BGB Allgemeiner Teil I

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Anmerkungen

[1]

BVerfG in BVerfGE 89, 214 ff. unter Ziff. C II 2 m.w.N. = NJW 1994, 36, 38 f.; Medicus/Petersen Allgemeiner Teil des BGB Rn. 174; Palandt-Ellenberger Überbl. v. § 104 Rn. 1.

[2]

BVerfG a.a.O.; in ihrer besonderen Ausprägung der Testierfreiheit genießt sie den besonderen Schutz des Art. 14 GG, die Eheschließungsfreiheit nach Art. 6 GG und die Vereinigungsfreiheit nach Art. 9 GG.

[3]

Medicus/Petersen Allgemeiner Teil des BGB Rn. 175; Palandt-Ellenberger Überbl. v. § 104 Rn. 2.

[4]

BVerfG in BVerfGE 89, 214 ff. unter Ziff. C II 2a = NJW 1994, 36 ff.

[5]

BVerfG a.a.O. unter Ziff. C II 2b.

[6]

Palandt-Ellenberger § 157 Rn. 4; deswegen geht das dispositive Recht der ergänzenden Vertragsauslegung grundsätzlich vor.

[7]

Lateinisch: „ius cogens“.

[8]

Leenen BGB AT § 1 Rn. 51.

[9]

Achtung: Aber nicht alle Verbotstatbestände sind Verbotsgesetze i.S.d. § 134, siehe im Skript „BGB AT II“ unter Rn. 281 ff.

[10]

Brox/Walker Allgemeiner Teil des BGB § 2 Rn. 35 a.E.

[11]

Palandt-Bassenge Einl. v. § 854 Rn. 3.

2. Teil Die Funktion und Struktur von Rechtsgeschäften › B. Definition des Rechtsgeschäfts

B. Definition des Rechtsgeschäfts

65

Im Gesetz wird der Begriff „Rechtsgeschäft“ nicht näher definiert, sondern einfach zitiert.[1] Die Bestandteile eines Rechtsgeschäfts ergeben sich erst aus einer Zusammenschau verschiedener Normen. In jedem Fall benötigt man mindestens eine Willenserklärung. Je nach Rechtsgeschäft können dann noch weitere Elemente notwendig sein, um den gewünschten Erfolg herbeizuführen.


Das Rechtsgeschäft ist ein Tatbestand aus einer oder mehrerer Willenserklärungen, die allein oder in Verbindung mit anderen Tatbestandsmerkmalen eine Rechtsfolge herbeiführen, weil sie gewollt ist.[2]

2. Teil Die Funktion und Struktur von Rechtsgeschäften › B. Definition des Rechtsgeschäfts › I. Willenserklärung

I. Willenserklärung

66

Aus der Funktion des Rechtsgeschäfts als Mittel der willentlichen Gestaltung von Rechtsverhältnissen ergibt sich ein zwingendes und selbstverständliches Element von Rechtsgeschäften: Rechtsgeschäfte müssen zumindest eine „Willenserklärung“ aufweisen. Wenn eine Person mit Hilfe eines „Rechtsgeschäfts“ ihre rechtlichen Verhältnisse nach ihrem Willen autonom gestalten kann, muss der jeweilige Wille dieser Person im konkreten Fall auch bekannt werden. Der Wille, eine bestimmte Rechtsfolge herbeiführen zu wollen, muss also irgendwie zum Ausdruck kommen. Verbindliche Wirkungen lassen sich durch den Willen allein nicht erzielen, weil niemand, auch kein Richter, ermitteln kann, was insgeheim im Kopf einer Person vor sich geht. Unsere Rechtsordnung kann nur den nach außen zutage getretenen Willen berücksichtigen.

Beispiel

Wer beim Bäcker Brötchen kaufen will, muss dies in irgendeiner Form erklären – sonst wird er sie nicht bekommen.


