Extra Krimi Paket Sommer 2021

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

9

Der Fotoladen war nicht besonders groß und an einer Straßenecke gelegen. Der bleichgesichtige Mann sah sich nach einem Parkplatz um, sah aber, dass im weiteren Umkreis keine Chance war, einen Porsche legal abzustellen. So stellte er sich ins Parkverbot. Die Sache würde nicht lange dauern. Unwahrscheinlich, dass man ihn gerade in diesen paar Minuten aufschreiben würde.

Als der bleiche Mann eintrat, sah er hinter dem Tresen einen stämmigen, untersetzt wirkenden Mann mit Halbglatze, der das Bleichgesicht eingehend musterte.

"Was wünschen Sie?", fragte der Untersetzte.

Der Eingetretene legte einen Belegschein auf den Tresen. "Ich möchte diese Bilder abholen, Mister."

"Für welchen Namen?"

"Mister Steve Tierney!"

Der Untersetzte nahm das kleine Stück Papier, warf einen prüfenden Blick darauf und meinte dann: "Sie sind nicht Mister Tierney! Ich kenne ihn seit Jahren, er ist einer meiner Stammkunden."

"Und wenn schon", sagte der Fremde. "Ich habe den Beleg. Das dürfte doch genügen, oder?"

Der Fotohändler schüttelte den Kopf. "Nein, für mich nicht."

"Hören Sie..." Das Bleichgesicht beugte sich etwas über den Tresen, dabei ging sein Blick seitwärts. Eine Frau stand an einem Ständer mit Fotoalben und war darin vertieft, sich eines davon auszusuchen. "Ich arbeite in Mister Tierneys Auftrag!"

"Reden Sie keinen Unfug!"

"Das ist kein Unfug!"

"Mister Tierney hat mich ausdrücklich angewiesen, alle Fotos, die er zu mir gibt und entwickeln lässt, nur ihm persönlich auszuhändigen. Und daran halte ich mich! Kapiert? Wie Sie an den Beleg kommen, ist mir im übrigen auch ziemlich schleierhaft, wenn ich ehrlich sein soll!"

Jetzt kam die Frau mit einem der Alben und bezahlte es. Indessen stand das Bleichgesicht ziemlich unruhig da. Der Muskel unter dem linken Auge zuckte. Der Kerl wartete, bis die Frau weg war. Zeugen konnte er nicht gebrauchen.

"Was wollen Sie eigentlich noch, Mister?", maulte der Geschäftsmann ziemlich ungehalten, als die Frau den Laden verlassen hatte. "Ich habe doch gesagt, dass ich Ihnen nicht helfen kann!" Dann sah er die Pistole in der Hand des Bleichgesichts, dessen Mund sich ein wenig verzog.

"Wirklich nicht?", meinte er sehr leise und sehr bedrohlich.

Der Fotohändler schluckte und begann plötzlich zu schwitzen.

"Ich weiß nicht, ob Sie wissen, was Sie da tun...", murmelte er dann, offenkundig, um Zeit zu gewinnen. Dem Bleichgesicht entging die kaum merkliche Wanderung keineswegs, die sein Gegenüber mit der Linken ausführte.

Ein Alarmknopf, eine Waffe, irgendetwas in der Art, so war zu vermuten.

"Die Hände nach oben!"

Der Händler gehorchte nicht. Seine Hand wanderte nur um so schneller an der Kante des Tresens nach links.

Der abgedämpfte Schuss kam leise und tödlich.

Zweimal feuerte das Bleichgesicht. Der Fotohändler wurde zurückgerissen. Er versuchte noch, sich an den Regalen festzuhalten, die sich hinter dem Tresen befanden und fegte dabei einige Kameras herunter, ehe er selbst zu Boden rutschte. Er saß reglos und mit starren Augen da und war ohne Zweifel mausetot.

Der Mörder sah kurz zur Eingangstür des Ladens hinüber. Aber es schien, als hätte er einen günstigen Zeitpunkt für seine Tat erwischt. Es war niemand zu sehen. Er steckte die Waffe beiseite und ging dann auf die Seite des Tresens. Um an die Bilder heranzukommen, die aus dem Großlabor eingetroffen waren, musste er über die Leiche steigen und trat dabei in die Blutlache, die sich indessen gebildet hatte.

