Ich bin jetzt Soldat

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Also, wir wollen mal abwarten, ich habe immer noch Hoffnung; daß Ihr noch so schönes Wetter hattet, wundert mich, hier mag man keinen Hund rausjagen. Für Walti war es ja ganz gut. Meinen Brief vom 28.9. hat er wohl nicht mehr bekommen, so danke ich hiermit noch einmal für seine liebe Karte. Er freut sich wohl doch, daß er wieder bei Muttern sein kann. Und was macht das Großväterchen, hat er meinen Brief bekommen? Heut' Abend oder morgen schreibe ich wieder u. gehe etwas ausführlicher auf Deinen lieben Brief ein. Dieser muß sofort weg, sonst dauert er einen Tag länger.

Drückt den Daumen, ja?

Und laßt Euch alle drei recht herzlich grüßen von

Eurem Werner

Rußland, den 22.X.42

Meine liebe Mutti, lieber Walti und lieber Großvater!

Es wird immer gewaltiger: ich meine die Post. Jeden Tag kommt ein armer Mensch mit einem gewaltigen Haufen für mich angeschleppt. Alle denken so lieb an mich und ich bin natürlich auch überaus glücklich. Von Dir und von Papi ist immer am meisten dabei. Am 19. kam Dein lieber Brief (vom 12.) und ein Päckchen. Und nun danke ich dir erst einmal recht recht herzlich für all die schönen Sachen. Papi hat mich gewaltig mit Briefpapier versorgt (3 Jahre komme ich nun mindestens damit aus), mit Zigaretten im Überfluss, mit Illustrierten und auch Pralinen. Jetzt kommt alles mit einem Schwung, während wohl seine ersten Briefe verloren gegangen sind. Ich hab' ihm bis jetzt aber auch schon 4 mal geschrieben.

Nun noch schnell etwas postliches: wie ich ja schon schrieb, sind Päckchen gesperrt ab 1.Nov. Dafür haben wir schon jetzt 6 Paketmarken für Weihnachten bekommen, die mindestens, oder sagen wir spätestens am 30. Nov. benutzt werden sollen. Eigentlich hab' ich ja ein schlechtes Gewissen, wenn ich Dich nun schon wieder mit Päckchenmarken überhäufe, aber ich möchte sie auch nicht gern verfallen lassen. Du brauchst mir ja auch nicht alles Lebensmittel zu schicken; aber das weißt Du ja am besten, für mich ist dann die Überraschung um so größer. Kannst Du mir nicht auch mal den Faust I. u.II. Teil (Reklam) schicken, der liegt im Kinderschrank. Ob Du wohl auch meine beiden letzten Mathe-Kladden finden kannst, ich möchte mich ja so gern mal wieder mit den alten Schulsachen beschäftigen. Jetzt erst kommt einem das zu Bewusstsein, daß es doch etwas schöner war, in der Schule lernen zu dürfen. Jetzt, nachdem man einige Zeit raus ist, entbehrt man es. Aber das geht ja jedem so.

Es ist schön, daß meine Post laufend bei Euch eintrifft, ans Nummerieren denkst Du doch auch? Und Walti hat so ein Pech bei der Erntehilfe gehabt? Nur gut, daß Du mit dem Lehrer gesprochen hast. Es ist ja immer dasselbe damit, die Schule hat von solchem Ernteeinsatz immer die Nackenschläge, und die Bauern freuen sich nicht einmal, wenn ihnen unentgeltlich so sehr geholfen wird. Bei uns war’s damals auch so.

Ich bin, wie ich schon schrieb, seit 2 Tagen zur Funkübung für eine Woche, weit hinter dem Krieg. Zwar hat man hier durch Brottausch von der Bevölkerung Malakka (Milch und Katoschki /Kartoffeln), aber ich wohne doch lieber in unserem alten Bunker, denn vorn ist es ja auch ruhig. Da braucht Ihr Euch keine Sorgen zu machen. Wir liegen ja nicht direkt vor Leningrad, hier sind noch einige Kessel, wovon Ihr natürlich nichts wissen dürft!!

Die Gerüchte laufen auch weiter. Einige sagen, wir sollen in Ruhestellung hinter der Front, andere wieder, daß Leningrad genommen werden soll, dann behaupten einige, man höre u. staune, wir kämen nach Südfrankreich oder nach Norwegen. Man soll aber von dem ganzen Schwindel nichts glauben, es weiß noch keiner etwas, wenn wir auch heute 1/2 Tafel Schokolade bekommen haben, was immer ein „gutes“ Zeichen ist. Vorläufig haben wir’s noch sehr gut (morgen wieder Varieté!!) und alles andere muß der Landser eben abwarten.