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67

Das Rechtsgeschäft „als solches“ gibt es in der Lebenswirklichkeit nicht als abstraktes Gebilde. Das Rechtsgeschäft existiert immer nur in einer konkreten Ausformung: Kauf eines bestimmten Gegenstandes, Rücktritt von einem bestimmten Vertrag, Kündigung eines bestimmten Vertrages mit oder ohne Frist, etc.). Welches Ziel genau verfolgt wird, hängt vom erklärten Willen der Person ab, die das Rechtsgeschäft vornimmt. Die Willenserklärung konkretisiert also das im Einzelfall verfolgte Rechtsgeschäft. Sie legt fest, welche Wirkungen konkret gewollt sind.[3]

Beispiel

Für das Rechtsgeschäft „Kaufvertrag“ brauchen wir Willenserklärungen (Angebot und Annahme), die den Verkäufer, den Käufer, den Kaufgegenstand und Kaufpreis festlegen;

für das Rechtsgeschäft „Anfechtung“ benötigen wir eine entsprechende Anfechtungserklärung, also eine Willenserklärung, die zum Ausdruck bringt, dass ein bestimmte andere Willenserklärung – und damit zugleich ein anderes Rechtsgeschäft (z.B. ein Vertrag) – wegen eines Willensmangels des Erklärenden nicht gelten soll;

für das Rechtsgeschäft „Kündigung“ brauchen wir eine Kündigungserklärung, also eine Willenserklärung, die deutlich macht, dass ein bestimmter Vertrag mit oder ohne Frist für die Zukunft beendet sein soll.

2. Teil Die Funktion und Struktur von Rechtsgeschäften › B. Definition des Rechtsgeschäfts › II. Zusätzliche Elemente

II. Zusätzliche Elemente

68

Je nach Art des konkret gewollten Rechtsgeschäfts (Kaufvertrag, Übertragung von Eigentum, Anfechtung, Aufrechnung, Kündigung, etc.) müssen zur Willenserklärung regelmäßig noch weitere Voraussetzungen hinzutreten, um die gewünschten Wirkungen auszulösen.

1. Weitere Willenserklärung(en)

69

Zum einen kann das Rechtsgeschäft zumindest eine weitere Willenserklärung erfordern. Wie viele Willenserklärungen notwendig sind, ergibt sich aus der Art des jeweiligen Rechtsgeschäfts.

Beispiele

Anfechtung, Kündigung und Rücktritt bestehen aus nur einer Willenserklärung. Ebenso ist es beim Beschluss des Alleingesellschafters einer GmbH (vgl. § 48 Abs. 3 GmbHG). Anders liegen die Dinge, wenn etwa die Kündigung bei mehreren Vertragspartnern auf einer Seite nur von allen Personen erklärt werden kann. Dann besteht die Kündigung aus mehreren Willenserklärungen.

Beim Vertrag genügt eine einzige Willenserklärung nie, da sein Zustandekommen ja eine Einigung durch zwei Willenserklärungen voraussetzt, Angebot/Antrag und die Annahme (vgl. §§ 145 ff.).

2. Sonstige Erfordernisse

70

Weitere Voraussetzungen ergeben sich aus gesetzlichen Regeln über das konkrete Rechtsgeschäft, die an seinen Inhalt oder an Eigenschaften der an ihm beteiligten Personen anknüpfen sowie aus den Bestimmungen der Parteien selbst.

Beispiele

Zustimmung eines Dritten im Fall der §§ 108, 177; Realakte wie die Übergabe bei § 929; die Eintragung im Grundbuch bei § 873; die Einhaltung einer gesetzlich oder vertraglich vorgeschriebenen Form; Befugnisse wie die Kündigungs- oder Anfechtungsbefugnis.

2. Teil Die Funktion und Struktur von Rechtsgeschäften › B. Definition des Rechtsgeschäfts › III. Abgrenzungen

III. Abgrenzungen

71

Unsere Rechtsordnung knüpft eine Veränderung der rechtlichen Verhältnisse nicht nur an (wirksame) Rechtsgeschäfte. Vielmehr werden rechtliche Wirkungen auch per Gesetz angeordnet. Der Gesetzgeber lässt bestimmte Wirkungen eintreten, wenn die von ihm in den jeweiligen Normen beschriebene Umstände eingetreten sind. Der Unterschied zum Rechtsgeschäft besteht darin, dass die Wirkungen auch dann eintreten können, wenn sie von der betroffenen Person gar nicht gewollt sind. Deswegen ist es in der oben unter Rn. 65 angezeigten Definition des Rechtsgeschäfts so wichtig aufzunehmen, dass die Rechtsfolgen dort gelten, weil sie gewollt sind.

