Dionarah - Das Geheimnis der Kelten

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»Also gut, Harakoel, Ihr werdet meinen Sohn im Auge behalten. Falls er sich irgendwie merkwürdig verhält, dann berichtet es mir. Und sagt den Oberbefehlshabern, dass sie weitere Orks ausschicken sollen. Ich habe ein ungutes Gefühl.«

Nachdem er eine tiefe Verbeugung gemacht hatte, widmete sich Harakoel erneut seinem Braten.

Wenn der Kerl noch länger bei uns weilt, werden unsere Vorratskammern bald leer sein, dachte der alte König missbilligend.

Doch vielleicht würde ihm diese kriecherische Kreatur noch von Nutzen sein.

Nach einem angenehm entspannten Tag holte Prinz Trian die Gefährten bei Einbruch der Nacht ab. Er wirkte ein wenig nervös, doch er versicherte, dass die beiden Soldaten, die er bei sich hatte, absolut vertrauenswürdig wären. Die neun in Umhänge gehüllten Gestalten schlichen leise durch das schlafende Schloss. Sie liefen durch menschenleere Gänge, über geheime Treppen und durch Kellergewölbe, bis sie schließlich die unterirdischen Gänge erreichten, die Katakomben glichen.

»Wenn der Prinz uns reinlegt, sind wir verloren«, knurrte Alan, der hinter Bran herlief.

Auch Bran war nicht ganz wohl in den dunklen, verzweigten Gängen, doch da der Zauberer ruhig blieb und sie eindeutig in der Überzahl waren, ließ er es auf sich beruhen.

Immer tiefer stiegen sie hinab. Inzwischen mussten sie schon ein ganzes Stück unter der Erde sein. Von Ferne hörte man leises Hämmern und irgendwo rauschte ein unterirdischer Fluss.

»Das sind die Sklaven«, antwortete Prinz Trian sichtlich verlegen auf Darons Frage, was das für Geräusche wären. »Wenn ich eines Tages König bin, wird es das nicht mehr geben!«

Es ging noch weiter hinab und irgendwann wurden die Gänge zunehmend niedrig. Bald mussten alle die Köpfe einziehen und irgendwann hielten sie an.

»Diese Gänge sind niemals weiter ausgebaut worden«, erklärte Prinz Trian bedauernd. »Wir müssen nun auf Knien weiterkrabbeln, um zum ehemaligen Thronsaal der Zwerge zu gelangen. Wer nicht mitgehen möchte, kann warten.«

»Wir gehen gemeinsam«, bestimmte Myrthan. Und so ließen sich alle auf die Knie nieder und robbten durch die teilweise schon halb verschütteten Gänge. Endlich, als alle schon ziemlich erschöpft waren, kletterten sie durch eine Öffnung und erreichten eine riesige Halle. Das Licht der Fackeln reichte nicht aus, um sie ganz auszuleuchten, die Halle schien gigantisch sein.

»Das muss wohl einmal der Thronsaal des Zwergenkönigs gewesen sein.« Prinz Trians Stimme hallte von den Wänden der kuppelförmigen Höhle wider. »Es zweigen noch eine Menge Gänge ab, aber nicht einmal als Kind ist es mir gelungen, alle zu erforschen.«

Staunend schritten die Gefährten durch den riesigen Saal. Sie hielten ihre Fackeln hoch und blickten fasziniert auf die größtenteils sehr kunstvoll in den Stein gemeißelten Verzierungen und Ornamente, die den Thron und die Wände schmückten.

»Und wo soll die Rune sein?«, fragte Alan ungeduldig, der sich so tief unter der Erde einfach nicht wohl fühlte.

Myrthan untersuchte gerade mit seiner Fackel den Thron. »Das weiß ich leider auch nicht. Wir müssen einfach weitersuchen.«

So machten sich alle auf die Suche, welche jedoch zunächst erfolglos blieb. Die Nacht musste mittlerweile schon weit fortgeschritten sein.

»Ich glaube, ich habe etwas gefunden«, rief Myrthan irgendwann.

Die anderen kamen eilig näher. Myrthan stand vor einer Steintafel, direkt hinter dem Thron. Runen waren rund um die Tafel eingraviert. In der Mitte prangten fremde Schriftzeichen.

»Leider konnte ich die Zwergensprache nie entziffern«, meinte Prinz Trian bedauernd, doch Myrthan bedeutete ihm zu schweigen.

Er las eine Zeit lang konzentriert, schüttelte immer wieder den Kopf, und schien zu überlegen.

