu hüpfen.

»Nicht jetzt!«, wiederholte Trian, nun etwas ärgerlich, und wandte sich Myrthan zu. »Ich werde Euch meine Soldaten hier lassen.«

»Aber ich …«, plärrte Ergon los.

»Verflucht noch mal, jetzt sei doch endlich still!«, schrie Prinz Trian. Jetzt war er wirklich wütend.

»ABER ICH WEISS EINEN WEG HIER RAUS!«, schrie Ergon aus Leibeskräften.

Sofort verstummten alle Gespräche und jeder blickte den kleinen Prinzen verdutzt an, der den Kopf einzog.

»Wie? Du kennst einen Weg hier raus?«, fragte sein Vater verständnislos.

Ergon strahlte ihn an. »Ich habe oft hier gespielt. Es gibt einen Gang, der führt am Fluss vorbei nach draußen.«

Prinz Trian wurde bleich. »Wieso hast du hier gespielt?«

Sein Sohn grinste nur und zuckte die Achseln.

»Mir scheint, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm«, meinte Daron lächelnd.

»Und du bist dir sicher, dass du den Weg nach draußen findest. Und vor allem, dass auch Erwachsene hindurch passen?«

Der Kleine nickte begeistert. Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf und fragte mit strahlenden Augen: »Ich darf sie wirklich nach draußen führen?«

Einige Zeit zögerte Trian und kämpfte innerlich mit sich doch dann drückte er Ergons Schulter. »Ich befürchte, das musst du, denn ich muss nach deiner Mutter sehen.«

Ergon hüpfte von einem Bein auf das andere und rannte bereits ans äußerste Ende des Thronsaals, von dem ein Gang abzweigte.

»Kommt doch!«, rief er begeistert.

»Warte, Ergon«, rief sein Vater streng und der Kleine blieb ungeduldig stehen.

»Wenn Ihr draußen seid, folgt dem Fluss. Ich weiß nicht genau, wo der Gang endet, aber flussaufwärts gibt es eine auffällige Felsformation«, erklärte Trian seinen Begleitern. »Es handelt sich um drei hohe, abgerundete Steine. Zwischen dem zweiten und dritten führt ein schmaler Spalt in eine Höhle, das ist der Anfang eines Labyrinths. Wartet dort auf mich.«

Daron kannte diese Felsen. »Ich werde Euch ins Schloss begleiten. Ihr solltet nicht alleine gehen.«

Erschrocken sog Ceara die Luft ein, doch Prinz Trian schüttelte bereits den Kopf. »Nein, ich gehe allein. Mir werden die Soldaten nichts tun. Ihr habt Ergon ja gehört. Mein Vater hat angeordnet, dass ich verschont werde. Nehmt meine Soldaten und geht, sie würden ohnehin bestraft werden. Und bitte, passt auf Ergon auf.«

Daron nickte halbherzig. Ihm gefiel es nicht, dass Prinz Trian ganz ohne Begleitung ins Schloss zurückkehren wollte, aber ihm war auch bewusst, dass Trian Recht hatte.

Nun rief Prinz Trian seinen Sohn zu sich zurück. Ergon kam ungeduldig näher. »Ergon, du musst mir jetzt genau zuhören.

Du führst unsere Freunde nur bis zum Ausgang der Höhle und kehrst sofort zurück ins Schloss. Ist das klar?«

Enttäuscht schob Ergon die Unterlippe vor. »Ich könnte sie zu den Felsen führen.«

»Nein!«, sagte Prinz Trian streng. »Bis zum Ausgang und dann kehrst du ins Schloss zurück. Und sei sehr vorsichtig, ja?«

»Also gut«, seufzte er.

Prinz Trian umarmte seinen Sohn und Myrthan bemühte sich, ihn zu beruhigen. Er würde gut auf Ergon aufpassen. Kurz darauf verschwand der Prinz mit einem letzten besorgten Blick auf seinen Sohn in den Felsengängen. Ergon nahm währenddessen Ceara an der Hand und zog sie voller kindlicher Begeisterung und Abenteuerlust durch die Höhle – für ihn war das alles ein aufregendes Spiel.

