Ich bin jetzt Soldat

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Und hinzu kommt nun noch Dein lieber Brief Nr. 7, den ich vor 3 Tagen erhielt, und für den ich Dir recht recht herzlich danke. Ihn ausführlich zu beantworten, hab' ich heute leider keine Zeit, denn im Augenblick sind wir schwer in Reisevorbereitungen und das viele Hin-und-her und Durcheinander lässt mich nicht zum Schreiben kommen. Jetzt ist es bereits 12 Uhr und morgen um 5 Uhr früh soll es fortgehen. Ich wollte Dir nur noch schreiben, damit Du nicht in Sorge um mich bist; hoffentlich werde ich bald Gelegenheit haben, ausführlicher schreiben zu können.



Also, morgen soll’s losgehen, wahrscheinlich etwas weiter nach dem Süden, da dort der Russe etwas aktiver geworden ist. Winterkleidung haben wir bereits bekommen, und zwar ganz phantastische: eine Pelzjacke, eine wattierte Zwischenhose und eine dicke gefütterte Mütze. Du siehst also, wenn es auch draußen sehr kalt ist und stürmt und schneit, wir werden bestimmt nicht frieren. Nur heißt es, wir sollen außer den Fingerhandschuhen keine weiteren bekommen. Sag mal, hast Du vielleicht Gelegenheit, größere Fausthandschuhe zum überziehen zu bekommen? Es wäre wunderbar. Auch Deine Felleinlagesohlen leisten wunderbare Dienste, sie sind herrlich warm und wenn Du mir vielleicht noch 2 Paar davon schicken könntest, wäre ich Dir unendlich dankbar.



Ja, wie gesagt, wir stecken augenblicklich schwer in der Arbeit, hoffentlich hat man nicht allzu dolles mit uns vor. Aber uns alte Landser kann ja nichts mehr erschüttern, auch nicht der Schnaps, den es reichlich gab. Er zauberte eine reichlich ausgelassene Stimmung hervor, konnte mir aber nichts anhaben. Na, hoffentlich haben wir wenigstens Gelegenheit, Weihnachten feiern zu können.



So, nun muß ich aber schnell ins Bett, bald werde ich Dir ausführlicher schreiben, vielleicht während der Fahrt. Die Hauptsache ist, daß es Euch weiter recht gut geht, und Ihr nicht mehr so viel Angriffe habt. Hat der Tommy die letzten Male viel angerichtet? Es ist immer meine einzige Sorge. Um mich braucht Ihr Euch keine Gedanken zu machen, denn ich habe es bis jetzt ja noch immer sehr gut, besonders, was das leibliche Wohl anbetrifft.



Laßt es Euch weiterhin recht gut gehen, und Euch herzlich grüßen von



Eurem Werner





Im Osten, den 24.XII 42



Meine liebe Mutti, lieber Walti und lieber Opipo.



Heut’ ist nun endlich der Tag, an dem der heilige Abend steigen soll, und es ist wohl auch der Tag, an dem man am meisten an zu Hause denkt. Vor allen Dingen erinnert man sich heut’ so gern an die schönen Feste, die man all die Jahre zu Hause bei Euch Lieben feiern durfte. Ach, wie war es doch immer herrlich, so ohne Sorgen, ohne Gefahr und ohne Unbequemlichkeiten die Feste verleben zu dürfen. Wißt Ihr noch? Wie waren Walti und ich jedes Mal tagelang vorher aufgeregt, haben mit Eifer für Dich Geschenke eingekauft, mußten unbedingt immer den größten Tannenbaum von der ganzen Gegend haben und konnten gar nicht abwarten, bis der geschmückte Baum für den Heiligabend fertig im Zimmer stand. Ich habe mir doch wirklich jedes Mal große Mühe mit dem Schmücken gegeben, und Marzipan haben wir gemacht und Kuchen gebacken. Ja, und dann kam endlich, endlich der große Augenblick, wo wir dann in das Zimmer kommen durften.