Nun habe ich Euch wieder so viel erzählt, mein Vorrat ist nie erschöpft und ich hab' noch an tausend Leute zu schreiben.

Für heut grüßt Euch alle drei recht herzlich,

Euer Werner

Rußland, d. 25.X.42

Meine liebe Mutti, lieber Walti u. liebes Großväterchen!

Heute mal wieder etwas kürzer. Vor allen Dingen möchte ich erst einmal wieder eine Anzahl Post von Euch bestätigen.

Vorgestern erhielt ich Deinen Zeitungsroman, den Du für mich extra herausgesucht hast. Es ist wirklich lieb von Dir, daß du sogar für meine Unterhaltung sorgst und ich danke Dir auch recht herzlich dafür. Übrigens las ich den Roman schon, da einige hier das Fremdenblatt laufend geschickt bekommen, und ich so auch Gelegenheit habe, über alle Ereignisse in unserem alten Hamburg unterrichtet zu sein.

Also, liebe Mutti, Du bist zu aufmerksam und sorgst zu gut für mich; ich bekomme ja von Papi immer viel Illustrierten, und Du schickst mir jetzt auch noch die Filmwelt, von der ich gestern die erste Nr. erhalten habe; recht herzlichen Dank auch. Über Langeweile kann ich nun bestimmt nicht mehr klagen. Eigentlich kann ich das ja auch sowieso nicht, denn unser Tag ist ausgefüllt, augenblicklich mit Funkdienst und noch sonst mit Leitungsbau und anderen Arbeiten. Nur wird es abends schon um 1/2 5 dunkel, so daß man Licht brennen muß (wenn welches da ist) meistens sind wir einfach gezwungen, ganz früh ins Bett zu gehen, weil wir kein Licht mehr haben. Und dann komme ich auch nicht einmal mehr zum Schreiben, was hier sowieso meine Lieblingsbeschäftigung ist. Wenn es im Winter schon um 4 oder 1/2 4 dunkel wird, und um 10 oder 11 erst hell, wird man hier, glaube ich, nur aufstehen um zu essen, wie sie es vorigen Winter gemacht haben. Hoffentlich haben wir wenigstens dann etwas Licht, um lesen oder schreiben zu können. Ich will dann auch mal versuchen, meine Schulkenntnisse etwas aufzufrischen; vielleicht schickst Du mir dann auch mal ein paar Hefte und Bücher.

Hier geht’s im übrigen noch recht gut, wir gehen bald wieder nach vorn; für wie lange, weiß niemand. Der Oberst hat gestern jedenfalls gesagt: wir können noch 3 Wochen, aber auch 3 Monate hier bleiben. Das will viel heißen!

Für heute laßt Euch recht herzlich grüßen von

Eurem Werner

Rußland, 29.X.42

Meine liebe Mutti, lb. Walti und lb. Opi!

Für Deinen lieben Brief, den ich vor 3 Tagen erhielt, habe recht herzlichen Dank. Heute nun war wieder eine große Überraschung für mich: ich erhielt das Kilopaket mit den Dosen vom 12.10. sowie ein kleines Päckchen mit Zucker desselben Datums. Ich habe mich wieder sehr gefreut und danke Dir auch recht, recht herzlich dafür. Ich muß sagen, wenn einer hier viel Post bekommt, dann bin ich es, denn alle denken sie so lieb an mich. Papi schickt mir immer so reichlich Päckchen.

Zu Deinem lieben Brief. Du wirst sicher inzwischen schon gemerkt haben, daß, wie aus meinen letzten Briefen hervorgeht, die Versetzungsparole allmählich wieder im Sande verlaufen ist, und wir nun doch wieder in die alte Stellung zurückgekommen sind, während man hier allgemein annimmt, daß wir doch über Weihnachten hier bleiben werden. Das wäre natürlich großartig. Sorgen brauchst Du Dir auf keinen Fall machen, das meiste war ja doch nur Gerede, wie ich annahm.

Leider ist es schon sehr spät, ich habe auch bald Wache. Morgen werde ich Deinen lieben Brief noch einmal ausführlicher beantworten, und dann folgt auch bald ein extra Geburtstagsbrief!

Es grüßt Euch alle recht herzlich,

Euer Werner.

Rußland, d. 31.10.42

Meine liebe Mutti, lieber Walti und liebes Großväterchen.