König Assan saß mit gereiztem Gesichtsausdruck in seinem Arbeitszimmer. Bisher hatten seine Soldaten die ominösen Fremden nicht aufspüren können. Dann kam plötzlich Harakoel hereingeplatzt, ohne sich auch nur die Zeit zu nehmen, anzuklopfen. Er keuchte und hechelte, bis er endlich zu Wort kam.

»Der Gefangene … er … ist nicht … im Kerker!«

König Assan zog die Augenbrauen zusammen und sprang auf. »Was soll das heißen? Wer hat ihn herausgelassen?«

 

»Der Kerkermeister … wusste gar nichts … von … einem Gefangenen.« Harakoel japste nach Luft, ließ sich seufzend in einen der Sessel fallen, und warf einen sehnsüchtigen Blick auf den Krug mit Wein, welchen der König allerdings nicht beachtete.

König Assan begann im Zimmer auf und ab zu laufen. »Schickt einen Boten zu Hochkönig Adamath. Euer Herr wird wissen wollen, dass sein Gefangener entkommen ist. Ich werde einfach den Kerkermeister hinrichten lassen, dann gibt es zumindest einen Schuldigen.« Sein Gesicht verdüsterte sich Hochkönig Adamath duldete kein Versagen.

»Wie Ihr wünscht, mein Herr. Ich werde einen Botenvogel schicken.« Harakoel erhob sich ächzend.

König Assan wedelte ungeduldig mit der Hand, bis Harakoel endlich verschwand. Irgendetwas lief hier verdammt schief und der König wusste einfach nicht, was es war. Aber er würde es herausbekommen.

Prinz Trian hastete durch die niedrigen, engen Gänge. Er machte sich ernsthafte Sorgen um seine Frau. Und was hatte sein Vater vor? Gerade erreichte er den letzten Gang und kroch in den Keller, als er auch schon von zehn bewaffneten Soldaten umringt war.

»Ergebt Euch, Prinz Trian. Ihr seid verhaftet!«, rief einer der ranghöheren Soldaten.

Trian zog sein Schwert. »Lasst mich durch. Ich muss zu meiner Frau.«

Der Hauptmann schüttelte entschieden den Kopf. »Wir haben Anweisungen, Euch zu verhaften. Also, lasst Euer Schwert fallen.«

Als Trian jedoch keine Anstalten dazu machte, drangen die Soldaten geschlossen auf ihn ein. Er wehrte sich, so gut es ging, doch schließlich wurde er überwältigt. Die Soldaten schleiften ihn ins Arbeitszimmer des Königs, wo sie den tobenden Prinzen einschlossen. Daraufhin verständigten sie seinen Vater und begannen die Gänge zu durchsuchen, durch die der Prinz gekommen war.

König Assan eilte zu seinem Arbeitszimmer.

Sein Sohn trat ihm wutentbrannt entgegen. »Was fällt dir ein, mich hier einzuschließen?«

»Die Frage ist doch – Was fällt dir ein, dich mit Rebellen einzulassen?« Missbilligung zeigte sich auf seinem von Runzeln überzogenen Gesicht.

Prinz Trian schnaubte abfällig. »Wer sagt denn, dass ich das getan habe?«

Mit böser Miene kam der alte König näher und fasste seinen Sohn an den Schultern. »Harakoel hat dich gesehen. Und dieser Gefangene ist niemals im Kerker gelandet. Was hast du dazu zu sagen?«

Trian überlegte kurz, dann stieß er seinen Vater ungeduldig weg. »Also gut. Ja, ich wollte etwas gegen diesen Tyrannen Adamath unternehmen.«

»Was soll das? Uns geht es sehr viel besser, als dem Rest der Menschen, die in unserem Land und den Ländern um uns herum leben. Willst du das alles deinem jugendlichen Gerechtigkeitssinn opfern? Denk doch an deine Frau und deine Kinder!«

Furchtlos blickte Trian seinem Vater ins Gesicht. »Genau das tue ich. Und ich will nicht, dass sie zu Kriechern und Jasagern heranwachsen.«

»Ach ja? Dann möchtest du wohl lieber, dass sie in Armut aufwachsen, ihr Leben lang auf der Flucht sind, oder gar getötet werden?«, fragte König Assan mit scharfer Stimme, dann wurde er etwas ruhiger und nahm seinen Sohn erneut bei den Schultern. »Sag mir, wo die Rebellen hin wollten. Ich werde Hochkönig Adamath gegenüber nicht erwähnen, dass du irgendetwas mit ihnen zu tun hast.«

»Ich werde es niemals sagen. Ich bin nicht so ein Kriecher wie du!«

König Assan verpasste seinem Sohn eine schallende Ohrfeige.