Ach, was lagen da jedes Mal für herrliche Sachen, kaum zählbar, die Du, liebe Mutti, uns unter den Tannenbaum gelegt hast, wie waren wir glücklich! Und nach der Bescherung stieg dann meistens das berühmte Karpfenessen, während wir uns schon vorher an den vielen Leckereien satt gegessen hatten. Am heutigen Abend werdet Ihr nun sicher wieder, wie alle Jahre, mit unserem lieben Papi zusammen dieses schöne Fest feiern.



Ihr werdet nun sicher schon im Bett sein, und ich, da ich gerade von der Wache komme, kann meinen Brief ungestört beenden. Auch hier hat sich das Feiern allmählich gelegt und alles schläft. Denn wenn wir heute auch mit schwerem Rabatz gerechnet hatten, wir sind doch angenehmer enttäuscht worden, als wir dachten. Auch wir haben, trotz aller Schwierigkeiten und Umstände, unsere stille und wirklich nette Weihnachtsfeier hinter uns. Wir können uns nicht beklagen, bis jetzt auch noch nicht bei den Russen! Die allergrößte Freude jedoch bereiteten mir die beiden herrlichen Pakete von Dir und Papi, die ich heut' Abend erhielt. Ich danke Dir auch von ganzem Herzen dafür, liebe Mutti, es war reizend und so mit Liebe zurecht gemacht, das war wieder einmal eine gewaltige Überraschung, und ebenso das herrliche Paket von Papi, sowie sein lieber Brief. Besser hätte ich mir es gar nicht wünschen können.



Ich will Dir mal Einzelheiten berichten, das interessiert Dich gewiß: heute morgen, nachdem wir uns alle feierlich rasiert hatten und im Schnee so gut es ging gewaschen hatten, gingen wir endlich einmal daran, unsere Bude gründlich aufzuräumen, so daß wir etwas Grund und Platz bekamen, was uns auch so leidlich gelang. Die dekorative Ausstattung übernahm dann ich. Die Wände wurden teilweise mit Servietten beklebt und die Fotos mit Tannenzweigen darauf, sehr romantisch. Auch für einen Tannenbaum, der wegen des Platzmangels leider nur sehr winzig ausgefallen ist, habe ich besorgt und geschmückt (aushilfsweise mit in Streifen geschnittenen Silberpapier). Heute Abend kam dann, wie gesagt, die Überraschung von Euch beiden und ebenfalls auch vom Kommiss: Zigaretten, Schokolade, 1 Flasche Sekt!! 1 Klöben, Keks, Bonbons und Pfeffernüsse. Radioanschluß mit gedämpfter Musik haben wir uns auch besorgt und dann ging’s los. Es war wirklich feierlich und nett, trotzdem wir mit 12 Mann hier noch hausen. Man denkt nur ein bisschen viel an zu Hause, wie Ihr dort wohl gefeiert haben werdet. Ich wäre ja so gern dabei gewesen und hätte wie alle Jahre das Fest mit Euch verlebt.



Die erste Weihnacht und hoffentlich auch die letzte draußen im Felde, das nächste Mal werde ich hoffentlich zu Hause sein. Mitte des Jahres werde ich sicher auch auf Urlaub fahren können. Übrigens hat man mich auch heut' Abend mit der Beförderung zum Gefreiten überrascht. Jetzt ist es Schluß mit dem Soldatchen, das möchte ich mir übrigens streng verbeten haben!!



Ich mache mir immer noch Vorwürfe, daß ich Dir mit den letzten Briefen so viel Aufregung bereitet habe, wo ich ja genau weiß, daß Du Dir jedes Mal so viel Sorgen um mich machst. Du wirst Dich doch sicher wieder beruhigt haben, nicht wahr? Einmal ist der Krieg ja bestimmt aus, und wenn wir Glück wie bisher haben, gehen wir alle heil und gesund daraus hervor.



Wie geht’s Euch denn? Sag mal, habt Ihr noch mal Fliegerangriffe? Ich hab' bis jetzt nur wenig gehört. Ob Walti mir wohl mal geschrieben hat, und was macht Opi? Ein Päckchen mit meiner kaputten Brille hab' ich neulich abgeschickt. Bist Du so gut und lässt sie wieder machen; meine andere ist auch kaputt. Für die anderen Sachen findet Ihr hoffentlich Verwendung, es gibt hier genug davon.



