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Czytaj książkę: «Der Mondstein», strona 24

Czcionka:
Sechstes Capitel

l. Miß Clack beehrt sich, Herrn Franklin Blake mit ihren besten Empfehlungen das fünfte Capitel ihres Berichts zu übersenden; sie erlaubt sich dabei zu bemerken, daß sie sich durchaus unfähig fühlt, sich über ein unter den obwaltenden Umständen so entsetzliches Ereigniß, wie es der Tod Lady Verinder’s ist, zu verbreiten und hat deshalb ihrem Manuskript zahlreiche Auszüge aus werthvollen, in ihrem Besitz befindlichen Schriften beigefügt, welche alle dieses furchtbare Thema behandeln. Sie schließt mit dem Ausdruck des Wunsches, daß diese Auszüge auf ihren geschätzten Verwandten, Herrn Franklin Blake, wirken mögen, wie die gewaltigen Töne einer Posaune.

2. Herr Franklin Blake sagt Miß Clack mit freundlichen Grüßen seinen verbindlichen Dank für die Sendung des fünften Capitels ihres Berichts. Die dem Bericht angehängten Auszüge folgen anbei zurück. Herr Franklin Blake enthält sich jeder Ausdeutung seiner persönlichen Ansicht über den Werth dieser Art von Literatur und beschränkt sich auf die Bemerkung, daß die fraglichen Anlagen zu dem Manuskript zur Erreichung des Zieles, das er sich gesteckt hat, nicht erforderlich sind.

3. Miß Clack bekennt sich zum Empfang der ihr zurückgesandten Auszüge und erlaubt sich Herrn Franklin Blake freundlichst daran zu erinnern, daß sie eine Christin und daß es deshalb ganz unmöglich für ihn ist, sie zu beleidigen. Miß Clack nimmt fortwährend das lebhafteste Interesse an Herrn Franklin Blake und verpfändet ihr Wort dafür, daß sie ihm bei der ersten Gelegenheit, wo er krank darnieder liegt, ihre Auszüge wieder zur Verfügung zu stellen bereit sein wird. Inzwischen möchte sie vor Beginn des nächsten und letzten Capitels ihres Berichts gern wissen, ob es ihr gestattet ist, ihren bescheidenen Beitrag dadurch zu vervollständigen, daß sie die Dinge in dem Lichte darstellt, welches spätere Entdeckungen über das Geheimniß des Mondsteins verbreitet haben.

4. Herr Franklin Blake bedauert, dem Wunsche Miß Clack’s nicht entsprechen zu können. Er kann die Instructionen, welche er die Ehre hatte, ihr beim Beginn ihres Berichtes zu ertheilen, nur wiederholen. Sie wird ersucht, sich auf ihre persönlichen Erfahrungen über Personen und Dinge, wie sie in ihrem Tagebuche verzeichnet sind, zu beschränken. Spätere Entdeckungen wolle sie gütigst der Feder solcher Personen überlassen, welche in der Eigenschaft von Zeugen darüber zu schreiben im Stande sind.

5. Miß Clack bedauert unendlich, Herrn Franklin Blake abermals behelligen zu müssen. Ihre Auszüge sind ihr zurückgeschickt und der Ausdruck ihrer gereiften Ansichten über die Angelegenheit des Mondsteins ist ihr untersagt worden. Miß Clack ist sich schmerzlich bewußt, daß sie sich (weltlich gesprochen) dadurch gekränkt fühlen müßte. Aber nein – Miß Clack hat in der Schule des Unglücks Beharrlichkeit gelernt. Der Zweck dieser Zeilen ist, zu erfahren, ob Herr Blake, der ihr alles Uebrige untersagt, auch gegen die Aufnahme der gegenwärtigen Correspondenz in Miß Clack’s Bericht etwas einzuwenden hat. Die Zulassung einer Erklärung über die Lage, in welche Herrn Blake’s Verbot sie als Schriftstellerin versetzt hat, scheint durch die einfachste Billigkeit geboten und Miß Clack hat ihrerseits den lebhaften Wunsch, ihre Briefe, die für sich selber sprechen, veröffentlicht zu sehen.

6. Herr Franklin Blake genehmigt Miß Clacks Vorschlag in der Voraussetzung, daß sie diese seine Einwilligung gefälligst als den Schluß dieser Correspondenz betrachten wolle.

