Czytaj książkę: «Theorien des Fremden», strona 14

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6.5. Der Fremde als Ankommender: Alfred SchützSchütz, Alfred

Mit diesen Fragestellungen sind wir bei einem anderen einschlägigen und kanonischen Text über den Fremden angekommen, Alfred SchützSchütz, Alfred’ Studie Der Fremde. Ein sozialpsychologischer Versuch (1944). Diese Abhandlung des Begründers einer phänomenologischen SoziologieSoziologie zählt bis heute zu den Schlüsseltexten eines spezifisch soziologischen DiskursesDiskurs über die KonstruktionKonstruktion des Fremden. Darüber hinaus handelt es sich um ein Dokument, das auf hohem Abstraktionslevel das eigeneEigentum Schicksal des europäischen – österreichischen – Immigranten in den USA reflektiert.1

Der Titel enthält bereits zwei wichtige Hinweise: einerseits die formale Bezugnahme auf den essayistischen, unabgeschlossenen Charakter der Überlegungen sowie andererseits den methodisch-disziplinären Verweis auf eine spezifische VerbindungVerbindung von PsychologiePsychologie und SoziologieSoziologie. Aus heutiger Sicht wird man sogleich feststellen, dass das psychologische Moment in eine Fragestellung eingebettet ist, die sich als kulturanalytisch begreifen lässt. Das wird schon im ersten Satz der Abhandlung deutlich, in der die Untersuchung als eine Anwendung „einer allgemeinen Theorie der Auslegung“ verstanden wird, „die typische Situationen untersucht, in der sich ein Fremder bei dem Versuch wiederfindet, die kulturelle Eigenart einer sozialen GruppeGruppe, in der er als Neuankömmling lebt, zu deuten und sich in ihr zu orientieren“.2 Was der österreichische Sozialphilosoph in Verbindung zueinander bringt, sind klassische Konzepte einer Soziologie der Gruppe mit einer transkulturellentranskulturell Hermeneutik, in der es drei verschiedene Personen gibt: das autochthone Mitglied der Gruppe, den Fremden und den uninteressierten wissenschaftlichen Beobachter.

Als Beispiel für eine solche exemplarische Typologie und die daraus entstehende soziale Situation wählt SchützSchütz, Alfred die Figur des Immigranten, nicht ohne indes hinzuzufügen, dass es aus sozialphilosophischer Sicht auch andere vergleichbare Fälle eines Neuankömmlings gibt. Das bedeutet, dass FremdheitFremdheit aus soziologischer Perspektive keineswegs erst mit dem PhänomenPhänomen von MigrationMigration und ExilExil beginnt. Dieser Punkt ist für die Methode von Schütz wichtig, die Fremdheit als ein soziologisches Gruppenproblem ortet.

Beispiele für interne FremdheitFremdheit sind der MenschMensch, der einem Verein beitreten will, der Bräutigam, der in die Familie der Braut aufgenommen werden möchte, der Bauernsohn, der an der Universität studiert, die Familie, die vom Land in die Stadt zieht. Sie alle durchlaufen eine KriseKrise, in deren ZentrumZentrum die ErfahrungErfahrung steht, dass ihre „kulturelle Eigenart“ beim Betreten der neuen sozialen und symbolischen Räume, dem neuen Verein, der anderen Familie, der bürgerlichen Institution Universität oder dem urbanen Raum ein Hindernis darstellt, in den neuen sozialen RaumRaum (sozial) einer anderen GruppeGruppe aufgenommen zu werden. Vielmehr ist das Gelingen, sich einigermaßen zu integrieren, daran geknüpft, die eigeneEigentum „kulturelle Eigenart“ ein Stück weit hintanzustellen. Das kann von einem taktischen Verhalten bis zum Vergessen der eigenen Herkunft reichen. Viele Menschen, die etwa im 19. Jahrhundert in die USA ausgewandert sind, haben ihre ‚fremdenfremd‘, nicht-englischen Familiennamen getilgt, und ungarische JudenJuden haben ihre deutschendeutsch oder jüdischen Namen geändert, um durch diesen Akt der Assimilation ihren sozialen Aufstieg abzusichern. SchützSchütz, Alfred’ soziologischer Blick geht davon aus, dass der Fremde von der Intention und der Einsicht getragen ist, sich anzupassen oder gar zu assimilieren. Am Ende dieses komplizierten Prozesses steht letztendlich das Verschwinden des Fremden.

