Extra Krimi Paket Sommer 2021

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Nach einer Weile holte Pertz tief Atem. Nach Reinekes Anruf hatte er lange überlegt, ob er dem Kollegen aus dem Landeskriminalamt gestehen sollte, welchen Bock sie geschossen hatten. Kein Mensch gibt gern Fehler zu, aber wenn er Reineke auch nicht sonderlich leiden mochte, so schätzte er doch dessen Fähigkeiten. Außerdem empfahl es sich gelegentlich, alles freiwillig vor einem vertrauenswürdigen Zeugen auszupacken, bevor es in entstellter Form durch schwatzhafte Kollegen oder die Presse publik wurde. Mit Ruhm hatten sich alle Beteiligten nicht bekleckert, die Liga nicht auf gerollt, den V-Mann nicht wieder auf gespürt, und bei dem diffizilen Verhältnis zwischen den Diensten und der Polizei konnten sie einen Skandal überhaupt nicht gebrauchen. Seit ihm Weinert gestanden hatte, dass Rogge und der Freund dieser Weber zwei seiner Männer überrascht, wahrscheinlich auch enttarnt hatten, hatte Pertz sich darauf eingerichtet, dass sie die Aktion abbrechen mussten. Leise, still, unauffällig beerdigen mussten. Unter Umständen benötigte er sogar Reinekes Beziehungen, um Simon und Rogge ruhig zu stellen; nach den letzten Meldungen hatte sich der Hauptkommissar gefährlich nahe an die Wahrheit herangerobbt. Und die Journalisten würden so schnell nicht lockerlassen, wenn die erschreckend präzise Meldung aus dem Provinzblatt erst einmal die Runde gemacht hatte ...

»Ihr habt diese Bongartz oder Weber also als Köder benutzt?«

»Ja.«

»Wenn ihr sie durch diese Fernsehsendung wieder gefunden habt, kann die Liga sie auch entdeckt haben.«

»Hat sie, wir haben zwei ligistische Gruppen beobachtet.«

»Aber nicht festgenommen?«

»Nein.«

»Das heißt im Klartext, ihr seid bereit gewesen, die Bongartz zu opfern? Oder glaubst du, diese Liga hätte sie verschont, obwohl sie annehmen musste, dass Zinneck - oder Tepper - sie eingeweiht hatte?«

»Ja - wir hätten sie geopfert. Nein - die Liga hätte sie nicht verschont. Ich habe an diese Amnesie-Kiste nie geglaubt. Warum ist sie dann sofort untergetaucht, als dieser Rogge sie mit ihrem wahren Namen konfrontierte?«

Darauf antwortete Reineke nicht. Einen Menschen ungeschützt herumirren zu lassen, an dessen Fersen sich gefährliche Verschwörer geheftet hatten, behagte ihm nicht, aber er würde sich hüten, Pertz deswegen Vorwürfe zu machen. Die Entscheidung war ihm mit Sicherheit nicht leicht gefallen, so weit kannte er Pertz, und zu ihrem Geschäft gehörte auch, dass einer die Verantwortung übernehmen musste und die anderen ihm nicht hereinredeten.

»Hast du eine Ahnung, wo Tepper und diese Bongartz jetzt stecken?«

»Nein. Ich will's auch gar nicht erfahren. Weißt du, der BND-Ellwein — hat die Finanzierung eines Spionagerings wenn nicht zerschlagen, so doch unterbrochen, Gönter, also das Zollkriminalamt, hat einen Waffenhändler hochgehen lassen, nur der arme Verfassungsschutz hat keinen Erfolg verbuchen können. Jetzt wollen wir die ganze Affäre nur noch ohne Schaden abschließen. Charlotte Bongartz drücken wir die Daumen; mehr können und wollen wir nicht mehr tun.«

Ende

Alfred Bekker: Böser Bruder
Alfred Bekker schrieb als Henry Rohmer

Der Umfang dieses Ebook entspricht 140 Taschenbuchseiten.