7. Miß Clack betrachtet es als einen Act christlicher Pflichterfüllung, Herrn Franklin Blake vor dem Schluß ihrer Correspondenz davon in Kenntniß zu setzen, daß er den augenscheinlichen Zweck seines letzten Briefes, sie zu kränken, nicht erreicht hat. Sie ersucht Herrn Franklin Blake, sich in sein Kämmerlein zurückzuziehen und sich selbst in stillem Nachdenken zu fragen, ob die Erziehung, welche ein armes schwaches Weib für Insulten so unempfänglich zu machen im Stande ist, nicht größere Bewunderung verdient als er ihr angedeihen zu lassen jetzt geneigt ist. Sobald Miß Clack eine desfallsige Aufforderung erhält, wird sie, wie sie hiermit feierlichst verspricht, Herrn Franklin Blake die vollständige Sammlung ihrer Auszüge wieder zusenden.

(Aus diesen Brief erfolgte keine Antwort. Eines weiteren Commentars bedarf es nicht. Gezeichnet: Drusilla Clack.)

Siebentes Capitel

Die vorstehende Correspondenz wird es zur Genüge erklären, weshalb mir keine andere Wahl gelassen ist als mich in Betreff des Todes Lady Verinder’s auf die einfache Mittheilung der Thatsache, welche den Schluß meines fünften Capitels bildet, zu beschränken.

Indem ich mich von nun an streng innerhalb der Grenzen meiner eigenen persönlichen Erfahrung zu halten habe, berichte ich zunächst, daß nach dem Tode meiner Tante ein Monat verfloß, bevor Rachel Verinder und ich uns wieder trafen. Dieses Zusammentreffen war die Veranlassung, daß ich mehrere Tage unter einem Dache mit ihr zubrachte. Während dieses Besuchs ereignete sich etwas in Betreff ihrer Verlobung mit Herrn Godfrey Ablewhite, das wichtig genug ist, um in diesen Blättern hervorgehoben zu werden. Nachdem ich diesen letzten der vielen peinlichen Vorfälle in der Familie berichtet haben werde, wird meine Ausgabe erfüllt sein; denn ich werde dann Alles erzählt haben, was ich als wirkliche, wenn auch sehr widerwillige Zeugin von den Ereignissen weiß.

Die sterblichen Ueberreste meiner Tante wurden von London nach ihrem Landsitze gebracht und dort auf dem kleinen zu der Kirche in ihrem eigenen Park gehörenden Kirchhofe begraben. Ich wurde nebst der übrigen Familie zu dem Leichenbegängnisse eingeladen. Aber es war mir bei bei meinen religiösen Anschauungen unmöglich, mich in so wenigen Tagen aus der Erschütterung welche dieser Tod bei mir versucht hatte, aufzuraffen. Ueberdies hatte ich erfahren, daß der Pfarrer von Frizinghall die Leichenrede halten werde. Ich hatte diesen verworfenen Geistlichen in früheren Tagen an Lady Verinder’s Whisttisch sitzen sehen und ich zweifle, ob ich, selbst wenn ich mich stark genug zu der Reise gefühlt hätte, mich entschlossen haben würde, der Feierlichkeit beizuwohnen.

Lady Verinder’ Tod stellte ihre Tochter unter die Obhut ihres Schwagers, des älteren Herrn Ablewhite. Das, Testament machte ihn zum Vormund bis seine Nichte sich verheirathen oder volljährig werden würde. Im Hinblick auf dieses Verhältniß setzte Herr Godfrey, glaube ich, seinen Vater von seiner neuen Beziehung zu Rachel in Kenntniß. Wenigstens war das Geheimniß ihrer Verlobung zehn Tage nach dem Tode ihrer Mutter für ihre Familie kein Geheimniß mehr und die große Frage für den älteren Herrn Ablewhite, einem gleichfalls ganz verworfenen Menschen, war, wie er sich und seine Autorität der reichen jungen Dame, die seinen Sohn heirathen wollte, möglichst angenehm machen könne.

Rachel machte ihm gleich im Anfang durch die Schwierigkeiten zu schaffen, die sie in Betreff ihrer künftigen Wohnung erhob. Das Haus in Montague-Square war ihr durch den darin erfolgten Tod ihrer Mutter, das Haus in Yorkshire durch die Mondstein-Angelegenheit verleidet. Dem eigenen Hause ihres Vormundes in Frizinghall stand zwar keines dieser Hindernisse im Wege, aber Rachels Anwesenheit in demselben nach ihrem kürzlichen Verlust erschien als eine unbequeme Beschränkung der Zerstreuungen ihrer Cousinen, der Fräulein Ablewhite und sie bat selbst um einen Aufschub ihres Besuchs bis zu einem günstigeren Zeitpunkte. Schließlich wurde ein Vorschlag des alten Herrn Ablewhite, es mit einem möblirten Hause in Brighton zu versuchen, angenommen. Seine Frau, eine kränkliche Tochter und Rachel sollten dasselbe gemeinschaftlich bewohnen und er selbst wollte später im Jahre zu ihnen kommen. Sie würden daselbst keine andere Gesellschaft als einige alte Freunde sehen und würden seinen Sohn Godfrey, der mit dem Londoner Zuge hin- und herreisen könnte, immer zu ihrer Verfügung haben.