Der Killer brauchte nur unter TIERNEY nachzuschauen und dann hatte er schon, was er suchte: Steve Tierneys wahrscheinlich letzten Film samt Negativen. Er verzichtete darauf, den Inhalt des kleinen Tütchens zu überprüfen, denn er durfte jetzt keine Zeit verlieren.

Mit schnellen, entschlossenen Schritten lief er ins Freie. Einen Augenblick später saß er schon am Steuer seines Porsches, ließ den Motor aufheulen und trat kräftig auf das Gas.

Dieser Job war erledigt! Alles, was irgendwie gefährlich werden konnte, war jetzt in sicheren Händen!

Blieb nur ein Problem, das noch einer Lösung bedurfte.

Das Problem hieß Bount Reiniger.

10

Als Bount seinen champagnerfarbenen Mercedes 500 SL auf den Bürgersteig parkte, ahnte er schon, dass vielleicht jemand anderes schneller als er gewesen war.

Sein Ziel war der Fotoladen an der Ecke. Tierneys Kameraquittung war dort ausgestellt worden und da der Detektiv kein eigenes Labor hatte, musste er seine Bilder irgendwo entwickeln lassen. Vielleicht war dies die richtige Adresse.

Aber vor dem Laden war schon eine mittlere Menschentraube. Etwas war dort geschehen und es konnte noch nicht allzu viel Zeit vergangen sein. Die Polizei war noch nicht am Ort des Geschehens.

Bount kam näher und sah die Blutspuren auf dem Bürgersteig.

Er drängte sich durch die Leute hindurch und stand wenig später im Laden und dann war ihm klar, was geschehen sein musste.

"Hat schon jemand die Polizei gerufen?", rief Bount in das allgemeine Gemurmel hinein. Es meldete sich niemand. Einige schauten weg. Die meisten wollten mit der Sache einfach nichts zu tun haben.

Bount sah, dass der Mann hinter dem Tresen tot war. Der Privatdetektiv ging zum Telefon, nahm den Hörer ab und rief Rogers’ Nummer an.

Dann sah er sich ein bisschen um. Die Kasse hatte der Täter nicht angerührt, statt dessen aber in den noch nicht abgeholten Fotos herumgewühlt.

Bount sah die Blutspuren auf dem Boden. "Nichts anrühren! Und gehen Sie ein Stück zurück!", wies er die Leute an.

"Ich habe den Kerl gesehen!", meinte eine Frau.

Bount wurde hellhörig.

"Erzählen Sie!"

Die Frau war Mitte vierzig und ziemlich aufgeregt. Sie hatte sich erst vor wenigen Sekunden durch die Umstehenden gedrängt und war ziemlich blass, seit sie die Leiche des Fotohändlers gesehen hatte.

"Ich habe hier ein Fotoalbum gekauft und bin dann gegangen. Am Tresen stand ein Mann. Sehr schlank und ganz bleich im Gesicht. Er hatte irgendwie eine ungesunde Gesichtsfarbe. Ich habe nicht verstanden, worum es ging, aber er hat sich mit dem armen Mister Grey ziemlich gehabt..." Sie schluckte. "Er ist es gewesen, Sie müssen mir glauben!" Sie sah Bount beschwörend an.

Bount blieb gelassen.

"Woher wollen Sie das wissen?", fragte er.

"Habe ich das nicht gesagt?" Sie fuhr sich nervös durch die Haare. "Ich bin noch einmal zurückgekommen, weil ich meine Tasche vergessen hatte." Sie deutete zu dem Ständer mit den Fotoalben. "Sehen Sie, da steht Sie ja! Als ich um die Ecke kam, sah ich, wie dieser Mann aus dem Laden lief. Er lief ziemlich schnell und stieg dann in seinen Wagen."

"Was für ein Wagen?"

"Ein Porsche."

Bount pfiff durch die Zähne. "Die Nummer haben Sie nicht zufällig?"

"Nein, Sir! Ich war viel zu aufgeregt."

"Verstehe."

Irgendwo im Hintergrund war jetzt die Sirene eines Streifenwagens zu hören und wurde rasch lauter.

11

Am späten Nachmittag tauchte Toby Rogers bei Bount und June in der Agentur auf.

"Was gibt's, Toby? Ausnahmsweise mal ein reiner Freundschaftsbesuch?", fragte June keck, obwohl sie sich an zwei Fingern ausrechnen konnte, dass es nicht so war.

Toby Rogers grinste über das ganze, breite Gesicht, von einem Ohr bis zum anderen. Für Bount hieß das, dass es irgendeine Spur gab.