»Also, wenn ich die Zwergensprache richtig übersetzt habe, dann bedeutet dies:

Wenn das Licht des Sommers sich wendet in der Winter Schatten und wenn der Winter wird zum Sommer, gibt der Saal der Zwerge sein Geheimnis preis«, berichtete Myrthan schließlich. Er runzelte die Stirn. »Zumindest sinngemäß.«

»Und was bringt uns das?«, fragte Alan genervt. »Ich verstehe kein Wort.«

»Ich bin mir nicht sicher«, murmelte Myrthan. »Aber ich vermute, dass dieser Saal nur zur Sommer- oder Wintersonnenwende erleuchtet wird.« Er hielt seine Fackel in die Höhe, doch man konnte das Ende der kuppelförmigen Decke nicht erkennen.

»Aber, es sind ja noch …«, Daron rechnete angestrengt nach, doch Myrthan unterbrach ihn.

»Zwanzig Tage bis zur Sommersonnenwende.«

Ein allgemeines Aufstöhnen war zu hören und Ceara und Alan, die wohl den gleichen Gedanken gehabt hatten, suchten die Tafel noch einmal genau mit den Händen ab, jedoch ohne Erfolg.

»Ihr könnt natürlich im Schloss bleiben. In den Nordflügel kommt ohnehin niemand. Dort werdet Ihr sicherlich nicht entdeckt«, bot Prinz Trian hilfsbereit an.

»Vielen Dank, das ist sehr großzügig.« Zweifelnd fuhr sich Myrthan über den langen, eisengrauen Bart. »Aber, je länger wir hier bleiben, umso größer ist die Gefahr, dass wir entdeckt werden. Und auch für Euch ist das nicht ganz ungefährlich.«

»Ich weiß, aber ich finde es sehr wichtig, dass etwas gegen Adamath unternommen wird.«

»Das ehrt Euch, Prinz Trian«, erwiderte der Zauberer seufzend. »Ich befürchte, uns wird nichts anderes übrig bleiben, als Euer Angebot anzunehmen.«

Noch einmal sahen sich alle genau um, doch schließlich mussten sie aufgeben und krochen mühsam den Weg wieder zurück. Es dämmerte tatsächlich bereits, als sie endlich wieder im Schloss angekommen waren. Müde und unzufrieden schlichen sie zurück in den verlassenen Turm. Langsam erwachte das Schloss zum Leben und hier und da hörte man Geräusche, oder sah eine verschlafene Magd vorbeihuschen.

»Es tut mir leid«, sagte Prinz Trian unglücklich, als sie wieder in dem Raum angekommen waren.

»Ihr könnt nichts dafür«, versuchte Myrthan ihn zu beruhigen. »Wir sind Euch trotz allem sehr dankbar.«

Der junge Prinz nickte, wirkte aber dennoch unzufrieden. »Ich werde Euch Frühstück bringen lassen. Und falls Ihr Euch entschließt, hier zu bleiben, dann kann ich Euch frische Kleidung besorgen und die Eure zum Reinigen bringen.«

Der Zauberer nickte müde und Prinz Trian verließ mit seinen beiden Wachen den Saal. Alle ließen sich in einen der Sessel oder auf das große Sofa fallen und starrten düster vor sich hin.

»Ist es denn überhaupt sicher, dass es diese Tafel ist, die den Hinweis auf die Rune gibt?«, fragte Fio´rah plötzlich.

Myrthan seufzte. »Wenn sie es nicht ist, dann weiß ich überhaupt nicht, wo wir suchen sollen. Diese Zwergenstadt war riesig. Wir könnten den Rest unseres Lebens dort unten verbringen.«

Das hob die Stimmung nicht wesentlich. Irgendwann erschien ein Diener und brachte ein üppiges Frühstück, doch wirklich Appetit hatte niemand.

Der Diener blickte sich fragend um. »Kleidung für vier Männer und, äh, zwei Frauen?«

Myrthan nickte abwesend und der Diener verschwand. Kurz darauf kehrte er mit den Kleidungsstücken zurück. Nachdem alle abwechselnd gebadet, und ihre Kleider gewechselt hatten, setzten sie sich zusammen im Wohnraum ans Feuer. Obwohl es draußen ziemlich heiß sein musste, waren die Räume im Inneren so kühl, dass man ein Feuer im Kamin gut vertragen konnte.

Fio´rah stupste Ceara grinsend an. »Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals ein Kleid getragen zu haben.«

Voller Bewunderung musterte Ceara die Fiilja. Sie trug einen langen sandfarbenen Rock mit einem schwarzen Oberteil.