Ich schildere dieses Umherziehen von einer Wohnung zur andern, diese unbefriedigte Ruhelosigkeit des Körpers und diese entsetzliche Stagnation der Seele lediglich im Hinblick auf gewisse Folgen. Das Ereigniß, welches die Vorsehung zu dem Mittel ausersehen hatte, mich und Rachel Verinder wieder zusammenzuführen, war kein anderes als das Miethen des Hauses in Brighton. Meine Tante Ablewhite ist eine große stille Frau von weißem Teint mit einer bemerkenswerthen Charaktereigenschaft. Von dem Moment ihrer Geburt an hat sie nie irgend etwas selbstständig gethan; ihr ganzes Leben hindurch hat sie sich von Jedermann helfen lassen und sich zu Jedermanns Ansichten bekannt. Ein hoffnungsloseres Wesen im geistlichen Sinne habe ich nie gesehen – sie würde keinem aus sie geübten Einfluß auch nur den geringsten Widerstand entgegenzusetzen im Stande sein. Tante Ablewhite würde einem Priester des Dalai Lama von Tibet gerade so gut zuhören wie mir und würde seine Ansichten genau so treu widerspiegeln, wie sie jetzt die meinigen widerspiegelt. Sie erfuhr die Adresse des möblirten Hauses in Brighton, nachdem sie in einem Hotel in London abgestiegen war, sich dort auf einem Sopha ausgeruht und zu ihrem Sohn geschickt hatte. Sie engagirte die nöthigen Domestiken, indem sie eines Morgens noch während ihres Aufenthalts in London im Bett frühstückte und ihrem Kammermädchen unter der Bedingung einen freien Tag schenkte, daß das Mädchen zuerst Miß Clack bitte zu ihr zu kommen. Ich fand sie um 11 Uhr Vormittags in ihrem Schlafrock sich ruhig fächelnd. »Liebe Drusilla, ich brauche einige Domestiken. Du bist eine so gewandte Person, bitte, besorge sie mir. Ich sah mich in dem unaufgeräumten Zimmer um. Die Kirchenglocken erklangen eben zu einem Wochengottesdienst, sie gaben mir ein freundlich-vorwurfsvolles Wort an die Hand. »O Tante!« sagte ich traurig, »ist das einer christlichen englischen Frau würdig? Ist das die Art, wie wir auf dem Wege von der Zeitlichkeit zur Ewigkeit wandeln sollen?« Meine Tante antwortete: »Ich will mich ankleiden, Drusilla, wenn Du so gut sein willst, mir behilflich zu sein.« Was war da weiter zu sagen? Ich habe bei Mörderinnen Wunder gewirkt – mit Tante Ablewhite bin ich niemals vom Flecke gekommen. »Wo ist die Liste der Domestiken, die Du brauchst?« fragte ich. Meine Tante schüttelte mit dem Kopf; ihre Energie reichte nicht einmal so weit, eine solche Liste bei sich zu behalten. »Rachel hat sie, liebes Kind« sagte sie, »drinnen im anderen Zimmer.« Ich ging in das anstoßende Zimmer und sah hier Rachel zum ersten Mal wieder seit unserm letzten Zusammentreffen im Montague-Square.

Sie sah bejammernswerth klein und mager in ihrer tiefen Trauer aus. Wenn ich eines so nichtig vergänglichen Dinges, wie der persönlichen Erscheinung, schon einmal Erwähnung thue, so darf ich wohl noch hinzufügen, daß sie eine jener unglücklichen Complexionen hatte, welche nur durch Weiß in der Toilette gehoben werden können. Aber was sind unsere Complexionen und unsere Blicke? Hindernisse und Fallstricke, liebe Schwestern, welche uns auf unserm Wege zu höhern Dingen umgarnen! Zu meiner großen Ueberraschung stand Rachel auf, als ich in’s Zimmer trat, und kam mir mit ausgestreckter Hand entgegen.

»Ich freue mich, Sie zu sehen,« sagte sie. »Drusilla, ich pflegte früher sehr albern und unhöflich gegen Sie zu sein. Ich hoffe, Sie verzeihen mir das.«

Vermuthlich verriethen meine Züge das Erstaunen, welches diese Anrede bei mir hervorrief. Sie erröthete einen Augenblick und erklärte sich dann näher.

