Dionarah - Das Geheimnis der Kelten

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Alan rannte hinter Daron her. Alle packten so schnell es ging ihre Sachen zusammen und beeilten sich, auf ein Felsplateau zu gelangen, das sie einigermaßen gut verteidigen konnten.

Bald tauchten die ersten Orks auf. Es waren grobschlächtige Kreaturen mit derben Gesichtern, in schmutzige Lederpanzer gekleidet und mit riesigen, schartigen Schwertern bewaffnet.

»So schlecht haben sie die Orks in den Filmen gar nicht getroffen«, murmelte Alan Bran zu, der halbherzig grinste und mit seinem Bogen einige der Kreaturen erlegte. Schon in den Schattenbergen hatten sie gegen sie gekämpft, doch damals war es finster gewesen.

Nach und nach wurden sie eingekreist und immer mehr Orks versuchten, auf das Felsplateau zu gelangen. Erst jetzt sahen sie, dass im Hintergrund ein Dämonenreiter wartete, der bewegungslos und düster auf seinem Pferd saß. Alle kämpften gut und tapfer, doch es waren so viele Orks, dass die schiere Übermacht wohl bald das Ende der Gefährten bedeuten würde. Bisher hatte zwar noch niemand eine ernsthafte Verletzung, aber der Strom der finsteren Wesen wollte nicht abreißen.

Ceara schwang ihr Schwert nach allen Seiten. Die starken, wenn auch teilweise etwas unbeholfenen Schläge der Orks machten ihr schwer zu schaffen. Nun war sie um die vielen Stunden Schwertkampftraining mit Fio´rah und Daron froh. Daron versuchte ihr so gut es ging den Rücken freizuhalten, aber auch er wurde hart bedrängt. Aus dem Augenwinkel sah Alan bewundernd, wie gut Bran trotz seines Alters kämpfte. Er selbst kam immer wieder in arge Not und plötzlich stürzte er vom Felsen, als er einem Ork auswich. Der Aufprall presste ihm die Luft aus den Lungen und nur einen Augenblick später stand ein Ork mit erhobener Klinge über ihm. Alan hörte nur noch, wie Ceara entsetzt seinen Namen schrie.

Er dachte schon, seine letzte Stunde hätte geschlagen, aber urplötzlich legte sich ein Schatten über den Kampfplatz. Sowohl die Orks, als auch die Gefährten, erstarrten und einen schrecklichen Augenblick lang glaubten sie, der Krăădan wäre zurückgekehrt. Aber das lähmende Gefühl blieb aus.

Doch auch so stockte ihnen der Atem. Ein gewaltiger Drache erschien am Himmel und spie Feuer. Daron riss Ceara zu Boden und versuchte sie mit seinem Körper zu schützen, als der Drache, einen gewaltigen Feuerstrahl ausstoßend, über das Plateau hinwegfegte. Aber der Drache schien es gar nicht auf die Gefährten abgesehen zu haben. Zunächst vernichtete er den Ork, welcher Alan beinahe getötet hätte, dann wandte er sich den anderen Kreaturen zu und verbrannte sie zu Dutzenden mit einem einzigen Atemstoß. Die Orks und auch der Dämonenreiter begannen zu fliehen, wobei sie einige ihrer Kumpane zu Tode trampelten. Der Drache verfolgte sie eine Weile, kehrte dann um und ließ sich nicht weit von den staunenden Gefährten auf einem Felsen nieder.

Alan war bereits wieder mit zitternden Beinen zu seinen Freunden hinaufgeklettert. Ihm steckte der Schrecken noch gehörig in den Knochen.

Der mächtige rote Drache klappte seine ledrigen Flügel ein und blickte herüber. Bran stand mit dem Bogen in der Hand unschlüssig vor den anderen. Seine Hände zitterten.

»Was soll ich denn jetzt tun?«, flüsterte er und Ceara sagte mit zittriger Stimme: »Sch… schieß ihn ab.«

»Nein!«, rief Fio´rah bestimmt und betrachtete den Drachen eingehend. Kurz hatte sie das Gefühl gehabt, sein Umriss würde flackern.

Zum Entsetzen aller sprang die Fiilja leichtfüßig in die Nähe des Drachen und blickte ihm direkt in die Augen.

»Was macht sie denn?«, flüsterte Ceara ängstlich, aber niemand wusste eine Antwort darauf.

Dann – ganz plötzlich – verzerrte sich die Gestalt des Drachen, flackerte kurz, und ein großer Mann mit langen eisengrauen Haaren und einem ebensolchen Bart stand vor Fio´rah. Erleichtert lachend umarmte sie Myrthan. Die anderen konnten es nicht glauben, aber Fio´rah und der Zauberer kamen auf sie zu.