»Das sieht aber sehr hübsch aus«, meinte Ceara ehrlich, die selbst ein dunkelgrünes Kleid an hatte, dessen weite Ärmel mit schwarzen Mustern verziert waren.

»Du auch«, erwiderte Fio´rah augenzwinkernd. »Aber Männerkleidung finde ich trotzdem praktischer.«

Dem musste Ceara grinsend zustimmend, doch dann räusperte sich Myrthan und sie besprachen, wie sie weiter vorgehen sollten. Immer wieder wurden Vorschläge gemacht und anschließend verworfen. Alan schlug vor, dass ein Teil sich schon auf die Suche nach der Rune in Fearánn machen sollte, aber Myrthan widersprach. Er war sich sicher, dass sie alle benötigt wurden. Gemeinsam nach Fearánn aufzubrechen und zur Sommersonnenwende zurückzukehren, wäre ohnehin nicht sehr sinnvoll. Die Zeit war hierzu einfach zu knapp.

Schließlich einigten sie sich darauf zu bleiben. Myrthan wollte sich des Nachts gelegentlich in den Drachen verwandeln, um sich etwas umzusehen. Falls Gefahr drohte, könnten sie rechtzeitig verschwinden. Doch es war ein Risiko, vor allem, da Harakoel im Schloss war und Dämonenreiter und Orks die Gegend absuchten. Aber es blieb wohl keine andere Wahl. Trotz allem beschlossen sie, dass in der Nacht immer zwei von ihnen in die Zwergenstadt gehen sollten, um nach der Rune zu suchen, falls die Tafel doch nicht der richtige Hinweis wäre. Bran und Myrthan erklärten sich bereit, die erste Erkundungstour in dieser Nacht zu machen.

Prinz Trian kam am späten Nachmittag und war sehr erfreut zu hören, dass sie blieben. »Selbstverständlich werde ich Euch zwei meiner Wachen mitgeben«, bot er sofort an. Plötzlich fiel sein Blick auf Ceara. Er runzelte die Stirn und schrak zusammen. »Ihr … Ihr seid doch die Verlobte des Königs!«

Bevor Ceara den Mund aufmachen konnte, stellte sich Daron vor sie und sagte bestimmt: »Ihr irrt Euch, sie ist es nicht.«

Prinz Trian runzelte die Stirn und wollte noch etwas entgegnen. Er war sich vollkommen sicher, sie bei der Verlobungsfeier, auf der auch er und seine Familie gewesen waren, gesehen zu haben.

»Daron, wir haben doch beschlossen, ihm zu trauen!«, sagte Myrthan streng. Doch Daron setzte ein stures Gesicht auf und hielt Ceara hinter sich fest, die wieder nach vorne kommen wollte.

 

Prinz Trian schien sich wieder einigermaßen gefasst zu haben. »Ob sie es nun ist oder nicht ist gleichgültig. Falls ja, dann kann ich verstehen, dass sie geflohen ist.« Damit wandte er sich ab und verließ den Raum. Irgendwie wirkte er ein wenig beleidigt.

»Lass mich jetzt los!« Ceara löste sich aus Darons Griff, dann baute sie sich vor ihm auf. »Wenn er uns verraten wollte, dann hätte er es ohnehin schon getan. Meinst du, es macht einen Unterschied, ob er weiß wer ich bin oder nicht?«

Daron machte ein wütendes Gesicht. Offensichtlich wusste er darauf keine Antwort. »Ach, was weiß ich. Es ist besser, wenn es geheim bleibt.«

Ceara schüttelte den Kopf und stellte sich mit verschränkten Armen ans Fenster. Sie konnte über die felsige Landschaft blicken und im Westen sah man sogar schon die Wälder von Fearánn.

Die anderen zogen sich in ihre Zimmer zurück. Bran und Alan teilten sich eins, ebenso wie Ceara und Fio´rah. Im dritten konnten Daron und Myrthan schlafen. Daron trat hinter Ceara, die am Fenster stehen geblieben war und legte ihr vorsichtig eine Hand auf die Schulter.

»Es tut mir leid. Ich will nur nicht, dass dich jemand erkennt und am Ende nach Huellyn zurückbringt.«

Sie schnaubte. »Aber wenn du den Prinzen verärgerst, hilft es uns auch nicht. Er hat mich ohnehin erkannt.«

»Ich weiß«, gab er zu und seufzte dann. »Ich werde mich bei ihm entschuldigen.«

»Gut.« Noch immer wirkte Ceara etwas verstimmt, aber schließlich lächelte sie, irgendwie verstand sie ihn ja.