»Zu Lebzeiten meiner armen Mutter,« fuhr sie fort, »waren ihre Freunde nicht immer auch meine Freunde. Jetzt, wo ich sie verloren, habe, findet mein Herz einen Trost darin, sich Denen zuzuwenden, welche sie gerne hatte. Sie waren Eine von diesen. Versuchen Sie es, auch mir eine Freundin zu sein, wenn Sie können.«

Für jedes wohl angelegte Gemüth mußte das von ihr selbst bezeichnete Motiv geradezu anstößig sein. Da stand auf dem Boden des christlichen Englands ein junges Mädchen, das so wenig einen Begriff davon hatte, wo sie den wahren Trost für einen herben Verlust zu suchen habe, daß sie denselben bei den Freunden ihrer Mutter zu finden hoffte. Hier stand eine Verwandte von mir, in welcher ein Gefühl für ihr Unrecht gegen Andere nicht auf dem Wege der Pflicht, sondern der Empfindung und des Impulses rege geworden war! Ein Seelenzustand, der, so traurig er auch an und für sich war, doch für eine Person von meinen Erfahrungen auf dem Gebiete der Arbeit im Dienste des Herrn der Hoffnung auf Erweckung noch Raum gab. Es konnte, wie es mir schien, keinesfalls schaden, wenn ich mir über den Umfang der Wandlung, welche der Verlust ihrer Mutter in Rachel’s Charakter hervorgebracht hatte, Gewißheit verschaffte. Ich beschloß, mich ihrer Verlobung mit Herrn Godfrey Ablewhite als eines guten Probirsteins zu bedienen. Nachdem ich zuerst ihr freundliches Entgegenkommen möglichst herzlich erwidert hatte, entsprach ich ihrer Aufforderung, mich zu ihr aufs Sopha zu setzen. Wir redeten über Familienangelegenheiten und Pläne für die Zukunft, immer jedoch ohne den für ihre Zukunft entscheidendsten Plan, ihre Heirath, zu berühren. Ich mochte es versuchen wie ich wollte, die Unterhaltung auf diesen Gegenstand zu lenken, sie schien entschlossen, mir darin nicht zu willfahren. Eine direkte Berührung der Frage meinerseits würde in diesem ersten Stadium unserer Versöhnung vorzeitig erschienen sein. Ueberdies hatte ich bereits Alles, was ich wissen wollte, herausgebracht. Sie war nicht mehr die rücksichtslose und herausfordernde Person, die ich bei Gelegenheit meines Märtyrerthums in Montague-Square gehört und gesehen hatte. Dies war schon genug, um mich zu ermuthigen, an ihre Bekehrung zu gehen. Ich fing damit an, mich in einigen ernsten Worten gegen die übereilte Schließung des Ehebündnisses auszusprechen und gelangte auf diesem Wege zu höheren Dingen. Indem ich sie jetzt mit einem neuen Interesse betrachtete und mich der überstürzten Plötzlichkeit erinnerte, mit welcher sie auf Herrn Godfrey’s Heirathsantrag eingegangen war, empfand ich es als eine heilige Pflicht, hier mit einem Eifer einzuschreiten, der mir die beste Gewähr für die Erreichung eines nicht geringen Zieles bot. Rasches Vorgehen war, wie mir schien, hier von entscheidender Wichtigkeit. Ich kam sofort auf die für das möblirte Haus zu engagirenden Dienstboten zurück.

»Wo hast Du die Liste, liebe Rachel?«

Rachel gab sie mir.

Ich las: »Köchin", Küchenmädchen, Hausmädchen und Diener.« »Liebe Rachel, diese Dienstboten sollen nur für eine bestimmte Zeit, die Zeit, für welche Dein Vormund das Haus gemiethet hat, engagirt werden. Wir werden hier in London große Mühe haben, gute und brauchbare Leute zu finden, die bereit sein würden, auf ein solches temporäres Engagement einzugehen. Ist das Haus in Brighton schon gefunden?«

»Ja, Godfrey hat es gemiethet, und in demselben Leute gefunden, die gern von ihm als Dienstboten engagirt werden wollten. Sie schienen ihm aber für uns nicht zu genügen und er ist zurückgekommen, ohne noch irgend etwas mit ihnen abgemacht zu haben.«

»Und Du selbst hast keine Erfahrung in solchen Dingen, Rachel?«

»Durchaus keine!«

»Und Tante Ablewhite will sich auch nicht darum bemühen?«

»Nein, und Du darfst die arme gute Tante nicht darum tadeln, Drusilla. Ich glaube, sie ist die einzige wirklich glückliche Person, die mir je vorgekommen ist.«

