Der siebenfache Flügelschlag der Seele

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Z serii: Falter #30
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Der siebenfache Flügelschlag der Seele
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Wolfgang Held

Der siebenfache
Flügelschlag der Seele

Leben mit dem Rhythmus der Woche

Verlag Freies Geistesleben

Inhalt

Vorwort

Den Raum haben wir erobert. Jeder Landstrich ist vermessen worden, selbst der entlegenste Fleck ist aufgezeichnet und mit technischen Bewegungsmitteln erreichbar. Heutige Entdeckungsreisen spielen sich nicht mehr im Raum ab, sondern in derjenigen Dimension, die uns noch viele Rätsel aufgibt: die Zeit. Hier liegt im 21. Jahrhundert die terra incognita, das unbekannte Land. Sei es die Zeitstruktur der menschlichen Biographie oder das rhythmische Gefüge der Tagesund Jahreszeiten in der Seele und im Organismus: immer umfassender entdecken wir, dass Zeit nicht gleichförmig fließt, wie das Bild der Sanduhr es nahe legt, sondern ein Gewebe verschiedenster wechselnder Qualitäten ist. Sie zu bemerken, zu verstehen und zu nutzen gehört zu unseren Kulturaufgaben.

Die in den folgenden Kapiteln beschriebene Entdeckungsreise in das Gefüge der 7-Tage-Woche soll wie jeder gute Reiseführer vor allem eines leisten: anregen, eigene Entdeckungen zu machen, um sie gedanklich zu durchdringen und für die Lebensführung nutzbar werden zu lassen.

Besonders bedanken möchte ich mich bei Hartwig Schiller, dessen Hinweis zur Woche mich veranlasste, mich mit den Eigenschaften der Wochentage zu befassen, und bei meinem Vater, Berthold Held, dessen stilistische Hinweise mir eine große Hilfe waren.

Dornach, im Juli 2004

Wolfgang Held

Was liegt der Siebentagewoche zugrunde?

Einleitung: Der siebenfache Flügelschlag der Seele
Die Verwandtschaft von Wasser und Seele

Die menschliche Psyche wird gerne mit dem Meer verglichen. Nicht nur, dass das Meer ebenso weit und unergründlich wie die menschliche Seele scheint, beide haben noch etwas anderes Zentrales gemeinsam: die Bewegung. Zwar scheint es beim Wasser immer etwas Äußeres zu sein, wie beispielsweise Wind oder ein Gefälle, durch das es in Bewegung versetzt wird, aber ein genauerer Blick zeigt, dass die Bewegung ganz eng zum Charakter des Wassers selbst gehört. Ein einfacher Versuch kann dies illustrieren: man lässt über eine schräg gestellte Glasscheibe ein Wasserrinnsal laufen: Das Wasser folgt zwar der

Neigung der Platte, das heißt der Schwerkraft, aber es sucht dabei seinen eigenen geschwungenen Weg, der sich ständig geringfügig ändert. Im Wasser steckt eine Tendenz zum Schwingen, eine innere Regsamkeit, die über lange Zeiten hinweg zu den wunderbar geschwungenen Flussmäandern führt, die sich in die Landschaft eingraben, wenn das Wasser nicht durch Kanalisierung in ein gerades Bett gezwungen wird. Doch selbst wenn das Wasser nicht fließt, ist es meistens in Bewegung, beziehungsweise in Erwartung der Bewegung: ein leiser Windhauch reicht, ein Flossenschlag genügt und schon antwortet das Wasser durch rhythmische Wellenbewegungen, aber es braucht die Anregung von außen, um in sein Schwingen zu kommen.