Dieser war zunächst verdutzt, doch dann schubste er seinen Vater gegen die Wand und hielt ihn fest. »Du hast mich als Kind geschlagen, vielleicht manchmal auch zu Recht. Aber jetzt bin ich erwachsen und kann selbst entscheiden, was ich für richtig halte.« Trians Blick war kalt.

Die Miene seines Vaters wurde immer verbissener und König Assan kämpfte darum, frei zu kommen, doch Trian hielt ihn weiter in seinem eisernen Griff, was seinen Vater noch wütender machte. Der König wusste sehr genau, dass sein Sohn stärker war als er selbst.

»Ich werde das Schloss verlassen und mich diesen ›Rebellen‹ anschließen. Mach doch mit deinem Königreich was du willst«, sagte Trian abfällig.

»Das wirst du nicht tun! Ich befehle es dir!«

Trian ließ seinen Vater los und hastete zur Tür. Er zog den Schlüssel ab und war schon draußen, bevor sein überraschter Vater etwas unternehmen konnte. Dann sperrte Trian von außen zu. Im Arbeitszimmer konnte er seinen Vater schreien und gegen die Tür hämmern hören. Doch Trian achtete nicht darauf. Er eilte durchs Schloss, besorgte sich die Kleidung eines einfachen Soldaten, und machte sich auf den Weg zu seiner Frau. Unterwegs lief er noch einem seiner vertrauenswürdigen Soldaten über den Weg und Trian wies ihn an, die anderen Soldaten zu suchen und zu seinen Gemächern zu kommen.

Trian fand Seora am offenen Kamin sitzend vor. Sie sprang erleichtert auf, als sie ihn sah, blickte ihn dann aber fragend an.

»Warum trägst du diese Uniform?«

»Wir müssen fliehen. Pack das Nötigste zusammen, mein Vater lässt mich suchen.«

Seoras Augen weiteten sich entsetzt. »Wir können doch nicht von hier weggehen. Ich bekomme ein Kind!«, rief sie empört.

»Aber doch erst im nächsten Frühling«, erwiderte Trian ungeduldig und begann nach möglichst einfachen und unscheinbaren Kleidern und Decken zu suchen.

»Nein, ich will das Schloss nicht verlassen!« Entsetzt keuchend wich Seora zur Wand zurück.

Trian seufzte genervt und unterbrach seine Suche. »Mein Vater lässt mich suchen und ich bin mir sicher, dass Adamath auf dem Weg hierher ist. Also muss ich fliehen.«

»Aber denk doch an unsere Kinder. Ich kann doch in meinem Zustand keine Flucht wagen!«

»Verdammt noch mal«, fluchte Trian und blickte seine Frau eindringlich an. »Andere Frauen arbeiten in ›deinem Zustand‹ auf dem Feld! Die Schwangerschaft ist noch nicht sehr weit fortgeschritten und ich möchte nicht wissen, was Adamath mit dir macht, wenn er dich hier vorfindet!«

Seora stieß einen empörten Schrei aus und wollte sich beleidigt abwenden, überlegte es sich allerdings doch anders.

»Ich muss Ergon wecken«, sagte sie wütend.

Trian wurde ein wenig blass. »Nein, zieh dir einfache Reisekleider an, die Soldaten werden dich zu der verabredeten Stelle bringen. Ich werde mit Ergon nachkommen.«

»Nein, mein Sohn kommt mit mir«, rief sie empört und blickte in Richtung des Zimmers, in dem sie ihren Sohn schlafend glaubte.

Gereizt fuhr sich Trian durch die Haare. »Es ist sicherer, wenn wir uns aufteilen. Also los, zieh dich um und ich werde mit Ergon einen anderen Weg nehmen.« Er schlug einen bestimmten und herrischen Tonfall an, den er sonst selten gebrauchte.

