Klinische Hypnose und Hypnotherapie

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1.10 Hypnose – eine Erlebnistherapie

Oder: Wie erklären sich psychische Entwicklung und somatische Heilung durch Hypnose?

Das Prinzip ist einfach und schlüssig, die Erklärung geradezu simpel, der Vorgang nur allzu logisch.

Zum besseren Verständnis dieser gewagt klingenden These halten Sie jetzt bitte im Lesen kurz inne und machen ein kleines Experiment:

Strecken Sie die Arme waagerecht nach vorne, die Handflächen zueinander gedreht. Schließen Sie nun die Augen und stellen sich vor, an jeder Ihrer Handflächen sei ein starker Magnet unterschiedlicher Polung, also anziehender Kraft, befestigt. Obwohl Sie versuchen, die Arme in der gleichen Stellung zu halten, sind die imaginierten Magnete stärker, die Anziehungskraft zwischen den Händen enorm – ein starkes magnetisches Kraftfeld, das die Handflächen unwiderstehlich näher und näher bringt. Sie atmen ruhig und gleichmäßig, was die magnetische Kraft noch erhöht. Dann verharren Sie einen Moment, öffnen die Augen und betrachten die Stellung Ihrer Arme und Hände. Was ist passiert? Vielleicht sind Sie überrascht, vielleicht ist es Ihnen schon von vornherein klar gewesen: Die Hände sind sich nahe gekommen. Wodurch? Durch Ihre reine Vorstellungskraft.

Wenn wir diese Erfahrung noch mit der Übung „Obstschale, Halluzination auf allen (Sinnes-)Kanälen“ erweitern, erhalten wir alle Ingredienzen für das hypnotherapeutische Menü. Allein durch die phantasievolle Vision einer leckeren, reifen Frucht, die wir in der Hand wiegen und deren Duft uns in die Nase steigt, läuft uns das Wasser im Munde zusammen, und wir müssen sogar reflektorisch schlucken. Und während ihr Aroma noch die Zunge bezaubert, versinken wir in einen Traum voller Farbigkeit und heiterem Lachen …

In feiner Abstufung, richtig dosiert, auf den Geschmack des Patienten abgestimmt, mehr geschärft zur Anfeuerung oder einfach begleitend bei seiner selbstinszenierten Hypnosereise, tun wir nichts anderes, als eben diese Vorstellungskraft für jedwedes therapeutische Ziel, ob auf physiologischer oder psychischer Ebene, zu nutzen.

Kann im Zeitraum des hypnotischen Zustandes

 – der Angstpatient Sicherheit und Ruhe erfahren,

 – der an Depressionen leidende Patient sich schwungvoll und mit neuen Ideen erfüllt fühlen,

 – der Schmerzpatient beschwerdefrei in Phantasie z. B. an einem Bergsee weilen (siehe die Übung „Badesee“),

 – der Patient, der Verbrennungen erlitt, sich intensiv Kühle und Taubheit „einbilden“,

 – der sich in der Krise befindende Patient einen Tag in der Zukunft halluzinieren, an dem das Problem gelöst sein wird, und er ganz deutlich erfährt, wie sich dies als Erleichterung und Befreiung in ihm breitmacht (siehe die Übung „Wunder“),

so ist er schon längst auf dem Weg der Besserung, Heilung, Konfliktlösung und im Begriff, seine „Bezugsrahmen“ zu erweitern und sein Lebenskonzept zu bereichern.

Mit der erlebten Sensation von Wohlbefinden, innerer Geborgenheit, Ruhe und Stärke während der Hypnose wird der Same der Veränderung schon gesät. Die Vorstellungskraft während der Hypnose setzt die Veränderung in Gang. Der Patient erinnert sich wieder, wie gut es sich anfühlt, symptomfrei zu sein, oder er lernt neu dazu. Stundenlange therapeutische Gespräche können niemals die Wirkung von fünf Minuten körperlich und seelisch durchlebter Erfahrung aufwiegen. Deshalb ist Hypnose eine Erlebnistherapie.

Fördern wir Hypnoseerfahrungen mit der zu Hause ausgeübten Selbsthypnose, mit therapeutischen Träumen, mit der Klärung von Hintergrundthemen (Traumata) und mit dem Ankoppeln der Fortschritte an das Lebenssystem (Partnerschaft/Familie) durch Partneroder Familiensitzungen, beschreiten wir eine erfolgreiche Bahn.