Heute erhielt ich von Dir schon wieder einen Brief, für den ich Dir recht herzlich Danke. Eigentlich wollte ich ja schon gestern wieder schreiben, aber nun kann ich Dir gleich 2 Briefe beantworten. Du schreibst mir immer so schön viel und so lang, das macht wirklich Spaß, Deine Briefe zu lesen, ich freu' mich immer riesig dazu. Dank meiner vielen Schreiberei höre ich auch von so vielen anderen Leuten, daß jeden Tag immer reichlich Post für mich da ist.

Zu dem Brief von Papi, den Du mir beigelegt hast, hab' ich mich sehr gefreut. Er sorgt wirklich rührend für mich und auch für Euch. Ja, wir können wirklich stolz auf so einen lieben Vater sein, um den uns bestimmt manche Familie beneiden kann. Doch das lernt man immer erst später schätzen, wenn man sich einmal selbst ein bisschen den Wind um die Nase hat wehen lassen, und erkennt, was es heißt, für eine Familie sorgen zu müssen. Er hat es in seinem Leben verdammt nicht leicht gehabt: immer von zu Hause fort, nur damit wir etwas zu essen haben. Gestern habe ich ihm ausführlich geschrieben und mich für die enorme Anzahl von Päckchen, Briefen und Illustrierten bedankt, die ich in letzter Zeit erhielt. Sie sind alle angekommen; und nun hat er noch seine letzte Kerze geopfert. Das tut mir so leid, wenn ich das gewusst hätte. Ich dachte ja, er hätte vielleicht ein paar Beziehungen. Ich bin wirklich zu unbescheiden; Deine möchte ich Dir auf keinen Fall wegnehmen, die bewahre nur für Weihnachten auf, sonst habt Ihr nachher keine. Hast Du Papi eigentlich schon eine Marke geschickt? Ich hatte es ja vergessen, und Du scheinbar auch, wie aus Papis Brief hervorgeht. Die anderen Marken hebst Du doch für Weihnachten auf und schickst sie so Mitte November ab, aber, wie gesagt, nur so etwas, was Ihr entbehren könnt. Es ist sowieso schon unbescheiden genug, daß ich Euch 4 Marken geschickt habe. Du brauchst auch keine Angst zu haben, daß sie nicht ankommen, unsere Feldp.-Nr. bleibt immer dieselbe, wenn wir auch versetzt werden, denn das geschieht ja mit der ganzen Division geschlossen und dementsprechend geht auch die Post mit. Aber das hat sich gottlob alles verschoben.

Wir sind ja nun tatsächlich wieder nach unserer Funkübung glücklich am alten Platz gelandet, und Dein Wunsch ist damit in Erfüllung gegangen. Wenn’s hier auch ein bißchen schießt: es ist doch besser als hinten, wo die Verpflegung schlecht ist. Wir haben ja hier auch unseren schönen Bach und die Sauna, so daß man wenigstens etwas auf Reinlichkeit wieder wert legen kann. Auch Radio, eigenes Bett, und (etwas entfernter) das Soldatenheim mit Kino und Kabarett. Wie lange wir nun noch hierbleiben, ist unbestimmt, über Weihnachten ist jedenfalls anzunehmen, denn alles beginnt wieder Stellungen und Bunker zu bauen. Das Regiment hat auch einen gewaltigen Stoß Wintersachen bekommen, so daß man sich darum auch keine Sorgen machen braucht. Es war, wie man hört, tatsächlich eine Verschiebung der Truppe geplant, wohin, weiß ich nicht. Vielleicht hatte man einen Winterangriff auf Leningrad vor, doch durch die Sache bei Stalingrad hat sich wohl die Sache verzögert. Es ist eigentlich auch nur hier etwas bei Frost zu machen, denn Leningrad ist von Sümpfen umgeben. Ferner wird dazu eine sehr starke Luftflotte benötigt, u. zwar für Kronstadt, da diese große Festung Leningrad ja in Schach hält.