Verblüfft blickte Seora ihn an. So kannte sie ihren Mann gar nicht.

Zu Trians Erleichterung verschwand sie mit den Kleidern in der Hand in ihrem Schlafgemach. Trian atmete auf und ging in das Zimmer seines Sohnes, wo er rasch einige Sachen zusammenpackte. Er kam gerade heraus, als die Soldaten eintrafen.

»Bringt die Prinzessin zu den drei Felsen flussaufwärts«, befahl er gehetzt. »Sagt ihr, ich sei bereits mit Ergon los gelaufen.«

Der ranghöchste Soldat warf ihm einen fragenden Blick zu, nickte aber schließlich pflichtbewusst ― als Soldat hatte man keine Fragen zu stellen. Trian rannte durch das Schloss. Er wusste, dass er seinen Sohn unbedingt finden musste, bevor die Soldaten dies taten, sonst würden sie ihn nur zu seinem Großvater bringen und der würde Ergon garantiert als Druckmittel einsetzen. Was Seora dazu sagen würde, daran durfte er gar nicht denken!

Ergon eilte mit Ceara an der Hand eifrig voraus durch die schmalen Gänge. Alle wunderten sich, wie sicher der kleine Prinz den Weg fand.

»Bist du sicher, dass es hier raus geht?«, fragte Ceara immer wieder.

Doch Ergon nickte eifrig und versicherte, er wäre hier schon oft gewesen. Immer wieder mussten sie anhalten, da die Erwachsenen teilweise kaum durch die halb verschütteten Gänge kamen. Das Zwergenreich musste einst eine gigantische Anlage von unterirdischen Gängen gewesen sein. Ständig zweigten Felstunnel rechts und links ab.

Irgendwann schien der Kleine müde zu werden, traute sich aber wohl nicht, das einzugestehen. So sagte Ceara schließlich mit einem Augenzwinkern nach hinten: »Wir sollten eine Pause machen, ich bin etwas erschöpft.«

Ergon konnte ein erleichtertes Seufzen nicht unterdrücken und sie setzten sich in den an dieser Stelle etwas breiteren Gang und aßen etwas aus ihren Proviantsäcken.

Als sie fertiggegessen hatten, setzte sich Daron neben Ceara.

»Ich werde Ergon nicht allein zurückgehen lassen. Ich hoffe, du verstehst das?«, sagte er leise.

Sie runzelte die Stirn, überlegte kurz und nickte dann. »Dann komme ich auch mit, ich hoffe das verstehst du jetzt!«

Nun war es an Daron die Stirn zu runzeln.

»Wir bringen ihn nur bis zum Eingang vom Keller«, schlug sie vor, »dann drehen wir um. Ab dort wird ihm nichts mehr passieren.«

»Also gut.«

Nach kurzer Zeit brachen sie wieder auf. Es dauerte noch einige Zeit, bis man endlich das Rauschen des Flusses hörte. Mächtig und brodelnd floss er durch die Höhlen. Ein schmaler Grat führte an seinem Ufer entlang und bald konnte man das erste Tageslicht erblicken.

Die Sonne war bereits am Sinken, als sie endlich an die frische Luft traten. Alle atmeten auf. Die Enge in den Gängen war erdrückend gewesen.

»Vielen Dank, Ergon, du warst sehr tapfer und eine große Hilfe für uns.« Myrthan beugte sich zu dem Kleinen hinunter.

Der nickte eifrig. »Ich muss jetzt zurück«, meinte er wichtig, »mein Vater hat es gesagt.«

»Ceara und ich kommen mit dir«, sagte Daron.

In Ergons Gesicht spiegelten sich widerstrebende Gefühle. »Ich kann das aber allein«, sagte er stolz.

»Das weiß ich«, erwiderte Daron. »Aber ich, äh, ich muss noch etwas mit deinem Vater besprechen, das habe ich vorhin vergessen.«

Ergon blickte ihn misstrauisch an, doch dann nickte er. Man sah ihm deutlich die Erleichterung an, nicht alleine durch die finsteren Felstunnel laufen zu müssen. In der Ferne sah man plötzlich hier und da Fackeln und hörte heisere Schreie. Myrthan blickte sich unbehaglich um.

