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Parzival
Inhaltsverzeichnis
Parzival
I. Belakane.
II. Herzeleide.
III. Gurnemans.
IV. Kondwiramur.
V. Anfortas.
VI. Artus.
VII. Obilot.
VIII. Antikonie.
IX. Trevrezent.
X. Orgeluse.
XI. Arnive.
XII. Cidegast.
XIII. Klinschor.
XIV. Gramoflanz.
XV. Feirefiss.
XVI. Loherangrin.
Titurel
I. Sigune und Schionatulander.
II. Gardevias.
Einleitung.
§1. Wolframs Heimat.
§2. Stand.
§3. Vermögen.
§4. Wolfram und Walther.
§5. Wolframs Nachbarschaft.
§6. Eheliches Leben.
§7. Wolframs Werke.
§8. Wolfram und Gottfried.
§9. Kiot.
§10. Flegetanis.
§11. Mythus vom Gral.
§12. Deutung des Gralsmythus.
§13. Anklänge an deutsche Mythen.
§14. Die Chronik von Anjou.
§15. Parzivals Jugendgeschichte.
§16. Parzival als Peredur.
§17. Kritik des Mabinogi.
§18. Ursprung und Fortbildung.
§19. Templerorden.
§20. Loherangrin.
§21. Klinschor.
§22. Priester Johannes.
§23. Verchristlichung der Sage.
§24. Der jüngere Titurel.
§25. Albrecht und Kiot.
Fußnoten.
I.
Belakane.
Inhalt
In der Einleitung wird die Treue gegen Gott und Menschen der Untreue und dem Zweifel entgegengesetzt; dann gewarnt vor dem Vertrauen zu dem Unstäten. Auch die Frauen sollten ihre Gunst nur dem Getreuen zuwenden, sie selbst nur durch ihre Treue, nicht durch äußere Schönheit des Lobs der Männer theilhaftig werden. So bricht der Dichter seine Betrachtungen ab, verspricht seinen Zuhörern ein mannigfaltiges Gedicht von großem Umfange und geht nach dem Lobe seines noch ungeborenen Helden zu der Geschichte seines Vaters über. Gahmuret, der jüngere Sohn Gandeins, Königs von Anschau (Anjou), daher er auch Anschewein (Anjevin) heißt, will nach dem Tode seines Vaters nicht Ingesinde seines Bruders Galoes sein, dem nach dem Erstgeburtsrecht die Krone zugefallen war. Entschloßen, keinem andern zu dienen als der auf Erden die höchste Macht besäße, begiebt er sich, von der Mutter, dem Bruder und einer Freundin stattlich ausgerüstet, nur von edeln Kinden (Pagen), Knappen und Hausgesinde begleitet, in den Dienst des Baruchs (Kalifen) von Baldag (Bagdad), der mit zweien babylonischen Brüdern, Pompejus und Ipomidon, im Kriege begriffen ist. Seines Vaters Wappen, den Panther, hat er mit dem Anker vertauscht. Nachdem er sich hier und in vielen andern Ländern versucht, verschlägt ihn der Sturm in den Hafen von Patelamunt, wo Belakane, die Königin von Zaßamank im Mohrenlande, der Ermordung Eisenharts beschuldigt, von zweien Heeren, einem christlichen und einem heidnischen, belagert wird. Der Mohrenkönig Eisenhart von Aßagog hatte im Minnedienst Belakanens auf ihren Befehl und zum Beweise seiner Ergebenheit und Kühnheit die Rüstung weggegeben. Als er nun bloß auf Abenteuer ausritt, ward er von seinem Nebenbuhler Prothißilas, einem Fürsten Belakanens, in der Tjost, dem ritterlichen Zweikampf, erschlagen, und Belakanen traf der Verdacht, ihn verrathen zu haben. Der Schottenkönig Friedebrand, dessen Oheim Tankanis des Erschlagenen Vater war, zog, seinen Mord zu rächen, mit vier Genoßen über Meer, und bestürmte Patelamunt vor acht Thoren, während die andern acht der Mohr Raßalig von Aßagog, ein Vasall Eisenharts, bedrängte. Friedebrand selber war mit Morholden, der aus Gottfried von Straßburgs Tristan bekannt ist, wieder heimgezogen, um sein eigen Land gegen die Verwandten Hernants, den er Herlindens wegen erschlagen hatte, zu schirmen; sein Heer aber bedroht noch Patelamunt. Die Belagerer führen einen durchstochenen Ritter