Nun laßt Euch drei recht herzlich grüßen von



Eurem Werner







1943







Im Osten, d. 1.1.43



Meine liebe Mutti, lieber Walti u. lb. Opi!



Erst einmal wünsche ich Euch allen ein frohes neues Jahr und wünsche Euch, daß Ihr gut hineingeschlittert seid.



Für Eure drei lieben Briefe: von Dir Mutti, von Walti und von Opi habt recht herzlichen Dank. Ich habe mich riesig gefreut, und vor allen Dingen, daß Du Dich, liebe Mutti, wieder etwas beruhigt hast. Es hatte mir so leid getan, daß ich damals so traurig schrieb. Dein Luftpostbrief Nr. 12, von dem Du schriebst, ist leider noch nicht eingetroffen, dagegen sind jetzt die Einlegesohlen hier, die ich prima gebrauchen kann. Es ist auch lieb, daß Du ein paar Hemden für mich bekommen hast. Ich kann Euch Eure lieben Briefe heute leider nicht ausführlich beantworten und seid mir bitte auch nicht böse, wenn ich einmal einige Zeit nicht schreibe. Ich werde jede Gelegenheit ausnutzen, um Euch mein Befinden und meine Stimmung mitzuteilen. Wie heute zum Beisp.: Vor mehreren Tagen hat man unser Btl. einige km weiter in eine Einbruchsstelle geworfen. Es ist einfach toll hier und ich habe großes Schwein bis jetzt gehabt. Wir sind nur noch ein ganz paar Mann und werden hoffentlich bald wieder rausgezogen. Sowie ich Zeit habe, werde ich Euch einmal ausführlich schreiben. Jetzt bin ich gerade beim Rgt-Gefechtstand, wo wenigstens ein Unterstand mit...





(Hier endet der Brief.)







Im Osten, d. 5.1.43



Meine liebe Mutti!



Hoffentlich hast Du meinen kleinen Brief Nr. 18 erhalten, in welchem ich schrieb, daß ich jede Gelegenheit, Euch über mein Befinden zu berichten, ausnützen werde. Ich bin ja so froh, daß ich endlich das Glück habe, etwas ausführlicher zu schreiben. Du hast Dir hoffentlich keine Sorgen gemacht. So, und nun will ich, bevor ich Dir etwas erzähle, Dir für Deine liebe Post danken. Ich bekam erstmal Deinen lieben Brief Nr. 12 und den Nr. 14, für Nr. 13, den ich etwas früher erhielt, hab' ich mich ja schon bedankt, dann gestern die Filmwelt. Ich danke Dir auch von ganzem Herzen, denn wie ist man froh, wenn man etwas aus der Heimat hört. Auch von Tante Else, Edgar und anderen Freunden habe ich gehört, so wie von Papi, dessen Brief ich leider verloren habe, da ich bis heute die Post bei mir getragen habe, ohne zu lesen, es war keine Gelegenheit. Ich weiß gar nicht, wie das angehen kann und bin so traurig darüber. Hat er ihn noch in Hamburg geschrieben? Ich hatte es vorausgeahnt, daß Du Dich sehr aufregen würdest und war um so glücklicher, als ich von Dir hörte, daß Du Dich so einigermaßen damit abgefunden hast. Es war ja auch für mich etwas ganz Ungewöhnliches und da muß man sich erst einmal dran gewöhnen.