Ein Sonderfall des Fremden wird von SchützSchütz, Alfred erwähnt, aber nicht weiter verfolgt. Es ist der GastGast, der Besucher, der sich nur temporär in einer anderen GruppeGruppe befindet, der sich auch nicht mit dem Gedanken trägt, Mitglied der betreffenden sozialen Gruppe zu werden. Der Gast ist ein Sonderfall des Fremden. Insofern ist seine Situation nicht typisch. Die RitualeRitual der GastfreundschaftGastfreundschaft dienen wohl nicht zuletzt dazu, diesen provisorischen Status auf paradoxe Weise zu fixieren. Die Offenheit von beiden Seiten sowie GeschenkeGeschenk und Gastmahl stabilisieren zugleich die vorgefundene OrdnungOrdnung und dienen zugleich der sozialen Entschärfung des ‚gefährlichen‘ Fremden.3

Neben der ‚GruppeGruppe‘ bringt SchützSchütz, Alfred eine weitere Analysekategorie ins SpielSpiel, nämlich das „kulturelle MusterMuster des GruppenlebensGruppenleben“. Darunter versteht er eine mehr oder minder geordnete Ansammlung von „besonderen Wertungen und Institutionen sowie orientierungs- und Lenkungssystemen“. Als Beispiel gibt der Theoretiker GebräucheGebräuche, SittenSitten, GesetzeGesetze, Gewohnheiten, TraditionenTradition, Etikette und Moden der Lebenswelt an.4 Später wird er auch die SpracheSprache als wesentliches Thema kultureller DifferenzDifferenz in Anschlag bringen. Während sich also das Mitglied einer Gruppe metaphorisch gesprochen in diesem kulturellen Muster mit einiger Selbstverständlichkeit in diesem symbolischen RaumRaum (symbolisch) bewegt, nimmt der Beobachter indes eine Außenposition ein, ganz ähnlich wie der Fremde, aber mit dem Unterschied, dass der sozial- oder kulturwissenschaftliche Beobachter ja gar nicht vorhat, Mitglied jener Gruppe zu werden, die er untersucht.

SchützSchütz, Alfred sondiert das Verhältnis zur GruppeGruppe zunächst aus der Perspektive des- oder derjenigen, die Teil der Gruppe sind. Um sich in dieser Gruppe zu behaupten und um anerkanntAnerkennung zu werden, muss er die – das ist eine weitere Kategorie in der Abhandlung – „relevanten“ Elemente des für die Gruppe konstitutiven Wissens kennen. Mit William James unterscheidet Schütz zwischen „VertrautheitswissenVertrautheitswissen“ und „BekanntheitswissenBekanntheitswissen“. Vertraut bedeutet über einen persönlichen Zugang mit der Gruppe, in der man sich befindet, zu besitzenBesitzen. Bekanntheit zielt wohl eher auf ein mehr oder minder gesichertes Wissen um diese. ManMan, Paul de ist ein EinheimischerEinheimischer, sofern man über ein Vertrautsein der eigenenEigentum Absichten im RahmenRahmen der betreffenden Gruppe verfügt und ein „als ausreichend angesehenes Bekanntheitswissen“ verfügt.5

Das Mitglied der betreffenden GruppeGruppe, der sozial und kulturell einheimische MenschMensch, verfügt in dieser ihn umgebenden sozialen Lebenswelt also über ein relatives Wissen, das vor allem die Funktion hat, sich im RahmenRahmen der Gruppe zu behaupten, oder in und von dieser Gruppe anerkanntAnerkennung zu werden. Dieses beschränkte Wissen ist SchützSchütz, Alfred zufolge durch drei Merkmale charakterisiert: Es ist 1. inkohärent, 2. „nur teilweise klar“ und 3. „keineswegs frei von Widersprüchen“.6 Die (mangelnde) KohärenzKohärenz zielt auf den Umstand, dass die kulturellen MusterMuster wie auch das eigeneEigentum LebenLeben ständigen Wandlungen unterliegen. Die partielle Unklarheit beruht auf dem ausschließlich funktionellen WertWert von Wissen im Rahmen eines „kulturellen Musters“. ManMan, Paul de muss keine einschlägigen Kenntnisse von GeldGeld oder TelefonTelefon besitzenBesitzen, um beide ‚MedienMedien‘ bedienen zu können. Die Widersprüchlichkeit rührt nicht so sehr von logischen Fehlschlüssen, sondern hat viel eher damit zu tun, dass sich die Menschen auf Sachverhalte beziehen, die oftmals auf verschiedenen Ebenen liegen, so dass Gegensätzliches nicht weiter auffällt.