Myrthan schüttelte sich und wirkte selbst ein wenig ungläubig. »Diese Rückverwandlung ist noch etwas mühsam, aber langsam bekomme ich Übung.«

Bran, Alan, Daron und Ceara sahen ausnahmslos aus, als ob sie gleich in Ohnmacht fallen würden. Sie starrten den Zauberer ungläubig an und brachten keinen Ton heraus.

»Myrthan?«, fragte Bran schließlich etwas krächzig.

Der Zauberer nickte, kam mit wehendem Gewand auf ihn zu, und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Ich bin euch wohl eine Erklärung schuldig.«

»Das kannst du laut sagen«, meinte Alan aus tiefstem Herzen.

Sie setzten sich auf den von der Sonne gewärmten Stein, während in der Ferne Blitze zuckten.

Myrthan begann zu erzählen. »Ich nehme an, das Letzte, das ihr gesehen habt, war, wie Krethmor und ich in die Feuerquelle gestürzt sind?« Bran bestätigte dies und Myrthan fuhr fort. »Nun gut. Zuerst war das natürlich ein Schock, aber dann konnte ich mich an einen Zauber erinnern, den ich gelernt hatte, als ich noch sehr jung war. Ich wusste nicht, ob er mir gelingen würde, aber es war meine einzige Chance – ich war im Feuer, also musste ich mich in eine Kreatur des Feuers verwandeln – ich wurde ein Drache.«

Alle bis auf Fio´rah blickten ihn fassungslos an.

»Es ist etwas schwierig, wenn man das Gestaltwandeln nicht gewohnt ist. Zunächst verlor ich mich in der Gestalt des Drachen und wusste nicht mehr, wer ich eigentlich war. Es sind ziemlich verwirrende Gedanken und Gefühle, die man als Drache hat. Aber nach und nach fand ich wieder zu mir. Ich konnte mich in meine wahre Gestalt zurückverwandeln und so begann ich, nach euch zu suchen. Ich bin sehr froh, dass es euch allen gut geht«, sagte er ernst.

Noch immer waren alle durcheinander, doch allmählich wagten sie es wirklich, sich zu freuen. Mittlerweile war das Gewitter näher gekommen und es begann zu regnen. So suchten sie sich einen Unterschlupf und erzählten Myrthan von ihren Erlebnissen, während draußen der Regen prasselte.

»Krethmor lebt auch noch«, berichtete Ceara, »allerdings hat er hässliche Brandnarben.«

Myrthan seufzte. »Das dachte ich mir beinahe. Wahrscheinlich war er zu Anfang auch schockiert von dem Sturz ins Feuer, aber dann hat ihn wohl sein widerwärtiger Krăădan gerettet.« Der Zauberer sah Ceara ernst an. »Adamath wird sehr wütend sein, dass du fort bist, Ceara. Er wird dich zurückhaben wollen.«

»Das werden wir aber nicht zulassen.« Besitzergreifend legte Daron Ceara einen Arm um die Schultern.

Zunächst hob Myrthan überrascht die Augenbrauen, dann lächelte er jedoch zufrieden. Ceara und Daron waren nun ein Paar, das war gut.

»Jetzt sind wir wieder komplett und können die nächste Rune suchen«, sagte Myrthan zum Schluss.

Ceara nickte lächelnd und holte das Drachenzepter aus ihrem Bündel. Eine Augenblick lang erstarrte Myrthan, doch sofort zeichnete sich auf seinem Gesicht ein freudiges Lächeln ab.

»Das ist wunderbar!« Ehrfürchtig nahm er das Zepter in die Hand. »Dass wir es haben, macht vieles leichter.«

»Na, dann hat sich meine ›Verlobung‹ wohl doch gelohnt«, meinte Ceara grinsend.

Später, als Daron und Myrthan allein waren, erzählte er von seiner Auseinandersetzung mit Zuenta.

»Das tut mir sehr leid, Daron«, Myrthans Stimme war voller Mitgefühl, »aber Zuenta war keine sehr mächtige Hexe, wie ich glaube zu wissen. Vielleicht ist der Fluch doch mit ihr gestorben.«

»Darauf kann ich mich wohl nicht verlassen«¸ erwiderte Daron düster.

»Wir werden einen Weg finden«, versprach der Zauberer und lächelte. »Ich freue mich sehr, dass Ceara und du zusammengefunden habt.«

»Ich hoffe nur …«, begann Daron unsicher und schaute zu Ceara hinüber, die gerade mit Fio´rah über irgendetwas lachte.