1. Geschäftsähnliche Handlung

72

 


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Dem Rechtsgeschäft am nächsten kommt die sog. „geschäftsähnliche Handlung“. Auch bei ihr liegt eine menschliche Äußerung vor, die Rechtsfolgen auslöst. Inhalt der Erklärung ist aber nicht die Anordnung einer bestimmten Rechtsfolge, sondern ein rein tatsächlicher Erfolg. Die aufgrund der Erklärung ausgelösten Rechtsfolgen treten kraft Gesetzes unabhängig vom Willen des Erklärenden ein.[4] Die Rechtsfolgen gelten nicht, weil es der Erklärende will, sondern weil es der Gesetzgeber wegen der Äußerung so angeordnet hat.

Beispiel

Bei der Aufforderung nach § 177 Abs. 2 geht es dem Erklärenden darum, dass der Vertretene das Handeln des Vertreters ohne Vertretungsmacht genehmigt. Die Erklärung der Genehmigung ist der gewünschte tatsächliche Erfolg. Das Gesetz knüpft an diese Aufforderung Rechtsfolgen, die in § 177 Abs. 2 beschrieben sind und an die der Erklärende womöglich gar nicht gedacht hatte: Eine vor der Aufforderung gegenüber dem Vertreter erklärte Genehmigung oder Verweigerung der Genehmigung wird jetzt unwirksam (§ 177 Abs. 2 S. 1 Hs. 2). Außerdem beginnt nun nach § 177 Abs. 2 S. 2 Hs. 1 eine Zwei-Wochen-Frist zu laufen, auch wenn diese in der Aufforderung nicht ausdrücklich gesetzt wurde. Und schließlich gilt die Genehmigung nach § 177 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 als verweigert, wenn die Frist ohne Reaktion des Vertretenen verstreicht. Dies wiederum führt zu einer Haftung des Vertreters nach § 179.


Eine geschäftsähnliche Handlung ist eine auf einen tatsächlichen Erfolg gerichtete Äußerung eines Menschen, die kraft Gesetzes mit Rechtsfolgen verbunden ist.[5]

Beispiel

Zu den geschäftsähnlichen Handlungen zählen z.B. Aufforderungen nach §§ 108 Abs. 2, 177 Abs. 2, die Verweigerung i.S.d. § 179 Abs. 1[6], die Mahnung i.S.d. § 286, Fristsetzungen gem. §§ 281, 323, Schadensersatzverlangen nach § 281 Abs. 4, Anzeige nach § 409 Abs. 1.

73

Auf die geschäftsähnlichen Handlungen finden die Vorschriften über Willenserklärungen und Rechtsgeschäfte trotz dieser Unterschiede grundsätzlich entsprechende Anwendung, da in beiden Fällen eine menschliche Erklärung den Ausgangspunkt bildet.[7] Dies gilt insbesondere für die §§ 104 ff. (Geschäftsfähigkeit), §§ 116 ff. (Willensmängel), §§ 130 ff. (Abgabe und Zugang), §§ 133, 157 (Auslegung), §§ 164 ff. (Stellvertretung) und §§ 182 ff. (Zustimmung).

2. Realakte

74

Neben der Willenserklärung und der geschäftsähnlichen Handlung kennen wir noch die sog. „Realakte“. Wie bei den geschäftsähnlichen Handlungen handelt es sich um tatsächliche menschliche Handlungen, an die das Gesetz Rechtsfolgen knüpft. Die rechtlichen Wirkungen treten auch hier allein kraft Gesetzes ein, also unabhängig davon, ob der Handelnde dies will. Von den geschäftsähnlichen Handlungen unterscheiden sich die Realakte dadurch, dass es sich nicht um Erklärungen handelt.[8]


Unter einem Realakt verstehen wir jedes auf einen tatsächlichen Erfolg gerichtete Verhalten eines Menschen, das weder Willenserklärung noch geschäftsähnliche Handlung darstellt.[9]

Beispiele

Besitzerwerb gem. § 854 Abs. 1, Übergabe i.S.d. § 929 S. 1, Verbindung, Vermischung, Verarbeitung i.S.d. §§ 946 ff., Fund (§ 965), Verletzung eines Rechtsguts i.S.d. § 823 Abs. 1 durch tatsächliches Handeln.

Auf Realakte sind die Vorschriften über Willenserklärungen nicht anwendbar.[10] So gelten beispielsweise beim Besitzerwerb gem. § 854 Abs. 1 die Regeln zur Geschäftsfähigkeit nach §§ 104 ff. oder zur Stellvertretung nach §§ 164 ff. BGB nicht.