Für die Mitglieder einer GruppeGruppe genügt ein gewisses Maß an KohärenzKohärenz, KlarheitKlarheit und KonsistenzKonsistenz, um sich in der angestammten Umgebung zurechtzufinden. Dabei ist es klar, dass die betreffenden kulturellen MusterMuster nicht hinterfragt sondern als gegeben und als selbstverständlich vorausgesetzt werden. In diesem Zusammenhang spricht SchützSchütz, Alfred von der „Evidenz“ des VertrautheitswissensVertrautheitswissen und bietet das „RezeptRezept“ als eine weitere Analysekategorie an. Dieses hat zwei Funktionen: Zum einen liefert es ein „Auslegungsschema“ der uns umgebenden sozialen und kulturellen WeltWelt und zum anderen dient es als „Richtschnur“ unseres Handelns:

Wer auch immer sich gemäß eines bestimmten Rezepts verhält, von dem wird angenommen, das entsprechende Resultat erreichen zu wollen. Die Funktion des kulturellen MustersMuster besteht also darin, durch ein Angebot fertiger Gebrauchsanweisungen ermüdende Recherchen zu verhindern, durch selbstverständliche Gemeinplätze eine schwer zu erreichende Wahrheit und das zu Hinterfragende durch das Selbstverständliche zu ersetzen.

SchützSchütz, Alfred betont in seinen Überlegungen, dass soziales Handeln stets auf ein mehr oder minder hohes Maß an Anpassung hinausläuft. Nur Assimilation an das gegebene „kulturelle MusterMuster“ macht es möglich, jene Ziele zu erreichen, die das IndividuumIndividuum, das zugleich Mitglied der GruppeGruppe ist, anstrebt. Es agiert, mit Max Scheler gesprochen, in einem „Denken in den gewohnten Bahnen“7, was häufig mit dem etwas missverständlichen englischen Terminus Common Sense gleichgesetzt wird und in etwa Clifford Geertz „dünner Beschreibung“ entspricht.8

Diese heimisch-gewohnte Lebenswelt beruht, wie SchützSchütz, Alfred schreibt, auf vier „Grundannahmen“:

1 der Konstanz des sozialen LebensLeben und der Annahme, dass sich „künftige Situationen“ so „meistern“ lassen wie frühere Ereignisse;

2 dem VertrauenVertrauen in die Autorität von „Eltern, Lehrer und Regierungen, TraditionenTradition und Gewohnheiten“, auch wenn wir „die eigentliche Bedeutung“ der von ihnen geschaffenen kulturellen MusterMuster nicht verstehen;

3 der Annahme der Gültigkeit unseres Wissens im Hinblick auf den „Typus und den Stil“ sozialer Ereignisse, die wir durch eben dieses „handhaben“ und „kontrollieren“;

4 der IdeeIdee, dass die RezepteRezept der kulturellen Auslegung einer bestimmten sozialen Lebenswelt nicht unsere Privatangelegenheit sind, sondern von der betreffenden sozialen GruppeGruppe geteilt werden.

SchützSchütz, Alfred will diese Annahmen in einem sehr strengen Sinn verstanden wissen. Wenn nämlich nur eine der oben skizzierten Voraussetzungen nicht mehr gegeben ist, dann tritt eine „KriseKrise“ ein. Das „aktuelle Relevanzsystem“ ist implodiert und das „kulturelle MusterMuster funktioniert nicht länger als ein SystemSystem erprobter RezepteRezept“ und büßt seine generelle Anwendbarkeit ein.9 In diese Krise gerät vornehmlich jener Migrant, der von der einen in die andere soziale GruppeGruppe wandert und der erkennen muss, dass sein bisheriges kulturelles Verhaltensmuster an Selbstverständlichkeit und Praktikabilität verloren hat.