»Geht schon mal vor zu den Felsen. Wenn wir nicht so viele sind, dann fallen wir ohnehin weniger auf«, meinte Daron.

So verabschiedeten sich alle. Alan machte ein ziemlich unglückliches Gesicht, hielt sich aber diesmal zurück. Ihm war klar, dass er Ceara nicht umstimmen konnte. Myrthan, Bran und Alan verschwanden flussaufwärts in der Dämmerung, während Ceara, Daron und Ergon zurück in die Tunnel gingen, den gleichen beschwerlichen Weg zurück.

Gegen Mittag dieses Tages erreichten Hochkönig Adamath und Krethmor auf dem widerwärtigen Krăădan das Schloss im Felsenreich. Harakoels Botenvogel hatte eine eigentümliche Nachricht überbracht. Adamaths Gefangener war geflohen – nur, dass Adamath gar nichts von einem Gefangenen wusste!

Er hatte Krethmor gezwungen, den Krăădan zu rufen und war mit ihm ins Felsenreich geflogen. Er musste wissen, was vor sich ging. Unter dem entsetzten Blick von König Assans Soldaten landeten sie auf dem großen Platz vor dem Schloss. Alle wichen vor dem widerwärtigen geflügelten Dämon zurück. Mit festen, wütenden Schritten eilte Adamath auf das Schloss zu.

»Ich muss sagen, Krethmor, diese Art zu reisen behagt mir«, meinte er mit einem bösen Lächeln auf dem narbigen Gesicht.

Krethmors ohnehin schon säuerliche Miene verzog sich noch mehr. »Gewöhnt Euch nicht daran, Ihr könntet den Krăădan nicht ohne meine Hilfe beherrschen!«

Adamath machte eine wegwerfende Handbewegung und bedachte den zwei Kopf kleineren Zauberer mit einem verächtlichen Blick. So stürmten sie auf das Schloss zu. Die Soldaten fielen reihenweise auf die Knie. Ein ranghoher Offizier brachte den Hochkönig und den Zauberer zu König Assan, den vor einiger Zeit ein Soldat aus seinem Arbeitszimmer befreit hatte. Noch immer war König Assan aufgebracht, doch langsam beruhigte er sich ein wenig. Die Soldaten würden seinen Sohn schon finden.

Als der Hochkönig eintraf, verbeugte er sich tief. »

Eure Majestät ist bereits eingetroffen«, sagte er ehrfürchtig.

»Was hat das zu bedeuten?«, fragte Adamath ungeduldig. Ihm waren die vielen aufgeregten Soldaten aufgefallen, die hier herum liefen. Das konnte unmöglich an einem einzelnen entflohenen Gefangenen liegen.

»Harakoel sagte, Euer Gefangener sei entflohen. Außerdem vermuten wir, dass sich die Verräter, die Ihr sucht, im Felsenreich aufhalten«, erklärte König Assan, ohne es zu wagen, den Blick zu heben.

 

»Ihr habt die Verräter gesehen? Wo?«

König Assan wand sich ein wenig. Er wollte nicht zugeben, dass sein Sohn beteiligt war. »In den Felsengängen. Ich habe alles veranlasst. Es wird bereits nach ihnen gesucht.«

Adamath zog die Augenbrauen zusammen und fuhr sich durch den kurzgeschnittenen grauen Bart. »Gut, aber was soll diese dämliche Geschichte mit dem angeblichen Gefangenen?«

»Der Gefangene, den Ihr vor, nun ja, einiger Zeit, es dürfte beinahe einen Mond her sein, gebracht habt. Harakoel sagte, er sei aus seiner Zelle geflohen.«

Die Miene des Hochkönigs verfinsterte sich immer mehr und er beugte sich zu dem wesentlich kleineren König Assan hinunter.

»Ich war das letzte Mal vor etwa fünf Wintern bei Euch!« Seine Stimme hatte einen drohenden Klang angenommen.

Voller fassungslosem Entsetzen starrte König Assan ihn an, dann räusperte er sich. »Ich selbst habe Euch nicht gesehen. Aber Harakoel war sicher, dass Ihr hier wart.«

»Lasst diesen Wurm zu mir bringen«, schrie Adamath und Krethmors hageres, faltiges Gesicht verzog sich kritisch.