In den letzten Tagen hab' ich festgestellt, daß es nur ein Kinderspiel gegen das war, was wir jetzt mitmachen mussten. Ich glaube aber, Du hast noch eine gänzlich falsche Vorstellung von dem, was hier im Osten vor sich geht. Im Einsatz bin ich schon von Anfang an, seitdem ich in Rußland bin, vorn an der Front. Ich hatte nur eben das Glück, in eine sehr ruhige Stellung zu kommen, wo der Russe, da er eingekesselt war, völlig ohnmächtig war. Seit dem 25. November ist ja nun diese gewaltige Abwehrschlacht im Gange, und da mussten wir eben als kampfstarke Division hineingeworfen werden. Ja, es war die vier Wochen nicht immer einfach, aber doch Gold gegen die letzten Tage. Wir wurden als Funker mit einer kleinen Einheit wieder hinausgezogen und an eine Stelle geworfen, wo der Russe örtlich eingebrochen war. Noch nachts gingen wir zum Gegenstoß über, um wenigstens die Verbindung wieder herzustellen. Ja, das war mein erster Angriff, den wohl, der dort wieder hinausgekommen ist, niemand vergessen wird. 8 Tage haben wir in Schneelöchern gelegen, bis vom Bataillon nichts mehr nachgeblieben ist und wir herausgezogen worden sind. Das geschah gestern Nacht und nun liegen wir hier mit den paar Mann beim Tross und man macht es uns so schön, wie man kann. Wir hatten kein Dach überm Kopf und da die Temperatur im Augenblick nur wenige Grad unter Null ist, konnten wir uns nicht eingraben, da wir sonst mit dem Hintern festgefroren wären. So lagen wir mit dem Stab, der gleich bei dem ersten Feuerschlag bis auf 4 Mann ausfiel, in einem Bombentrichter. Nur der Schnaps konnte uns hochhalten, sonst wäre man schlecht über diese Tage, auch in moralischer Hinsicht, hinweggekommen.

 



Ich kann nichts mehr darüber berichten, sonst kriege ich wieder einen Knast. Also Schluß davon. Ich kann immer nur hoffen und wünschen, daß das Glück weiter so an meiner Seite bleibt wie bisher. Ich bin über einen Volltreffer in mein Schneeloch mit so ziemlich heiler Haut davongekommen, wie, weiß ich selbst nicht. Der Mensch ist zu allem fähig, das hab' ich jetzt gemerkt, und wenn einmal alles vorbei ist und man mit heiler Haut davongekommen ist, dann kann das alles nur eine harte Lehre für's spätere Leben sein; man sieht es dann mit ganz anderen Augen.



Ich weiß jetzt nicht, wie ich diesen Brief fortsetzen soll: eben erreichten mich Deine beiden lieben Briefe Nr. 15 und Nr. 16, die die furchtbare Nachricht vom Tode unseres lieben Edgar erhielten. Ich kann es gar nicht fassen und mir nicht vorstellen. Ich bin unfähig, weiter zu schreiben. Es war wohl eine Fügung, daß ich Papis Brief verloren habe, ich hätte es in den letzten schweren Stunden nicht ertragen können. Wie war das möglich, wie konnte es passieren? Wenn ich nur bald näheres höre. Wenn doch nur das, was Walti schrieb, sich bewahrheiten würde. Wenn er doch nur in Gefangenschaft geraten ist und noch lebt, er hätte es dort gut. Wo war er denn eingesetzt und wie habt Ihr es so schnell erfahren?



Ich weiß, wie viel das Menschenleben im Kriege wert ist. Ich habe Kameraden neben mir fallen sehen. Oh, ich weiß. Laß mich nicht mehr weiterschreiben, ich kann nicht mehr. Ich schreibe bald wieder.



Walti will ich noch viel Glück und alles Gute zum Geburtstag wünschen. Gebe Gott, daß er diesen Krieg nicht mehr mitmachen braucht. Tief traurig um diesen schweren Verlust grüßt Euch herzlichst



Euer Werner







Anmerkung: Edgar, Werner’s Vetter - war der Sohn von Gertruds Schwester Else. Edgar ist als Kampfflieger in Frankreich ’gefallen’ - er hatte versucht im 'Siegestaumel' unter einer Brücke hindurch zu fliegen und war dabei verunglückt.







(Brief von Walter)



Hamburg, den 19.I.43



Mein lieber Papi!



Jetzt endlich will ich mich einmal dazu aufraffen, Dir einen Brief zu schreiben. Bedankt hast Du dich dafür ja schon.



