Czytaj książkę: «Die naturwissenschaftlichen Grundlagen der Poesie.», strona 6
Das Wort des alten Malers bei Zola muss uns trösten: »Arbeiten wir!« Arbeit steckt auch in all' diesen darwinistischen Problemen, Arbeit nicht bloss für den Naturforscher, sondern auch für den Dichter. Sagen wir uns unablässig, dass die Arbeit, das harte, mit dem Leben ringende Künstlerstreben, unser wahres Erbe von den grossen Geistern der Vergangenheit her ist, nicht das unklare Träumen. Genialität wird geboren; aber das Ausleben der Genialität ist unablässige Durchdringung des Stoffes, ist ewiges Studium; wenn sie das nicht ist, so ist sie eine Krankheit, für die der schonungslose Kampf um's Dasein die ideale Nemesis wird, indem er sie ausrottet.
Siebentes Capitel.
Eine Schlussbetrachtung
In dem Augenblicke, wo ich diese Studie abschliesse, hat die realistische Bewegung bei uns in Deutschland eine Form angenommen, die es mehr und mehr wünschenswerth erscheinen lässt, das Wort zu friedlicher Verständigung zu ergreifen. Während in Russland und Frankreich muthige Werkmeister sich in harter Arbeit um die neuen Stoffe der Dichtung mühen und, bald mit falschen, bald mit treffenden Schlägen, doch unablässig das Rohmaterial gefügig machen und das Instrument üben, vernimmt man bei uns viel Lärm und sieht wenig Früchte. Man ist allerdings bisweilen geneigt, das laute Geschrei bloss für das harmlose Jauchzen von Schulknaben zu halten, die einen freien Tag haben, weil ihre Lehrer zu stiller, ernster Conferenz über die wichtigsten Fragen des Unterrichts zusammengetreten sind. Werden wir erleben, dass auch die Stimme der Meister einmal laut wird und uns in anderer Weise, als das Gezwitscher der Jungen es vermochte, von der Bedeutung der Stunde Rechenschaft ablegt? Wir haben es schon oft gesehen, dass der Deutsche zuletzt kam, dann aber dem Ganzen die Krone aufsetzte, indem er ihm aus der Tiefe seiner geistigen Entwickelung heraus Dinge verlieh, die keine andere Nation je besessen. Ich bin auf diesen Blättern wiederholt gezwungen gewesen, den Namen Zola zu nennen, und ich kann es als meine ruhige Ueberzeugung auch hier noch einmal aussprechen, dass mir Zola in vielen Puncten sehr hoch steht, sowohl in seinem Können, wie in der Ehrlichkeit seines Wollens. Aber ich möchte diese fragmentarische Behandlung des realistischen Problems nicht schliessen, ohne vorher noch mit ein paar Worten auch dem deutschen Antheil an der Entstehung jener ganzen Richtung – wie immer unsere Besten im Augenblick sich zu ihr stellen mögen – gerecht geworden zu sein. Wenn die Literaturgeschichte dereinst mit dem Werkzeuge einer geläuterten darwinistischen Methode die Wurzeln dessen aufdecken wird, was wir jetzt Realismus in der Poesie nennen, so wird der Hass der gereizten Parteien sich versöhnen müssen in der Erkenntniss ihres gemeinsamen Ursprungs. Einseitige Beurtheiler schmähen heute in Zola das Stück Victor Hugo, das unbezweifelbar in ihm steckt; die einsichtigere Zukunft wird sich mit Ruhe sagen dürfen, dass es sich hier einfach um eine Entwickelung handelt, dass der Zola'sche Realismus sich folgerichtig als zweite Stufe des bessern Theils in Victor Hugo aus dem Hugo'schen Idealismus ergeben musste. Nicht anders ergeht es uns in Deutschland. Indem wir scheinbar neue Wege wandeln werden, werden wir unbewusst doch nur das bessere Theil unserer grossen literarischen Vergangenheit ausbauen. Welch' himmelweite Kluft trennt scheinbar eine deutsche Dichtung, die sich in dem von mir im Vorstehenden ausgeführten Sinne mit den Principien der Naturwissenschaft in Einklang setzt, von einem Freytag'schen Romane! Und doch ist das alles nur scheinbar. Als Freytag den tiefen Ausspruch Julian Schmidt's zum Motto machte: »Die Dichtung soll das Volk bei der Arbeit aufsuchen«, war er nach den Träumen der Romantik im Grunde der Begründer des Realismus. Anderes hat dann, sollte man glauben, die Linie abgelenkt, die Richtung auf das Historische hat den Roman wieder auf ein neues Gebiet gedrängt. In schärferer Beleuchtung erscheint auch das als ein realistisches Symptom. Man wollte die Ahnen in der Dichtung sehen, um die Enkel in ihrer Arbeit zu begreifen. Leichter Sinn sieht in diesen krausen Gängen, die das Princip gewandelt, eine Modekrankheit. Das heisst nichts. Krankhaft war allerdings und ist hier mancher Detailzug geblieben, wie ich das in dem Capitel über die Liebe vielleicht schroff, aber als volle Ueberzeugung ausgesprochen. Doch selbst dieser Tadel trifft kaum die Bessern, fast nur die Kleinen. Die historische Dichtung als Ganzes war eine berechtigte Pionierarbeit – grösser und glänzender als sie, folgt ihr freilich jetzt die Aufgabe, das Geschichtliche nicht darzustellen in künstlich belebten Bildern des Vergangenen, sondern in seiner lebendigen Bethätigung mitten unter uns, in seinen fortschwirrenden Fäden, in seiner Macht über die Gegenwart.