in der Fahne, die Belagerten das Bild ihrer Königin, welche zwei Finger der rechten Hand zum Eide ausgestreckt hält, daß sie an Eisenharts Tode unschuldig sei. Sich zur Rache anzuspornen, haben die Belagerer die gebalsamte Leiche Eisenharts nebst dessen kostbarer Rüstung unter einem prächtigen Gezelte vor der Stadt aufgestellt. So stehen die Dinge, als Gahmuret anlangt und der Königin, die ihm trotz ihrer Schwärze gefällt, seine Dienste widmet. Am Morgen reitet er zuerst in das Christenheer, besiegt und fängt dessen Anführer, die Herzoge Heuteger von Schottland und Gaschier von Normandie, entweicht aber vor Kaileten, den er an dem Strauß auf dem Helm und dem Sarapandratest (Tête de serpent) am Schilde als seinen Muhmensohn erkennt. Doch will auch dieser nicht mit ihm streiten, als er von Heuteger seinen Namen erfährt. Von da reitet er zu den Mohren, deren Fürsten Raßalig er gleichfalls gefangen nimmt. Da hiemit der Krieg entschieden ist, kehrt er in die Stadt zurück, wo ihn die Königin entwappnet, und sogleich in ihr Schlafgemach führt. So wird er König der Mohrenreiche Zaßamank und Aßagog. Gahmuret giebt seine Gefangenen und seinen Neffen Killirjakak von Champagne, den die Städter früher gefangen hatten, frei, belehnt seine Fürsten, und schenkt seinem Wirthe das von Prothißilas hinterlaßene Herzogtum. Eisenharts Leiche wird zur Erde bestattet, sein prächtiges Gezelt erhält Gahmuret, und die kostbare Rüstung, welche Raßalig, um sie dem Lande zu erhalten, seinem neuen Könige gleichfalls erbeten hatte, verspricht Heuteger von seinem Herren Friedebrand zu erwerben und ins Mohrenland zurückzuschicken. Die christlichen Fürsten fahren heim, Gahmuret bleibt zurück, sehnt sich aber bald, zumal er keine Ritterschaft findet, wieder nach der Christenheit. Heimlich schifft er sich ein und hinterläßt der Königin einen Brief, der ihr den Grund seiner Flucht meldet und für das Kind, das sie von ihm trägt, sein Geschlechtsregister ausführlich mittheilt. Jenes kommt wie eine Elster schwarz und weiß gescheckt zur Welt und wird Feirefiss Anschewein genannt. Gahmuret begegnet unterwegs noch dem Schiffe, das Eisenharts kostbare Rüstung zurückbringt. Er läßt sie sich aushändigen und fährt gen Sevilla.
[1]Wem Zweifel an dem Herzen nagt,1
Dem ist der Seele Ruh versagt.
Geziert ist und zugleich entstellt,
Wo Unlautres sich gesellt
5Zu des kühnen Mannes Preis
Wie bei der Elster Schwarz zu Weiß.
Doch oft gelangt er noch zum Heil,
Denn beide haben an ihm Theil,
Der Himmel und der Hölle Schlund.
10Wer Untreu hegt in Herzensgrund,
Wird schwarzer Farbe ganz und gar
Und trägt sich nach der finstern Schar;
Doch fest hält an der blanken
Der mit stätigen Gedanken.
15Dieses flüchtge Gleichniss,
Den Blöden ists zu schnell gewiss,
Sie faßen nicht der Lehre Sinn.
Es huscht im Saus vor ihnen hin
Wie ein brünstiger Hase.
20Zinn verlöthet hinterm Glase
Täuscht wie des Blinden Traumgesicht.
Sie weigern flüchtgen Anblick nicht;
Doch beständig kann nicht sein
Dieser trübe, leichte Schein,
25Seine Freud ist kurz fürwahr.
Wer rauft mich, wo mir niemals Haar
Wuchs, in hohler Hand so bloß?
Der hat zu nahe Griffe los.
Schrei ich doch auf vor solcher Noth,
So ist mein Verstand wohl unbedroht.
[2]Wie werd ich Treue finden,
Wo sie sicher muß verschwinden
Wie das Feuer in dem Bronnen,
Wie der Thau vor der Sonnen?
5Auch kannt ich nie so weisen Mann,
Der nicht gern Kunde hätt empfahn,
Wie hienach zu leben frommt
Und was daraus für Lehre kommt.