Anmerkungen

[1]

Vgl. nur Überschrift zu Abschnitt 3 des 1. Buches sowie §§ 111, 117 Abs. 2, 125, 134, 138 ff., 158 ff., 311 Abs. 1.

[2]

Palandt-Ellenberger Überbl. v. § 104 Rn. 2.

[3]

Leenen BGB AT § 4 Rn. 101 ff.

[4]

Palandt-Ellenberger Überbl. v. § 104 Rn. 6; Leenen BGB AT § 4 Rn. 9 f.; Faust BGB AT § 2 Rn. 16.

[5]

BGH Urteil vom 17. Oktober 2000 (Az: X ZR 97/99) unter Ziff. II 1b aa = NJW 2001, 289, 290; Palandt-Ellenberger Überbl. v. § 104 Rn. 6.

[6]

Sofern Sie nicht auf der Fiktion des § 177 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 beruht.

[7]

Palandt-Ellenberger Überbl. v. § 104 Rn. 7; Faust BGB AT § 2 Rn. 16; Leenen BGB AT § 4 Rn. 9 f.

[8]

Palandt-Ellenberger Überbl. v. § 104 Rn. 9; Faust BGB AT § 2 Rn. 17.

[9]

Palandt-Ellenberger Überbl. v. § 104 Rn. 9; Faust BGB AT § 2 Rn. 17.

[10]

Palandt-Ellenberger Überbl. v. § 104 Rn. 9; Faust BGB AT § 2 Rn. 13.

2. Teil Die Funktion und Struktur von Rechtsgeschäften › C. Einteilung von Rechtsgeschäften

C. Einteilung von Rechtsgeschäften

2. Teil Die Funktion und Struktur von Rechtsgeschäften › C. Einteilung von Rechtsgeschäften › I. Einseitige und mehrseitige Rechtsgeschäfte

I. Einseitige und mehrseitige Rechtsgeschäfte

75

Nach der Anzahl der für die Vornahme eines Rechtsgeschäfts seiner Art nach zwingend erforderlichen Willenserklärungen unterscheidet man zwischen einseitigen und mehrseitigen Rechtsgeschäften.[1]


Einseitige Rechtsgeschäfte sind solche Rechtsgeschäfte, die ihrer Art nach zur Durchführung lediglich eine Willenserklärung erfordern.

Mehrseitige Rechtsgeschäfte müssen dagegen immer aus mindestens zwei Willenserklärungen gebildet werden.[2]

Beispiele

Einseitige Rechtsgeschäfte sind zum Beispiel die Auslobung (§ 657), die Eigentumsaufgabe nach § 959, die Anfechtung, Kündigung, der Rücktritt und das Testament.

Der Einordnung steht nicht entgegen, dass im Einzelfall mehrere Personen das Rechtsgeschäft vornehmen müssen. So können z.B. mehrere Mieter eines einheitlichen Mietvertrages die Kündigung gegenüber ihrem Vermieter nur gemeinsam ausüben.[3] Gleichwohl ist auch diese Kündigung ein „einseitiges Rechtsgeschäft“.

Mehrseitige Rechtsgeschäfte sind der Vertrag oder der Beschluss von Mitgliedern einer Personenvereinigung (sog. „Gesamtakt“), etwa gem. § 27 Abs. 1 beim Verein.

2. Teil Die Funktion und Struktur von Rechtsgeschäften › C. Einteilung von Rechtsgeschäften › II. Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte

II. Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte

1. Verpflichtungsgeschäfte

76

Wir haben im ersten Teil dieses Skripts schon gesehen, dass durch Rechtsgeschäfte Ansprüche begründet werden können. Oder anders ausgedrückt, aus der Sicht des Schuldners: Durch Rechtsgeschäft kann man sich zu einer Leistung verpflichten. Ein solches Rechtsgeschäft nennt man deshalb auch „Verpflichtungsgeschäft“ oder „obligatorisches Geschäft“.[4] Dadurch entsteht ein Schuldverhältnis i.S.d. § 241.