Daron betrachtete sie eine ganze Weile und Ceara wurde irgendwann nervös.

»Was starrst du mich denn so an?«

»Entschuldige, aber dieses Kleid passt perfekt zu deinen Augen«, antwortete er und lächelte sie verliebt an.

»Oh.« Verlegen zupfte sie an ihrem Kleid herum und murmelte: »Ich ziehe sonst nie Kleider an.«

»Schade! Ich gebe ja zu, dass es zum Reiten und Schwertkämpfen ein wenig unpraktisch sein kann, aber du siehst sehr hübsch aus.«

Erneut wurde Ceara rot und überlegte, was sie erwidern sollte, doch sie wurde unterbrochen, als es an der Tür klopfte. Ein Diener nannte das Losungswort und wurde mit dem Abendessen eingelassen. Nach dem sehr guten und üppigen Essen verschwanden Ceara, Alan und Fio´rah gleich in ihren Zimmern. Sie waren alle müde. Bran und Myrthan warteten auf den Soldaten, der sie in die Katakomben begleiten sollte. Daron legte noch ein wenig Holz im Kamin nach und wollte ebenfalls schlafen gehen, doch Bran hielt ihn an der Schulter zurück, als der Zauberer kurz im Baderaum verschwunden war.

»Darf ich dir einen Rat geben, Daron?«, fragte der ältere Mann lächelnd.

Daron schaute ihn verdutzt an, nickte dann jedoch.

»Nachdem wir einige Zeit hier bleiben werden, ist es doch für dich und Ceara eine gute Gelegenheit … nun … wie soll ich sagen?« Bran grinste spitzbübisch. »Ein wenig ungestört zu sein.«

Daron nickte, wusste aber scheinbar nicht, worauf Bran hinaus wollte.

»Ich habe mit Myrthan geredet. Er hätte nichts dagegen, wenn er in dem dritten Bett schläft, welches im Zimmer von mir und Alan steht.«

Einen Moment lang starrte Daron Alans Onkel an und wurde dann zu seinem Ärger rot. »Du, äh … du meinst«, stammelte er schließlich verlegen, »sie würde sich nicht in ihrer Ehre gekränkt fühlen, wenn … wenn … wir ein Zimmer teilen würden?«

Lächelnd schüttelte Bran den Kopf. »Nein, das würde sie nicht. Ich glaube eher, sie wäre beleidigt, wenn du sie nicht fragst. Sieh mal, in unserer Welt sieht man diese Sachen, nun ja, etwas lockerer, wenn du weißt, was ich meine.«

Daron wirkte überrascht. »Also, es gab in Dìonàrah durchaus einige Völker, bei denen Frauen und Männer miteinander gelebt haben, die nicht verheiratet waren. Aber die meisten Frauen heutzutage würden es wohl als unehrenhaft betrachten.«

»Ceara nicht«, sagte Bran einfach und schlug ihm auf die Schulter. »Überleg dir´s! So eine Gelegenheit habt ihr wohl nicht so schnell wieder.«

Beinahe die ganze Nacht lang dachte Daron darüber nach. Am nächsten Tag betrachtete er Ceara die ganze Zeit über, die unter seinen Blicken schon ganz nervös würde. Er brauchte jedoch noch einige Tage, bis er sich schließlich traute, sie anzusprechen.

Die Suche in den Katakomben war erfolglos geblieben, daher mussten sie weiterhin im Felsenreich bleiben. Myrthan verließ das Schloss wie geplant gelegentlich in der Nacht, doch außer einigen Ork-Patrouillen sah er nichts Beunruhigendes. An sich war es eine recht entspannte Zeit für die Gefährten. Zumindest für diejenigen, die nicht in den Katakomben herumkriechen mussten. Es gab gutes Essen, sie hatten nicht viel zu tun und konnten sich ausruhen. Prinz Trian war allen sympathisch. Er kam vorbei, wann immer er es wagen konnte. Er berichtete, was er von Adamath und Krethmor wusste, aber momentan schien es in Huellyn ruhig zu sein.

An diesem Abend aßen alle gemeinsam. Alan und Fio´rah wollten später in die Katakomben gehen. Myrthan machte sich bereit, sich in den Drachen zu verwandeln und Prinz Trian entschuldigte sich gleich nach dem Abendessen. Daron, Ceara und Bran saßen am Feuer und tranken etwas von dem guten Rotwein, den der Prinz ihnen spendiert hatte. Irgendwann gähnte Bran laut und verkündete, jetzt ins Bett zu gehen. Er zwinkerte Daron zu und verschwand.