"Ich habe mich um die Autonummer dieses Porsche gekümmert!", machte er mit großspuriger Geste. "Er gehört einem gewissen Clint Leonard. Und der ist beileibe kein unbeschriebenes Blatt! Einbruch, Körperverletzung und ein paar andere Kleinigkeiten stehen bei ihm auf dem Konto. Mit Rauschgift hat er es auch mal versucht, aber die etablierten Herren in der Branche haben ihm so gewaltig in die Suppe gespuckt, dass er den Appetit daran verloren hat."

"Und was macht er heute so?"

Toby Rogers prustete und zuckte mit den Schultern. "Er ist nicht mehr aufgefallen. Bei jemandem wie Leonard ist das allerdings nur ein Zeichen dafür, dass er geschickter geworden ist... Aber wenn er in der Sache drinhängt, dann wohl als Handlanger."

"Was ist mit dem Fotohändler? Ist er mit derselben Waffe getötet worden wie Tierney?"

"Der Bericht steht noch aus, Bount. Und vor morgen Mittag rechne ich auch nicht damit. Aber was hältst du davon, wenn wir Leonard mal einen Besuch abstatten?"

"Freiwillig wird er uns nichts über seine Hintermänner sagen!"

"Ich kann ihn festnehmen, Bount!" Er holte ein Stück Papier aus der Jackentasche und hielt es dem Privatdetektiv hin.

"Ein Haftbefehl?"

"Ja. Nachdem diese Frau aus dem Laden Leonard in unserer Kartei wiedererkannt hatte, war das kein Problem mehr. Und wenn er erst einmal im Loch sitzt, wird er sich schon überlegen, ob er wirklich alles allein auf sich nehmen will!" Rogers klopfte Bount auf die Schulter. "Ich dachte, du wärst vielleicht gerne dabei!"

12

Clint Leonard bewohnte ein Apartment in attraktiver Lage. Das hieß, dass seine Geschäfte - was immer darunter auch zu verstehen war - ganz gut laufen mussten. Sie waren zu viert, als sie dort auftauchten: Außer Bount und Rogers noch zwei Detectives.

"Bin wirklich mal gespannt, was der Kerl uns zu sagen hat!", meinte Rogers, während er die Klingel an der Apartmenttür drückte. Seine Rechte wanderte dabei in Richtung des 38er Special, die er unter dem Jackett bei sich trug.

 

Man konnte nie wissen.

Wenn Leonard wirklich der Mann war, den sie suchten, dann hatten sie es mit jemandem zu tun, der seine Waffe schnell und sicher zu gebrauchen wusste. Und vor allem nicht lange fackelte, ehe er den Abzug betätigte!

Auf das Klingeln reagierte niemand.

"Aufmachen! Polizei!", dröhnte Rogers. Bount hatte die Automatik schon in der Hand.

Zwei, drei Sekunden verrannen.

Und dann ging die Tür schließlich doch noch auf. Eine junge, gutaussehende Frau im Bademantel und mit nassen Haaren öffnete die Tür einen Spalt, löste aber noch nicht die Kette.

"Was wollen Sie?"

Sie bekam Rogers’ Ausweis unter die Nase gehalten. "Machen Sie auf!", wies der Captain sie nochmals an und sie gehorchte.

Die beiden Männer ließen sie einfach stehen und sahen sich in der Wohnung um. Von Clint Leonard keine Spur. Es gab keinen Fluchtweg und über den Balkon wäre jede Flucht aussichtslos gewesen - selbst für Akrobaten und Bergsteiger. Bount steckte die Automatik ein.

"Wo ist Clint Leonard?", fragte der Privatdetektiv.

"Ich weiß nicht, wen Sie meinen!"

"Verkaufen Sie uns nicht für dumm, Sie werden ja wohl noch wissen, in wessen Wohnung Sie sich unter die Dusche stellen, oder?"

Sie lief rot an. Aber nicht aus Verlegenheit, sondern aus Ärger.

"Wer sind Sie?", fragte nun Rogers an die Schöne gewandt, die ihn daraufhin trotzig musterte. "Oder wollen Sie lieber, dass wir das bei mir im Büro klären?"

Sie warf den Kopf in den Nacken. "Grace Dickins", murmelte sie.

"Wohnen Sie hier?"

"Was dagegen?"

"Wann kommt Leonard zurück?"