Ist der Patient engagiert, geistig rege, phantasievoll, wird der Fortschritt sich entsprechend dynamisch entwickeln. Er bietet in der Hypnose die Voraussetzung,

 – sich in die therapeutische Arbeit zu absorbieren,

 – sich für unbewußte Prozesse anregen zu lassen,

 – sich spielerisch neue Gefühls- und Handlungsweisen zu eröffnen,

 – Gefühle, wie zum Beispiel Zuversichtlichkeit, Gelassenheit, Ruhe, Schmerzfreiheit, Wohlbefinden, Leichtigkeit, Freude und Heiterkeit zu erleben und neu zu etablieren,

 – neue Handlungs- und Gefühlsweisen auf der inneren Bühne für (zum Beispiel) das Bestehen einer Prüfung, das positive Austragen eines Konfliktes, auszuprobieren,

 – neues Erleben durch ideomotorische Arbeit der Fingerzeichen, vor allem der Betätigung des „neuen Fingers“ zu bestätigen und zu verankern,

 – eine gute Resonanz auf gezielte posthypnotische Suggestionen zur Vertiefung des Effektes der Therapie nach der Stunde (Depoteffekt) zu erhalten,

 – letztendlich die intensive und konkrete Imagination des Therapieziels zu erreichen, was eine Menge unbewußter Arbeit in Gang setzt, um den Weg dorthin zu finden.

Kann sich ein Patient dagegen eher mühsam und stockend auf innere Bilder konzentrieren, zeigen diese kaum Plastizität, werden seine hypnotischen Erfahrungen mager und spärlich sein. Die Beschreibung seiner Tranceerfahrung fällt trocken und einsilbig aus. Entweder erreicht man durch reine Phantasiereise-Anleitungen Fortschritte oder erwägt eine andere Therapieform.

Im Gegensatz dazu haben wir es vereinzelt mit Menschen zu tun, die betont positiv auf jeden hypnotherapeutischen Vorschlag reagieren. Sie leben sich in der Hypnose geradezu aus, haben sofort eine willkürlich anmutende Handlevitation, die heftigsten und widersprüchlichsten Fingerzeichen. Sie schnaufen und verrenken sich, daß einem ganz angst und bange wird. Das sind die Patienten mit dominanten hysterischen Persönlichkeitsanteilen, für die die Hypnose zum ‚Abenteuerspielplatz‘ wird. Der Therapeut verbleibt als staunender, vielleicht aber auch irritierter Zuschauer. Der Kontakt zwischen Therapeut und Patient ist abgerissen. Diese Patienten berichten die tollsten Erlebnisse, so daß man sich wundert, daß es ihnen nicht blümerant wird. Aber sie werden in der nächsten Stunde wieder nach Hypnose fragen. Sie lieben geradezu die Hypnose, und sobald nur das Wort ‚Hypnose‘ fällt, ‚geht die Post ab‘, und das ganze Spiel beginnt von vorne. Sie bringen den Therapeuten schweißtreibend an seine Grenzen. Für Charcots Paradepatienten, die Hysteriker(innen), ist unsere Therapieart nicht geeignet. Die gewaltigen Sensationen, die kathartischen Reaktionen, mit denen sie uns in Atem halten, fruchten nicht. Stunde für Stunde vergeht, und die Therapie – und das ist das Tragische – hat keinen Nutzen. Der Therapeut ist am Ende der Stunde erledigt, und der Patient trägt keinen Gewinn davon, sondern reproduziert wie ein Perpetuum mobile seine eingefahrenen Schlaufen, ohne Chance, sie zu lösen. Hier muß eine andere Therapiemethode gewählt werden.