König Assan bemühte sich, nicht allzu auffällig auf Krethmors verbrannte Gesichtshälfte zu blicken, konnte es allerdings nicht ganz vermeiden. Der stechende Blick des Zauberers traf ihn und König Assan wandte sich rasch ab.

»Darf ich den hohen Herren eine Erfrischung anbieten?« Er drehte sich zu seiner Vitrine um, wo er einige edle Tropfen aufbewahrte.

Achtlos stürzte Adamath den teuren Weinbrand in einem Zug hinunter. Er wartete ungeduldig auf Harakoel, der schließlich von einer Wache hereingebracht wurde. Als er den Hochkönig sah, fiel er sofort auf die Knie.

»Oh, mein Herr. Was für eine Freude, Euch zu sehen!«

Ungeduldig zerrte Adamath ihn auf die Füße. »Was redest du für einen unglaublichen Blödsinn? Ich habe niemals einen Gefangenen hierher gebracht! Und wer soll das überhaupt gewesen sein?«

Harakoels Augen weiteten sich entsetzt. Er schluckte und begann zu zucken. »Aber Hoher Herr, ich sah Euch doch selbst, als Ihr ... diesen Gefangenen, der … Eure Verlobte damals entführen wollte ... zu Prinz Trian brachtet«, stammelte er ängstlich.

Adamath nahm ihn am Kragen seines schmutzigen Hemdes. »Die Kreatur, die meine Verlobte entführt hat?«, fragte er mit mühsam beherrschter Stimme.

Mit ängstlichem Gesicht bestätigte Harakoel dies und bemühte sich, die Füße wieder auf den Boden zu bringen.

Adamath drückte Harakoel gegen die Wand. »Ich soll bei Prinz Trian gewesen sein?«, fragte er gefährlich leise.

Harakoel, der jetzt wirklich Todesangst hatte, nickte hektisch.

»Ich war NIEMALS bei Prinz Trian!«, schrie Adamath außer sich und Harakoel versuchte, seinen Kopf nach hinten zu lehnen, doch dort war nur die Wand. »Was bist du für ein Idiot? Kann man mich wirklich so leicht verwechseln?«

»Natürlich nicht, mein Herr, Ihr seid unverwechselbar. Deswegen bin ich mir auch so sicher, dass Ihr es wart. Ich selbst sah Euch im Arbeitszimmer von Prinz Trian«, wimmerte Harakoel und zuckte mit den Beinen.

Einen unartikulierten Schrei ausstoßend schleuderte der Hochkönig Harakoel durch den halben Raum. Der bucklige Mann blieb zusammengekrümmt liegen. Adamath setzte Harakoel nach und hielt ihn mit einem Fuß am Boden fest, als er aufstehen wollte.

»Du wirst das verantworten müssen, Harakoel«, drohte der König.

Wimmernd hob der ehemalige Turmwächter den Kopf, so weit es eben ging. »Aber … fragt … Prinz Trian, er hat Euch auch gesehen.«

Adamath holte aus, um ihm ins Gesicht zu treten, überlegte es sich dann aber anders. »Holt Euren Sohn«, befahl er König Assan.

Der wurde bleich, fing sich jedoch bald wieder. »Mein Sohn hilft bei der Suche nach den Verrätern.«

Missbilligung zeigte sich auf Adamaths Gesicht, dann nickte er jedoch. »Gut, berichtet mir alles über die Suche und zeigt mir, wohin die Verräter geflüchtet sind. Ich werde meine eigenen Männer, die wohl bald eintreffen werden, ebenfalls mit der Suche beauftragen.«

König Assan versicherte nervös, alles in seiner Macht stehende zu tun. Adamath betrachtete den noch immer am Boden kauernden Harakoel verächtlich, doch plötzlich trat ein böses Grinsen auf sein hässliches, grobschlächtiges Gesicht. Er packte den entsetzten Harakoel an seinem alten, schmuddeligen Hemd und hob ihn mühelos auf.