Myrthan unterbrach ihn bestimmt. »Ihr wird nichts geschehen, zumindest nicht durch deine Schuld.«

Daron holte das Amulett unter seinem Hemd hervor. »Das wird sie hoffentlich lange genug schützen.«

Zwar wusste Myrthan nicht, was Daron damit meinte, aber er nickte und erhob sich. »Ich werde mich mal ein wenig umsehen.«

Staunend beobachtete Daron, wie sich der Zauberer in den Drachen verwandelte und lautlos durch den Regen davon schwebte.

Während der nächsten Tage herrschte Hochstimmung. Alle freuten sich sehr, dass Myrthan noch lebte. Die Orks ließen sie zwar in Ruhe, doch allen war bewusst, dass Adamath jetzt wohl gewarnt war. Myrthan war sich nicht ganz sicher, ob er den Dämonenreiter wirklich getötet hatte. Vorsichtig näherten sie sich der Burg, die am westlichen Rande des Felsenreichs auf einem hohen Felsplateau thronte. Von weitem konnte man sehen, dass die Zugänge zu den Höhlen und Minen streng bewacht wurden und dass eine Menge Orks in der Nähe herumlungerten.

Myrthan wirkte besorgt. Auch er wusste nicht, wie sie in die Höhlen gelangen sollten.

»Ich muss den Prinzen aufsuchen«, stellte Daron schließlich resigniert fest, als sie am Abend zusammensaßen. Sie hatten sich nicht getraut, ein Feuer zu entzünden. Die Gefahr entdeckt zu werden war zu groß.

»Bist du verrückt?«, rief Ceara entsetzt aus. »Du wirst doch gesucht!«

Auch die anderen sahen nicht sehr begeistert aus.

»König Assan ist ein treuer Anhänger Adamaths, es ist riskant«, stimmte Myrthan zu.

Daron machte eine ungeduldige Handbewegung. »Das ist mir schon klar, aber ohne Hilfe gelangen wir nicht in die Höhlen. Der Prinz schuldet mir noch etwas. Das ist unsere einzige Chance.«

»Du weißt doch überhaupt nicht, ob sich dieser Prinz überhaupt noch an dich erinnert.« Wut und Angst spiegelten sich in Cearas Miene wider.

Daron wollte etwas erwidern, aber Fio´rah unterbrach ihn. »Ich muss Daron zustimmen.«

»Was?«, rief Ceara entsetzt aus, doch Fio´rah schüttelte den Kopf.

 

»Warte!«

Die anderen blickten sie erwartungsvoll an.

»Daron hat Recht. Aber er sollte nicht alleine gehen. Ich kann mich in Adamath verwandeln, dann gelangen wir wahrscheinlich ungehindert ins Schloss von Wyrrd. Auf Daron wird dann niemand achten.«

»Das könnt ihr nicht tun«, sagte Ceara entrüstet. »Was ist, wenn sie euch fangen, oder …« Mit Schaudern dachte sie an die Zeit im Gefängnis von Huellyn.

Fio´rah unterbrach sie. »Wir werden vorsichtig sein. Sobald es uns gelingt, mit dem Prinzen unter vier Augen zu sprechen, haben wir gewonnen. Wenn er uns nicht helfen will, können wir ihn immer noch als Geisel nehmen.«

An Cearas Gesicht sah man genau, dass ihr der Vorschlag überhaupt nicht behagte. Doch auch ihr fiel nicht ein, wie sie sonst an die Rune kommen sollten.

»Ich weiß nicht, Fio´rah«, begann Daron, »du kannst die Illusion nicht unbegrenzte Zeit aufrechterhalten. Ich sollte lieber allein gehen.«

»So haben wir bessere Chancen. Und alle haben solche Angst vor Adamath, dass sie uns sicher nicht lange warten lassen werden. Ich komme auf jeden Fall mit!«

Daron wirkte sehr unglücklich, doch ihm war klar, dass sie so wohl mehr Aussicht auf Erfolg hatten.

»Gut«, meinte Myrthan, »dann solltet ihr morgen früh gehen. Wir werden euch bis zum nächsten Morgen Zeit lassen, dann werde ich mich in einen Drachen verwandeln und etwas Unruhe stiften, damit die anderen euch notfalls befreien können.«

Fio´rah und Daron nickten, lediglich Ceara sah überhaupt nicht begeistert aus. Sie ging ein Stück in die Nacht hinaus und lehnte sich schaudernd an einen Felsen. Ihr war kalt, obwohl es eigentlich eine milde Nacht war. Kurz darauf kam Daron zu ihr und umarmte sie.