Kapitel 2
▶ Reflexionen
2.1 Der Zauber der Stimme

Obliegt es uns nun schon, den Patienten mit der Aufklärung, daß uns keine magischen Kräfte innewohnen, zu enttäuschen, sollten wir uns aber einer „Zauberkraft“ bewußt sein: der Tragkraft unserer Stimme. Mit ihrem Klang, der Melodie der Satzgebilde, der Betonung, dem Leisen, Lauten, dem Bestimmten, dem Herausfordernden und Fragenden, nicht zu vergessen dem Pausensetzen, verankern wir unseren Patienten. Diese Faszination, im wahrsten Sinne eine therapeutische „Fesselung“, ist zweifelsohne von wesentlicher Bedeutung für die Hypnose. Sei die Stimme beruhigend, sanft begleitend, bestätigend, zweifelnd oder wie mit sich selbst im Zwiegespräch, der Patient ist immer ‚ganz Ohr‘ für die Stimme des Therapeuten; vielleicht weniger bewußt, aber unbewußt uneingeschränkt. Tatsächlich belegen neurophysiologische Untersuchungen, daß die auditive auch die letzte zerebrale Funktion ist, die in der Allgemeinanästhesie erlischt. Die Struktur der Hörbahn (und da speziell die Colliculi inferiores) weist auch während Allgemeinanästhesie nahezu unveränderte Stoffwechselaktivität auf (Sokoloff 1981).

(Zu diesem Thema seien die Studien von David Cheek (Cheek 1959, 1962, 1964, 1966, 1980, 1988) zur intraoperativen akustischen Wahrnehmung sowie eine der darauf basierenden Studien an der Universität München (A. Kaiser Rekkas 1992) erwähnt; siehe auch den während des kardiochirurgischen Eingriffes präsentierten hypnotherapeutischen Tonbandtext mit der postoperativen Erinnerung von 23 % der Patienten im Kapitel ‚Hypnose in der Schmerztherapie‘.)

Sei er in tiefster Hypnose, der Patient lauscht uns. Er vernimmt die Melodie, die ihn begleitet, ihn geleitet und sichert, wie das Rauschen eines Baches, der an seiner Seite fließt. Es bewährt sich fast immer, während der Sitzung eine Tonbandaufnahme für das Üben zu Hause zu machen. Die meisten Patienten profitieren davon für die Selbsthypnose und verbinden automatisch das Hören der Stimme mit der therapeutischen Situation. „Ich brauche nur Ihre Stimme zu hören, da beginne ich mich schon zu entspannen und wohl zu fühlen …“ Oder die Aussage einer Patientin, die ab und an Hypnose mittels unserer Tonbandaufnahme in ihr turbulentes Leben einbaut: „Da nehme ich ein wenig ‚Instant-Agnes‘ zu mir.“ Naja, immerhin.

Wird die Stimme moduliert und differenziert eingesetzt, hat die Hypnotherapie ein wesentliches Agens dazugewonnen.

„Das ist gut so.“

Ein kleiner, unscheinbarer Satz. In wie vielen Variationen kann er ausgesprochen werden!

 

Hypnose darf nicht ‚triefelig‘ angeleitet werden: mit leiser, sedierender Stimmlage, besorgter Miene und der Angst im Nacken, die falsche Formulierung zu treffen. Das Repertoire sollte von heiter und beschwingt, über anspornend bis ernst, laut bis leise, und möglichst natürlich reichen. Die Worte auf der Zunge zergehen lassen, den Klang selber nachvollziehend, ganz in Konzentration, genügend geruhsame Pausen setzend, die sich stimmig anfühlen. Erlauben wir Zeiträume, in denen unsere Worte im Patienten zum Schwingen kommen und Bilder sich entfalten! Mit Hypnose arbeitend, empfiehlt es sich, die Augen selber öfters zu schließen, um ganz bei sich zu sein. Dann bekommt die Stimme einen schönen Klang und wirkt getragen. Als hypnotisches Fluidum verleiht sie dem Patienten Halt und Kraft und läßt ihn damit leichter therapeutische Schritte vollziehen.

2.2 Körperliche Berührung – fast ein Tabu

Befaßt man sich mit der Geschichte der Hypnose, wird deutlich, daß die veränderten Bewußtseinszustände, die wir heute mit „Hypnose“ bezeichnen, schon seit ihren frühen Anfängen über Mesmer bis in dieses Jahrhundert auch mit körperlicher Berührung zu tun hatten. In der klassischen Hypnose wird weiterhin Berührung zur Vertiefung der Trance eingesetzt. Erst in neuerer Zeit scheint das Anfassen des Patienten durch den Therapeuten einem nicht offen ausgedrückten Tabu zu unterliegen. Das wird verständlich, wenn wir die vielen Pseudotherapeuten auf dem Heiler- und Seelenmarkt, die das, was sie Hypnose nennen, zu egoistischen und kommerziellen Zwecken mißbrauchen, in Betracht ziehen. Vor allem in den USA erfolgten entsprechende Gerichtsprozesse, und so führt diese so effektive Art der therapeutischen Intervention ein Schattendasein. Aber was für eine verpaßte Chance! Dem Eid des Hippokrates verpflichtet, üben wir die Kunst des Heilens aus, und wir sollten nicht von einer Methode Abstand nehmen, nur weil sie andernorts mißbraucht oder verunglimpft wurde.