»Ihr solltet etwas mehr auf Eure Kleidung achten. Ihr seht abgerissen aus!«

»Natürlich, wie Ihr befehlt. Natürlich!«

Adamath wandte den Blick zu König Assan. »Lasst einen Trupp Orks in den Schlosshof kommen.«

Mit einer Verbeugung verließ König Assan den Raum und sandte einen Boten. Adamath hielt den wie besessen zuckenden Harakoel am Hemd fest und schleifte ihn hinter sich her. Bald waren sie im Schlosshof angekommen, wo sich eine Gruppe von zehn Orks befand, die unter der Leitung eines Dämonenreiters standen. Die schwarz verhüllte Gestalt zischte dem größten der Orks etwas zu, welcher der Anführer war, und die groben, hässlichen Gestalten in ihren schmutzigen Rüstungen fielen grunzend auf die Knie.

Mit Harakoel am Kragen trat Adamath vor. Das bösartige Grinsen kehrte auf das Gesicht des Hochkönigs zurück.

»Eure Orks leisten sicher gute Arbeit. Haben sie heute schon etwas zu essen bekommen?« Bei dem Wort ›Essen‹ erhob sich gieriges Gegrummel.

Der Dämonenreiter schüttelte seinen maskierten und verhüllten Kopf. »Nein, mein Herr. Dafür war noch keine Zeit.«

»Sehr gut!« Adamath schubste den verdutzten Harakoel in Richtung der Orks. »Hier, nehmt den. Er muss sowieso weg.«

Alle starrten den Hochkönig entsetzt an. Vor allem natürlich Harakoel, der nach Worten rang.

»Aber mein König! Ich habe Euch immer gut gedient!«, rief er entrüstet.

Adamath hob gleichgültig die Schultern. »Nicht gut genug. Wenn du zu dämlich bist, mich zu erkennen, dann verdienst du nichts Besseres.«

»Aaaber, mein Herr«, heulte Harakoel und kroch mit zuckenden Gesichtszügen aus der Reichweite der gierig grunzenden Orks. »Ich bin nicht schuld! Ich bin nicht schuld!« Harakoel blickte sich hektisch um und deutete mit einer zitternden Hand wahllos auf einen Pagen. »Er, er ist schuld! Er ist verantwortlich! Und Prinz Trian. Er muss den Orks vorgeworfen werden, nicht ich!«, schrie er hysterisch.

Belustigt hob Adamath die nach oben geschwungenen Augenbrauen und Krethmor trat zu ihm.

»Vielleicht war es eine List. Sie haben eine Fiilja bei sich, die können die Gestalt verändern.«

Dieser Gedanke war Adamath noch gar nicht gekommen, doch dann schüttelte er den Kopf. »Egal, ich wollte diesen Wurm ohnehin loswerden.«

Krethmor zuckte gleichgültig die Achseln und wandte sich ab.

Harakoel wimmerte und kroch zu den Füßen des Hochkönigs. »Verschont mich, edler Herr, ich bin Euer treuer Diener. Ich bin sehr wichtig!«

Für einen Augenblick glomm etwas Hoffnung in Harakoels Gesicht auf, als Adamath ihn am Kragen packte und auf die Füße zog.

»Dann wirst du sicher mit einer sehr wichtigen Aufgabe zufrieden sein, nicht wahr?«

Harakoel nickte übereifrig.

»Hervorragend!« Mit einem bösen Lachen warf Adamath den kleineren Mann beinahe mühelos vor die Füße der wartenden Orks. »Du wirst ein gutes Mahl für meine Orks abgeben. Fresst ihn!«

Harakoel schrie hysterisch auf, als sich die Horde grunzender Orks auf ihn stürzte. Innerhalb kürzester Zeit hatten sie ihn zerrissen.

Adamath schaute belustigt zu, während sich König Assan, der zu ihnen getreten war, und seine Soldaten sich angewidert abwandten.

Dann grunzte der Anführer der Orks plötzlich und spuckte ein Stück von Harakoel auf den Boden.

In der grunzenden, kaum verständlichen Sprache seines Volkes sagte er: »Schmeckt nicht. Zu schleimig.«

Auch die anderen Orks warfen die Überreste von Harakoel zu Boden. Dann stampften sie wieder zum Tor hinaus.