»Hab keine Angst, Prinz Trian wird uns sicher helfen.«

Mühsam schluckte sie ihre Tränen hinunter. »Und wenn sie dich wieder fangen und zu den Sklaven schicken, oder Schlimmeres?«

Daron seufzte, dann zwickte er sie spielerisch in die Nase.

»Das sagt gerade jemand, der sich wegen eines Amuletts in das Schlafzimmer eines fremden Mannes schleicht!«, sagte er betont lustig.

»Das war etwas anderes«, erwiderte sie ungeduldig. »Ich wurde in Druidor nicht gesucht.«

»Ceara, wir müssen es tun, sonst kommen wir nie an die Rune.«

Resigniert nickte sie und eigentlich hätte sie gern gesagt, dass sie mitkommen wollte, doch ihr war bewusst, dass besonders sie überall gesucht wurde.

»Bitte pass auf, dass euch nichts passiert.« Ceara drehte sich um und umarmte ihn fest.

Zärtlich strich er ihr über die Haare. »Natürlich passen wir auf.«

Die Nacht verlief unruhig, niemand konnte richtig schlafen und das nicht nur wegen des Gewitters, das über dem Felsenreich tobte. Es regnete die ganze Nacht in Strömen.

Noch vor der Morgendämmerung brachen Fio´rah und Daron auf. Sie wollten das Schloss im Morgengrauen erreichen. Ihre Freunde sahen ihnen voller Sorge hinterher und Ceara war froh um den Regen, der ihre Tränen verbarg.

Prinz Trian war jetzt schon seit einigen Tagen jede Nacht unterwegs gewesen. Doch sehr zu seinem Leidwesen hatte er keine Spur von etwaigen Rebellen entdecken können. Mittlerweile war sich der junge Prinz sicher, dass die Zeit gekommen war, endlich etwas gegen Adamath zu unternehmen. Harakoel war noch immer im Schloss und ließ es sich auf Kosten von König Assan gut gehen. Trian war unzufrieden. Er konnte den schleimigen, kriecherischen Harakoel nicht ausstehen, der sich seinem Vater gegenüber extrem demütig verhielt und Leuten, die er für minderwertig hielt, ziemlich unverschämt gegenübertrat.

Prinzessin Seora trat zu ihrem Mann, der die Fenster ihres Schlafgemachs geöffnet hatte und in den Regen hinaus starrte, den das nächtliche Gewitter gebracht hatte. Das Felsenreich war ein recht karger Teil Dìonàrahs, mit wenig Weideland und kaum Wald. Aber Prinz Trian liebte dieses wilde, ungezähmte Land. Er wollte es für seine Nachkommen wieder zu einem freien Reich machen.

»Was hast du denn?« Sanft legte ihm Seora ihre zierliche Hand auf den Arm.

»Ich möchte die Rebellen finden und diese schleimige Kreatur von Harakoel endlich aus dem Schloss haben«, erklärte er mit gerunzelter Stirn.

Seora seufzte. Eigentlich hatte sie gehofft, dass ihr Mann endlich die wahnwitzige Idee aufgegeben hatte, sich gegen den Hochkönig aufzulehnen.

»Wahrscheinlich kommen diese Rebellen gar nicht hierher«, antwortete sie hoffnungsvoll. »Und Harakoel wird auch irgendwann verschwinden.«

Ungeduldig drehte sich Trian zu ihr um. »Ich habe einfach genug davon, eine Marionette von Adamath zu sein.«

»Aber uns geht es doch gut«, wandte Seora ängstlich ein.

»Natürlich! Solange wir genügend Silber und Eisen nach Huellyn liefern. Aber was ist, wenn wir es eines Tages nicht mehr können? Oder wenn es dem werten Hochkönig einfällt, dass er uns nicht mehr braucht?« Er blickte seine Frau eindringlich an. »Im Prinzip sind wir doch auch nur seine Sklaven. Nur, dass wir in einem halbwegs komfortablen Schloss wohnen.«

Angst erfasste Seora. Sie wusste schon lange, dass ihr Mann gern etwas gegen den Hochkönig unternommen hätte, doch so entschlossen wie jetzt hatte sie ihn noch nie gesehen.

»Du musst an unsere Kinder denken«, bat sie noch einmal eindringlich.