Ich plädiere für die körperliche Berührung in der psychotherapeutischen Arbeit mit Hypnose.

Wer kennt nicht das Wohlgefühl, auf angenehme Art berührt zu werden! Wird der Kopf sanft gehalten oder sachte und leicht bewegt, die Arme von den Schultern an abwärts zu den Händen hin ausgestrichen, ebenso die Beine, die Füße gehalten oder leicht gedrückt, erfahren wir Genuß und Entspannung. Die Wärme einer Hand zwischen den Schulterblättern läßt uns unseren „Rückhalt“ deutlicher spüren, die Hand auf dem Oberbauch die Atmung, in der Lumbalgegend die „Basis“. Genauso empfindet es unser Patient, wenn wir in Einklang mit uns selbst sind und der therapeutische Prozeß Berührung erlaubt.

Wann ist nun welche Berührung therapeutisch sinnvoll?

Es gibt drei Indikationen:

1 zur Förderung der Hypnosetiefe bei schweren Erkrankungen oder Erschöpfungszuständen

2 zur sichernden Begleitung in der Konflikt- und Traumabearbeitung

3 zur psychoneuralen Harmonisierung bei Spannungszuständen, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Tics, Nervosität.

Zu 1) Fünf empfehlenswerte Varianten:

 – Der Therapeut hält mit leichtem Druck, den er langsam nachläßt, mit der einen Hand den Kopf des Patienten an der Stirne und mit der anderen am Hinterkopf.

 – Der Therapeut befindet sich hinter dem sitzenden oder liegenden Patienten und berührt mit warmen Händen Schläfen, Wangen und Kinn des Patienten.

 – Der Therapeut befindet sich ebenfalls hinter dem Patienten und legt seine Hände vorsichtig von oben auf dessen Schultern. Dann übt er über kurze Zeit leichten Druck nach unten und gleichzeitig etwas nach außen und hinten ziehend aus. Der Patient verspürt dabei im besten Falle ein Absinken der Schultern und ein Öffnen des Brustkorbes mit erleichterter Atmung.

 – Wird das als angenehm empfunden, kann der Therapeut den Kopf halten (wozu man sich der Schwere eines menschlichen Kopfes vorher bewußt sein sollte) und ganz langsam und überaus sachte leicht schaukelnd bewegen. Die daraus resultierenden vestibulären Reize wirken hypnosestimulierend. Vom Standpunkt der Bioenergetik aus kann in dem Moment, in dem die Schulter-Nackenmuskulatur in der Anspannung nachläßt, die im Kopf hochgehaltene Energie in den Körper abfließen, womit sich Blockaden lösen und Stauungen abfließen.

 – Der Therapeut führt unter leichter Berührung etwa viermalig Ausstreichungen vom Kopf her abwärts über die Arme und dann über den Körper und die Beine aus, sich bei jedem Mal von der Körperoberfläche des Patienten weiter entfernend. Der Körpertherapeut rät zum anschließenden Ausschütteln der Hände, um vom Patienten aufgenommene Energie wieder „abzuschütteln“.

Die Hände sollten nach dem Berühren generell nicht einfach weggenommen werden, sondern sich nur langsam zentimeterweise entfernen, so daß die davon ausstrahlende Wärme und Energie noch verspürt werden können. Erst dann sollten die Hände „entschweben“.