So beschieden wird er nie verzagen
10Bald zu fliehen, bald zu jagen,
Nun zu weichen, nun zu kehren,
Jetzt zu tadeln, jetzt zu ehren.
Wer mit dem allen umgehen kann,
An dem hat Weisheit wohlgethan,
15Der sich nicht versitzet noch vergeht
Und sonst auch wohl Bescheid versteht.
Des wandelbaren Freundes Sinn
Führt zum Höllenfeuer hin,
Verhagelt hoher Ehren Glanz.
20Seine Treue war so kurz von Schwanz,
Daß sie kaum den dritten Stich vergalt,
Wenn sie von Bremsen litt im Wald.
Aber nicht allein den Mann
Gehn alle diese Lehren an;
25Dieß Ziel steck ich den Frauen:
Die meinem Rath will trauen,
Die wisse wohl, wohin sie kehre
Ihren Preis und ihre Ehre
Und welchem Mann sie sei bereit
Ihrer Lieb und Würdigkeit,
[3]Auf daß sie nicht gereue
Ihrer Keuschheit, ihrer Treue.
Von Gott erfleh ich gutem Weibe,
Daß sie dem Maß getreu verbleibe.
5Aus Scham fließt alle gute Sitte:
Dieß Heil ists, das ich ihr erbitte;
Die Falsche lohnt nur falscher Preis.
Wie lange währt ein dünnes Eis,
Wenn des Augustmonds Sonne schien?
10So fährt auch bald ihr Lob dahin.
Viel Schöne preist die weite Welt;
Ist deren Herz nicht wohlbestellt,
Die lob ich, wie ich loben wollt
Ein blaues Glas, gefaßt in Gold.
15Des Missgriff auch ist nicht gering,
Der in den schlechten Messing
Verwirkt den köstlichen Rubin,
All seines Glückes Vollgewinn:
Dem gleich ich rechten Frauenmuth.
20Die weiblich denkt und weiblich thut,
Nach deren Aussehn frag ich nicht,
Noch ob ihr Herzensdach besticht:
Ist sie innerhalb der Brust bewahrt,
Bleibt volles Lob ihr ungespart.
25Sollt ich euch nun Weib und Mann
So gründlich schildern als ichs kann,
So würd uns Zeit und Weile theuer;
Hört lieber dieses Abenteuer.
Es weiß von Lieb und Leide
Und lehrt sie kennen beide;
[4]Freud und Angst sind auch dabei.
Und wären hier statt meiner drei,
Deren Jeder Kunst besäße,
Daß man meiner Kunst vergäße,
5Es brauchte doch manch seltnen Fund,
Thäten euch die dreie kund,
Was ich euch künden will allein;
Ihre Mühe sollte sauer sein.
Die Märe, die ich erneue,
10Meldet von großer Treue,
Von Weibes rechter Weiblichkeit,
Von echten Mannes Mannheit,
Die nie vor hartem Stein sich bog.
Sein Herz ihn nie darum betrog,
15Er Stahl! wo er zum Streite kam,
Daß seine Hand nicht siegreich nahm
Manchen rühmlichen Preis.
Er kühner Mann, versucht und weis
(Der Held ists, den ich grüße),
20In der Frauen Augen süße,
Und doch der Frauenherzen Sucht,
Im Unglück sichre Zuflucht!
Den ich hiezu mir auserkoren,
Im Gedicht ist er noch ungeboren,
25Den diese Aventüre meint
Und was von Wunder drin erscheint.
Noch pflegt man, wie man sonst gepflegt,
Wo man welsch Gerichte hegt;
So hälts wohl auch bei uns ein Strich,
Ihr werdets wißen ohne mich.
[5]Wer je da herscht' im Lande,
Der gebot wohl ohne Schande,
Es ist die Wahrheit sonder Wahn,
Der ältre Bruder sollt empfahn
5Des Vaters Erbschaft allzumal.
Das schuf den jüngern Söhnen Qual,
Denn ihnen nahm des Vaters Tod
Die Rechte, die sein Leben bot.
Das Land war allen sonst gemein;
10Der ältre hat es jetzt allein.
Das rieth jedoch ein weiser Mann,
Daß Alter Gut sollt empfahn.
Jugend hat viel Würdigkeit,
Das Alter Seufzen nur und Leid.
15Es ist wohl nichts so trübgemuth
Als Alter bei der Armut.
Könge, Grafen, Herzogen,
Das sag ich euch für ungelogen,
Daß die des Guts enterbet sind
20Bis auf das älteste Kind,
Das ist gar ein seltsam Ding.