»Es giebt verschiedene Arten, glücklich zu sein, liebes Kind. Wir müssen darüber einmal ein Wort miteinander reden. Einstweilen will ich versuchen, die Schwierigkeiten mit den Dienstboten aus dem Wege zu räumen. Deine Tante wird an die Leute im Hause einen Brief schreiben —«

»Sie wird einen Brief unterzeichnen, wenn ich ihn für sie schreibe, was ja auf dasselbe herauskommt.«

»Ganz dasselbe. Ich bekomme den Brief und will morgen damit nach Brighton gehen.«

»Wie gütig von Dir! Wir werden Dir nachkommen, sobald Du zu unserem Empfang bereit bist und Du wirst hoffentlich eine Zeitlang als mein Gast bei uns bleiben. Brighton ist so lebendig; es wird Dir da gewiß gefallen.«

In diesen Worten erhielt ich meine Einladung und eröffnete sich mir eine herrliche Aussicht auf Gelegenheit, meinen Entschluß geltend zu machen.

Dies geschah an einem Mittwoch. Am Sonnabend Nachmittag war das Haus zum Empfang der Familie bereit. In diesen wenigen» Tagen hatte ich nicht nur die Charaktere, sondern auch die religiösen Ansichten aller der Stellen suchenden Dienstboten, die sich bei mir meldeten, geprüft, und es war mir gelungen, eine Auswahl zu treffen, bei der sich mein Gewissen beruhigen konnte. Ich fand auch, daß sich zwei ernste Freunde von mit in der Stadt aufhielten und besuchte dieselben in der Gewißheit, daß ich ihnen den frommen Zweck, der mich nach Brighton geführt hatte, getrost anvertrauen dürfe. Einer derselben, ein Geistlicher, war mir freundlich dabei behilflich, in der Kirche, in der er predigte, für unsere kleine Gesellschaft Plätze zu verschaffen. Die andere, eine einzelne Dame gleich mir, stellte mir ihre durchweg aus werthvollen Schriften bestehende Bibliothek ganz zur Disposition. Ich lieh mir von ihr ein halbes Dutzend Werke, die ich Alle mit Rücksicht auf Rachel sorgfältig ausgewählt hatte. Nachdem ich dieselben umsichtig in den verschiedenen Zimmern vertheilt hatte, welche voraussichtlich von ihr bewohnt werden würden, war ich mit meinen Vorbereitungen fertig. Das Wort Gottes in den Dienstboten, die ihr aufwarteten, das Wort Gottes in dem Prediger, dessen Kirche sie besuchen würde, und das Wort Gottes in den Büchern, die auf ihrem Tische lagen – das war der dreifache Willkomm’ den mein Eifer für das mutterlose Mädchen bereitet hatte! Eine himmlische Ruhe erfüllte mein Gemüth an jenem Sonnabend-Nachmittag, als ich am Fenster saß und die Ankunft meiner Verwandten erwartete. Ein flüchtiges Menschengedränge zog vor meinen Augen vorüber. Ach! wie viele unter ihnen mochten wohl mit mir das unvergleichlich wohlthuende Gefühl erfüllter Pflicht theilen? Eine furchtbare Frage. Versuchen wir nicht, sie zu beantworten.

Zwischen 6 und 7 Uhr trafen die Reisenden ein. Zu meiner unbeschreiblichen Ueberraschung befand sich in ihrer Begleitung nicht, wie ich erwartet hatte, Herr Godfrey, sondern der Advocat Herr Bruff.

»Wie geht’s Ihnen, Miß Clack?« sagte er, »dieses Mal denke ich hier zu bleiben.«

Diese Anspielung aus unser letztes Zusammentreffen, bei welchem ich ihn gezwungen hatte, vor mir das Feld zu räumen, überzeugte mich, daß der alte Weltmann zu einem besondern Zweck nach Brighton gekommen sein müsse. Ich hatte ein kleines Paradies für meine geliebte Rachel bereitet, und siehe da! – hier war auch schon die Schlange.

»Es that Godfrey außerordentlich leid, nicht mit uns gehen zu können, Drusilla,« sagte meine Tante Ablewhite. »Er ist durch Geschäfte in der Stadt zurückgehalten und Herr Bruff fand sich freundlich bereit, seine Stelle zu übernehmen und sich bis Montag Morgen für uns frei zu machen. Beiläufig, Herr Bruff, ich soll mir Bewegung machen und ich habe keine Neigung dazu. Das,« fügte Tante Ablewhite hinzu, indem sie aus dem Fenster nach einem in einem in einem Rollstuhl vorüberfahrenden Kranken hinwies, »ist, was ich unter Bewegung verstehe. Will man Luft haben, so kann man sie im Rollstuhl genießen und wenn man Ermüdung braucht, so ist es, denk ich, ermüdend genug, den Mann, der den Rollwagen schiebt, anzusehen.«

Rachel stand schweigend allein an einem Fenster, die Augen fest auf die See geheftet.