Zu 2)

Sobald ich bemerke, daß der Patient sich seinem Trauma nähert und die Situation für ihn bedrohlich wird, rutsche ich näher zu ihm hin, was ich gleichzeitig anspreche: „Ich bin bei Ihnen.“ oder: „Bleiben Sie dabei. Sie machen das sehr gut. Sie können da jetzt weiterkommen. Ich begleite Sie.“ Das ermutigt in der ‚Gefahrensituation‘ und läßt die Chance der anschließenden Verarbeitung wachsen. Intuitiv berühre ich den Patienten, wenn ich ihn in seinem Unwohlsein und in seiner Hilflosigkeit erlebe und sage, „Ich berühre Sie jetzt am Arm. Das gibt Ihnen Rückhalt, zu erledigen, was zu erledigen ist …“ etc. Die Berührung vermittelt dem Patienten die Verankerung in der äußeren Realität. Er erfährt deutlicher die Dissoziation von äußerem und innerem Erleben, lernt diese zwei Welten zu trennen und kann sich dem inneren Prozeß und seiner therapeutischen Arbeit intensiver widmen.

Ebenso wie das Näherkommen ist auch das Entfernen zum richtigen Zeitpunkt von entscheidender Wichtigkeit. Sobald deutlich wird, daß der Patient die Klippe überwunden hat, geht meine Hand zurück. Ich rutsche meinen Stuhl wieder in die Ausgangsposition und betone, daß er das nun am besten alleine erledigen könne. Leistet der Patient die abschließende „Integrationsarbeit“, sollte sich der Therapeut völlig zurückziehen und darauf vertrauen, daß dieses ohne sein Zutun am besten vonstatten geht. Der Patient selber ist sich in dieser Phase der Therapie der beste Begleiter.

Zu 3)

Bei Patienten mit einer der unter Punkt 3 (Indikationen) erwähnten Symptomatik arbeite ich oftmals in Kotherapie mit meiner Körpertherapeutin.


Abb. 1 u. 2: Berührungstechnik am Kopf und im Schulter-Nacken-Bereich zur Hypnosevertiefung; Demonstration durch die Körpertherapeutin Usha Inniss während eines Hypnose-Ausbildungsseminars

2.3 Das weibliche Element – Frauen bereichern die Hypnose

Sie, in Hysteria hingegossen, er, der potente Hypnotiseur, mit Schnurrbart ausgestattet, in Imponierstellung von seinem eigenen Auftritt „verhypnotisiert“. Die Frau, durchlässig für dieses Verfahren, weil schlicht gefügiger, einfältiger, labiler, weichlicher und wahrscheinlich doch nicht so hochgradig intelligent. Da kommt Hypnose zur Wirkung, da hat sie Effekte, da trifft die Suggestion – die Frau in Hypnose. Eine alte Szene.

Die Zeit ist vorangeschritten, die Methodik verändert, die Forschung hat die alten Annahmen auf den Kopf gestellt. Und immer noch sitzen in den Vorständen der Hypnosegesellschaften vorwiegend Männer, werden die Fachbücher von Männern geschrieben oder herausgegeben – obwohl sich da schon mal ein weiblicher Artikel einschleicht. In meinem Bücherschrank finden sich ungefähr drei Dutzend Bücher zum Fach Hypnose, eines davon von zwei Kolleginnen. Während in den übrigen Psychotherapieverfahren Frauen machtvoll vertreten sind, scheint das in der Hypnose anders zu sein. Über die Gründe sei an dieser Stelle nicht spekuliert. Es liegt mir daran sicherzustellen, daß Männer gut sind, als Therapeuten, Dozenten, Autoren. Und Frauen sind anders gut. Und es ist an der Zeit, Weibliches in der Hypnose zu etablieren. Und … es tut sich was ‚in den billigen Rängen‘! In den Seminaren beobachte ich eine steigende Anzahl von Frauen. In meinem derzeitigen Ausbildungscurriculum in München gibt es inzwischen bei 14 Frauen nur einen Mann. Nicht, daß ich dieses Verhältnis nun für besonders ausgewogen erachte. Aber es ist vorerst gut so. Die Hypnose erhält mit dem weiblichen Anteil der Therapeutin mehr Wärme, mehr Gewährendes und Permissives, mehr Raum für Wachstum und natürlich mehr Mütterliches. Wer die besonnene Anästhesistin Christel Bejenke aus Santa Barbara im Umgang mit chirurgischen, Krebs- und Intensivpatienten erlebt, wer Joan Murray-Jobsis bei schizophrenen Patienten so beeindruckend mit ihren Techniken des ‚mothering‘ und ‚nuturing‘ arbeiten sieht, wer Susy Signer-Fischer so lebendig und spielerisch von ihrer Arbeit mit Kindern berichten hört, weiß um diese Qualität.