"Keine Ahnung. Was wollen Sie denn von ihm?"

"Er hat einen Mann umgebracht", mischte sich Bount ein. Sie zuckte nur mit den Schultern. Es schien sie nicht allzu sehr zu berühren.

"Wie gesagt", meinte sie. "Ich weiß weder, wo er steckt, noch, wann er zurückkommt. Er sagt mir nie etwas!"

"Wir warten hier!", grunzte Rogers. Er wandte sich an die beiden Detectives. "Seht euch ein bisschen um, Leute! Vielleicht finden wir ja etwas!"

Die junge Frau stemmte die Arme in die Hüften. "Dürfen Sie das überhaupt?"

Rogers hielt ihr den entsprechenden Wisch unter die Nase. "Wir dürfen", sagte er.

Bount musterte sie währenddessen. Sie überlegt, wie sie Leonard warnen kann!, ging es ihm durch den Kopf. In ihr schien es fieberhaft zu arbeiten, Bount spürte es ganz deutlich. Sie würde die erste Gelegenheit eiskalt ausnutzen. Man musste auf sie aufpassen.

Dann kam einer der Detectives mit einem Paar Schuhen in der Hand. Schwarze Schnürschuhe waren es. Sie waren frisch gewienert worden, aber das hieß nicht unbedingt, dass man mit ihnen nichts anfangen konnte. "Die könnten zu den blutigen Fußspuren passen, die am Tatort zu sehen waren!", meinte der Detective. "Die richtige Schuhgröße ist es jedenfalls!"

Indessen hatte sich Bount am Fenster postiert. Er sah einen Porsche herankommen und nach einem Parkplatz suchen.

"Er kommt!", stellte der Privatdetektiv an Rogers gerichtet fest.

13

Grace Dickins wurde von Rogers ins Hinterzimmer geführt. "Wenn Sie einen Ton sagen, bekommen Sie den allergrößten Ärger. Haben Sie mich verstanden?"

Sie antwortete nicht, sondern befreite nur ihren Arm mit einer ruckartigen, trotzig wirkenden Bewegung aus dem Griff des Captains.

Die beiden Detectives zogen ihre 38er und postierten sich so, dass sie die Tür im Auge hatten. Bount stellte sich direkt neben die Tür und presste sich an die Wand. Die Automatik hielt er mit beiden Händen umklammert.

Die Sekunden verrannen.

Dann drehte sich ein Schlüssel geräuschvoll herum und die Tür ging auf. Aber nur einen Spalt weit. Grace Dickins schrie aus dem Hinterzimmer, während das bleiche Gesicht von Clint Leonard direkt in die Mündung eines Polizeirevolvers blickte.

"Keine Bewegung! Polizei!", rief der Detective vorschriftsmäßig, aber Leonard zögerte nicht den Bruchteil einer Sekunde. Seine Waffe trug er in der Manteltasche. Er feuerte einfach durch die edle Schurwolle hindurch und traf.

Ein Detective wurde nach hinten geschleudert und der Länge nach hingestreckt, während sein Kollege zurückfeuerte. Leonards Schritte waren auf dem Flur zu hören. Er rannte, was das Zeug hielt und Bount war der erste, der sich an seine Fersen heftete.

Der Privatdetektiv hatte kaum den Kopf durch die Apartment-Tür gesteckt, da sausten bereits die Kugeln dicht über ihn hinweg und kratzten am Wandputz.

Leonard lief am Aufzug vorbei in Richtung Notausgang. Er kannte sich hier hervorragend aus und das war sein Vorteil. Bevor er durch die Tür zur Nottreppe schnellte, brannte er noch ein paar Geschosse in Bounts Richtung. Dann war er verschwunden.

Bount drehte sich herum und wandte sich dem zweiten Detective zu, der ihm gefolgt war. "Der Kerl wird versuchen, zu seinem Wagen zu kommen!"

Der Detective nickte.

"Ich kümmere mich drum!", meinte er.

"Okay!"

Bount hetzte weiter, während der Detective den Aufzug abwärts nahm. Mit einer energischen Bewegung lud der Privatdetektiv die Automatik durch, bevor er sich an die Tür heranwagte, die zur Feuertreppe führte. Sie stand einen Spalt offen und Bount konnte in einen Hinterhof blicken. Als er die Tür etwas weiter öffnete, bekam er sofort die bleierne Quittung. Drei Schüsse, ganz kurz hintereinander abgefeuert, gingen hinauf zu ihm und es blieb ihm nichts anderes übrig, als erst einmal den Kopf einzuziehen.