 

Wir selbst liegen nicht direkt vor Leningrad, sondern an einem Kessel davor, der bei einem eventuellen Angriff automatisch zusammenbrechen wird. Na, wir wollen die Dinge mal abwarten, denn vorläufig sind wir wieder hier, und vielleicht hält der Russe diesen Winter (der sowieso zu unseren Gunsten sehr milde auszufallen scheint, denn seither haben wir noch keinen richtigen Frost gehabt) gar nicht mehr durch. Seine Moral ist jedenfalls sehr erschüttert, wie aus den Aussagen der zahlreichen Überläufer zu entnehmen ist. England will jetzt auch noch seine Lieferungen einstellen, und die Hauptindustrie und Ernährungsgebiete hat er auch verloren. Es steht verdammt schlecht um ihn! Wenn nur Stalingrad bald fällt, und wenn nur der Engländer allmählich seine Angriffe einstellt, dann sind wir schon sehr weit. Ihr seid ja nun hoffentlich gesichert durch Eure tolle Flak, ich möchte wissen, wie das Ding funktionieren wird. Nachher richten nur noch die abgeschossenen Flugzeuge Schaden an.

So, nun aber zu Deinen lieben Briefen: Deine lb. Päckchen habe ich, wie gesagt, alle dankend erhalten, es steht allerdings eines mit der Mettwurst aus (vielleicht ist es ja ein Nachkömmling) Man soll jedenfalls nie die Hoffnung zu früh aufgeben. Jetzt nummerieren wir ja fleißig, und da kann uns nichts unterlaufen. „Was Du hast schwarz auf weiß, kannst Du getrost nach Hause tragen!“, sagt Goethe sehr richtig.

Apropos Goethe: seinen Faust schickst Du mir doch mal, nicht? Philosophieren tun wir übrigens den ganzen Tag, sehr furchtbar! Hier kommt man auf manchen tiefsinnigen Gedankengang, den nachzugehen man zu Haus kaum Zeit gefunden hätte. Ich glaube, damit langweile ich Euch nur; Ihr wollt lieber hören, daß ich noch immer meinen alten Humor habe. Hab' ich, hab' ich!! Wo wir uns wieder so wohl fühlen. Hoffentlich habt Ihr ihn auch noch (Mensch, bei 100 g Fleischerhöhung, da lacht einem ja das Herz. Dazu verdient Ihr durch die Vorauszahlung der Grundsteuern noch so viel Geld. Ihr seid ja direkt Kriegsgewinnler. Mutti kriegt jetzt noch einen neuen Ring und hat dazu noch Zarah-Leander-Zähne bekommen. Ich schäme mich ja direkt, wenn ich mit meinem bescheidenen 12-Pfunds-Heimaturlauber-Speck- und Wurst-Paket mal auf Urlaub kommen sollte. Und so schöne eingemachte Sachen habt Ihr, da läuft einem ja das Wasser im Munde zusammen. Da kann man nicht lange “murren und knurren“. Da wird eben der goldene Humor behalten.

Ich habe eben den Brief unterbrochen, war auf Wache. Es ist zwar schon 1 Uhr, aber der Brief soll morgen früh noch weg. Ich habe vorhin verdammt schlecht geschrieben, nicht? Ich werde mir jetzt mehr Mühe geben.

Es ist ja so schön, daß es Euch allen zu Hause gut geht, und daß Du Dir auch einmal etwas gönnst und in die Stadt gehst. Ich denke noch gern an die Zeiten zurück, wo wir beiden zusammen in die Stadt gegangen sind und uns einen schönen Nachmittag gemacht haben, das war immer sehr schön. Nun ist Walti auch schon „erwachsen“ und geht mit Dir. Ist er eigentlich noch immer so vornehm? Vielleicht schreibt er mir ja einmal wieder oder hat er nichts mehr für seinen Bruder über? Er wird wohl auch schon eine Braut haben, Bräute gehen ja selbstverständlich vor. Wer ist denn die „Glückliche“, Walti, eine aus dem Klipper? Was meinst Du, wenn Du sie mal für einen Nachmittag versetzt und mir mal kurz etwas berichtest. Du kannst Dich dann ja damit entschuldigen.

Und mein Opi hegt auch die Absicht, sich wieder zu produzieren? Das finde ich aber nett, er ist doch ein feiner Kerl. Na, ich komme bald mal längs und dann zwitschern wir einen (Gimmel). Und Du, Mutti, hast wieder großen Besuch gehabt, mit der vorhergehenden großen Bäckerei: ich kann mir lebhaft vorstellen, wie sie alle reingehauen haben. Willst Du zu Deinem Geburtstag wieder alle einladen? Da wirst Du wohl wieder den ganzen Tag pütschern.

Übrigens ist dieses noch nicht der amtliche Geburtstagsbrief, die großen Sachen sollen erst noch steigen. Hoffentlich klappt alles. Jetzt schon zu gratulieren, finde ich nicht richtig, das tut man nicht. Bis zum großen Tage wünsche ich Dir jedenfalls alles Gute.