»Bist Du müde, liebes Kind?« fragte ich.

»Nein, nur ein wenig verstimmt,« antwortete sie; »ich habe die See oft an unserer Yorkshirer Küste in dieser Beleuchtung gesehen und ich dachte eben an vergangene Tage, Drusilla, die nie wiederkehren können.

Herr Bruff aß mit uns zu Mittag und blieb auch den ganzen Abend. Je länger ich mit ihm zusammen war, desto klarer wurde es mir, daß er nicht ohne einen bestimmten Zweck nach Brighton gekommen sei. Ich beobachtete ihn sorgfältig. Er behauptete dasselbe ruhige Beharren der Erscheinung und schwatzte den ganzen Abend dasselbe gottlose Zeug, bis es Zeit für ihn war, sich zu verabschieden. Als er Rachel die Hand zum Abschied gab, beobachtete ich, wie sein kalter und verschlagener Blick einen Augenblick mit einem sehr eigenthümlichen Ausdruck von Interesse und Aufmerksamkeit auf ihr ruhte. Offenbar stand sie in Verbindung mit dem Zweck, den er im Auge hatte. Er sagte weder zu ihr, noch zu sonst Jemandem irgend etwas Ungewöhnliches beim Weggehen. Er lud sich auf den nächsten Tag zum zweiten Frühstück ein und ging dann nach seinem Hotel.

Am nächsten Morgen war es unmöglich, meine Tante Ablewhite zu bewegen, sich rechtzeitig für die Kirche anzukleiden Ihre kranke Tochter, die nach meiner Ueberzeugung an nichts litt als an einer unheilbaren, von ihrer Mutter ererbten Trägheit, erklärte ihre Absicht, den ganzen Tag im Bett zu bleiben. Rachel und ich gingen allein zusammen in die Kirche. Mein reich begabter Freund hielt eine herrliche Predigt über die heidnische Gleichgültigkeit der Welt gegen die Sündhaftigkeit kleiner Sünden. Länger als eine Stunde donnerte seine, von einer klangvollen Stimme getragene Beredtsamkeit durch die heiligen Räume.

Beim Fortgehen sagte ich zu Rachel: »Hat das Wort der Predigt seinen Weg zu Deinem Herzen gefunden, liebes Kind?«

Und sie antwortete: »Nein, es hat mir nur Kopfschmerzen verursacht.«

Diese Antwort würde vielleicht Manchen entmuthigt haben, aber ich lasse mich, wenn ich eine Bahn heilbringender Wirksamkeit einmal betreten habe, durch nichts entmuthigen.

Wir fanden Tante Ablewhite und Herrn Bruff beim Frühstück. Als Rachel erklärte, ihres Kopfschmerzes wegen gar nicht frühstücken zu wollen, erspähte und ergriff der schlaue Advocat alsbald die sich ihm darbietende Gelegenheit.

»Es giebt nur ein Mittel gegen Kopfschmerzen,« sagte dieser abscheuliche Alte; »Sie müssen einen Spaziergang machen, Fräulein Rachel, das wird curiren. Ich stehe Ihnen zu Diensten, wenn Sie mir die Ehre erweisen wollen, meinen Arm anzunehmen.«

»Mit dem größten Vergnügen; ich habe eine wahre Sehnsucht nach frischer Luft.«

»Es ist nach zwei Uhr,« bemerkte ich sanft, »und der Nachmittags-Gottesdienst fängt um drei Uhr an, Rachel.«

»Wie kannst Du denken,«« fuhr sie mich Ungestüm an, »daß ich mit solchem Kopfschmerz zum zweiten Male in die Kirche gehen werde?«

Herr Bruff öffnete ihr höflich beflissen die Thür; eine Minute später hatten sie Beide das Haus verlassen. Ich erinnere mich nicht, je die heilige Pflicht einzuschreiten so lebhaft empfunden zu haben wie in jenem Augenblick.

Aber was war hier zu thun? Ich mußte die erste Gelegenheit abwarten, die sich mir im Laufe des Tages darbieten würde.