Die Tochter eines Gangster-Bosses kommt bei dem Aufnahmeritual einer Satanistensekte ums Leben. Ihre Leiche wird auf einer Müllkippe gefunden und Auslöser eines Strudels der Gewalt. Die Sektenmitglieder stehen jetzt auf der Todesliste des Syndikats.

Doch je länger die Ermittler sich mit dem Fall befassen, desto deutlicher wird, dass hinter den Ereignissen ein perfider Plan steht...

Action Thriller von Henry Rohmer.

Henry Rohmer ist das Pseudonym des Schriftstellers Alfred Bekker, der vor allem durch seine Fantasy-Romane und Jugendbücher einem großen Publikum bekannt wurde. Darüber hinaus schrieb er historische Romane und war Mit-Autor von Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton Reloaded, John Sinclair, Kommissar X und anderen.

Ein CassiopeiaPress E-Book

© by Author

© 2015 der Digitalausgabe by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www . AlfredBekker . de

postmaster @ alfredbekker . de

Der Umfang dieses Ebook entspricht 117 Taschenbuchseiten.

1

Es war Mitternacht. Durch die Fenster der St. Lucas Church in der 48th Street drang hin und wieder das flackernde Licht der Neonreklamen in der Umgebung. Ansonsten erhellten etwa dreißig Kerzen den Bereich um den Altar. Eine Gruppe von etwa zwanzig dunklen, in Mönchskutten gehüllten Gestalten bildete einen Halbkreis. Die Kapuzen waren tief ins Gesicht gezogen. In einer Art Singsang murmelten sie lateinische Sätze vor sich. Einer der Kuttenträger trat vor den Altar. Er streckte die Arme aus. Seine Kapuze rutschte dabei etwas nach hinten, sodass für kurze Zeit ein Teil des von Narben und Geschwüren entstellten Gesichtes erkennbar wurde.

"Hier spricht Bruder Maleficius im Namen der Schar deiner ergebenen Diener, oh Herr des Bösen!"

"Amen!", antwortete der Chor der Kuttenträger.

"Dieser Ort sei von nun an dir geweiht, Satan!", fuhr der Mann fort, der sich selbst Bruder Maleficius genannt hatte. Er ergriff das über den Altar ausgebreitete Tuch und riss mit einem Ruck daran, sodass Bibel und Holzkreuz zu Boden fielen.

2

Der Singsang der Kuttenträger schwoll an. Steigerte sich immer mehr, bis Bruder Maleficius mit dem Zeigefinger der linken Hand ein Pentagramm in die Luft malte. Von einer Sekunde zur anderen war es still.

Bruder Maleficius stellte sich vor den Altar, kniete nieder.

"Heute möchten wir eine neue Schwester in die Schar deiner Anhänger aufnehmen, oh Herr des Bösen und der Verdammnis!", rief der Narbige.

Seine Worte hallten zwischen den hohen Kirchenmauern wider.

"Dein Wille geschehe, Satan", so antwortete der Chor der Kuttenträger. "Wie in der Hölle, so auf Erden."

Bruder Maleficius erhob sich wieder, drehte sich herum.

"Tritt vor, Schwester der Schande!", rief er.

Eine relativ zierliche Gestalt unter den Kuttenträgern machte einen Schritt nach vorn.

"Zeige dich!", forderte Bruder Maleficius. Die Kapuze glitt zurück. Ein brauner Haarschopf wurde sichtbar. Das Kerzenlicht beleuchtete das feingeschnittene Gesicht einer jungen Frau. Sie ließ die Kutte über die Schultern gleiten. Darunter trug sie nichts. Ihr wohlgeformter Körper war mit magischen Zeichen bemalt. Einer der anderen Kuttenträger reichte der jungen Frau einen messingfarbenen Kelch.

"Trink!", forderte Bruder Maleficius. "Trink, auf das du in das Reich Satans einkehrst und als seine Dienerin zurückkehrst!"