Durch Rechtsgeschäft kann man aber niemandem einseitig eine Leistungspflicht „aufs Auge drücken“. Es gibt keine Rechtsgeschäfte zu Lasten Dritter. Dem steht ja schon die Privatautonomie des Anderen entgegen, die die Reichweite der eigenen Gestaltungsmacht begrenzt. Umgekehrt muss sich niemand gegen seinen Willen einen Anspruch aufdrängen lassen.[5] Jeder muss sich dem Willen des Gesetzgebers beugen, aber nicht dem Willen einer anderen Privatperson. Wer einen anderen dazu bringen möchte, eine Leistung zu übernehmen, muss sich mit diesem darauf einigen. Deshalb stellt § 311 Abs. 1 klar, dass „zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich ist.“

Die Vertragstypen sind dabei im Gesetz nicht abschließend geregelt; es gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit.

Verpflichtungsgeschäfte sind also fast immer Verträge. Aber eben nur „fast immer“, wie § 311 Abs. 1 am Ende zum Ausdruck bringt: „…soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt.“

 

Das Gesetz sieht ausnahmsweise die Möglichkeit vor, durch einseitiges Rechtsgeschäft ein Schuldverhältnis zu begründen. Nach dem eben Gesagten geht das nur, wenn es der unbeteiligten Person ausnahmsweise zuzumuten ist, ohne ihre Zustimmung am Schuldverhältnis beteiligt zu sein.[6] Die entsprechenden Ausnahmen sind im Gesetz abschließend festgelegt.[7]

Beispiel

Durch die einseitigen Rechtsgeschäfte Auslobung (§ 657), Gewinnzusage (§ 661a) und Vermächtnis (§§ 1939, 2147, 2174) werden Schuldverhältnisse begründet. Bei Auslobung und der Gewinnzusage widerspräche es gerade dem Schutz des „Gewinners“, wenn ihm die zugesagte Leistung mit dem Argument vorenthalten werden könnte, es sei mangels Einigung gar kein Vertrag zustande gekommen. Beim Vermächtnis überwiegt die privatautonome Freiheit des Einzelnen, frei über die Verteilung seines Vermögens nach seinem Tod entscheiden zu können („Testierfreiheit“). Der durch das Vermächtnis Verpflichtete („Beschwerter“) ist durch die erbrechtlichen Vorschriften ausreichend davor geschützt, dass sein eigenes Vermögen durch das Vermächtnis belastet werden könnte. Ihm fällt ja regelmäßig aus dem Nachlass ein zusätzlicher Vermögenswert in den Schoß, von dem er lediglich einen Teil als Vermächtnis abzugeben hat.

2. Verfügungsgeschäfte

77

Sie können sich die Wirkungen des Verfügungsgeschäfts mit der Abkürzung „VÜBA“ merken oder sich selbst ein anderes Wort bzw. einen passenden Merksatz ausdenken.

Verpflichtungsgeschäfte schaffen Ansprüche, an bestehenden Rechten ändern sie nichts. Das ist bei den sog. Verfügungsgeschäften anders.[8] Mit Ihnen soll über ein bestehendes Recht verfügt werden, indem der bisherige Zustand dieses Rechts unmittelbar geändert wird.


Verfügungsgeschäfte sind Rechtsgeschäfte, die auf eine unmittelbare Änderung eines bestehenden Rechts gerichtet sind, indem das Recht (inhaltlich) Verändert, Übertragen, Belastet oder Aufgehoben wird.[9]

Rechte sind nicht-körperliche Gegenstände (Umkehrschluss aus § 90) wie zum Beispiel Ansprüche[10] (vgl. § 194), höchstpersönliche Rechte (vgl. § 823 Abs. 1), Eigentum (vgl. § 903), Pfandrecht (vgl. § 1204), Marken-, Patent- und Urheberrechte.

78

Bei den Verfügungsgeschäften gibt es keine Gestaltungsfreiheit. Vielmehr sieht der Gesetzgeber einen abschließenden Katalog (numerus clausus) der verschiedenen Typen von Verfügungsgeschäften vor.[11] Lediglich diese Verfügungsarten stehen zur Verfügung. Darüber hinaus sind keine weiteren Verfügungsvarianten möglich. Dies dient der Klarheit und Rechtssicherheit, damit sich jedermann über mögliche Rechtsveränderungen zuverlässig informieren kann.

Wirksamkeitsvoraussetzung für die Verfügung ist bei allen Typen stets eine bestehende Verfügungsmacht des Verfügenden.[12] Fehlt sie, kann sie ausnahmsweise nach den Regeln des gutgläubigen Erwerbs überwunden werden Eine solche Rechtsmacht spielt bei Verpflichtungsgeschäften keine Rolle.