Als erstes möchte ich Dir zu Deinem Geburtstage die allerherzlichsten Glückwünsche senden in der Hoffnung, daß Du recht bald und im Frieden zurückkehren mögest. Wir alle wünschen Dir eine stille und friedliche Feier im Kreise Deiner Freunde und Bekannten: nicht fröhlich, aber doch froh in anderem Sinne. Als zweites möchte ich mich noch einmal vielmals für Deinen lieben Brief und das Geschenk zu meinem Geburtstag bedanken. Wir haben ihn, den Umständen entsprechend, still verlebt.



Von unserm Werner haben wir heute einen Brief erhalten, den er am 10. geschrieben hat. Er schreibt wie zuvor sehr zuversichtlich und tröstend; er sei immer noch beim Tross, aber das kannst Du dann ja selbst lesen, ich lege Dir den Brief bei.



Du must mir entschuldigen, daß ich einen Geburtstagsbrief mit der Maschine schreibe, aber ich tue dies nur zur Übung. Die Mutti ist momentan drüben bei Kochs und hört sich den Nachrichtendienst an, da unser Radio kaputt ist. Sie wartet immer krampfhaft auf schlechte Nachricht vom Ilmensee. Übrigens hatten wir in der letzten Zeit wieder einige Male Alarm, aber nur von ganz belangloser Wirkung. Es waren zwei Nächte lang je zweimal. Ich glaube jedenfalls nicht mehr an ernstliche Angriffe.



Daß die Tante Else furchtbar krank ist, wird Mutti Dir wohl schon geschrieben haben, oder tut es jetzt. Kochs werden ja jetzt vom Unglück regelrecht verfolgt. Aber Tante Else ist glücklicherweise schon wieder auf dem Wege der Besserung. Das ist wenigstens ein kleiner Trost bei all ihrem Unglück. Auch Fam. Scholz ist von dem furchtbaren Unglück nicht verschont geblieben, ihren Sohn zu verlieren.



Mutti hat ihre Reise in die Pfalz einstweilen verschoben, da sie erst von dem Werner und von Kochs bessere Nachrichten abwarten wollte.



Neulich war Herr Müller mit seiner Frau hier und hat das Paket von Dir und den Brief gebracht. Ich habe ihn gebeten, alle alten Bekannten an Bord, wie den Oskar und Phillip zu grüßen. Ich hoffe, daß ich die alle bald mal wiedersehe. Wenn Ihr noch länger da oben hocken solltet, werde ich sicher einmal wieder Gelegenheit haben, hinzukommen. Es war doch eine schöne Zeit, der Sommermonat, den wir bei Dir verbringen durften. Ich denke gern daran zurück, wie Ihr alle so lieb für uns gesorgt habt.



So, lieber Papi, da ich ja nun doch nicht mehr viel weiß, Du weißt ja, daß mir das Schreiben immer etwas schwer fällt, so will ich Dir nun den Brief von Werner abschreiben, der Dich naturgemäß mehr interessieren wird. Mutti möchte das Original gern behalten.





Im Osten, den 10.I.43



Meine liebe Mutti, lieber Walti und lieber Opa!



Gestern erhielt ich Deinen lieben Brief Nr. 17 und danke Dir recht herzlich dafür. Daß Du all das Schwere der letzten Zeit so tapfer ertragen hast, macht mich sehr viel leichter; ich gönne Dir auch von ganzem Herzen, daß Du Dich einige Wochen in der Pfalz erholen willst. Das hast gerade Du am meisten verdient; mach' es Dir dort so schön wie Du kannst und versuche, alles zu vergessen. Mir geht es ja immer noch gut und hätte ich nicht diese schweren Tage und Wochen hier vorn mitgemacht, so wäre mir diese furchtbare Nachricht viel schwerer gefallen. Man muß sich gewaltsam darüber hinwegsetzen, sonst ist man nicht fähig, diese Kämpfe heil zu überstehen. Wenn ich doch nur genaueres über unseren lieben Eddi wüßte, ich kann es noch gar nicht glauben.