Die junge Frau trank den Inhalt des Kelches aus. Plötzlich fiel ihr der Kelch aus der Hand. Ihr Körper verlor den Halt. Sie sank in sich zusammen. Bruder Maleficius fing sie auf. Er griff ihr unter die Arme. Einer der anderen Kuttenträger kam herbei, fasste sie unter den Knien.

Sie wurde auf den Altar gehoben und dort abgelegt.

Ihre helle Haut schimmerte im flackernden Licht der Kerzen. Die im Halbkreis stehenden Satansjünger begannen wieder mit ihrem Singsang. Sie beteten magische Formeln vor sich hin.

"Dominum Satanicum!", rief Bruder Maleficius laut.

Er stellte sich vor den Altar, breitete die Arme aus und wiederholte diesen Ruf insgesamt sechsmal.

Dann holte Maleficius eine kleine silberfarbene Dose unter seiner Kutte hervor. Er öffnete sie. Ein leuchtendes, fluoreszierendes Pulver war darin enthalten.

"Hinabgestiegen bist du in das Reich des Todes! Nimm jetzt das Salz des Lebens und kehre zurück aus der Unterwelt als SEINE Dienerin auf ewig!"

Maleficius nahm eine Prise des fluoreszierenden Pulvers, öffnete mit der anderen Hand ihre Lippen und flößte es ihr ein.

Die Dose ließ er in den weiten Ärmeln seiner Kutte verschwinden.

Mit der rechten Hand griff er der jungen Frau auf den Bauch. Am Mittelfinger befand sich ein breiter Ring. Ein roter Stein war auf der Handinnenseite. Daneben trat eine kaum sichtbare Injektionsnadel hervor.

Maleficius drückte zu.

Der Einstich war kaum zu sehen, als er die Nadelring zurückzog.

"Erwache, Tochter des Bösen!", rief er.

Es herrschte absolute Stille.

Man hätte in diesem Augenblick eine Stecknadel fallen hören können.

Maleficius wiederholte seinen Ruf. "Erwache, Tochter des Bösen!"

Aber die junge Frau rührte sich nicht.

Ihre Augen blieben starr wie die einer Toten.

Einer der anderen Satansjünger schnellte herbei. Er fasste die junge Frau bei den Schultern. "Dolores!", rief er. Dann tastete nach ihrem Puls.

Er nahm seine Kapuze vom Kopf. Das Gesicht eines jungen Mannes mit dunklen Locken und einem dünnen Oberlippenbart kam zum Vorschein. Angst leuchtete in seinen Augen. "Scheiße, Mann, die ist tot!", rief er. Sein Gesicht wurde leichenblass. Er wandte sich an Maleficius. "Weißt du eigentlich, wen du da umgebracht hast, du Spinner?"

"Immer schön ruhig bleiben, Brett!", erwiderte der Narbige.

3

Ein übler Geruch schlug mir entgegen, als ich aus dem Sportwagen stieg. Hunderte von kreischenden Möwen kreisten über der Mülldeponie Cannary Lane auf Staten Island. Etwa ein Dutzend Einsatzfahrzeuge von City Police, State Police und FBI parkten zwischen den sich auftürmenden Müllbergen. Dazu noch die Wagen des Coroner sowie einiger Spezialisten der Scientific Research Division.

 

Die Agenten Clive Caravaggio und Fred LaRocca sprachen gerade mit dem zuständigen Chief der Homicide Squad. Agent Medina stand ein paar Meter weiter und blickte auf ein in blaue Plastikfolie eingewickeltes Paket, das etwa die Größe eines menschlichen Körpers hatte.

"Ich hoffe, wir haben hier nicht allzu lange zu tun", raunte mir mein Freund und Kollege Milo Tucker zu. Er rümpfte die Nase. "Es könnte wenigstens eine frische Brise vom Atlantik her wehen!"

"Du wirst es schon überleben", erwiderte ich.

"Von einer Gasmaske hat mir vor diesem Einsatz niemand etwas gesagt."