An dieser Stelle lässt sich natürlich fragen, ob nicht das, was wir mit der Kategorie der Modernität bezeichnen, sich gerade dadurch beschreiben lässt, dass es diese SicherheitSicherheit tradierter kultureller MusterMuster in FrageFrage stellt und letztendlich die „KriseKrise“ zum Programm erhebt. Gegen diese Veränderung der vertrauten OrdnungOrdnung, die diese fremdfremd ‚macht‘, organisiert sich der Widerstand (vgl. den Zusammenhang von ModerneModerne und FremdheitFremdheit bei WaldenfelsWaldenfels, Bernhard → Kapitel 5).

Andererseits kann man zeigen, dass auch modernemodern soziale GruppenGruppe, wenn auch ungleich fragiler und paradoxer, „kultureller MusterMuster“ bedürfen. KulturKultur, so ließe sich behaupten, bedeutet die Schaffung von Rezepten und Relevanzen, die tendenziell neue Unhinterfragbarkeiten konstituieren, so wie die Formel: Man muss absolut modern sein.

Wenn etwa Sozial- und Kulturwissenschaften derartige Evidenzen in FrageFrage stellen, so lässt sich die Theoriefeindlichkeit sozialer GruppenGruppe sehr gut erklären, stellt doch die kritische Infragestellung eines weithin innerhalb einer Gruppe anerkanntenAnerkennung MustersMuster seitens eines fremdenfremd AußenAußen eine Bedrohung dar. Und man könnte hinzufügen, dass XenophobieXenophobie auch damit zu tun hat, dass der Fremde als ein MenschMensch, MannMann oder FrauFrau, identifiziert wird, der die heimischen kulturellen Muster nicht kennt, wissentlich oder unwissentlich missachtet und schon durch seine schiere AnwesenheitAnwesenheit bedroht, eben weil er ein anderes ‚evidentes‘ Kulturmuster in sich trägt: „Der Fremde jedoch teilt die genannten Grundannahmen aufgrund seiner persönlichen KriseKrise nicht. Dies macht ihn gerade zu dem Menschen, der fast alles in Frage stellt, was den Mitgliedern der er als Neuankömmling lebt, fraglos gegeben scheint.“10

SchützSchütz, Alfred’ Aufsatz wechselt in der Folge die Perspektive und wendet sich nun dem Immigranten zu, der ein doppeltes Problem hat: Seine alten kulturellen Gruppenmuster taugen für die neue Situation nicht mehr, aber er hat sich die neuen MusterMuster, die ihm nicht selbstverständlich sind, noch nicht aneignen können. Deshalb befindet er sich auf doppelte Weise in der Fremde wie in einer Zwickmühle:

Für ihn hat das kulturelle MusterMuster der GruppeGruppe, in der er als Neuankömmling lebt, nicht die Autorität eines erprobten SystemsSystem von Rezepten, und das allein schon deshalb, weil er nicht an der lebendigen geschichtlichen TraditionTradition teilhat, in der dieses System gebildet wurde. Selbstverständlich hat auch aus der Perspektive des Fremden die KulturKultur der Gruppe, der er sich als Neuankömmling nähert, ihre besondere GeschichteGeschichte, und diese Geschichte ist ihm sogar zugänglich. Aber sie ist im Unterschied zur Geschichte der Gruppe, aus der er stammt, und in der er aufgewachsen ist, nie ein integraler Teil seiner eigenenEigentum Biographie geworden.11

SchützSchütz, Alfred beschreibt die Situation des Fremden so, dass er auch aus seiner eigenenEigentum Perspektive, nicht nur aus jener der ‚Einheimischen‘ ein Fremder bleibt. Für ihn besteht das kulturelle MusterMuster aus seiner Herkunftsgruppe fort, das mit seiner GeschichteGeschichte und seinen Erinnerungen verbunden bleibt. Diese hat er freilich verlassen: Was ihm vertraut war, ist fremdfremd geworden und das alte VertrautheitswissenVertrautheitswissen hat für ihn keinen funktionalen Nutzen mehr. Aber auch die neue GruppeGruppe, in der seine Biographie fremd ist, belässt ihn in der Situation des Fremden. Schütz bringt hier am RandeRand ein PhänomenPhänomen ins SpielSpiel, das in den Kulturwissenschaften bis heute von großer Bedeutung ist: die individuelle wie kollektive soziale Erinnerung, wie sie zuerst von Maurice Halbwachs analysiert und bestimmt worden ist.12