Über mich mache Dir, wie gesagt, keine Sorgen. Die schwersten Kämpfe werden wir wohl überstanden haben und ich schrieb ja schon, daß wir in Ruhe beim Tross liegen und ein recht angenehmes Leben führen. Wie lange wissen wir ja nicht, aber was man hat, das kann einem nicht mehr genommen werden. Und wenn der Urlaub so wie jetzt weitergeht, dann werde ich vielleicht schon einen Monat früher fahren dürfen, fein, was? Also, mach Dir um mich um keinen Fall Sorgen. Die Launen des Schicksals kann man nie voraussehen, und wenn man Glück hat, führen sie einen aus allen schweren Sorgen des Lebens heraus. Die Hauptsache ist jedenfalls, daß der Krieg recht bald ein Ende nimmt und daß wir alle gesund daraus hervorgehen; wir können dann die glücklichsten Menschen sein. Also warten wir auf ein gutes Ende.



Wenn ich doch nur jetzt zu Hause sein könnte, um Dir beruhigende Worte sagen zu können, ich glaube, Du würdest Dich wieder beruhigen. Es ist ja so schön, daß Du in die Pfalz fahren willst, tue es nur, es wird Dich wenigstens etwas ablenken.



Wie hat Walti seinen Geburtstag gefeiert? Ich möchte ihm hiermit noch einmal gratulieren und ihm eine erfolgreiche Zukunft wünschen. Vielleicht habe ich ja bald Gelegenheit, seinen letzten Brief zu beantworten, und ebenso Großvater's, über den ich mich riesig gefreut habe. An Papis Geburtstag werde ich auch denken. Daß Du mir wieder ein Paket und mehrere Päckchen geschickt hast, ist sehr lieb von Dir. Hoffentlich wird dann, wenn sie eintreffen, Gelegenheit vorhanden sein, sie mit dem richtigen Genuß zu verzehren.



Bleibt mir gesund und laßt Euch alle recht recht herzlich grüßen



von Eurem Werner





So, lieber Papi, das war der Brief von Werner!



Und nun wünsche ich Dir nochmals ein recht glückliches Geburtstagsfest!



Sei vielmals gegrüßt und geküsst von



Deinem Walti





Im Osten, den 17.1.43



Meine liebe Mutti!



Ich nehme ja nun ganz stark an, daß Du inzwischen wohlbehalten in der Pfalz gelandet bist. Da ich beim letzten Brief nicht daran gedacht habe, und ihn versehentlich nach Hamburg schickte, wirst Du sicher eine ganze Zeitlang ohne Post von mir gewesen sein und Dir sehr viel unnütze Sorgen um mich gemacht haben. Ich werde deshalb vorsichtshalber gleich noch einen Brief nach Hamburg schicken, damit ich ganz sicher gehe. Ich will Dir auch gleich alle Sorgen abnehmen und Dir mitteilen, daß es mir immer noch gut geht, da wir in unserer neuen Stellung bisher wenig Rabatz gehabt haben. Allerdings sind wir den ganzen Tag mit Bunkerbau beschäftigt, was wieder den Vorteil hat, daß man sich ordentlich warm arbeiten kann. Im übrigen können wir ja so dankbar sein, daß der Winter in diesem Jahr nicht so kalt geworden ist. Die Hälfte haben wir ja schon rum, nun könnten höchstens noch im Februar, anfang März kalte Tage kommen, was wir nicht hoffen wollen. Wir haben ja auch ein paar ruhige Tage beim Tross verlebt, und können nun froh sein, daß der Russe im Augenblick hier wieder ganz schön ruhig geworden ist.



Und nun zur Hauptsache. Am 14. erhielt ich Deinen lb. Brief Nr. 18, sowie 2 Päckchen mit Kuchen, Fausthandschuhen, die in Zeitung gewickelten Handschuhe, eine Filmwelt und dann der Haupttreffer: Dein liebes Paket vom 29.12. Ich danke Dir für alles Liebe von ganzem Herzen. Ich kann die Handschuhe und auch den Schal (der allerdings starker Läusefänger ist) prima gebrauchen.