"Gehört die nicht zur Standard-Ausrüstung - so wie die Kevlar-Weste?"

"Haha, selten so gelacht!"

"Eigentlich sollten wir die immer im Kofferraum haben."

Wir erreichten Clive.

Der stellvertretende Leiter des FBI Field Office New York grüßte uns knapp und deutete anschließend auf den Mann neben sich. "Das ist Captain Riley von der Homicide Squad des 103. Reviers. Er hat uns gerufen."

Ich nickte Riley freundlich zu. "Es hieß, eine Leiche sei hier auf der Deponie gefunden worden."

Captain Riley nickte. "Wenn es sich allerdings nur um irgendeine Tote handeln würde, hätten wir nicht den FBI verständigt", erklärte er.

"Um wen handelt es sich?", fragte ich.

"Um Dolores Montalban, die Tochter des Mannes, der in Spanish Harlem als El Columbiano bekannt ist. Der Name sagt Ihnen sicher etwas. Er gilt als graue Eminenz im Kokain-Geschäft gilt. Vor drei Tagen ging eine Vermisstenanzeige ein. Und jetzt finden wir Dolores hier nackt und in Plastik verpackt auf der Müllhalde."

"Wann wurde sie gefunden?", erkundigte sich Clive.

"Vor anderthalb Stunden. Einer der Bulldozer-Fahrer hat das Paket bemerkt. Die Plastikhülle war beschädigt. Eine Hand ragte heraus."

"Verstehe", brummte Clive. Der Italo-Amerikaner fuhr sich mit einer schnellen Bewegung über das Gesicht. Die Hitze und der Geruch setzten uns allen zu.

"Wie konnten Sie Dolores Montalban so schnell identifizieren?", fragte ich.

"Die Tote hat eine Tätowierung zwischen den Schulterblättern, die ziemlich ungewöhnlich ist", antwortete der Captain. "Ein umgedrehtes Kreuz. In der aktuellen Vermisstenliste für New York City gibt es niemanden sonst, der dieses Merkmal aufweist."

"Verstehe."

"Außerdem ist Dolores Montalban vorbestraft. Kirchenschändung, Schändung von Grabstätten und dergleichen mehr. Ein Verfahren ist übrigens noch nicht abgeschlossen. Zusammen mit ein paar Mittätern soll sie nachts in die methodistische Kirche St. Andrew an der Delaware Road in Paterson, New Jersey eingedrungen sein und dort die Wände mit Schweineblut bemalt haben."

Riley führte uns zu der Stelle, wo die Tote aufgefunden worden war. Der Gerichtsmediziner beugte sich über das Plastikpaket, das von einem Mitarbeiter der Scientific Research Division teilweise aufgeschnitten worden war. Die Tote war vollkommen nackt. Eigenartige Zeichen waren auf ihren Körper gemalt worden. Kreise, Pentagramme, Sechsecke. Vermutlich hatten sie irgendeine okkulte Bedeutung.

"Was ist die Todesursache?", wandte sich Clive Caravaggio an den Gerichtsmediziner, einen etwa vierzigjährigen Mann mit hoher Stirn. Ich kannte ihn flüchtig. Sein Name war Sounders. Er machte ein ziemlich ratloses Gesicht, zuckte die Achseln. "Akuter Herzstillstand", sagte er. "Viel genauer kann ich dazu noch nicht Stellung nehmen."

"Mir hat Dr. Sounders auch noch nicht mehr verraten", erklärte Riley. "Aber bei einer Toten, die so verpackt auf einer Müllkippe abgelegt wird, kann man wohl kaum eine natürliche Todesursache annehmen."

Dr. Sounders bückte sich und klappte die Plastikplane ein ganzes Stück zur Seite, sodass der Rumpf der Toten vollständig sichtbar wurde. Der Arzt deutete auf einen winzigen roten Punkt in der Nähe des Bauchnabels. "Das könnte die Folge einer Injektion sein."