Und zwei europäische Kongresse für Hypnose trugen sich auf zarten Frauenschultern, denen von Marianne Martin und Henriette Walter in Wien und Eva Banyai in Budapest.

Hypnose ist keine Domäne der Männer mehr, Frauen „unterwandern“ als Therapeutinnen die Hypnose.

2.4 Unsere Kollegen in den USA – was machen sie anders, was sollten wir übernehmen?

An einem meiner Ausbildungscurricula nimmt eine Anästhesistin nur deshalb teil, weil sie mal in den USA ein Flugzeug benutzte. Sonst kommt man da ja auch nicht vom Fleck. Natürlich passierte dabei etwas. Sie saß neben einem Mann. In amerikanisch aufgeschlossener Art kamen die beiden ins Gespräch. Er fragte sie unter anderem nach ihrem Beruf. Aha, Anästhesistin. Er schien beeindruckt. Wieviel Hypnose sie in ihrer Arbeit anwende? Hypnose? Sollte das ein Scherz sein? Sie hätte keine Ahnung von Hypnose. Als Anästhesistin nichts über Hypnose wissen? Nein, das sei nicht möglich. Vor kurzem sei seine Frau in Hypnose hysterektomiert worden. Die Anästhesistin konnte es nicht fassen, fragte aber interessiert nach. Und abends kam per Zufall in ihrem Hotelzimmer-TV ein Bericht über Hypnose in der Schmerzbehandlung; das hat ihrer beruflichen Laufbahn den entscheidenden ‚Kick‘ gegeben: Ihre Habilitation wird „Hypnose und Immunsystem“ zum Thema haben.

Meine USA-Erfahrungen bescheiden sich auf einen Besuch in San Diego zu einem Hypnosekongreß. Bis ich kurz vor meiner Abreise endlich alle Bus- und Trolleylinien aus dem Kopf wußte, pflegte ich auch mit dem Taxi vorwärts zu kommen. Von Billy berichte ich am Ende des Buches. Aber auch alle meine anderen Taxifahrer entpuppten sich im Laufe der Gespräche, auf überdimensionalen Highways dahinrauschend, als erfahrene und begeisterte Selbsthypnotiseure. Der italienischstämmige George brachte mit Hypnose die Durchblutung seiner unteren Extremitäten, was auch immer er damit meinte (und ich hielt mich zurück, näher nachzufragen), in Gang. Rico brauchte sie zum Einschlafen, Arthur einfach als eine Art täglicher Konzentrationsübung. Vielleicht waren alle diese Begegnungen auch Zufall, aber auffällig war es allemal. Sobald ich auf Anfrage berichtete, aus welchem Grunde ich in San Diego weilte, wußte dort jeder ‚Eingeborene‘ seine Erfahrungen mit Hypnose zum besten zu geben.

Beeindruckend ist für uns sicher die in den USA herrschende Selbstverständlichkeit in der Inanspruchnahme von Psychotherapie allgemein und der Anwendung von Hypnose im besonderen. Dafür spricht auch die Unmenge von Selbsthilfebüchern auf diesem Sektor. Diese Hypnoserenner sind gespickt mit wundervoll tönenden Slogans, wie z. B. in der Schmerztherapie: „Love the part which hurts“ oder in der Sexualtherapie: „Focus on pleasure, not on performance“. Klingt gut und ist richtig. Leider können wir das hier im Deutschen nicht so direkt verwenden, sondern bringen es weit weniger keß und eher etwas verknotet an den Mann/die Frau: „Nach allem, was Sie an Schmerzen ertragen mußten, ist es Ihnen eigentlich noch möglich, ein positives Gefühl für diesen Körperbereich zu entwickeln?“ Oder im zweiten Fall: „Achten Sie mehr auf den Genuß, als darauf, was Sie für eine Figur dabei abgeben.“ Na, so besonders überzeugend wirkt das dann wohl doch nicht. Es läßt sich im Amerikanischen einfach prägnanter ausdrücken. Das sitzt und wird verstanden. Auch die guten Interventionen von David Cheek aus dem Buch „Mind-Body Therapy, Methods of Ideodynamic Healing in Hypnosis“ – übersichtlich in Boxen aufgelistet („Stop that bleeding now, don’t waste your precious blood!“) – lassen sich nicht einfach übersetzen und anwenden. Es hört sich nämlich komisch, manchmal zu simpel und meist einfach nicht passend an. Wir sollten bei unserer eigenen Sprache bleiben und trotzdem immer offen hinhören, ob nicht doch dieses oder jenes unser Spektrum bereichern könnte.