»Eben!«, rief er ungehalten. »Ich will nicht, dass sie als Adamaths Schergen aufwachsen. Sollen sie etwa lernen, dass man vor Kreaturen wie Harakoel kriecht? Sollen sie sehen, wie sich ungehindert Orks auf unseren Ländereien breit machen? Ich möchte, dass meine Kinder stolz auf mich sind!«

»Natürlich ...« Seora setzte zu einer weiteren Entgegnung an, doch Trian machte eine ungeduldige Handbewegung und stürmte zur Tür hinaus. Im Gang stolperte er beinahe über Harakoel, der eine übertriebene Verbeugung machte.

»Oh, der ehrenwerte Prinz. Wie geht …«

Trian schnaubte nur und rannte an Harakoel vorbei, der ihm verwundert nachblickte.

Fio´rah und Daron liefen so schnell sie konnten in der hereinbrechenden Dämmerung in Richtung Schloss.

»Wir werden auffallen, weil wir keine Pferde haben«, sagte Daron düster und wischte sich vergeblich den Regen aus den Augen.

»Wir sagen, von der Kutsche ist ein Rad abgebrochen«, schlug Fio´rah vor und ging entschlossen weiter.

Es war schon einige Zeit hell, als sie endlich dem Schloss ganz nahe waren. In diesen frühen Morgenstunden herrschte noch nicht sehr viel Betrieb, doch einige Orks trieben sich bereits vor den Toren des Schlosses herum.

Fio´rah blieb stehen, konzentrierte sich, und wurde urplötzlich zu einem Abbild von Adamath.

Daron zog sich die Kapuze so weit es ging ins Gesicht und murmelte: »Immer wieder beeindruckend.«

Fio´rahs Gesicht, das jetzt dem von Adamaths entsprach, verzog sich zu einem hässlichen Grinsen. Schnellen Schrittes eilten sie auf das schmucklose Haupttor zu, vor dem zwei Wachen standen. Diese erstarrten, als sie den König sahen. Sofort wichen sie zurück und Daron und Fio´rah konnten ungehindert passieren. Der Wächter vor dem Eingang zum eigentlichen Schloss wurde ebenfalls blass und rannte so schnell ihn seine Füße trugen davon, als Fio´rah ihn anherrschte, er solle sie sofort zu Prinz Trian bringen.

»Das kannst du wirklich gut«, murmelte Daron mit gesenktem Kopf.

Doch wie Fio´rah bereits vorhergesagt hatte, beachtete ihn ohnehin niemand.

»Ich bin der geborene König«, raunte Fio´rah ihm zu.

Sie standen in einer großen Halle und warteten auf die Rückkehr des Wächters.

Der erschien kurz darauf. »König Assan erwartet Euch, Hochkönig«, sagte er unter mehreren hektischen Verbeugungen.

»Sagte ich nicht – Prinz Trian?«, polterte Fio´rah ziemlich lebensecht los und Daron verbiss sich ein Grinsen.

»Ja aber …«, stammelte der Wächter und wich zurück, als Fio´rah sich zu ihm hinunter beugte.

»Führt uns auf der Stelle zu Prinz Trian«, verlangte sie mit stechendem Blick.

Der Wächter nickte unterwürfig. »Folgt mir bitte.«

Daron atmete erleichtert aus, ebenso wie Fio´rah, die wusste, dass sie die Illusion des Königs nicht mehr sehr lange würde aufrechterhalten können.

Sie folgten dem Wächter durch hallende und zum größten Teil eher schmucklose Gänge. Hier und da hingen einige alte Bilder und Rüstungen, doch wirklich pompös wirkte dieses Schloss nicht. Vor einer hölzernen Tür blieb der Wächter stehen, klopfte an und trat ein.

»Mein Prinz, der Hochkönig möchte Euch sprechen«, verkündete er und zog sich dann rasch zurück.

Stirnrunzelnd stand Prinz Trian von dem großen Schreibtisch in seinem Arbeitszimmer auf und kam näher. Fio´rah und Daron traten ein.

Daron schloss rasch die Tür und als Fio´rah sich wieder in ihre eigene Gestalt zurückverwandelte, griff Prinz Trian erschrocken nach seinem Schwert und wollte schon die Wache zurückrufen.

Doch Daron schlug seine Kapuze zurück und rief: »Wartet!«

Der Prinz zögerte kurz, machte den Mund zu, ließ aber seine Hand am Schwertgriff.

»Erinnert Ihr Euch an mich?«, fragte Daron eindringlich.