"Sie meinen, Dolores Montalban wurde vergiftet?", fragte Clive.

"Alles noch Spekulation. Ich habe den Verdacht, dass Miss Montalban ein muskellähmendes Mittel verabreicht bekam. Genaues kann ich Ihnen natürlich erst nach einer eingehenden Obduktion sagen." Sounders deutete zu den Achselhöhlen. "Sie sehen hier die Hämatome. Unter den Knien sind ähnliche Stellen zu finden. Die Tote wurde von zwei Personen getragen, als sie noch lebte. Aber sie war vermutlich vollkommen gelähmt und konnte keinerlei Muskelspannung aufbieten. Sonst wären diese Hämatome nicht in der vorliegenden Form entstanden."

Sounders deckte die Plastikplane wieder über die Tote.

Mehr konnten wir vom Coroner im Moment nicht erfahren.

"Diese Zeichen - das sieht mir nach irgendwelchen satanistischen Ritualen aus", meinte Milo. "Passt zu der Tätowierung auf dem Rücken und ihren Vorstrafen."

Riley nickte. "Das umgedrehte Kreuz ist ein Satanistenzeichen."

"Weiß Mister Montalban schon vom Tod seiner Tochter?", erkundigte sich Clive.

Captain Riley schüttelte den Kopf. "Nein, wir dachten, dass ihr vom FBI diesen unangenehmen Job übernehmen würdet!"

Clive nickte. "Verstehe." Er wandte sich an mich. "Montalban und ich sind vor Jahren mal böse zusammengerasselt. Er wird sich an mich erinnern..."

"...und jetzt hast du wenig Lust, ihm gegenüber zu treten!", schloss ich.

Clive nickte. "Es geht darum, so viel wie möglich an Informationen aus dem Kerl herauszubekommen. Wenn ich dabei bin, trägt das wahrscheinlich nicht gerade zu einer guten Gesprächsatmosphäre bei."

"Wir machen das schon", mischte sich Milo ein. "Das war's doch, was du hören wolltest, oder?"

"Ihr habt was bei mir gut", sagte Clive.

"Wir kommen darauf zurück", erwiderte ich.

"Ich hoffe nur, dass das Ganze nicht der Auftakt zu einem Krieg zwischen den Drogenkartellen ist!", meldete sich Agent Fred LaRocca zu Wort. "Schließlich wissen wir nicht, ob der Zusammenhang zum Satanismus nicht vielleicht nur vorgetäuscht ist."

"Dazu hat mir Nat noch etwas Interessantes gesagt, kurz bevor ich das Field Office verließ, um her zu kommen", ergänzte Clive an mich und Milo gerichtet. Nat Norton war ein Kollege aus dem Innendienst, dessen Spezialgebiet die Betriebswirtschaft und das Aufspüren von Geldströmen war. "Nach Nats Angaben hat es auf Montalbans bekannten Konten sehr bemerkenswerte Bewegungen gegeben. Auffällig sind unter anderem mehrere Barabhebungen von jeweils über einer halben Million Dollar."

"Dann wurde Montalban vielleicht erpresst", entfuhr es mir.

"Das war auch mein erster Gedanke, Jesse."

4

Anderthalb Stunden später waren Milo und ich auf dem Weg nach Long Island. Rick Montalban bewohnte eine Villa in den Hamptons, direkt am Meer. Früher hatte er in Spanish Harlem residiert. Offenbar war ihm dieses Pflaster seid einigen Jahren zu heiß geworden.