Zu Deinem lb. Brief. Daß Du alles so tapfer trägst, macht mich wieder so froh. Ich möchte Dir ja keine Sorgen machen. Du mußt ganz hart werden, das geht auch. Sorgen sind wirklich nicht am Platze, man kann eben nur hoffen, daß das Schicksal gütig mit uns allen verfährt. Was ich hier an Unbequemlichkeiten oder Strapazen mitzumachen habe, darüber braucht Ihr Euch wirklich keine Gedanken zu machen, die gehen ja auch einmal vorüber, und können dann nur lehrreich für den Menschen sein. Da bleibt eben nur die sogenannte Gefahr. Ja, da kann man eben gar nichts unternehmen, da nützt es auch nichts, wenn man sich Sorgen macht. Die, die man haben soll, die bekommt man auch, und soll man keine haben, kann man nur dankbar sein.



Ich bin immer noch Funker und nicht vorn in der Haupt-Kampflinie. Wahrscheinlich will man mich jetzt sogar für einige Wochen auf einen Funkkursus schicken, dann kann ich mich wenigstens mal wieder pflegen. Urlaub, wie gesagt, gibt es, wenn's so weitergeht, schon in den nächsten Monaten. Daß bei Euch in den letzten Monaten die Engländer nicht mehr einfliegen ist ja so gut; hoffentlich bleibt es so.



Ich habe gestern von Rosi einen Brief bekommen. Ich habe jetzt die traurige Gewißheit, daß mein lieber Eddi bei einem Flugzeugunfall ums Leben gekommen ist. Laß mich darüber keine Worte mehr verlieren, Du weißt, was Edgar für mich war, was ich von ihm gehalten habe. Ich werde so leicht nicht wieder darüber hinwegkommen. Ich weiß nicht, wie ich Tante Else u. Onkel Richard schreiben soll? Die Armen sind allzu hart vom Schicksal getroffen worden.



In der Hoffnung, daß Du Dich in der Pfalz recht gut erholen wirst und ein wenig Entspannung findest, grüßt und umarmt Dich von ganzem Herzen,



Dein Werner





Im Osten, den 22.1.43



Meine liebe Mutti,



Jetzt will ich Dir aber doch schnell nach Hause schreiben, denn bis ich gestern Deinen lieben Brief, den unnummerierten vom 10.I. erhielt, nahm ich doch stark an, daß Du schon lange in der Pfalz bist. Ich war doch ein wenig erschrocken über den Brief; Du machst Dir doch viel zu viel Gedanken, und auch ganz falsche Vorstellung über das, was hier vor sich geht. Wie soll ich Dich nur beruhigen, es ist alles halb so schlimm, wie es aussieht. Wenn Du Dir nur halb so viel Gedanken und Sorgen machen würdest, dann wäre es auch gut. Ich bin doch über alles Schwere hinweggekommen, ich mache mir schon gar nichts mehr daraus, denn alles hört ja einmal wieder auf, und wenn man Glück hat, übersteht man alles gesund.

 



Du wirst sicher gleich in dem kleinen Brief, den ich Dir damals geschrieben habe, zwischen den Zeilen gelesen haben. Ich wollte Dir ja nur mitteilen, daß ich gesund bin und da brauchst Du Dich doch gar nicht zu erschrecken. Ja, die Tage waren wohl nicht sehr angenehm, aber auch sie sind vorübergegangen und anschließend hatten wir ein paar schöne ruhige Tage beim Tross, die uns auch keiner mehr nehmen kann. Wir sind jetzt zwar wieder vorn, aber es ist doch mit dem von neulich überhaupt nicht zu vergleichen. Wir haben uns schnell einen Bunker gebaut, der wirklich prima geworden ist, und um den uns die anderen sehr beneiden. Die Hauptsache ist eben, man hat eine schöne warme Unterkunft, sein Essen, seinen Schlaf und was eben am unentbehrlichsten ist, die Post, und zwar wieder in rauen Mengen. Zudem hat sich der Russe, hoffentlich für immer, zusehens beruhigt. Er hat zu große Schlappen einstecken müssen und nicht den geringsten strategischen Erfolg erzielt. Ihr lest ja ständig in der Zeitung, was er an Panzern und Menschen verliert, und ist er tatsächlich mal irgendwo eingebrochen, dann holen wir uns das kurz in einem Vormittag wieder. Jetzt ist, wie gesagt, alles so ziemlich ruhig, und wir können uns einen guten Tag machen. Und was uns eventuell alles noch blühen könnte, daran denkt man jetzt natürlich überhaupt nicht, es kommt eben alles so, wie es kommen soll. Mit dem Gedanken des Versagens hab' ich mich noch gar nicht abgegeben, und Ihr dürft es erst recht nicht.