So, hoffentlich habe ich Euch nicht mit meinen vielen Seiten gelangweilt, das würde mir unendlich leid tun. Aber wenn ich dabei bin, höre ich auch nicht wieder auf. 2 Uhr ist es gleich, dafür ist aber morgen Sonntag.

Alles Liebe und Gute wünscht Euch,

Euer Werner

Geburtstagsluftfeldpostbrief - Rußland, den 3.XI.42

Mein liebes, gutes Geburtstagskind!!

Bevor ich nun zum amtlichen Teil meines Briefes schreite, möchte ich mich erst einmal recht recht herzlich für Dein liebes Päckchen vom 16.10. bedanken, das ich gestern mit großer Freude empfing. Es waren Deine wunderbaren Kuchen, die ich, da sie so vorzüglich mundeten, in kurzer Zeit verdrückt hatte. Ja, ich konnte nicht widerstehen, und hab' es auch nicht bereut, denn sie bereiteten mir einige Minuten schlemmerhaften Genusses. Also habe noch einmal recht herzlichen Dank dafür.

Und nun, wie gesagt, zum amtlichen Teil. Erst einmal hoffe ich von ganzem Herzen, daß dieser Brief gerade am Morgen Deines Geburtstages eintreffen möge, denn sonst wäre ja sein eigentlicher Zweck verfehlt. Doch nichtsdestotrotz, ich gratuliere Dir erst mal recht herzlich und wünsche Dir für diesen Tag und die Zukunft alles nur erdenklich Gute. Gleichzeitig möchte ich auch die Hoffnung aussprechen, daß Du das Glück haben mögest, in den kommenden Jahren dieses Fest nicht nur in einem Glorreichen Frieden, sondern wieder im Kreise Deiner ganzen Familie zu feiern. Die Hauptsache jedoch ist, daß Du uns noch recht, recht lange gesund bleibst, das andere wird sich ja alles schon von selbst finden. Ich glaube, es ist dieses Jahr das erste Mal, daß ich Dir nicht persönlich gratulieren kann. Wie gerne hätte ich es getan, und wie gern hätte ich Dir selbst ein schönes Geschenk überreicht; doch wir haben eben Krieg und so bleiben niemandem eventuelle Unannehmlichkeiten erspart. Ich habe aber doch versucht, mich für Deine liebe Sorge um mich, und für all das, was Du für mich getan hast, ein ganz kleines bißchen zu revanchieren. Hoffentlich klappt alles, na Du wirst es sicher dann selbst schon merken. Mehr will ich nicht verraten!!

Sicher wirst Du wieder viel Besuch haben und Deine Kränzchendamen werden wohl auch alle erscheinen. Dann hast Du sicher wieder die Tage vorher so schön gebacken, eingekauft und alles vorbereitet und wenn dann der Besuch da ist, wirst Du umherlaufen und rennen, um es allen so schön wie möglich zu machen. Nur Du selbst wirst dann von dem nichts haben. Ja, ich kenne Dich doch, so war es doch immer Dein Ziel, alles am Schönsten zu machen und zu haben. (Es ist Deine einzige Schwäche!) Ich will Dir damit selbstverständlich an einem solchen Tage keine Vorwürfe machen, es ist ja auch kein Fehler, doch, ich glaube, Du tätest viel, viel besser daran, wenn Du Dir endlich einmal, nach so vielen Jahren unermüdlicher Arbeit und Sorge um uns, ein bißchen Ausspannung und Erholung gönnst. Ich habe Dir es ja schon so oft gesagt: einmal lebt man nur und solange man das Glück hat, soll man auch nicht versäumen, die schönen Stunden, die einem geboten werden, zu kosten. Es ist nur gut, daß Du es inzwischen schon ein ganz kleines bißchen eingesehen hast.

So, offiziell möchte ich heute nicht mehr werden, ein entsprechender Brief soll bald folgen. Eines jedoch möchte ich Dir noch schnell (denn es ist schon bald 12 Uhr und der Brief muß unbedingt noch fort) zur Beruhigung mitteilen: ich fühle mich ausgezeichnet und kann weder von meinem alten Humor noch von meiner guten Laune etwas anderes behaupten.

Laß Dir noch einmal alles, alles Gute wünschen und sei recht herzlich gegrüßt

von Deinem Werner

Rußland, d. 11.11.42

Meine liebe Mutti, lieber Walti und liebes Großväterchen!