Als ich vom Nachmittags-Gottesdienst wieder nach Hause kam, waren auch die Beiden eben von ihrem Spaziergang zurückgekehrt. Ein Blick genügte mir zu sehen, daß der Advocat das, was er hatte sagen wollen, ausgesprochen hatte. Noch nie hatte ich Rachel so schweigsam und so nachdenklich und noch nie hatte ich Herrn Bruff sie mit einer so ausgesuchten Aufmerksamkeit und einer so ergebenen Achtung behandeln sehen. Er hatte angeblich für heute eine Einladung zu Tisch angenommen und verabschiedete sich bei Zeiten von uns Allen, da er am nächsten Morgen schon mit dem ersten Zuge wieder nach London zu gehen beabsichtige.

»Sind Sie Ihres Entschlusses gewiß?« sagte er zu Rachel an der Thür.

»Vollkommen gewiß,« antwortete sie – und damit ging er fort.

Kaum hatte er den Rücken gewandt, als Rachel sich in ihr Zimmer zurückzog Auch bei Tische erschien sie nicht. Ihr Kammermädchen, die Person mit den Mützenbändern, kam herunter zu melden, daß ihre Kopfschmerzen wiedergekehrt seien. Ich eilte hinaus und erbot mich durch die Thür zu allen Arten schwesterlicher Liebesdienste. Aber die Thür war und blieb verschlossen. Hier gab es einen widerstandsfähigen Boden, der der Bebauung harrte! Das Verschließen ihrer Thür war für mich nur ein ermunternder Sporn.

Als ihr am nächsten Morgen der Thee auf’s Zimmer gebracht wurde, ging ich mit hinein. Ich setzte mich zu ihr an’s Bett und sprach einige ernste Worte. Sie hörte mir mit einer schlaffen Höflichkeit zu. Ich bemerkte, daß die köstlichen Schriften meiner ernsten Freundin in einer Ecke des Tisches unordentlich zusammengepackt lagen. Ich fragte, ob sie einen Blick hineingethan habe. »Ja, und die Bücher hätten sie nicht interessirt.« Ich fragte weiter, ob sie mir erlauben wolle, einige Stellen von dem höchsten Interesse, die ihr wahrscheinlich entgangen seien, vorzulesen? »Nein, jetzt nicht, sie habe an andere Dinge zu denken.« Bei diesen Antworten beschäftigte sie sich angelegentlichst damit, mit den Garnituren ihres Nachthemds zu spielen. Es erschien offenbar nöthig, sie durch eine Anspielung auf die weltlichen Interessen, die ihr noch am Herzen lagen, aus dieser Träumerei zu reißen.

»Weißt Du, liebes Kind,« sagte ich, »ich hatte gestern einen sonderbaren Einfall in Betreff Herrn Bruff’s. Es kam mir vor, als ich Dich nach Deinem Spaziergang mit ihm sah, als ob er Dir eine schlimme Nachricht mitgetheilt haben müsse.«

Ihre Finger ließen plötzlich die Garnitur des Nachthemds fahren und ihre wilden schwarzen Augen flammten auf.

»Ganz das Gegentheil!« sagte sie, »es war eine Nachricht, die mich sehr interessirte und für deren Mittheilung ich Herrn Bruff sehr verpflichtet bin.«

»Wirklich?« sagte ich, in einem Tone freundlichen Antheils.

Ihre Finger nahmen die Garnitur wieder auf und sie wandte ihr Gesicht trotzig von mir ab. Eine ähnliche Behandlung war mir bei der Verfolgung des Gnadenwerks hunderte von Malen zu Theil geworden. Sie reizte mich dadurch nur zu einem neuen Versuch. In meinem unerschrockenen Eifer für ihr Seelenheil unternahm ich das große Wagniß, gerade heraus von ihrer Verlobung zu reden.

»Eine Nachricht, die Dich sehr interessirte?« wiederholte ich. »Ich denke mir, liebe Rachel, das muß eine Nachricht von Herrn Ablewhite gewesen sein?«

Sie fuhr aus ihrem Bett in die Höhe und wurde todtenbleich. Sie hatte offenbar eine jener ihr früher so geläufigen Insolenzen auf der Zunge. Sie bezwang sich aber, legte ihren Kopf wieder auf’s Kissen, dachte einen Augenblick nach und gab mir dann folgende merkwürdige Antwort:

»Ich werde Herrn Godfrey Ablewhite niemals heirathen!«

Nun war die Reihe an mir, erstaunt zu sein.

»Was willst Du damit sagen?« rief ich aus. »Die Heirath wird von der ganzen Familie als eine abgemachte Sache angesehen.«

»Herr Godfrey Ablewhite wird heute hier erwartet,« sagte sie in mürrischem Tone. »Warte bis er kommt und Du wirst sehen.«

»Aber, liebe Rachel —«

Sie zog an der über ihrem Bette hängenden Glocke. Die Person mit den Mützenbändern erschien.