"Dirty Rick" war er früher wegen seiner rücksichtslosen Vorgehensweise genannt worden. Mehrere Vorstrafen wegen Körperverletzung und Drogendelikten standen auf seinem Konto. Aber "Dirty Rick" war mit den Jahren geschickter geworden. Er hatte begriffen, dass man besser davonkam, wenn man andere die Drecksarbeit verrichten ließ und dafür sorgte, immer eine weiße Weste zu behalten. So war aus "Dirty Rick" schließlich jener Mann geworden, den die Latinos in Spanish Harlem und der Bronx fast ehrfurchtsvoll "El Columbiano" nannten. Eine graue Eminenz, die aus dem Hintergrund heraus einen Großteil des Drogenhandels kontrollierte. Darüber hinaus hielt er auch seine Hand über zahllose Nachtclubs und Wettbüros, mit deren Hilfe das schmutzige Geld weiß gewaschen wurde. Inzwischen hatte Montalban einen Großteil seines Geldes in legale Geschäfte investiert, sodass absehbar war, wann er sich vollkommen vom illegalen Sektor verabschieden würde. Für uns bedeutete dies, dass es immer schwieriger wurde, ihm überhaupt noch irgendwelche Straftatbestände nachzuweisen.

Dutzende von Auftragsmorden gingen wahrscheinlich auf das Konto von "El Columbiano".

Bis jetzt war es uns nicht gelungen, ihn auch nur für einen davon zur Verantwortung zu ziehen.

Er regierte seine Organisation bis heute mit eiserner Hand. Verrat bedeutete den sicheren und oft auch qualvollen Tod.

Montalban duldete weder Widerspruch noch Kooperation mit der Justiz in seinen Reihen. Wer immer sich nicht daran hielt, musste bitter dafür bezahlen.

Seit Jahren waren wir vom FBI Field Office New York diesem Kerl auf den Fersen. Dasselbe galt für die Kollegen der Drogenpolizei DEA und der Steuerfahndung. Aber bislang war bei all diesen Ermittlungen nicht genug herausgekommen, als dass ein District Attorney darauf eine Anklage gründen konnte.

Möglicherweise war "El Columbiano" jetzt selbst Opfer eines Verbrechens geworden.

Mit seiner Unterstützung konnten wir deshalb trotzdem wohl kaum rechnen.

Leute wie Montalban pflegten derartige Probleme auf ihre eigene Art zu lösen. Meistens sehr blutig. Genau das mussten wir verhindern.

"Ich frage mich, wer hinter einer Entführung von Montalbans Tochter stecken könnte", sagte Milo, als wir gerade die letzten Randbezirke von Brooklyn hinter uns gelassen hatten und weiter Richtung Nordosten fuhren. Links war der Atlantik zu sehen. "Auf jeden Fall scheiden irgendwelche Amateure wohl aus. Wer die Tochter von Dirty Rick entführen will, der ist entweder lebensmüde oder sehr, sehr mächtig."

"Du glaubst also, die Konkurrenz des Kolumbianers steckt dahinter. Irgendetwas ging schief, Dolores kam ums Leben und wurde dann auf die Müllkippe gelegt, wo sie mit etwas Glück vielleicht nie gefunden worden wäre!"

"Ergibt doch Sinn, oder?"

"Nach dem alten Mafia-Kodex waren die Familien der Gangster tabu, Milo."

"Du weißt, dass diese humanen Zeiten längst vorbei sind, Jesse."

"Ja, ich weiß."

"Heute wird auf nichts mehr Rücksicht genommen, wenn der Profit in Gefahr ist."

"Die Entführer haben offenbar gewusst, dass Dolores etwas mit Satanismus zu tun hat", vermutete ich. "Sonst hätten sie nicht versucht, das Ganze als einen Ritualmord zu tarnen."

"Kann ja sein, dass die Entführer Helfer im näheren Umfeld der Montalbans hatten."

"Immer vorausgesetzt, es gab überhaupt eine Entführung und der Tod der jungen Frau ist nicht doch das Ergebnis irgendwelcher Rituale."

"Der Coroner sprach davon, dass wahrscheinlich ein muskellähmendes Mittel verabreicht wurde. Das passt eher zu einer Entführung als zu einem Gruftie-Ritual, wenn du mich fragst."

"Hängt vom Ritual ab, würde ich sagen."

"Du kennst dich da aus?"