Ich habe ja schon ein recht schlechtes Gewissen, denn ich hatte versprochen, an Deinem Geburtstag zu schreiben und heut' ist schon der 11. Aber, man kann sich ja hier nichts vornehmen, und so ist natürlich wieder eine Luftpostmarke fällig. Meine 2. möchte ich Dir überlassen.

Eben kam Dein lieber Brief Nr. 4, den ich mit großer Freude und heißem Dank in Empfang nahm. Du hast Minderwertigkeitskomplexe? Na, Du schreibst mir doch so fleißig, ich kann mich nicht über Dich beklagen. Und dann hast Du wieder so einen Haufen Päckchen und Pakete angekündigt, mit den dollsten Sachen. Ich mache Euch ja richtig arm. Ihr seid doch auch nur auf Eure Marken angewiesen. Es ist so lieb von Dir, daß Du mir all das gönnst, die schönen Sachen alle, da lebe ich ja bald besser als ein Millionär im Frieden. Aber für die anderen Marken schicke mir keine Lebensmittel; irgend etwas für Weihnachten; Papi hat auch wieder ein großes Paket abgeschickt, so daß ich mir einen Geburtstag dann auch zu Hause im Frieden nicht besser vorstellen kann. Ich weiß gar nicht, wie ich Euch dafür danken soll. Du hast recht, ich werde hier schon der Päckchenmann genannt, jeden Abend ist immer ein Schwung für mich dabei. Na, wie gesagt, auf meinen Geburtstag freue ich mich schon, wenn nur die Pakete rechtzeitig eintreffen. Auf zu Hause muß ich dieses Jahr nun mal verzichten, das bringt eben der Krieg mit sich, doch es kommen ja auch einmal wieder andere Zeiten. Apropos Geburtstag. Hast Du Deinen schön verlebt und recht viel Geschenke bekommen? Wenn nur meine kleine Überraschung geklappt hat; ich hab' versucht, Dir auf diesem Wege eine kleine Freude zu machen. Schade, daß ich nicht dabei gewesen bin, es war das erste Mal und zu Deinem Ring hast Du Dich gefreut. Es ist bestimmt auch mein Geschmack, na ich werde ihn wohl auch mal zu sehen bekommen. Papi hat Dir sicher auch wieder sehr viel geschickt, und das Kränzchen wird wohl auch dort gewesen sein. Schreib' doch mal, wie’s war.

Und Rosie will Euch besuchen oder ist sie schon in Hamburg? Hoffentlich wird es ihr ohne mich gefallen! Hm Hm!

Und der Großvater hat ja nun auch Geburtstag, das hagelt ja nur so. Morgen steigt sein amtlicher Geburtstagsbrief, der hoffentlich dann noch rechtzeitig ankommt. Bis dahin wünsche ich ihm jedenfalls alles Gute.

Von hier ist eigentlich nicht viel Neues zu berichten, man hat hier seine Arbeit und freut sich, daß man vorläufig noch hier sein darf. Allerdings herrscht seit dem 4. Nov. eine sehr starke Kälte. Durchschnittlich herrschen hier -10° bis -14°, während nachts, was sich zu unserem Leidwesen sehr stark auf das Wacheschieben ausübt, das Thermometer bis auf -20° heruntersinkt. Wir haben zwar Handschuhe und Kopfschützer, jedoch kommen die eigentlichen Wintersachen (wie es ja beim Kommiss üblich ist) immer erst dann, wenn einem sämtliche Extremitäten abgefroren sind. Wir sollen in absehbarer Zeit Pelzsachen, wie Mantel, Weste, Kapuze und Stiefel bekommen. Pullover usw. nützen beim Wachestehen natürlich nichts gegen die Kälte. Vorläufig bleibt einem eben nichts anderes über, als die 2 Stunden wie ein Verrückter hin und her zu rennen, und das genügt dann auch. Dabei haben die Heinis so enorm viel Wintersachen bekommen und gelagert, aber, wie gesagt, echt Kommiss. Doch sonst kann uns nichts erschüttern, wir bleiben stur. Um 3, 1/2 4 Uhr ist Feierabend, da freut man sich, daß man, falls dann nicht die Wache beginnt, in seinen Bunker kann, denn dann ist es schon stark dunkel. Richtig geschneit hat es eigentlich noch nicht, was sehr zum Vorteil für die Verpflegungsfahrer wäre.

Neulich haben wir, da es Kantinenschnaps gab, einen netten Abend steigen lassen (den ersten dieser Art), dessen Folgen, in allerdings nur sehr geringem Maße, bei mir nicht ausblieben. Ich kann doch verdammt wenig vertragen, das macht vielleicht die Alkoholentwöhnung. Aber sonst geht’s mir wohlauf, zur Freude der Leser, von denen man hoffentlich nicht das Gegenteil behaupten kann. War der Engländer mal wieder bei Euch?