Ein weitere Eigenart des Verfügungsgeschäftes besteht darin, dass hier das sog. „Prioritätsprinzip“ gilt. Verfügt jemand mehrmals in derselben Weise über ein Recht, ist grundsätzlich nur die zeitlich erste Verfügung wirksam, da sich die entsprechende Rechtsmacht mit der ersten Verfügung verbraucht hat. Ausnahmen können sich wiederum aus den Regeln des gutgläubigen Erwerbs ergeben. Eine solche zeitliche Rangfolge spielt bei Verpflichtungsgeschäften ebenfalls keine Rolle.

Beispiel 1

Stellvertreter S schließt im Namen und Vollmacht des K1 einen Kaufvertrag über das gebrauchte Auto des V für 5000 €. K1 soll den Wagen mit Schlüssel und Papieren eine Woche später gegen Barzahlung abholen. Noch vor Übergabe meldet sich der K2 und bietet 8000 €. V nimmt dessen Angebot an. K2 bezahlt sofort bei V und nimmt den Wagen mit.

Der zweite Kaufvertrag mit K2 ist nicht deshalb unwirksam, weil V das Auto bereits an K1 verkauft hatte. Die Übereignung des Wagens an K2 gem. § 929 S. 1 ist ebenfalls wirksam, weil V sein Eigentum ja noch behalten hatte. Allerdings muss V den ersten Kaufvertrag mit K 1 noch erfüllen. Bleibt der Wagen bei K2, ist ihm die Erfüllung unmöglich. Der Anspruch ist dann nach § 275 Abs. 1 ausgeschlossen. K1 braucht nach § 326 Abs. 1 S. 1 seinerseits den Kaufpreis nicht zu bezahlen und kann gegen V Ersatzansprüche nach §§ 275 Abs. 4, 280 Abs. 1, 3, 283 bzw. 284 geltend machen.

Beispiel 2

Der klamme Händler H verkauft seine Forderung (vgl. § 453 Abs. 1) gegen den zahlungsunwilligen Schuldner S an den K1, um schnell an Geld zu kommen und tritt sie ihm gem. § 398 ab. Sodann verkauft er sie ein zweites Mal an den K2 und tritt sie diesem ebenfalls ab.

Hier sind wieder beide Kaufverträge wirksam. Aber nur den ersten Kaufvertrag hat H durch Abtretung erfüllen können. Die zweite Abtretung ging aufgrund des Prioritätsprinzips ins Leere. H hatte seine Forderung durch die erste Abtretung auf K1 übertragen und damit seine Verfügungsmacht verloren. Ohne Zustimmung des neuen Rechtsinhabers K 1 konnte er sie nicht noch einmal auf K2 übertragen. Und ein gutgläubiger Erwerb des K2 ist ausgeschlossen, da es bei der Forderungsabtretung keinen Erwerb vom Nichtberechtigten gibt. Dem K2 haftet H aus §§ 275 Abs. 4, 280 Abs. 1, 3, 283 bzw. 284.

79

Verfügungsgeschäfte können einseitige oder mehrseitige Rechtsgeschäfte sein.

Beispiel

Die Aufrechnung ist ein einseitiges Verfügungsgeschäft, dass auf unmittelbares Erlöschen (= Aufhebung) wechselseitiger Ansprüche gerichtet ist (vgl. §§ 388, 389). Die Aufgabe des Eigentums an einer beweglichen Sache geschieht ebenfalls durch einseitiges Rechtsgeschäft („Dereliktion“) gem. § 959. Der Erlass einer Forderung ist ebenfalls ein auf Erlöschen gerichtetes Verfügungsgeschäft, aber nach § 397 als mehrseitiges Rechtsgeschäft, nämlich den Erlassvertrag, ausgestaltet.

Die Übertragung eines Rechts geschieht jeweils durch mehrseitiges Rechtsgeschäft. Eine Forderung wird durch Abtretungsvertrag nach § 398 übertragen. Bei der Übertragung des Eigentums an einer beweglichen Sache gem. § 929 ist neben der vertraglichen Einigung noch eine Übergabe der Sache notwendig. Entsprechendes gilt für die Belastung des Eigentums an einer beweglichen Sache mit einem Pfandrecht (vgl. § 1205).

Bei der Veränderung eines Grundstücksrechts bedarf es nach §§ 873, 877 neben der vertraglichen Einigung noch der Eintragung im Grundbuch.