Von diesem freien Standpuncte aus verliert der Kampf um den Realismus seine Bitterkeit. Die grosse Literatur, auf die wir stolz sind, erscheint wieder als Ganzes, wo jeder Bedeutende sein Recht erhält. Und am Ende, wenn auch bei uns in Deutschland der Realismus im neuen Sinne einmal seine grossen Vertreter gefunden hat, wird als Summe sich ergeben, dass wir, die wir auf einer stofflich reicheren und tieferen Literatur fussen, als die Nachbarländer, auch nun in jenem Gebiete fester und sicherer uns ergehen werden, als die Franzosen und Engländer oder die Russen und Skandinavier. Gerade den Jüngeren, die jetzt so viel Lärm schlagen, kann nicht genug an's Herz gelegt werden, dass Realisten sein nicht heissen darf, die Fühlung mit den grossen Traditionen unserer Literatur verlieren. Studirt Zola, achtet ihn, helft die Kurzsichtigen im Publicum aufklären, die keinen Dichter vertragen können, der im Dienste einer Idee selbst das Extreme nicht scheut; aber gebt euch nicht blind für Schüler Zola's aus, als wenn in Paris ein Messias erstanden sei, der alle alten und neuen Testamente auflösen sollte. Studirt, was Zola sich zu thun ehrlich bemüht hat, Naturwissenschaften, beobachtet, wendet Gesetze auf das menschliche Leben an, das ist alles schwere Arbeit, aber es bringt uns vorwärts. Und vor allem: vergesst nicht, dass ihr der deutschen Literatur angehört, dass hinter euch Göthe und Schiller stehen und dass ihr ein Recht habt, euch als deren Enkel selbstständig neben den Schüler Balzac's und Nachfolger Victor Hugo's zu stellen, was die Vergangenheit und den Bildungsgrad eures Volkes anbetrifft. Die Wissenschaft ist internationales Gut, Jeder kann sie sich aneignen, der sich der Mühe unterzieht. Aber bildet euch nicht ein, das leere Poltern und Schreien hülfe irgend etwas. Ihr habt jetzt nach Kräften auf den historischen Roman gescholten, obwohl darin doch wenigstens ordentliche Arbeit, ordentliches Studium steckte. Ich will glauben, dass das Schelten begründet war, wenn ihr zeigt, dass ihr mehr könnt, dass ihr das unendlich viel erhabenere Problem zu lösen wisst, wie die Fäden der Geschichte sich verknoten im socialen und ethischen Leben der Gegenwart, wie man historische Dichtungen schreibt, die gestern und heute spielen. Ihr habt die weiche, tändelnde Lyrik ausgepfiffen auf allen Gassen. Auch das soll gut und recht sein, wenn ihr mir eine neue Lyrik zeigt, die an Göthe und Heine organisch anknüpft und doch selbstständig das Herzensglück und Herzensweh des modernen Menschen zum Ausdruck bringt. Macht der Welt klar, dass der Realismus in Wahrheit der höchste, der vollkommene Idealismus ist, indem er auch das Kleinste hinaufrückt in's Licht des grossen Ganzen, in's Licht der Idee. Dann werden die Missverständnisse aufhören. Der Leser wird nicht mehr der Ansicht huldigen, wenn er eine realistische Dichtung aufschlüge, so umgellte ihn das Gelächter von Idioten und Cocotten, und wenn man, was überhaupt recht rathsam wäre, sich bloss genöthigt sähe, das Romanlesen bei unreifen Mädchen etwas mehr einzuschränken in Folge des Ueberwiegens der realistischen Richtung, so sollte das unser geringster Schmerz sein. Freilich wird es auch ohne Missverständnisse noch manchen harten Kampf kosten, bis die Mehrzahl der geniessenden Leser sich an das schärfere Instrument des Beobachters gewöhnt haben wird. Das kommt nicht von heute auf morgen. Zunächst muss das Vertrauen in der Menge für den realistischen Dichter gewonnen werden, und wir werden gut thun, die Schauerscenen nach Kräften zu vermeiden, so lange die Vorurtheile noch so sehr gross sind. Auch werden die Lyrik und das Drama, die ja immer mehr zum Herzen sprechen, den harten Tritt des Romanes dämpfen helfen, wenn sie erst einmal zur Stelle sind. Am Ende wird auch die Masse des Volkes besser sehen lernen, und das ist für alle Fälle ein Gewinn. Die Poesie wahrt so nur ihre alte Rolle als Erzieherin des Menschengeschlechtes, und indem sie es thut, darf sie hoffen, auf freundlichem Boden sich mit der Naturwissenschaft zu begegnen. Beide reichen sich dann die Hand in dem Bestreben, den Menschen gesund zu machen.