Der fromme, kühne Jüngling,
Gachmuret der Weigand
Verlor so Burgen auch und Land,
25Wo sein Vater einst mit Fug
Scepter und Krone trug
In königlicher Herlichkeit,
Bis ihn dahin nahm Ritterstreit.
Sie klagten ihn im Lande sehr.
Ohne Makel Treu und Ehr
[6]Bracht er bis auf seinen Tod.
Alsbald der ältre Sohn entbot
Des Landes Fürsten her zu sich.
Sie kamen alle ritterlich,
5Denn große Lehen sonder Wahn
Sollten sie von ihm empfahn.
Da sie zu Hof gekommen,
Eines Jeden Recht vernommen
War, daß sie die Lehn empfingen,
10Nun höret, was sie da begingen.
Wie ihre Treue rieth den Biedern,
Das Volk zumal, die Hoh'n und Niedern,
Bescheiden haben sie gebeten,
Daß der König Gahmureten
15Die Brudertreu bewährte
Und sich selber damit ehrte,
Daß er ihn nicht ganz verstieße
Und ihm in seinem Lande ließe
Einen Edelsitz, nur daß er hätte2
20Seiner Freiheit eine Stätte,
Darauf sein Name möchte ruhn.
Der König wollt es gerne thun:
»Ihr wißt mit Maßen zu begehren,
Ich will euch das und mehr gewähren.
25Was nennt ihr nicht den Bruder mein
Gachmuret Anschewein?
Anschau heißet dieß mein Land:
Wir beide sein davon genannt.«
Also sprach der König hehr.
»Mein Bruder wiße, daß er mehr
[7]Stäter Hülfe bei mir finde,
Als ich sagen könnte so geschwinde.
Er soll mein Ingesinde sein.
Ich laß euch nicht im Zweifel sein,
5Ob uns dieselbe Mutter trug.
Er hat wenig, ich genug:
Drum soll ihm spenden meine Hand,
Daß nicht mein Heil dafür zu Pfand
Steh vor dem, der nimmt und giebt,
10Beides ganz wie ihm geliebt.«
Als die Fürsten all umher
Vernahmen, daß der König hehr
Dem Bruder ganzer Treue pflag,
Das war den Herrn ein lieber Tag;
15Auch dankt' es ihm ein Jeder sehr.
Da säumte Gahmuret nicht mehr
Zu reden, wie das Herz ihm sann.
Zum König hub er gütlich an:
»Herr und lieber Bruder mein,
20Wollt ich Ingesinde sein
Eines Mannes auf der Welt,
So wärs hier wohl um mich bestellt.
Nun meßet daran meinen Preis,
Seid ihr doch getreu und weis,
25Und rathet nach der Dinge Stand;
Darnach geht hülfreich mir zur Hand.
Ein Harnisch nur gehört mir an;
Hätt ich mehr darin gethan,
Das in der Ferne Lob mir brächte,
So hofft ich, daß man mein gedächte.«
[8]Gachmuret sprach weiter: »Noch
Sechszehn Knappen hab ich doch,
Davon ich sechs geharnischt finde.
Gebt ihr mir dazu vier Kinde
5Von guter Zucht, von hoher Art,
So wird an ihnen nichts gespart,
Das ich erwerben mag mit Händen.
Ich will mich in die Fremde wenden.
Ich hab auch früher Land durchfahren.
10Wenn das Glück mich will bewahren,
So erwerb ich guten Weibes Gruß.
Wenn ich dafür ihr dienen muß
Und ich dessen würdig bin,
So räth mir Herz und bester Sinn,
15Daß ich der rechten Treue pflege.
Gott leite mich des Heiles Wege!
Wir fuhren einst gesellt umher
(Damals trug die Krone hehr
Noch unser Vater Gandein),
20Wir litten Kummer viel und Pein
Manchmal um ein liebes Lieb.
Ihr wart ein Ritter und ein Dieb,
Ihr konntet dienen, konntet hehlen;
Ach, könnt auch ich nun Minne stehlen;
25Weh mir, hätt ich Eure Kunst
Und bei der Schönen wahre Gunst!«
Mit Seufzen sprach der König da:
»O weh, daß ich dich jemals sah,
Da du so mit leichtem Scherz
Mir zerschnitten hast das Herz
[9]Und zerschneiden wirst im Scheiden.
Mein Vater hat uns beiden
Hinterlaßen Gut genug:
Dir sei daran der gleiche Fug.