Ceara und Daron saßen nebeneinander und starrten in die Flammen. Vorsichtig legte Daron einen Arm um sie.

»Bist du auch müde?«, fragte er und seine Stimme war vor Aufregung ein wenig heiser.

Sie schüttelte den Kopf und lehnte sich zufrieden an ihn. Eine ganze Weile saßen sie eng zusammengekuschelt und schließlich räusperte Daron sich.

»Wenn es dir nichts ausmacht, könnten wir auch ein Zimmer teilen.« Er blickte sie erwartungsvoll und auch etwas verlegen an.

Ceara lächelte. »Das würde mir überhaupt nichts ausmachen.« Dann stockte sie plötzlich und lief knallrot an. Ihr war plötzlich ein furchtbarer Gedanke gekommen.

»Was ist denn? Wenn du nicht möchtest, dann müssen wir nicht«, sagte Daron und streichelte ihr übers Gesicht.

Sie schüttelte entschieden den Kopf. »Ich … ich weiß nur nicht, wie die Sitten bei euch sind. Ich meine …«, begann sie vorsichtig. Ceara wusste gar nicht, wie sie es ihm sagen sollte, doch dann fasste sie sich ein Herz. »Vielleicht findest du mich jetzt unmoralisch, oder unanständig, oder Schlimmeres, aber ich war schon mal mit einem Mann zusammen.« Jetzt blickte sie ihn ängstlich an.

Zunächst wirkte er etwas überrascht und runzelte kurz die Stirn, dann drückte er sie an sich. »Nein, das finde ich überhaupt nicht unanständig. Auch ich hatte schon ein paar Mädchen. Ich hoffe, dir macht das ebenfalls nichts aus.«

Erleichtert versicherte Ceara, dass es ihr gar nichts ausmachte. Dann stand sie grinsend auf und zog ihn an der Hand hoch. »Also, wenn es dich nicht stört, dass ich mit dem größten Idioten dieser Welt verlobt bin, dann können wir gerne in dein Zimmer gehen.«

Leise lachend hob er sie hoch. »Ich glaube, diese Verlobung war wohl doch etwas einseitig.« Dann verschwanden sie in Darons Zimmer.

Myrthan lächelte, als er in der Nacht auf dem Balkon vor dem Wohnraum landete und anschließend einen vorsichtigen Blick in Darons Zimmer warf. Bran hatte ihn bereits vorgewarnt und so legte er sich in das schmale Bett, das im Zimmer von Alan und Bran stand.

Bran wachte kurz auf und murmelte schläfrig: »Na, haben sie es endlich geschafft?«

»Es erweckt den Anschein.« Der Zauberer lächelte und schlief bald darauf ein.

Am nächsten Tag beim Frühstück machten Ceara und Daron derart glückliche Gesichter, dass selbst Alan seine noch immer leicht vorhandene Eifersucht herunterschluckte.

Myrthan nahm Ceara im Laufe des Tages beiseite und drückte ihr ein Päckchen in die Hand.

»Hier«, flüsterte er, »wenn du möchtest, kannst du diese Kräuter nehmen. Es wäre wohl momentan nicht sehr sinnvoll, wenn du schwanger werden würdest. Obwohl ich mich da nicht einmischen möchte!«

Sie wurde ein wenig rot, grinste dann aber dankbar. »Das wäre es wahrscheinlich nicht. Vielen Dank!«

»Du solltest dir am Morgen davon einen Tee aufbrühen. Notfalls kannst du die Blätter auch einfach zerkauen, dann schmecken sie allerdings etwas bitter.«

Mit einem dankbaren Lächeln und machte sich Ceara daran, einen Teekessel über das Feuer zu hängen.

Die nächsten Tage vergingen relativ ereignislos. Die nächtlichen Streifzüge brachten keine Erfolge und alle warteten auf die Sommersonnenwende. Außer Daron und Ceara, die es genossen, Zeit für sich allein zu haben, wurden alle langsam ungeduldig. Alan saß eines Nachmittags in einem der Sessel und knabberte missmutig an einem Stück Gebäck herum.

»Wir werden noch alle faul und fett in diesem Schloss«, knurrte er.

Fio´rah hatte ihre langen Beine über die Lehne eines anderen Sessels gelegt und meinte mit einem Grinsen, das ihre spitzen Zähne blitzen ließ: »Du vielleicht. Wir Fiiljas werden nie fett!« Damit nahm sie sich ein weiteres Stück Gebäck und biss herzhaft hinein.