Dem Migranten bleibt indes, wenn er in der neuen GruppeGruppe akzeptiert werden will, nichts anderes übrig, als zu versuchen, in die neue soziale Lebenswelt einzutreten. Das hat zwei Konsequenzen: Einerseits büßt er die selbstverständliche Verankerung in das kulturelle MusterMuster seiner Herkunftsgruppe ein. Andererseits gibt er die Position des unbeteiligten Betrachters auf, wie sie für den Wissenschaftler, den TouristenTourist, aber auch für MenschenMensch aus seiner Herkunftskultur charakteristisch ist. Die Unbeteiligtheit des Wissenschaftlers ergibt sich aus seinem wissenschaftlichen Ethos der DistanzDistanz, jene des Touristen aus seinem kurzen Aufenthalt und seinem ganz spezifischen Interesse an dem OrtOrt (Erholung, Konsum, Besichtigung repräsentativer Orte), jene des Menschen aus der Herkunftskultur aus seiner sozialen, räumlichen und emotionalen Ferne.

Das führt dazu, dass das kulturelle MusterMuster zur „Lebensumwelt“ des Migranten wird. Es wird nun für ihn bestimmend und gerät in ein Spannungsfeld zu dem alten. Er macht eine ErfahrungErfahrung, die nicht-migrantische MenschenMensch niemals in dieser pointierten FormForm machen: Die bisher für selbstverständlichen und ‚objektiv‘ geltenden Muster und RezepteRezept lösen sich in ihrer Evidenz auf. „Jedwede Vorstellung aus der ZeitZeit vor dem Aufbruch“ wird „notwendig unangemessen, wenn sie unverändert auf die neuen Verhältnisse angewendet wird“.13 Unwirksam wird in diesem Veränderungsprozess das ursprüngliche FremdbildFremdbild, das er von der neuen GemeinschaftGemeinschaft hatte, als er noch in seinem angestammten sozialen Verband lebte. Denn dieses diente lediglich zur Auslegung der fremdenfremd GesellschaftGesellschaft, aber nicht der Interaktion zwischen beiden GruppenGruppe. Diese – womöglich unfreiwillige – Interaktion ist die Folge der migrantischen BewegungBewegung und der damit verbundenen neuen räumlichen Situation.

Im Folgenden beschreibt SchützSchütz, Alfred nun die „Entdeckung, daß Dinge in seiner neuen Umgebung ganz andersAndersheit aussehen“, als der Fremde sie sich zu Hause vorgestellt hatte, als ein schockhaftes Erlebnis, das „das VertrauenVertrauen in die Gültigkeit seines ‚Denkens in den gewohnten Bahnen‘ erschüttert“.14

SchützSchütz, Alfred geht davon aus, dass kollektive Orientierungsschemata so funktionieren, dass man sich selbst stets im ZentrumZentrum der betreffenden Umgebung befindlich betrachtet. Dieser Auto-Zentrismus ist nicht einfach eine Illusion oder eine verkappte Privilegierung, sondern ergibt sich aus der LogikLogik der Beziehung zwischen IndividuumIndividuum und GruppeGruppe. Schütz vergleicht diesen selbst-zentrierenden Effekt mit der Nutzung einer Landkarte, in der zuerst der Standort der betreffenden Person fixiert und seine Darstellung auf der Karte identifiziert werden muss.

Der Fremde vermag sich zwar bis zu einem gewissen Grad „das kulturelle MusterMuster und seine RezepteRezept“ anzueignen. Aber nur für die Mitglieder der GruppeGruppe stellen diese eine EinheitEinheit dar, in der sich die Schemata von Ausdruck und Auslegung ‚überlappen‘.15 Demgegenüber muss der Fremde die „Ausdrucksweise“ der neuen Gruppe „in die seiner kulturellen HeimatHeimat ‚übersetzen‘“ (→ Kapitel 13).