5Ich bin dir von Herzen hold:
Licht Gesteine, rothes Gold,
Rosse, Waffen, Volk, Gewand,
Des nimm so viel von meiner Hand,
Daß du nach deinem Willen fährst
10Und deine milde Hand bewährst.
Deine Tapferkeit ist auserkoren:
Wärst du von Gilstram geboren
Oder kämst von Rankulat3 daher,
Lieber könnt ich nimmermehr
15Dich haben, als ich dich gewann:
Du bist mein Bruder sonder Wahn.«
»Herr, mich zu loben ist euch noth,
Da eure Zucht es euch gebot.
Nun sollt ihr mir auch Hülfe leihn.
20Wollt Ihr und auch die Mutter mein
Mir geben eures fahrenden Gutes,
So steig ich aufwärts frohes Muthes.
Empor ist meines Herzens Streben:
Warum hat es dieses Leben,
25Daß so mir schwillt die linke Brust?
Wohin, ach, jagt mich ihr Gelust?
Ich wills erfahren, wenn ich kann;
Nun naht der Abschied mir heran.«
Der König Alles ihm gewährte,
Er gab ihm mehr als er begehrte:
[10]Fünf Rosse schön und auserkannt,
Die Besten in des Königs Land,
Stark, kühn und rasch von Feuer;
Viel Goldgefäße theuer
5Und manchen Kloß von Golde schwer.
So milde war der König hehr,
Er füllt' ihm des vier Reiseschreine;
Darein auch muste viel Gesteine.
Da sie gefüllet lagen,
10Knappen, die des pflagen,
Waren wohl bekleidet und beritten.
Sie weinten laut mit Jammerssitten,
Als er vor seine Mutter ging,
Und sie herzend ihn umfing.
15»Fils dü Roi Gandein,
Willst du nicht länger bei mir sein?«
Sprach das weibliche Weib.
»O weh, es trug dich doch mein Leib!
Du bist auch König Gandeins Kind.
20Ist Gott, daß er mir hülfe, blind
Oder ließ sein Ohr ertauben,
Daß er mir nicht will glauben?
Soll ich noch neuen Kummer haben?
Meines Herzens Lust hab ich begraben
25Und die Süße meiner Augen:
Will er noch mehr mir rauben?
Der doch stäts gerecht gerichtet,
So ist das all erdichtet
Was sie von seiner Hülse sagen,
Da er so gar mich läßt verzagen.«
[11]»Frau,« sprach der junge Anschewein,
»Gott tröst euch um den Vater mein:
Wir beide sollen um ihn klagen.
Laßt euch von mir Niemanden sagen,
5Was euch Sorge schüf und Leid.
Ich fahr um höhre Würdigkeit
Nach Ritterschaft in fremdes Land:
So ist es, Frau, um mich bewandt.«
Da sprach zu ihm die Königin:
10»Hast du Dienst und Herz und Sinn
Gewandt auf hoher Minne Lohn,
So verschmähe, lieber Sohn.
Nicht mein Gut zu dieser Reise.
Deine Kämmerlinge weise
15Her, daß sie empfahn von mir
Schwerer Reiseschreine vier,
Breite Zeuge drin von Seiden,
Ganze, die noch zu verschneiden,
Und theuern Samt zu manchem Kleid.
20Süßer Mann, laß mich die Zeit
Wißen, wann du wiederkehrst,
Daß du meine Freuden mehrst.«
»Frau, das ist mir unbekannt;
Ich weiß auch nicht voraus das Land.
25Doch wo ich sei zu jeder Zeit,
Ihr habt nach eurer Würdigkeit
Rittersehre mir bezeigt.
Auch der König war mir so geneigt,
Daß ich viel Dank ihm schuldig bin.
Ich weiß, daß Ihr ihn, Königin,
[12]Darum noch mehr in Zukunft liebt,
Was immer sich mit mir begiebt.«
Wie uns die Aventüre sagt,
So ward dem Degen unverzagt
5Von Liebeswegen zugesandt,
Und weil er edeln Fraun bekannt,
Ein Kleinod tausend Marken werth.
Wenn heut ein Jude Pfand begehrt,
Er würd es gern dafür empfangen
10Und weitre Bürgschaft nicht verlangen.
Das sandt ihm eine Freundin.
Ihm brachte stäts sein Dienst Gewinn,
Der Frauen Gruß und ihre Minne;
Er ward doch selten Trostes inne.
15Urlaub nahm der Weigand.