Die königliche Seite der Seele

Die menschliche Seele ist dem verwandt. Jeder Sinneseindruck, jeder äußere Reiz kann unsere Seele in Bewegung, in innere Regsamkeit in Form von Gefühlen, Gedanken oder auch Handlungen versetzen. Nicht umsonst sagen wir, ein Mensch sei kalt, wenn er auf äußere Geschehnisse nicht mit Interesse und Anteilnahme reagiert. Er ist dann wie das gefrorene Wasser, das ebenfalls seine «Bewegungsliebe», seine Empfindlichkeit für Anregung verloren hat. Während das Wasser aber auf äußere Hilfe angewiesen ist, um in sein eigenes Schwingen und Wirbeln zu geraten, kann der Mensch ohne äußeren Anlass ganz aus sich selbst heraus in Bewegung kommen, wo alles äußere nur Ablenkung ist, wo die Bewegung verborgen im Innern stattfindet. Dies ist wunderbar dargestellt im Bild des Barons Münchhausen, der sich selbst am Schopf hochzieht, um sich aus dem Sumpf zu befreien. Die Seele kann sich selbst aus eigenem Antrieb in Bewegung und Entwicklung versetzen, und es gibt wohl keine Religion in der nicht gerade diese Fähigkeit als die königliche Seite der Seele beschrieben wird. Dabei ist unser Sprachgebrauch sehr interessant: Sich selbst aus der Kraft des eigenen Ichs in Bewegung zu bringen, sei es durch Besinnung, Meditation oder ein Gebet bedeutet zugleich Vertiefung und Erhöhung. Dann wird die Seele wie ein ruhiger Bergsee: Es spiegelt sich der ganze Himmel in ihm und zugleich kann man tief auf seinen Grund sehen.

Zwischen diesen beiden Extremen, Anregung und Erfrischung von der Außenwelt zu finden und dem ganz bei sich sein pendelt die Seele und dabei gilt, je stärker umso besser. Je mehr man gelernt hat, sich mit eigenen Gedanken, einem guten Buch, einem klugen Ausspruch oder sonst etwas Gehaltvollem zurückziehen zu können – und seien es nur wenige Minuten am Tag – desto engagierter und interessierter kann man beispielsweise auf andere Menschen zugehen, fremde Gedanken zulassen oder die Natur genießen.

Wer auf diesem Feld übt, wird bemerken, dass manches an bestimmten Tagen nicht so gut gelingt, wie an anderen Wochentagen. Beispielsweise ist es schwieriger, am Mittwoch sich auf sich selbst zu konzentrieren, während am Donnerstag es leichter ist, Entschlüsse zu fassen und Prüfungen zu bestehen. Woran liegt das?

Der Rhythmus der Woche

Die Woche ist ein merkwürdiger Rhythmus. Weder geht sie im Monat glatt auf, noch im Jahr, so dass ein bestimmtes Datum immer auf verschiedene Wochentage fällt. Rein wirtschaftlich betrachtet ist sie scheinbar das Unpraktischste, was unsere Zeiteinteilung in Sekunde, Minute, Stunde, Tag, Woche, Monat und Jahr zu bieten hat, und dennoch hält sich fast die ganze Menschheit an diesen Siebener-Rhythmus. Auch aus astronomischem Blickwinkel ist die Woche eine Ausnahme. Während der Monat vom Mondlauf und Tag und Jahr vom Sonnenlauf abgelesen sind, entspricht die Woche keiner kosmischen Zeitgliederung, wenn man von der Vierteilung des Mondlaufs in Neumond – Halbmond – Vollmond – Halbmond absieht. Was ließ im Altertum die aus Chaldäa stammende Siebentagewoche über die damals vielfältigen anderen Monatsteilungen, wie die Fünftagewoche der Sumerer, die Achttagewoche der Römer, die Neuntagewoche der Babylonier oder die Zehntagewoche im alten Ägypten triumphieren? Die Antwort liegt im Menschen. So wie innerhalb eines Tageslaufes Aktivität und Passivität sich ganz typisch abwechseln und zum Beispiel von 13.30 Uhr bis 14.30 Uhr allgemein die geringste Leistungsfähigkeit besteht, so schwingt die Seele des Menschen von Tag zu Tag in sieben unterschiedliche Grundstimmungen. Das Erstaunliche ist nun, dass diese Stimmungen den Eigenschaften, dem Charakter der sieben klassischen Planeten entsprechen, die den einzelnen Wochentagen im alten Babylon vor etwa 4000 Jahren zugeordnet wurden.

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