»Penelope, mein Bad!«

Um gerecht zu sein muß ich zugeben, daß sie damit das einzige Mittel getroffen hatte, mich aus dem Zimmer zu bringen.

Von einem rein weltlichen Gesichtspunkte aus betrachtet, hätte es scheinen können, als ob meine Stellung Rachel gegenüber nicht gewöhnliche Schwierigkeiten darböte. Ich hatte darauf gerechnet, sie durch eine kleine ernste Ermahnung in Betreff ihrer Heirath auf den Weg zu höheren Dingen zu leiten. Und jetzt war, wenn man ihr glauben durfte, von einer Verheirathung bei ihr gar keine Rede. Aber, o meine Freunde! Eine werkthätige Christin von meiner Erfahrung, mit der Aussicht auf Förderung des Evangeliums, sieht die Dinge von einem höheren Standpunkte aus an. Angenommen selbst Rachel wollte die Partie, welche die Ablewhite’s, Vater und Sohn, als eine abgemachte Sache betrachtetem wirklich zurückgehen lassen, was würde die Folge sein? Die Sache konnte, wenn sie fest auf ihrem Entschluß beharrte und namentlich wenn der alte Herr Ablewhite zugegen war, nur zu einem Austausch harter Worte und schwerer Beschuldigungen auf beiden Seiten führen. Und was würde die Wirkung einer solchen stürmischen Scene sein? Eine heilsame moralische Abspannung. Der entschlossene Widerstand, den sie nach ihrem Charakter allen Hindernissen entgegensetzen würde, müßte ihren Stolz und ihren Eigensinn erschöpfen. Sie würde für einen sympathischen Antheil empfänglich werden. Und ich in der Fülle meines Trostes, meiner Bereitwilligkeit ihr mit belebenden und ihrem Zustande angemessenen Worten beizustehen, würde ihr diesen Antheil in vollem Maße darbieten. Niemals hatte mir eine freundlichere Aussicht auf Förderung des Evangeliums gelächelt als diese.

Rachel kam zum Frühstück herunter, genoß aber nichts und sprach fast kein Wort. Nach dem Frühstück schlenderte sie gleichgültig durch die Zimmer, dann raffte sie sich plötzlich auf und öffnete das Clavier.

Die Musik, die sie spielte, war von der anstößigst-weltlichen Art und Ausführungen aus der Bühne entlehnt, bei deren bloßen Gedanken mir das Blut in den Adern erstarrte. Es würde voreilig gewesen sein, schon in diesem Augenblick dagegen einzuschreiten. Ich erkundigte mich unter der Hand nach der Zeit, zu welcher Herr Godfrey Ablewhite erwartet wurde und dann flüchtete ich vor der Musik und verließ das Haus.

Ich benutzte die Gelegenheit, meine beiden in Brighton ansässigen Freunde zu besuchen. Es war ein unbeschreiblicher Genuß für mich, mich der ernsten Unterhaltung mit ernsten Freunden hingeben zu können. Unaussprechlich ermuthigt und erfrischt, lenkte ich meine Schritte wieder dem Hause zu und traf dort vollkommen rechtzeitig ein, um die Ankunft unseres Gastes erwarten zu können. Ich trat in das Eßzimmer, das zu jener Tageszeit immer leer zu sein pflegte und fand mich von Angesicht zu Angesicht Herrn Godfrey Ablewhite gegenüber!

Er machte keinen Versuch, vor mir zu flüchten. Im Gegentheil. Er ging höchst beflissen auf mich zu.

»Liebe Miß Clack! Ich habe nur auf Sie gewartet. Zufällig habe ich mich von meinen Geschäften in London früher losmachen können als ich dachte und bin daher auch früher als zu der von mir bestimmten Zeit hier angekommen.«

In seinen Aeußerungen verrieth sich keine Spur von Verlegenheit, obgleich er mich hier seit der Scene in Montague-Square zum ersten Mal wiedersah. Er wußte zwar nicht, daß ich bei jener Scene zugegen gewesen war, aber wußte doch, daß meine Theilnahme an den Sitzungen des mütterlichen Hosenvereins und meine Beziehungen zu Freunden, die anderen mildthätigen Vereinen angehörten, mich von seiner schamlosen Vernachlässigung seiner Damen und seiner Armen unterrichtet haben mußten. Und doch stand er vor mir im Vollbesitz seiner lieblichen Stimme und seines unwiderstehlichen Lächelns!

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Data wydania na Litres:
04 grudnia 2019
Objętość:
780 str. 1 ilustracja
Właściciel praw:
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