Mutter, Bruder, beider Land
Sein Auge nimmer wiedersah;
Daran doch Manchem Leid geschah.
Die ihm je gefällig waren,
20Bis er heute sollte fahren,
Und wars mit noch so kleinen Dingen,
Groß war der Dank, den sie empfingen;
Mehr als genug gedaucht' es sie.
Sich merken ließ der Höfische nie,
25Daß sie ihm nur sein Recht gegeben;
Sein Sinn war ebner noch als eben.
Wer selber sagt, wie werth er sei,
Da steht Unglaube Jedem frei:
Zuschauer solltens melden
Und die gesehn den Helden,
[13]Wenn er in der Fremde wäre,
So fände Glauben wohl die Märe.
Gachmuret ohn Unterlaß
Blickte nach dem rechten Maß
5Unverlockt von anderm Ziel;
Seines Rühmens war nicht viel.
Große Ehre must er leidend leiden,
Uebermuth wollt er meiden.
Doch wähnte der Gefüge,
10Daß Niemand Krone trüge,
Wärs König, Kaiser, Kaiserin,
In dessen Dienst er dürfe ziehn,
Er hätte denn die höchste Macht,
Die je auf Erden ward erdacht:
15Der Will in seinem Herzen lag.
Ihm ward gesagt, zu Baldag
Wär ein so gewaltger Mann,
Daß ihm des Erdreichs unterthan
Zwei Drittel wären oder mehr.
20Er war im Heidentum so hehr,
Daß er des Baruchs Namen trug.
Seine Herschaft nahm so hohen Flug,
Mancher König war sein Mann,
Mit gekröntem Leib ihm unterthan.
25Des Baruchs Amt besteht noch heut:
Wie man Christenrecht uns beut
Zu Rom, die wir die Tauf empfingen,
Die Heiden so nach Baldag gingen,
Ihr Pabstrecht nahmen und gedachten
Schier unfehlbar sei's zu achten.
[14]Der Baruch pflegt der Sünden
Ihnen Ablaß zu verkünden.
Brüdern zwen von Babylon,4
Pompejus und Ipomidon,
5Denen nahm der Baruch Ninive,
Das ihrer Vordern war von je:
Sie thaten starken Widerstand.
Da kam der Anschewein ins Land:
Dem wurde bald der Baruch hold.
10Für Dienste nahm von ihm den Sold
Gachmuret der werthe Mann.
Nun verzeiht ihm, daß er dort gewann
Ander Wappen, als Gandein
Ihm einst verliehn, der Vater sein.
15Der Herr trug mit bescheidnen Sitten
Auf seine Kouvertür geschnitten
Anker von lichtem Härmelin:5
Diesen ähnlich führt' er ihn
Auf dem Schild und all der Tracht.
20Grüner noch als ein Smaragd
War sein Reitzeug und Gewand,
Das ganz aus Achmardi bestand:
So heißt ein Zeug von Seiden,
Daraus der Held ließ schneiden
25Korsett und Wappenrock6 gesamt,
Denn es ist beßer als der Samt;
Anker von Harm daraus genäht,
Viel goldne Fäden drum gedreht.
Seine Anker hatten niemals Land
Gefaßt an eines Ufers Rand,
[15]Sie wurden nie in Grund geschlagen.
Der Degen mußte weiter tragen
In manches Land, der werthe Gast,
Diese wappenliche Last
5Und die ankergleichen Zeichen,
Weil es nirgend in den Reichen
Ihn nur zu kurzer Ruh gelitten.
Wieviel er Länder durchritten
Und in Schiffen hab umfahren?
10Sollt ich schwörend mich verwahren,
So sagt' ich euch auf meinen Eid
Und ritterliche Sicherheit,
Nur was die Aventüre spricht,
Denn weitre Zeugen hab ich nicht.
15Sie sagt, daß seiner Mannheit Kraft
Den Preis nahm in der Heidenschaft,
In Persien und in Marokko.
Seine Hand erwarb auch anderswo,
In Aleppo und Damaskus auch,
20Und wo nur Ritterspiel Gebrauch,
In Arabien und rings umher,
Daß im Turniere Niemand mehr
Mit ihm zu streiten mocht heran:
So war der Ruf, den er gewann.
25Sein Herz rang nach dem höchsten Lob:
Aller Andern That zerstob,
Vor seiner ganz vernichtet.
So wurde stäts berichtet,
Wer gegen ihn zu streiten kam.
Zu Baldag man es auch vernahm.
[16]Aufwärts strebt' er sonder Wank.