Prinz Trian kniff die Augen zusammen und dachte offensichtlich angestrengt nach. Dann zuckte er zusammen und der Anflug eines Lächelns überzog sein verwundertes Gesicht. »Natürlich, Ihr habt mich damals vor dieser Horde Orks gerettet! Daron, nicht wahr?«

Erleichtert, bestätigte Daron dies, doch Trian blickte nun Fio´rah mehr als verwundert an. »Eine Fiilja? Ich kann es nicht glauben! Was im Namen des Donnergottes tut Ihr hier?«

»Wir wollten Euch um einen Gefallen bitten«, begann Daron vorsichtig. »Ihr sagtet damals, Ihr würdet mir helfen, falls ich jemals in Not sein sollte.«

Prinz Trian nickte ernst und bot ihnen einen Stuhl und etwas zu trinken an.

»Gewöhnlich halte ich meine Versprechen.« Mit einem sympathischen Lächeln schenkte er ihnen Wein ein.

Daron blickte Fio´rah an, die ihm aufmunternd zunickte. So erzählte er Prinz Trian von ihrer Mission und ihren Schwierigkeiten, die Rune zu finden, die im Felsenreich sein sollte. Dabei war Daron die ganze Zeit über sehr angespannt und jederzeit bereit, sein Schwert zu ziehen, falls der Prinz um Hilfe schreien würde. Doch Prinz Trian bekam nur große Augen und stieß immer wieder ungläubige Laute aus.

Als Daron geendet hatte, sagte Trian erfreut: »Ich suche Euch seit vielen Tagen und war ganz verzweifelt, weil ich niemanden finden konnte. Natürlich werde ich Euch helfen!«

»Woher wusstet Ihr, dass wir hierher kommen?« Nun war Fio´rah misstrauisch.

»Dieser schleimige Harakoel wurde mit Dämonenreitern zu uns gesandt. Sie durchstreifen auf der Suche nach Euch das Reich.«

Fio´rah nickte nachdenklich.

»Die Rune ist sicher in der alten Zwergenstadt. Sie ist zwar schon lange versiegelt, aber als Kind habe ich oft in den Felsengängen gespielt. Es gibt den einen oder anderen Zugang«, berichtete Prinz Trian aufgeregt.

Bevor seine Gäste etwas erwidern konnten, klopfte es an der Tür. Darons Hand fuhr zum Schwert, doch Trian machte eine beruhigende Handbewegung.

»Könnt Ihr Euch wieder verwandeln?«, fragte er leise zu Fio´rah gewandt.

»Ja, aber nicht sehr lang.«

Trian nickte und rief: »Herein!« Er unterdrückte einen verwunderten Aufschrei, als plötzlich wieder König Adamath auf dem Stuhl saß.

Harakoel stand in der Tür. Mittlerweile war zu ihm durchgedrungen, dass sein Herr bei Prinz Trian zu Gast war. Unter mehreren Verbeugungen schlich der bucklige Mann herein.

»Was für eine Ehre, mein König. Was wünscht Ihr von mir?«

»Habe ich dich etwa gerufen?«, herrschte Fio´rah ihn an und Harakoel zuckte zusammen.

Offensichtlich wollte er etwas erwidern, doch dann blieb sein Blick auf Daron haften, der es versäumt hatte, seine Kapuze wieder über den Kopf zu ziehen.

»Oh, mein König, das ist ja wieder der Mann, der Myrthan aus dem Turm befreit hat!«, rief Harakoel aufgeregt und begann ekstatisch zu zucken.

Für den Bruchteil einer Sekunde erstarrte Fio´rah und ihr Bild schien etwas zu schwanken, doch dann fasste sie sich wieder. »Natürlich, du Narr! Ich habe ihn auf dem Weg hierher gefangen und wollte gerade den Prinzen bitten, ihn in den Kerker werfen zu lassen. Und nun verschwinde, du Gewürm!«

Unter mehreren Verbeugungen schlich Harakoel zur Tür. »Wenn Ihr mich braucht, dann lasst nach mir rufen«, sagte er kriecherisch und verschwand.

 

Fio´rah atmete erleichtert auf und nahm ihre eigene Gestalt an. »Das war anstrengend. So schnell hintereinander fällt es mir schwer.«

Mit angewidertem Gesicht blickte Trian zur Tür. »Ich hasse diesen Harakoel!«

»Nicht nur Ihr«, murmelte Daron, der erleichtert war, dass Fio´rah die Situation gerettet hatte.

»Gut«, schlug Prinz Trian vor. »Daron, ich werde Euch ein Zimmer in einem unbenutzten Teil des Schlosses geben, damit Harakoel keinen Verdacht schöpft, wenn Ihr das Schloss wieder verlasst. Und, Fio´rah, Ihr solltet so schnell es geht wieder als König Adamath verschwinden und heute Nacht Eure Freunde hierher bringen. Ich werde Euch in die Felsengänge geleiten.«

Fio´rah und Daron blickten sich unentschlossen an. Konnten sie dem jungen Prinzen wirklich vertrauen, oder würde er sie hereinlegen?