"Nicht genug, um wirklich mitreden zu können, fürchte ich. Warten wir erst mal ab, welche Substanzen der Coroner im Körper von Dolores Montalban letztlich feststellt."

"Bis der Coroner soweit ist, hat der saubere Mister Montalban längst eine Armee von Killern in Gang gesetzt!", gab Milo zu bedenken.

Wir brauchten etwas über eine Stunde, ehe wir Montalbans Residenz erreichten. Das Gelände um die Villa war weiträumig abgesperrt. Es gab hohe, elektrisch geladene Zäune. Bewaffnete Männer in Kampfanzügen patrouillierten daran entlang. Manche von ihnen führten mannscharfe Dobermänner bei Fuß.

Wir mussten mit dem Sportwagen, den die Fahrbereitschaft des FBI uns zur Verfügung stellte, an einer Art Checkpoint anhalten. Die Security Guards, die hier Wache schoben, trugen Kevlar-Westen und MPis. Sie sahen sich unsere ID-Cards eingehend an und nahmen über Funk Kontakt mit ihrem Boss auf. Schließlich wurden wir durchgewinkt.

"Da kommt man sich ja vor wie an einer Landesgrenze", knurrte Milo.

"Ja, aber wenn El Columbiano meint, dass dieses Anwesen exterritoriales Gelände sind, hat er sich geschnitten!"

Von diesem Checkpoint aus führte die Straße über eine Anhöhe. Dahinter lag die Villa. Ein großes dreistöckiges Anwesen aus Sandstein. Ungefähr ein Kilometer feinsten Sandstrandes gehörte zu Montalbans Domizil. Außerdem hatte sich "El Columbiano" einen eigenen Yachthafen angelegt. Es musste ein Vermögen gekostet haben, das Hafenbecken ausbaggern zu lassen. Eine größere, hochseetaugliche Yacht und mehrere kleinere Boote lagen an Stegen vertäut.

 

"Dieser Mann hat wirklich alles, was man sich nur wünschen kann", stellte Milo fest.

"Nur seine Tochter. Die kann ihm trotz all seines Reichtums niemand mehr zurückbringen", erwiderte ich.

"Alles kann man sich eben nicht kaufen!"

"Du sagst es."

Ich parkte den Sportwagen vor dem großen Hauptportal der Villa. Es war durch massive Säulen gekennzeichnet, die wohl an Bauwerke der Antike erinnern sollten.

Wir stiegen aus. Bis zum Portal waren es etwa zwanzig Meter. Vier Security Guards in schwarzen Anzügen erwarteten uns. Zwei der Männer trugen MPis über die Schulter. Bei den anderen drückten sich die Pistolen durch die Jacketts.

Milo und ich zeigten erneut unsere ID-Cards.

"Wir werden Sie nach Waffen durchsuchen", erklärte der Anführer der Vier. Ein breitschultriger Kerl mit kurzgeschorenen, dunklen Haaren, durch die die Kopfhaut hindurchschimmerte.

"Kommt nicht in Frage!", erwiderte ich. "Wir gehen durch diese Tür da vorne und jemand von Ihnen bringt uns zu Mister Montalban, ohne auch nur den Versuch zu machen, uns vorher abzutasten!"

Der Dunkelhaarige verzog das Gesicht zu einer Grimasse.

"Du kommst dir wohl sehr wichtig vor, G-man", knurrte er.

"Stell dir vor, ich bin wichtig."

"So?"

"Frag mal deinen Boss. Bei dem sind wir nämlich angemeldet."

Milo mischte sich jetzt ein. "Wir lochen dich höchstens ein, wenn du uns daran hinderst, unsere Pflicht zu tun. Was dein Boss mit dir macht, wenn er erfährt, dass du uns unnötigerweise aufgehalten hast, möchte ich gar nicht wissen!"

Einer der anderen Bodyguards sagte ein paar Sätze auf Spanisch. Ich verstand kein Wort.

Der Dunkelhaarige antwortete mit einem knappen "Sí!" und atmete tief durch. "Folgen Sie uns!"