Von dannen gegen Zaßamank
Fuhr er, in das Königreich.
Da klagte Freund und Feind zugleich
5Eisenharten, der das Leben
Einem Weibe dienend hingegeben.
Dazu zwang ihn Belakane,
Die reine, wohlgethane.
Weil sie ihm niemals Minne bot,
10Lag er um ihre Minne todt.
Da rächten ihn die Freunde bald
Offen und im Hinterhalt:
Die Frau bedrängt' ihr mächtig Heer.
Sie stellte kräftig sich zur Wehr,
15Als Gahmuret kam in ihr Land,
Das der Schotte Friedebrand
Von den Schiffen aus verbrannte,
Eh er hinweg sich wandte.
Nun hört von unsers Ritters Fahrt.
20Vom Sturm er her verschlagen ward;
Er büßt' es mit dem Leben fast.
Vor der Königin Palast
Kam er gesegelt in den Hafen,
Wo ihn viel Gafferblicke trafen.
25Nun sah er um sich: dort im Feld
War aufgeschlagen manch Gezelt
Rings um die Stadt bis zu dem Meere:
Da lagen zwei gewaltge Heere.
Er fragte nach der Märe,
Wem Burg und Herschaft wäre;
[17]Vernommen hatt ers nie bis heute,
Noch Einer seiner Schiffleute.
Sie thaten seinen Boten kund,
Es wäre Patelamunt.
5Das entboten sie ihm minniglich,
Bei ihren Göttern flehentlich
Um Hülf ihn bittend: die wär Noth:
Sie rängen nur noch um den Tod.
Als der junge Anschewein
10Vernahm von ihres Kummers Pein,
Da bot er seinen Dienst um Gut,
Wie es oft ein Ritter thut,
Daß er wißen möcht um was
Er dulden sollte Feindeshaß.
15Da sprach aus Einem Munde
Der Sieche, der Gesunde,
Es sollt ihm unverweigert sein,
All ihr Gold und ihr Gestein:
Darüber möcht er schalten
20Und froh bei ihnen alten.
Doch bedurft er nicht des Soldes:
Arabischen Goldes
Hat er manchen Knollen mitgebracht.
Leute finster wie die Nacht
Waren die von Zaßamank:
25Bei denen ward die Zeit ihm lang.
Doch ließ er Herberg nehmen:
Da müsten sie sich schämen,
Wenn sie ihm nicht die beste gaben.
Noch immer in den Fenstern lagen
[18]Mägdelein und Frauen:
Sie musten Alles schauen,
Seine Knappen, sein Gewaffen
Wie das bestellt war und beschaffen.
5Sie sahn, es trug der Degen mild
Auf einem hermelinen Schild
Wer weiß wie manchen Zobelbalg.
Das Wappenbild dem Marschalk
Der Königin ein Anker schien.
10Gar unverdroßen blickt' er hin:
Da musten ihm die Augen sagen,
Er habe schon gesehn vor Tagen
Diesen Ritter oder seinen Schein.
Zu Alexandrien must es sein,
15Als der Baruch lag davor:
Da that es Niemand ihm zuvor.
So fuhr der Hochgemuthe
In die Stadt mit Volk und Gute;
Zehn Säumer ließ ers faßen;
20Die keuchten durch die Gaßen,
Und zwanzig Knappen ritten nach.
Sein Volk voraus zu reiten pflag:
Lakaien, Köche, Küchenjungen,
Die kamen vorn einher gesprungen.
25Stolz war sein Ingesinde:
Zwölf hochgeborner Kinde
Hinter seinen Knappen ritten
Mit guter Zucht und süßen Sitten:
Darunter waren Sarazenen.
Acht Rosse zog man hinter denen
[19]An den Zäumen, allzumal
Verdeckt mit gutem Zindal;
Das neunte seinen Sattel trug.
Seinen Schild, der euch bekannt genug,
5Führt' ein muntrer Knapp herbei.
Nach diesem ritten in der Reih
Posauner, die man auch bedarf.
Ein Tambour schritt und schlug und warf
Seine Trommel hoch empor.
10Dem Herren kam es spärlich vor,
Ritten Flötenspieler nicht dabei
Und der guten Fiedler drei.
Sie eilten alle nicht zu sehr.
Er selbst ritt hinter ihnen her.
15Den Schiffmann zu der linken Hand,
Den weisen, weithin wohlbekannt.
Soviel Volks auch war darinnen,
Mohren und Möhrinnen
Waren beide, Weib und Mann.