Prinz Trian schien ihre Gedanken erraten zu haben. »Ihr könnt mir trauen. Ich schwöre beim Leben meines Sohnes, dass ich nichts tun werde, das Euer Leben gefährdet. Ich hasse König Adamath ebenso wie Ihr.«

Mit den Augen signalisierten sich Fio´rah und Daron Zustimmung. Sie hatten wohl keine andere Wahl.

Die Fiilja wartete einige Zeit, dann verwandelte sie sich erneut in Adamath und stürmte in Begleitung eines Wachmannes, der ihr auf Prinz Trians Anweisung hin ein Pferd geben sollte, durch das Schloss. Trian selbst führte Daron über Geheimgänge in ein unbenutztes Zimmer im Nordturm des Schlosses.

»Macht es Euch bequem«, sagte Prinz Trian und zog ein staubiges Tuch von einem der alten Sessel. »Ich werde Euch später zu essen und zu trinken bringen.«

Daron nickte und sagte leise: »Danke.«

Prinz Trian, der bereits im Begriff gewesen war zu gehen, drehte sich noch einmal um. »Ich vergesse Menschen nicht, die mir einmal das Leben gerettet haben. Und ich glaube an eine bessere Welt. Wenn ich meinen Teil dazu beitragen kann, dann umso besser.«

Damit verschwand er und ließ Daron allein, der sich in den weichen Sessel sinken ließ. Schon damals, bei ihrer ersten Begegnung, hatte Daron den jungen Prinzen gemocht. Sie waren wohl etwa im gleichen Alter und wie es aussah, hatten sie in Prinz Trian einen wertvollen Verbündeten gewonnen.

Tatsächlich war Trian von freudiger Erregung erfüllt. Endlich konnte er etwas gegen Adamath unternehmen. Er trommelte im Geheimen einige vertrauenswürdige Soldaten zusammen, die sich bereithalten sollten. Es waren zwar nicht sehr viele, gerade einmal zehn Mann, von denen er sicher war, dass sie loyal hinter ihm standen, doch das war besser als nichts.

Guter Dinge kam er von der Unterkunft der Soldaten zurück, als ihm sein Vater über den Weg lief, der ein griesgrämiges Gesicht machte.

»Was wollte der Hochkönig von dir?«, fragte er streng.

Trian zuckte die Achseln. »Er wollte nur einen Gefangenen in unseren Kerker stecken.«

»Und warum kam er damit nicht zu mir?« Der alte König war misstrauisch. Er wusste, dass sein Sohn im Geheimen nicht sehr viel für den Hochkönig übrig hatte. Ganz im Gegensatz zu König Assans ältester Tochter, die mit einem der höheren Lords verheiratet war und unterhalb des Schlossberges in Huellyn lebte.

»Was weiß ich«, antwortete Trian ungeduldig. »Wer kann schon die Gedanken eines Königs nachvollziehen?«

»Und wo ist der Gefangene jetzt?«

»Im Kerker natürlich.« Trian wollte rasch weitergehen.

Sein Vater hielt ihn mit überraschender Kraft zurück, die seinem Alter trotzte. »Wenn du irgendetwas hinter meinem Rücken ausheckst, dann wirst du es bereuen«, drohte er und ließ seinen Sohn wieder los.

»Das werde ich nicht«, sagte Trian einfach, ließ damit allerdings offen, was er meinte.

Von einem unguten Gefühl beschlichen blickte der alte König seinem Sohn hinterher. Irgendetwas stimmte nicht, das spürte er genau. Vorsichtshalber ging der alte König zu Harakoel, doch der bestätigte die Geschichte von Trian, woraufhin er es auf sich beruhen ließ. König Assan beschloss jedoch, die Augen offen zu halten.

Fio´rah war so schnell sie konnte zu den Ställen gestürmt, hatte sich auf ein Pferd geschwungen, und war wie besessen zum Tor hinausgejagt. Zum Glück fiel das nicht sonderlich auf, denn Hochkönig Adamath war ja für seinen rücksichtslosen Reitstil bekannt. So schaffte sie es gerade noch, ihre Illusion lange genug aufrechtzuerhalten, bis sie außer Sichtweite war. Dann sattelte sie das Pferd ab und rannte so schnell sie konnte zu ihren Freunden zurück. Erst als die Sonne bereits am Sinken war, erreichte sie, ziemlich außer Atem, den Lagerplatz.