Dann stieß Bount mit einem Fußtritt die Tür auf und feuerte zurück. Clint Leonard hatte sich hinter einem abgestellten Lieferwagen verschanzt. Noch einen ziemlich ungezielten Schuss feuerte er in Bounts Richtung und lief dann davon.

Sein Porsche war auf der entgegengesetzten Hausseite und so hatte Leonard im Augenblick keine Chance, ihn zu erreichen.

Bount schnellte die Feuertreppe hinab. Seine Füße klapperten in rasendem Tempo über die Metallstufen, während er gleichzeitig den Flüchtenden im Auge behielt. Aber der war ziemlich großzügig mit seiner Munition umgegangen und hatte wohl den Inhalt seines Magazins vollständig verschossen.

Als Bount auf ebener Erde angekommen war, verschwand der bleiche Leonard gerade in einem engen Durchgang zwischen zwei Gebäuden. Der Privatdetektiv setzte zu einem Spurt an. Der Durchgang machte eine Biegung, dann kam die Straße.

Bount blieb vorsichtig und tastete sich mit schussbereiter Waffe voran. Wenig später sah er die Passanten auf dem Bürgersteig vorbeigehen und fluchte innerlich. Sicher nutzte der Kerl jetzt die Chance, in der Menge unterzutauchen.

Bount dachte trotzdem nicht daran aufzugeben. Eine minimale Chance blieb. Er rannte los und stand ein paar Sekunden später zwischen hektischen Passanten, von denen einige etwas irritiert auf die Automatik in seiner Hand blickten.

Der Privatdetektiv drehte sich herum und dann sah er ihn, keine zwanzig Meter entfernt.

Leonard kümmerte sich nicht um die Menschen um ihn herum.

Er schien seine Waffe inzwischen nachgeladen zu haben und feuerte nun wild drauflos, während Bount sich duckte, um sich dann neben einen am Straßenrand parkenden Wagen in Deckung zu hechten. Das dumpfe Geräusch der Schalldämpferpistole ging im allgemeinen Straßenlärm völlig unter. Dennoch entstand eine mittlere Panik.

Als Bount aus seiner Deckung mit angelegter Automatik hervortauchte, hatte Leonard eine junge Frau bei den Haaren gepackt, die offenbar einen Moment zuvor aus ihrem weißen Golf gestiegen war.

Die Wagentür stand noch offen und Leonard hielt die Frau jetzt wie einen Schutzschild vor den eigenen Körper.

Die Frau schrie vor Angst, aber als sie den Schalldämpfer an der Schläfe spürte, verstummte sie abrupt.

"Geben Sie auf, Leonard! Machen Sie es nicht noch schlimmer!", rief Bount, der die Automatik keinen Millimeter gesenkt hatte, obwohl er wusste, dass er sie in dieser Situation nicht benutzen konnte.

Leonard zog die junge Frau mit sich, bis er den Golf umrundet hatte und auf der Fahrerseite stand. Bount wurmte es, dass er nichts tun konnte, als zuzusehen. Bevor der Killer sich dann ans Steuer setzte, ließ er die Frau los, die so schnell sie konnte davonlief.

Dann folgte ein Blitzstart. Die Reifen des Golfs drehten durch und Leonard fädelte ziemlich brutal in den Verkehr ein. Jemand hupte. Bremsen quietschten und dann brauste er davon.

Bount überlegte eine Sekunde, ihm die Reifen zu zerballern, aber es waren zu viele Menschen in der Schussbahn.

Er fluchte leise vor sich hin, während er hinter sich ein ächzendes Geräusch hörte. Bount wandte sich um und sah Rogers japsend daherlaufen. Verfolgungsjagden waren schon auf Grund der korpulenten Figur nicht unbedingt Rogers’ Stärke - zumindest, wenn sie auf Schusters Rappen durchgeführt wurden.

Nun war der Captain völlig außer Atem.

"Jetzt werden wir ihn lange suchen können!", meinte er resignierend.

"Ich habe mir die Nummer gemerkt", erwiderte Bount, während er die Automatik an ihren Ort steckte. "Vielleicht nützt es ja was, den Golf zur Fahndung durchzugeben!" Aber insgeheim wusste Bount, dass nicht viel dabei herauskommen würde. Wenn Clint Leonard seinen Verstand einigermaßen beisammen hatte, dann würde er den Wagen an der nächsten U-Bahn Station stehen lassen, um anschließend auf Nimmerwiedersehen unterzutauchen.