Bran lachte, doch auch er wurde langsam ungeduldig, ebenso wie Myrthan, der zunehmend nervös wirkte. Irgendwie spürte der Zauberer, dass sie sich nicht mehr allzu lang Zeit lassen durften.

Tatsächlich schaffte es Prinz Trian, seine geheimen Gäste vor den anderen Schlossbewohnern zu verbergen – vor allen, bis auf seinen kleinen, neugierigen Sohn. Der schlich, wie schon sein Vater in seinem Alter, einfach zu gern durch das Schloss. Ergon machte sich einen Spaß daraus, sich vor den Dienern zu verstecken und sie zu erschrecken, wenn es ihm einfiel.

Eines Tages folgte er einer der Mägde und wunderte sich noch, was sie im Nordturm tat. Dorthin kam normalerweise niemand. Leise und von Nische zu Nische huschend, lief er ihr hinterher. Der kleine Ergon hörte das Losungswort mit an, nahm all seinen Mut zusammen, und klopfte an die Tür, nachdem die Magd wieder verschwunden war. Er musste wissen, was sich dahinter verbarg.

»Zepter des Drachen«, rief er so bestimmt wie möglich und hoffte, dabei möglichst erwachsen zu klingen.

Die Tür öffnete sich knarrend und Ergon wich nach hinten zurück, als ihm ein großer Mann mit dem längsten Bart entgegenkam, den er jemals gesehen hatte. Myrthans lange, eisengraue Haare und die stechenden Augen taten ihr Übriges. Ergon war kurz davor, loszuheulen.

Doch dann wurden die Augen des Zauberers weich.

»Ja, wen haben wir denn da?«, fragte er freundlich.

»Ppprinz Eeerrgon«, stotterte der Kleine mit allem Mut, den er aufbringen konnte.

Myrthan hob die Augenbrauen. »Und was willst du hier?«

Ergon straffte die Schultern und antwortete bestimmt: »Ich wollte sehen, wer hier lebt. Denn hier lebt normalerweise niemand.«

Ein Lachen unterdrückend machte der Zauberer eine einladende Handbewegung. »Mein Name ist Myrthan. Darf ich dich hereinbitten?«

Einen Augenblick zögerte Ergon, dann nickte er und trat vorsichtig in den Raum. Er starrte alle Anwesenden mit offenem Mund an. Doch als sein Blick Fio´rah traf, fing er wirklich an zu weinen und wollte zur Tür hinaus rennen. Myrthan hielt ihn fest.

»Langsam, langsam, junger Prinz. Niemand wird dir etwas tun.«

Ergon zappelte und wollte sich vergeblich aus Myrthans Griff befreien, doch der Zauberer hielt ihn eisern fest.

»Das ist eine Hexe, sie wird mich verhexen!«, schluchzte der Kleine und trommelte auf den Zauberer ein.

»Nein, das wird sie nicht«, erwiderte Myrthan bestimmt und drehte Ergon herum. »Das ist Fio´rah, sie ist eine Fiilja. Außerdem ist sie eine gute Freundin von mir. Kennst du Fiiljas?«

Ergon nickte vorsichtig. Sein Lehrer hatte von Fiiljas erzählt. Doch sein Großvater hatte immer gesagt, Frauen die kämpfen seien allesamt Hexen. Das verkündete Ergon nun mit Überzeugung.

Mit Mühe unterdrückte Myrthan ein Schmunzeln. »Siehst du das Mädchen dort drüben?« Er deutete auf Ceara und Ergon nickte. »Auch sie kann kämpfen. Und auch sie ist keine Hexe.«

Verwirrt starrte Ergon von Fio´rah zu Ceara und konnte den Mund gar nicht mehr schließen.

»Mal abgesehen davon, mein Kleiner«, fuhr der Zauberer fort, »es gibt gute und böse Hexen. So wie es gute und böse Könige gibt. Dein Vater ist ein Freund von uns, deswegen lässt er uns hier wohnen. Und deinen Vater hältst du doch nicht für böse, oder?«

 

Der kleine Prinz schniefte, wischte sich die Tränen ab, und schüttelte dann den Kopf. »Nein, mein Vater ist nicht böse.«

Nun war Myrthan halbwegs zufrieden. »Ergon«, sagte er mit einem Blick zur Tür, »würdest du uns die Ehre erweisen, mit uns zu essen, bis dein Vater kommt?«

Nach kurzem Zögern setzte sich Ergon an den Tisch. Immer wieder wanderte sein Blick zu Fio´rah, die ihm dann aufmunternd zulächelte, doch Ergon schien die Fiilja nicht ganz geheuer zu sein.