Ich weiß, daß gerade Ihr beiden Lieben immer mit allen Gedanken bei mir seid und immer hofft, es möge mir gut gehen. Ich verstehe das und ich weiß es auch zu schätzen. Ihr würdet mir aber Sorgen damit machen, wenn Ihr es Euch zu sehr zu Herzen nehmt. Ich weiß ja gar nicht, ob Du, liebe Mutti, gesundheitlich sehr darunter leidest, und ich hatte schon angenommen, Du wärest in die Pfalz gefahren, um Dich einmal recht gut zu erholen. Es ist so schade, daß Du mich in Deinem letzten Brief darüber im Unklaren gelassen hast. Ich weiß nun gar nicht, wohin ich schreiben soll. Einen Brief hatte ich vor einigen Tagen dorthin abgeschickt, und ich werde auch noch einmal an Tante Eva schreiben, vielleicht bist Du ja doch dort. Ich gönne es Dir jedenfalls von ganzem Herzen, denn ich weiß ja noch vom vorigen Jahre, wie herrlich es dort ist und wie gut eine Metzelsuppe schmeckt. Versäume es bitte nicht, Du tust mir damit einen persönlichen Gefallen und schreib mir bitte dann, ich werde sogleich alle meine Briefe in die Pfalz schicken.



Übrigens haben Tante Eva und Babett gestern wieder eine Unmenge 100gr.-Päckchen geschickt und bitten um mehrere Zulassungsmarken. Ich habe gestern gerade 2 geschottet, die ich gleich dorthin absenden werde.



So, nun hoffe ich noch einmal, daß Du bereits in die Pfalz gefahren bist, und wenn nicht, hole es auf jeden Fall nach. Mach Dir auch keine unnützen Sorgen um mich, denke daran, daß wir an der ganzen Sache absolut nichts ändern können, auch wenn wir uns noch so viele Sorgen machen, und daß einmal doch dieser grausame Krieg ein Ende nehmen wird.



Bleib mir gesund und laß Dich herzlich grüßen und umarmen



von Deinem Werner





Im Osten, d. 26.I.43



Meine liebe Mutti!



Am 22. abends, als ich meinen letzten Brief bereits zugeklebt hatte, erhielt ich Deinen lieben L.-Brief Nr. 19, für den ich Dir recht herzlich danke. Er brauchte nur 6 Tage und ist somit sehr schnell hier eingetroffen. Wenn die Post weiter so schnell geht, können wir uns sehr freuen. Überhaupt bin ich so glücklich und Euch so dankbar, daß Ihr mir immer so reichlich schickt, ich kann mich wirklich nicht beklagen. Vorgestern z.B. erhielt ich von Dir noch zwei Päckchen, die mir gerade recht kamen, denn bei der guten Luft und der vielen Arbeit (wir müssen ja fleißig Bunker für unseren neuen Gefechtsstand bauen) kriegt man Hunger. Ich danke Dir auch recht herzlich dafür. Ebenso unser lieber Papi schickt mir so viel und schreibt mir sehr oft. Es ist auch ein 2 kg Paket von ihm unterwegs, auf das ich mich schon riesig freue. Übrigens könnt Ihr mir wieder so viel, wie Ihr wollt (aber nur das, was Ihr entbehren könnt) schicken; denn das war nur damals, und da wußte ich ja nicht, wie lange das dauern würde.



Ich will schnell von mir berichten, damit Du nicht wieder die ganzen Tage Dir Sorgen machst, und gleichzeitig Dir mal überlegen, liebe Mutti, wie viele Familien, es