 

Auf Walti’s (aus Versehen) angekündigten Brief freue ich mich schon maßlos, hoffentlich nicht umsonst!!! Und wie gesagt, an Opi denke ich morgen.

Was sagt Ihr zu der Sache in Afrika und in Frankreich? Toll was? Ich glaube, da steigen noch ganz große Sachen zu unseren Gunsten. Wollen mal abwarten.

So, nun hoffe ich nicht nur, daß Du, liebe Mutti, Dir nicht all zu viel Umstände mit den Weihnachtspaketen für mich machst, sondern auch, daß es Euch weiterhin recht gut geht und grüße Euch recht herzlich,

Euer alter Werner

Rußland, d. 16.XI.42

Meine liebe Mutti, lieber Walti und liebes Großväterchen.

Ich glaube, den Empfang Deines lieben Briefes Nr. 5, den ich am 13. erhielt, habe ich Dir noch nicht bestätigt. Ich danke Dir jedenfalls recht recht herzlich dafür. Wie ich schon mitteilte, hab' ich auch die ersten 9 Päckchen erhalten, die anderen sind noch unterwegs. Du bist wirklich zu lieb, daß Du mir so viel schickst, ich freu’ mich ja schon so darauf, besonders auf die Großen Pakete, die ja für meinen Geburtstag bestimmt sind. Hoffentlich kommen sie gerade zur rechten Zeit. Die herrlichen Sachen, Du opferst aber auch die schönsten Sachen für mich. Vorgestern schon erhielt ich Papis liebes Geburtstagspaket, ich hab' mich riesig gefreut.

Leider hat sich das, was neulich noch Parole war, bewahrheitet. Wir glaubten ja alle nun, wenigstens hier Weihnachten feiern zu können, in unserem schönen Bunker. Doch als Soldat wird man natürlich von hinten und vorn angesch…. Wir werden nun doch abgelöst, und zwar schon morgen. Du kannst Dir denken, daß wir jetzt feste beim Packen und Arbeiten sind. Es ist ein dolles hin und her. Wo wir nun hinkommen, weiß keiner, nicht im Entferntesten. Man hat nur seine 1000 Vermutungen. Es ist ja nur zu wünschen, daß wir es nicht allzu schlecht treffen und wenigstens Weihnachten wieder Ruhe haben. Mein Geburtstag wird dann wohl flach fallen, aber das macht nichts. Der wird nachgeholt, wenn die Pakete kommen. Übrigens geht die Post mit der gleichen Nummer weiter, ich werde Euch auch, wenn es irgend möglich ist, laufend benachrichtigen. Ja, hoffentlich kommen Deine Pakete erst, wenn wir in der neuen Stellung sind, sonst hab' ich gar nicht die Freude daran. Aber es wird schon alles klappen, da hab' ich keine Angst, und der alte Humor wird beibehalten, jetzt erst recht. Drückt nur feste den Daumen!!

Ja, Ihr müßt schon entschuldigen, es geht alles in Eile, sobald es geht, schreibe ich Euch ausführlicher. Wir können nur von Glück reden, daß, nachdem der einige Tage herrschende starke Frost mit einem tollen Schneetreiben endete, wieder völliges Tauwetter eingetreten ist. Der Schnee ist wieder weg und der Matsch ist wieder da, doch besser als die tolle Kälte. Übrigens werden wir wohl nun auch vollständige Winterkleidung bekommen.

Ja, so ist der Kommiss, jetzt, wo die Versetzung raus ist, kriegen wir Wein, Schnaps, nebenbei prima Verpflegung, Spiele, Bücher und noch einen großen Sack Kartoffeln. Nun müssen wir alles hierlassen.

Es ist doch immer dasselbe. Ich bin ja mal gespannt, wie für uns Weihnachten aussieht und wo wir dann sitzen, ganz zu schweigen von meinem Geburtstag; dann werden wir wohl gerade auf dem Transport sein.

Nun macht Euch um Gotteswillen keine Sorgen um mich, wir wissen ja noch gar nicht, was mit uns geschieht. Die Hauptsache ist erst mal, daß die alten Amerikaner wieder aus Afrika rausgeschmissen werden, die kriegen feste was auf die Hose.