Es dauerte einige Zeit, bis Prinz Trian endlich auftauchte. Als er seinen kleinen Sohn sah, wurde er zunächst ein wenig blass, dann schimpfte er los.

»Ergon, verdammt noch mal, was tust du denn hier?«

»Ich bin der Magd nachgelaufen«, antwortete Ergon selbstbewusst.

Prinz Trian setzte zu einem Donnerwetter an, doch dann überlegte er es sich anders. Er nahm seinen Sohn zur Seite.

»Ergon, ich muss jetzt etwas sehr Wichtiges von dir verlangen und ich hoffe, dass du schon alt genug dafür bist«, sagte er eindringlich.

Der kleine Prinz richtete sich zu seiner vollen Größe auf, streckte die Brust heraus und nickte nachdrücklich. »Ich bin schon groß!«

Sein Vater unterdrückte ein Schmunzeln. »Diese Leute hier, das sind Freunde von mir. Aber es ist ein Geheimnis!«, sagte er ernst.

»Ich mag Geheimnisse.« Ergons Augen begannen zu funkeln.

»Gut. Normalerweise möchte ich nicht, dass du Geheimnisse vor deiner Mutter hast. Aber diesmal muss es ein Geheimnis zwischen dir und mir bleiben. Ist das klar?«

Ergon nickte eifrig.

»Vor allem darf dein Großvater davon nichts erfahren. Nur du und ich, Ergon!«

Der Kleine schien vollkommen begeistert zu sein und hüpfte auf und ab. »Natürlich, Vater! Ich werde nichts verraten!«

Prinz Trian wirkte wenig zufrieden und warf Myrthan einen hilfesuchenden Blick zu, doch auch der zuckte nur die Achseln. Sie mussten sich wohl auf das Wort dieses kleinen Jungen verlassen.

»So«, sagte Prinz Trian seufzend, »jetzt gehst du zurück und kommst nicht mehr ohne mich her! Denk an das, was ich dir gesagt habe.«

Fröhlich lachend versprach es Ergon und hüpfte aus dem Zimmer.

Prinz Trian bedeckte die Augen mit den Händen und lehnte sich an die Wand. »Ich hätte wissen müssen, dass er es eines Tages herausfindet. Er schleicht genauso durchs Schloss, wie ich es in seinem Alter getan habe.«

»Denkt Ihr denn, er wird es für sich behalten?«, fragte Bran.

»Ja, ich denke schon. Zumindest eine Zeit lang. Es ist ja nicht mehr sehr lang bis zur Sommersonnenwende«, antwortete Prinz Trian, doch man sah ihm die Zweifel an.

Während der nächsten Tage waren alle sehr angespannt und zuckten bei jedem unerwarteten Geräusch zusammen. Doch der kleine Prinz schien sein Wort zu halten und schwieg. Gelegentlich kam Ergon mit seinem Vater in den Nordturm und langsam fasste der Kleine zu allen Anwesenden Vertrauen.

Immer wieder versicherte er: »Ich kann Geheimnisse gut für mich behalten!«

Und so schien es auch zu sein, denn als die Gefährten in Begleitung von Prinz Trian und drei Soldaten am Abend der Sommersonnenwende durch die Gänge schlichen, war alles ruhig. Dennoch waren alle nervös. Würden sie die Rune jetzt endlich finden? Sie verhielten sich so still wie möglich und versuchten, niemanden aufzuwecken.

Dummerweise verspürte gerade in dieser Nacht Harakoel den unwiderstehlichen Drang, noch ein nächtliches Mahl einzunehmen. In seinen Morgenmantel gekleidet wankte er gähnend durch die Gänge, als ihm verdächtige Geräusche zu Ohren kamen. Er drückte sich in eine Nische und beobachtete, wie neun verhüllte Gestalten durch die Gänge schlichen. Sie hatten keine Fackeln entzündet und allen voran lief Prinz Trian, der als Einziger keinen Umhang mit Kapuze trug. Harakoel überlegte kurz, dann hastete er zu seinem Gemach zurück, kleidete sich in Windeseile an, und lief so schnell er konnte zum Gemach des Königs. Dort veranstaltete er einen furchtbaren Wirbel, als die Wachen ihn nicht einlassen wollten.

»Ich muss sofort den König sprechen!«, verlangte er entrüstet.

»Der König benötigt seine Nachtruhe.« Der Wachmann gähnte gelangweilt.

Harakoel zappelte von einem Bein aufs andere und er begann zu zucken.