Ihre Gefährten kamen ihr aufgeregt entgegen. Als Fio´rah Cearas erschrockenes Gesicht sah, sagte sie beruhigend: »Daron geht es gut. Er ist auf dem Schloss geblieben. Prinz Trian wird uns heute Nacht hineinlassen. Wir haben einen Treffpunkt vor dem Schlosstor ausgemacht.«

»Können wir ihm wirklich trauen?«, fragte Bran kritisch.

»Ich denke schon, er wirkte sehr ehrlich.«

»Na los, worauf warten wir?«, rief Ceara und machte sich daran, in Windeseile ihre Sachen zusammenzupacken. Sie hatte trotz allem Angst, dass sich dieser Prinz als Verräter herausstellen könnte.

Auch die anderen begannen das Lager abzubrechen. Zum Glück konnte Myrthan den Weg mit magischem Licht erhellen, sodass sie auch in der Nacht recht gut voran kamen. Sie stießen auf keine Orks und erreichten bald den Treffpunkt, den Fio´rah genannt hatte. Vorsichtshalber hielten sich Myrthan und Bran versteckt. Falls Prinz Trian wider Erwarten einen Hinterhalt geplant hatte, würden sie eingreifen können. Doch der Prinz kam wie verabredet mit nur einem Soldaten und ließ sie durch ein verstecktes, kaum sichtbares Nebentor ins Schloss. Auch Bran und Myrthan gaben sich nun zu erkennen. Der junge Prinz führte sie durch das nächtliche Schloss, in dem bereits alle schliefen.

Im Nordturm angekommen nahm Daron die mehr als erleichterte Ceara in den Arm. »Siehst du, es ist alles gut gegangen«, flüsterte er ihr ins Ohr.

Sie nickte glücklich und alle setzten sich an den alten Holztisch, wo der Prinz ihnen ein üppiges Essen auftischen ließ. In dieser Nacht war es zu spät, um die Rune zu suchen.

»Daran könnte ich mich gewöhnen«, sagte Alan zufrieden grinsend, nachdem er fertiggegessen hatte. Auch die anderen sahen satt und zufrieden aus.

Prinz Trian versprach, sie in der nächsten Nacht in die Felsengänge zu führen. Sie sollten sich den Tag über ausruhen.

»Von diesem Raum aus sind drei Schlafgemächer zu erreichen und ein Baderaum, falls Ihr diesen benötigt. Ich werde einem vertrauenswürdigen Diener Anweisungen geben, heißes Wasser zu bringen.«

»Vielen Dank«, sagte Myrthan, »aber ich denke, wir werden die Schlafgemächer gar nicht lange benötigen. Sobald wir die Rune haben, ziehen wir weiter.«

»Ich werde später noch einmal vorbeikommen.« Damit verschwand der junge Mann.

»Meinst du, er ist wirklich vertrauenswürdig, Myrthan?«, fragte Bran noch einmal, nachdem der junge Prinz verschwunden war.

»Ja, ich denke schon. Ich konnte keine Lüge an ihm erkennen. Was meinst du, Fio´rah?«

»Ja, ich bin mir auch sicher.« Sie sich in einen Sessel fallen. »Ach, so ein Tag voller Bequemlichkeit ist doch etwas Schönes!«

Die anderen stimmten ihr voll und ganz zu und verbrachten diesen Tag faul, mit gutem Essen und einem warmen Bad.

König Assan schritt unruhig durchs Schloss. Er war nervös, weil Hochkönig Adamath nicht bei ihm, sondern seinem Sohn gewesen war. Was hatte das zu bedeuten? Er suchte Harakoel auf, der – wie häufig – im großen Speisesaal zu finden war und sich den Wanst vollschlug.

Als er den König sah, erhob er sich eilig und verbeugte sich tief, wobei der Rest des Bratensafts über sein Kinn lief.

»Oh, edler König. Was verschafft mir die Ehre?«

»Ich habe eine Bitte an Euch«, begann der alte König und setzte sich mit finsterer Miene auf einen der Stühle. »Mein Sohn hat irgendetwas vor. Habt Ihr eine Ahnung, was der Hochkönig von ihm wollte?«

Übereifrig schüttelte Harakoel den Kopf. »Nein, nein, mein Herr. Ich habe mich selbst gewundert. Unser werter Hochkönig verhielt sich etwas, nun ja, merkwürdig. Aber das ist wohl seine Art, hahaha.« Der bucklige Mann schüttete sich vor Lachen aus, verstummte jedoch sofort, als er König Assans Gesicht sah. »Ich meine natürlich, angemessen für einen König«, beeilte sich Harakoel zu versichern und putzte sich nervös die Nase.