Hat Opi meinen Geburtstagsbrief rechtzeitig bekommen und hat er fein gefeiert? Ist Rosi bei Euch? Wie geht es Euch denn, lassen Euch die Engländer in Ruhe?

So, bald werdet Ihr mehr hören, jedenfalls hoffentlich Näheres. Gleich muß ich auf Wache, das letzte mal hier und morgen geht’s ab nach ???

Laßt Euch alle recht herzlich grüßen von

Eurem Werner

Rußland, d. 21.XI.42

Meine liebe Mutti!

Ich weiß tatsächlich gar nicht, wie ich anfangen soll, ich bin noch immer ganz benommen von der vielen, vielen Post, die ich in den letzten Tagen empfangen habe. Ja, und es ist alles so wundervoll prompt angekommen. Ich war einfach selig und bin es selbstverständlich auch jetzt noch. Dein lieber Geburtstagsbrief kam genau am 20. an. Alle haben sie so lieb an mich gedacht: der liebe Papi, Opi, Walti!! Tante Else und Rosi. Also, liebe Mutti, ich danke Dir noch einmal recht recht herzlich für die gelungene Überraschung. Ich bin ja so glücklich. Und nun möchtest Du natürlich erfahren, wie ich meinen Geburtstag verlebt habe. Das werde ich Dir genau berichten, jedoch will ich um Euch zu beruhigen schnell einmal erzählen, was wir alles so erlebt haben.

Ich teilte Euch neulich ja schon mit, daß wir abgelöst worden sind, mitten in der Nacht zum 18. Das war natürlich Mist. Wir mussten noch nachts bei Schneegestöber und starkem Beschuss (der Russe hatte das natürlich spitz bekommen) die Leitungen abbauen. Es war ein tolles Durcheinander. Am nächsten Morgen ging es los. Marschieren, marschieren. Am Abend ging es ins Quartier, u. zwar dort, wo wir damals ausgebildet wurden, bevor wir nach vorn kamen. Am 19. ging es weiter und weiter (rückwärts natürlich, die Schüsse der Front wurden immer leiser) Als wir nun abends in diesem Dorf, in dem wir jetzt noch liegen, ankamen, wurde ich erst mal von einem gewaltigen Stoß Päckchen überrascht. Wir machten es uns gemütlich mit der ganzen Staffel und dann kam, wie gesagt, mein Geburtstag. Ja, was soll ich darüber sagen, wir hatten natürlich den ganzen Tag alle Hände voll zu tun, aber es war doch ein Geburtstag. Man denkt nur an zu Hause und an die vorangegangenen Jahre, wie war es doch immer schön, und wie ist es diesmal gewesen. Aber das macht nichts, ich war doch so unendlich glücklich, daß Ihr alle in der Heimat so lieb an mich gedacht habt.

Nun sind wir doch aus unserer guten Stellung heraus, es ging wirklich sehr schnell, und kein Mensch weiß, was man so kurz vor Weihnachten mit uns vorhat. Eines steht fest: wir kommen aus dem Nordabschnitt, man redet vom Mittelabschnitt, von Norwegen, Frankreich, Deutschland, und Gott weiß was. Alles Parolen, angesch…. werden wir so und so. Na wir wollen uns überraschen lassen. Wir sind jedenfalls vollkommen entlaust worden, und das hat etwas zu bedeuten. Abwarten!! Wir werden es schon früh genug erfahren. Jetzt hausen wir erstmal mit 20 Mann in einer kleinen Bude, aber es schießt draußen nicht, wenn es auch kalt ist.

Und meine Überraschung hat zu Deinem Geburtstag geklappt? Das freut mich unendlich, ich wollte mich ja so gern mal ein kleines bisschen revanchieren.

Ihr hört bald wieder von mir. (Walti u. Opa schreibe ich extra) Indem ich Dir noch einmal recht herzlich für alles Liebe danke, grüße und küsse ich Dich innigst,

Dein Werner.

Im Osten, den 26.XI.42.

Meine liebe Mutti, lieber Walter, u. lieber Opi.

Ich stehe immer noch unter dem Eindruck Eurer lieben Geburtstagsüberraschungen. Es war wirklich herrlich, all die vielen schönen Pakete und Briefe. Ihr habt mir so eine gewaltige Freude damit gemacht, und ich möchte Euch noch einmal herzlich danken. Die vielen schönen Kuchen und Leckereien, ich werde noch lange daran zutun haben, und es ist jedes mal ein Fest für mich, wenn ich irgendeine Dose von Dir aufmache oder ein Stück Kuchen esse. Ich bin wirklich reichlich beschert worden.