 

Gehen wir vom bewußten zum unbewußten Sprachgebrauch über, können wir dagegen sehr wohl viel übernehmen, und zwar was den selbstverständlichen Gebrauch von Fingerzeichen anbelangt. Die Nutzung ideomotorischer Signale, die hier manchmal fast noch als anrüchig gilt, weil nicht weit entfernt vom Pendel und damit wieder nicht weit von Esoterik und allem, was dazugehört, ist ‚drüben‘ ein fester Bestandteil der Therapie und in der Anwendung selbstverständlich. Diese Methode wird einfach immer benutzt, und dann merkt man schon von alleine, wo sie sich erschöpft oder ihre Grenzen hat. Aufgrund meiner Erfahrung in der Arbeit mit ideomotorischen Signalen möchte ich dringend diese hervorragende, die Therapie intensivierende, den Patienten stimulierende und den Therapeuten entlastende Methode empfehlen.

Die Hypnose hatte nach dem 2. Weltkrieg in den USA einen ganz anderen Nährboden als bei uns in Europa. Große therapeutische Schulen wuchsen unter den Händen befähigter Menschen heran. Die einzelnen Disziplinen, wie die Psychoanalyse, die Verhaltenstherapie, die sich neu formierenden Therapierichtungen wie die Gestalttherapie, die systemische Therapie, die Bioenergetik und die Körpertherapien, sind nun aber nicht im Alleingang, sondern in der Konfrontation und der Begegnung miteinander gewachsen. So auch die Hypnose. Und da in Amerika nun sowieso immer ein bißchen mehr möglich ist, hat die Hypnose auch nicht so um ihr Image kämpfen müssen, sondern wurde einfach mehr und mehr, erfolgreicher und erfolgreicher angewendet. Befruchtet im Zusammenspiel mit den anderen Therapieverfahren, erwuchsen viele schöne neue und griffige Methoden, wobei Milton H. Erickson wohl ohne Zweifel ‚den Vogel abschoß‘. Aber auch seine Hypnotherapie ist zweifellos das Ergebnis äußerst produktiver Kooperation der ganzen Therapeutengeneration, die unentwegt experimentierte und nichts unprobiert ließ. Aber man tut Erickson unrecht, würde man ihn nicht als den begabtesten und intuitivsten aller Hypnotherapeuten mit großem Charisma einschätzen. Er ist auch nicht nachzuahmen. Er war und bleibt ‚unique‘. Und trotzdem können und sollten wir sowohl die Anregung zu neuen Einfällen beherzigen als auch die Grundannahmen des Ericksonschen Ansatzes in unser Therapiekonzept aufnehmen. Diese lauten:

Hypnose ist ein natürliches Phänomen.

Hypnose ist ein erlebnishafter Prozeß, bei dem innere Ideen und Bilder ausgetauscht werden.

Jede Person ist einzigartig, und diese Einzigartigkeit ist zu schätzen.

Jede Person hat Entwicklungsressourcen im geistigen und psychischen Bereich.

Die Hypnose stärkt und erweitert diese Ressourcen.

Die Hypnotherapie korrigiert nicht Fehler, sondern unterstützt neue Lernerfahrungen auf der Basis vorhandener Fähigkeiten.

Diese Ansicht über den anderen Menschen, der zufällig unser Patient ist, ist in der Seele humanistisch und im Herzen amerikanisch. Sie hätte hier in Europa nicht so formuliert werden können. Lassen wir uns trotzdem von diesen Prinzipien leiten und inspirieren von Experimentierfreude, Spaß, Humor und der Selbstverständlichkeit und Natürlichkeit in der Intervention und dem unendlichen Pioniergeist, Hypnose immer wieder neu und für alle Bereiche nutzbringend einzusetzen!