"Seine Hintermänner werden jetzt mehr als aufgescheucht sein!", glaubte Rogers. "Vielleicht gehen sie jetzt erst einmal eine Weile völlig auf Tauchstation. Das wird uns unser Geschäft nicht gerade erleichtern, Bount!"

"Dann müssen wir es so drehen, dass das Gegenteil dabei herauskommt!", gab der Privatdetektiv zurück.

"Das sie noch nervöser werden?"

"Ja, und Fehler machen..."

Sie machten sich auf den Rückweg.

"Was ist mit Detective Ramirez?", erkundigte sich Bount.

Toby Rogers seufzte. "Er ist tot, Bount. Und ich sage dir eins: Ich werde nicht eher ruhen, bis dieser Leonard das bekommt, was ihm zusteht!"

14

Clint Leonard wusste, dass er einen schlimmen Fehler gemacht hatte. Aber nun war es nicht mehr zu ändern. Er konnte allerhöchstens noch versuchen, seine eigene Haut zu retten und das Schlimmste zu verhindern...

Leonard war mit der Subway mehr oder weniger ziellos durch die Stadt gefahren und schließlich weit oben im Norden, in der Bronx gelandet.

Seine Verfolger hatte er abgehängt, der gestohlene Golf stand irgendwo im Halteverbot und würde bald der Fahndung in die Hände fallen.

Leonard schätzte, dass er den Detective in seiner Wohnung voll erwischt hatte. Das war sein schlimmster Fehler gewesen, aber einer, der sich nicht hatte vermeiden lassen.

Doch nun musste er damit rechnen, dass die gesamte Stadt-Polizei von New York heiß auf ihn war. Polizistenmord war eben immer noch etwas ganz besonderes.

Er kaufte sich an einer Imbissbude einen Hot Dog. Morgen würde sein Bild wahrscheinlich schon in der Zeitung stehen und in den Lokalnachrichten zu sehen sein. Dann würde alles schwieriger für ihn werden.

Mit dem Hot Dog in der Hand ging er zur nächsten Telefonzelle und wählte eine Nummer, die er auswendig kannte.

"Hallo?", meldete sich etwas mürrisch eine Stimme, die Leonard auf Anhieb erkannte.

"Mister Lafitte? Hier spricht Clint Leonard!"

"Hatten wir nicht abgemacht, dass Sie mich unter diese Nummer nicht anrufen, Leonard?", fragte die Stimme auf der anderen Seite etwas ungehalten. "Was fällt Ihnen ein! Verdammt, haben Sie den Verstand verloren?"

"Ich würde es nicht tun, wenn es sich vermeiden ließe!"

Lafitte atmete so tief durch, dass man es durch die Leitung hören konnte. "Na, schön!", meinte er dann. "Was gibt es?"

"Ich brauche jetzt Ihre Hilfe. Etwas Furchtbares ist geschehen! Die Polizei war in meiner Wohnung."

"Auf wessen Konto geht das?"

"Die Frau vielleicht... Ich weiß es nicht. Dieser Reiniger war auch dabei. Er steckt seine Nase allmählich entschieden zu tief in die Sache."

 

"Dann werden wir ihm eine Warnung zukommen lassen müssen", meinte Lafitte. "Eine sehr ernste Warnung."

"Darum geht es jetzt nicht."

"Worum dann?"

"Ich muss untertauchen. Und da ist noch etwas: Ich habe einen Polizisten getötet. Ich hatte keine andere Wahl."

Auf der anderen Seite war ein paar volle Sekunden lang nur Schweigen. Dann sagte Lafitte: "Damit will ich nichts zu tun haben! Ich war von Anfang an dagegen!"

"Sie müssen mir helfen!"

"So, muss ich?"

"Ich werde sonst dafür sorgen, dass ihr alle mit hineingerissen werdet! Darauf können Sie sich verlassen, Lafitte! Glauben Sie vielleicht, Sie können sich von mir die Kastanien aus dem Feuer holen lassen und mich dann einfach so fallen lassen?"

"Es ist Ihr Job, Leonard. Und Ihr Risiko."

"Wie Sie wollen..."

"Warten Sie! Wo sind Sie jetzt? Vielleicht finden wir ja eine Lösung."