»ICH – MUSS – IHN – SPRECHEN!«, rief er mit irrem Blick und fuchtelte wie verrückt mit den Händen herum. Wahrscheinlich hielten nur die großen Lanzen der Wachen ihn davon ab, einen der Wachmänner zu treten.

Die Wachen blieben standhaft. Doch offensichtlich hatte der König Harakoels Geschrei gehört und kam nun mit wütendem Gesicht, in ein Nachtgewand gekleidet, heraus.

»Was brüllt Ihr denn so herum, Harakoel?«

Der machte ein erleichtertes Gesicht, hatte seine Zuckungen aber scheinbar noch nicht unter Kontrolle. Sein Gesicht verzerrte sich in Ekstase.

»Ich habe etwas beobachtet, mein König!«, rief er wichtigtuerisch. »Es sah sehr bedeutsam aus!«

Mit einem Seufzen winkte der alte König Harakoel in sein Gemach. »Was habt Ihr denn gesehen?«

»Ich sah Euren Sohn, wie er eine Gruppe von neun vermummten Männern anführte. Sie verhielten sich so, als ob sie nicht gesehen werden wollten!«, berichtete Harakoel triumphierend.

»Aha. Und wo gingen sie hin?«

Harakoel begann wieder zu zucken. »Ich bin mir nicht sicher, vielleicht in Richtung der Keller.«

»Ihr hättet ihnen folgen sollen!«

»Ja, aber, …«, setzte Harakoel mit verzerrtem Gesicht an, doch der König unterbrach ihn.

»Nun gut. Ich werde mich ankleiden. Sagt den Soldaten Bescheid, dass sie das Schloss durchsuchen und die Orks sollen sich ebenfalls vor den Toren versammeln.«

Harakoel nickte eifrig und stolperte beinahe über seine eigenen Füße, als er das Zimmer verließ. Er gab die Befehle des Königs weiter und wartete anschließend vor dessen Gemach. Währenddessen durchsuchten bereits über hundert Soldaten das Schloss. Sie sollten verdächtige Personen festnehmen ― tot oder lebendig. Nur das Leben des Prinzen sollte geschützt werden.

Durch den Lärm, den die bewaffneten Soldaten verursachten, wachten auch Ergon und seine Mutter auf. Der kleine Prinz kam verschlafen aus seinem Kinderzimmer.

»Mutter, was ist denn los?«, fragte er gähnend.

Diese machte ein besorgtes Gesicht, da ihr Mann mal wieder nicht in seinem Bett lag. »Sicher nichts Besonderes, geh wieder in dein Zimmer, Ergon. Ich werde nachsehen.« Prinzessin Seora versuchte, ihrer Stimme einen beruhigenden Klang zu geben, doch selbst ihr kleiner Sohn konnte sehen, wie nervös sie war.

Ergon überlegte kurz und wollte aus reinem kindlichem Trotz widersprechen, doch dann nickte er und ging in sein Zimmer. Er würde mehr herausbekommen, wenn er auf eigene Faust herum schlich. So wartete er, bis seine Mutter aus dem Zimmer verschwunden war, dann schlich er hinter ihr her. Überall rannten Soldaten durch die Gänge, doch auf den kleinen Prinzen achtete niemand.

Prinzessin Seora hastete durch das Schloss. Sie war auf dem Weg zu ihrem Schwiegervater. Diesen fand sie in seinem Arbeitszimmer, wie er mit ernstem Gesicht am Schreibtisch saß, Harakoel in einem großen Sessel neben sich.

»Schwiegervater, was geht hier vor?«, fragte Seora, ohne sich auch nur die Mühe zu machen, die Tür zu schließen.

Der alte König warf einen missbilligenden Blick auf Harakoel und befahl: »Lasst mich allein und macht Euch irgendwie nützlich.«

Mit geweiteten Augen glotzte Harakoel ihn an. »Äh, nützlich, äh, wie meint Ihr das?«

König Assan verdrehte die Augen. »Helft bei der Suche, führt einen Trupp Orks an, oder was weiß ich!«

Offenbar wollte Harakoel etwas erwidern, doch König Assan unterbrach ihn. »Wartet. Ihr seht nach dem Gefangenen, den König Adamath gebracht hat und bringt ihn hierher.«

Zwar zog Harakoel ein wenig begeistertes Gesicht, doch er verbeugte sich und verließ den Raum. Draußen herrschte er einen von König Assans Soldaten an, er solle den Gefangenen aus dem Kerker holen und machte es sich selbst in einer Ecke der großen Versammlungshalle bequem, wo er einen kalten Hühnerschenkel verspeiste.