20Auch sah der Degen wohlgethan
Viel Schilde da zerbrochen
Und von Speren ganz durchstochen.
Man sah sie aufgehangen
An Wand und Thüren prangen.
25Sie hatten Angst und Jammer da.
In die Fenster, kühlen Lüften nah,
War gebettet manchem Wunden:
Hätt er den Arzt gefunden,
So konnt er doch nicht mehr genesen.
Die waren vor dem Feind gewesen.
[20]So ergeht es uns, die ungern fliehn.
Sich entgegen sah er Rosse ziehn
Durchstochen und zerhauen;
Auch viel dunkelfarbge Frauen
5Zu beiden Seiten neben sich:
Ihr Schein der Rabenschwärze glich.
Gar freundlich nahm ihn auf sein Wirth,
Der bald noch mehr sich freuen wird.
Er war ein kraftreicher Mann:
10Mit seiner Hand hatt er gethan
Manchen Stich und manchen Schlag,
Da er einer Pforte hütend pflag.
Viel Ritter, die er bei ihm fand,
Hängten die Hände in ein Band,
15Die Häupter voller Schrunden.
So stands mit ihren Wunden,
Sie übten dennoch Ritterschaft;
Unverkürzt war ihre Kraft.
Sein Wirth, der Burggraf der Stadt,
20Den Gast mit holden Worten bat,
Sich für daheim zu halten
Und nach freier Lust zu schalten
Ueber sein Gut und über ihn.
Er führt' ihn seinem Weibe hin,
25Die Gachmureten küsste,
Wars auch nicht sein Gelüste.
Dann ging es in den Speisesaal.
Als sie gegeßen allzumal,
Da ging der Marschall hin zuhand,
Wo er die Königstochter fand
[21]Und heischte großes Botenbrot.
Er sprach: »Herrin, unsre Noth
Ist mit Freuden nun zergangen.
Der hier gastlich ward empfangen,
5Der Ritter ist so kühn im Streit,
Wir müßen danken allezeit
Den Göttern, die ihn hergebracht,
Daß sie uns Rettung zugedacht.«
»Nun sag mir bei der Treue dein,
10Wer der Ritter möge sein?«
»Frau, es ist ein stolzer Degen,
Dem einst der Baruch Gold ließ wägen,
Ein Anschewein von hoher Art.
Avoi! wie wenig er sich spart,
15Wenn er daher sprengt zu dem Streit!
Wie behende kann er jederzeit
Weichen und vorwärts dringen
Und Feinden Schaden bringen.
Ich sah ihn kämpfen gar verwegen,
20Als von Babylon die Degen
Alexandrien entsetzen sollten
Und den Baruch treiben wollten
Mit Gewalt aus dem Feld.
Wie Manchen hat er da gefällt
25Bei des Heeres Niederlage!
Wohl beging an diesem Tage
Der edle Held so kühne That,
Sie musten fliehn, es blieb kein Rath.
Auch rühmten Alle so den Mann,
Man erkannte leicht daran,
[22]Daß ihm ob manchen Landen
Der Preis wird zugestanden.«
»So sieh mir zu und säume nicht,
Daß er herkommt und mich spricht.
5Wir haben Frieden diesen Tag,
Daß er herauf wohl reiten mag
Zu mir; oder soll ich hin?
Er ist andrer Farbe denn ich bin:
O weh, verdrießt ihn das auch nicht?
10Hätt ich darüber nur Bericht!
Wenn mirs die Meinen riethen,
Wollt ich ihm Ehre bieten.
Geruht er, mir zu nahen,
Wie soll ich ihn empfahen?
15Ist er so wohl geboren,
Daß mein Kuss nicht sei verloren?«
»Er ist von königlichem Blut,
Ich bürg euch, Frau, mit Leib und Gut.
Frau, euern Fürsten will ich sagen,
20Daß sie reiche Kleider tragen
Und vor euch stehn nach Hofessitten,
Wenn wir kommen hergeritten;
Das sagt auch euern Fraun zumal.
Nun eil ich wieder hin zu Thal
25Und bring euch her den Degen werth;
Keiner süßen Tugend er entbehrt.«
Das Alles fiel auf guten Grund:
Der Marschall that behend ihm kund
Wes die Herrin ihn gebeten.
Schnell wurden Gachmureten
[23]Reiche Kleider hingetragen:
Die zog er an; ich hörte sagen,
Daß sie gar köstlich wären;
Seine Anker drauf, die schweren,