Auch wenn SchützSchütz, Alfred das nicht eigens erwähnt, unterliegt der Fremde einer bestimmten DynamikDynamik: Zunächst versucht er am Anfang die Ausdrucksweise der neuen GruppeGruppe in den Mustern seiner Herkunftskultur zu fassen. In einem nächsten Schritt schafft er es, das fremdefremd Ausdrucksschema als sein eigenesEigentum zu verwenden. Prinzipiell gilt dies für alle Bereiche des kulturellen MustersMuster wie SittenSitten, GesetzeGesetze, GebräucheGebräuche oder Mode. Schütz veranschaulicht diese Entwicklung am Beispiel der SpracheSprache. Dabei geht es um die Divergenz zwischen einem „passiven VerstehenVerstehen einer Sprache und ihrer aktiven Beherrschung als Mittel zur Realisierung der eigenen Handlungsentwürfe“.16 An diesem Beispiel kann Schütz verdeutlichen, welche prinzipiellen Hindernisse sich dem Fremden auf dem Weg in eine neue Gruppe und deren KulturKultur eröffnen. Jeder sprachliche Ausdruck einer anderen Sprache enthält KonnotationenKonnotation, die sich nicht so leicht in die eigene Sprache übersetzen lassen; zudem unterliegt das fremde Wort einem ganz bestimmte Kontext, der durch das Wort nicht angezeigt wird. Was für den Fremden überdies nur schwer zu entschlüsseln bleibt, sind alle FormenForm von Fachsprachen, DialektenDialekt oder privaten Codes. Nicht zuletzt spielt es auch eine Rolle, wenn er die LiteraturLiteratur der neuen, aber noch fremden Gruppe nur in der ÜbersetzungÜbersetzung aus seiner Herkunftskultur kennt.

So hat der Migrant, der in eine neue soziale GruppeGruppe einwandert, Vorteile und Nachteile zugleich. Er hat durch den Heimatverlust die schmerzhafte ErfahrungErfahrung gemacht, dass kulturelle MusterMuster entgegen ihrer scheinbaren Evidenz relativ und veränderbar sind, zugleich wird er niemals völlig imstande sein, „mit einem einzigen Blick die alltägliche soziale Situation“ zu durchschauen und sofort das richtige „RezeptRezept“ zu fassen. Für den Fremden sei, so der EmigrantEmigrant SchützSchütz, Alfred, „die kulturelle Eigenart der neuen Gruppe […] kein Schutz, sondern ein Abenteuer, keine Selbstverständlichkeit, sondern ein Untersuchungsfeld mit offenen FragenFrage“.17

Das hat nun zwei Folgen, die „Objektivität des Fremden“ sowie dessen „zweifelhafte Loyalität“. Die Unvoreingenommenheit hat SchützSchütz, Alfred zufolge nicht so sehr damit zu tun, dass er mit seiner Herkunftskultur einen kritischen Parameter besitzt. SeinSein Bestreben, sich die neue KulturKultur möglichst intensiv anzueignen, entspringt seiner deplatzierten Situation, führt ihn aber dazu, das betreffende kulturelle MusterMuster zu hinterfragen. Der Fremde ist demnach derjenige, der aus dem Reich der Selbstverständlichkeiten vertrieben ist. Er ist unzuverlässig, weil er „ein kulturelles Mischwesen am RandeRand zweier unterschiedlicher FormenForm des GruppenlebensGruppenleben“ ist, „das nicht weiß, wohin es gehört“.18 Diese zwiespältige Situation macht erklärlich, warum viele MenschenMensch in der Fremde, in die sie eingewandert sind, soziale Parallelgruppen bilden, in denen scheinbar das gewohnte kulturelle Muster nach wie vor Geltung besitzt: die DiasporaDiaspora und der EthnoscapeEthnoscape (Appadurai)19 sind solche Formen, die die radikale Umkehr von NäheNähe und Ferne, die mit der kulturellen Wanderung verbunden ist, diese Störerfahrung, lindern. Es kommt aber sehr darauf an, wie sich die Interaktion zwischen der dominantenDominanz neuen sozialen GruppeGruppe und jener Sub-Gruppe, die sich auf das alte Muster bezieht, gestaltet.