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Todgeweiht im Odenwald

In dieser Reihe sind bisher erschienen:

Klappentext zum Band 2:

Todgeweiht im Odenwald

Prolog: Eine traurige Osterbotschaft

EINS

Die Halloweenparty

Im Friedwald

Der Covid-19-Patient

Die Erpressung

Steffis Albtraum

Ein Anfangsverdacht

Umzugspläne

Ende einer Geschäftsreise

Der Umzug

ZWEI

Ermittlungen

Verdächtiger Nummer 1

Verdächtiger Nummer 2

Die KITA

Verdächtiger Nummer 3

Abgelegt zum Sterben

Die Klinik

Tobias und Maria

Eine ‚neutrale‘ Beratung

Ein Selbstmordversuch

Die Abgängigkeitsanzeige

Spurlos verschwunden

DREI

Adoptionswünsche

Die geschlossene Abteilung

Erholung

Sorgerechtsanspruch

Die Bestattung

Die Erinnerung

Transportrouten

Ein später Verdacht

Django

VIER

Willys Albtraum

Die Mutter-Kind-Station

Sandra und Steffi

Ein Tatort

Die Isolation

Eine Festnahme

Flucht

Exhumierung Annas

Eine Geburtsurkunde

Eine gute Nachricht

Steffi und Maria

FÜNF

Ein Verdacht erhärtet sich

Ein Treppensturz

Ein Küchenunfall

Die Befreiung

Datenverlust

Die Kronzeugin

Befragungen

Fast am Ziel

Eine Osterbotschaft

Neue Aspekte

EPILOG

Die handelnden Personen:

Bemerkung des Autors

Danksagung

Veröffentlichungen von Werner Kellner:

Kurzbeschreibung

Impressum

Impressum neobooks

Werner Kellner

Todgeweiht im Odenwald

Ein neuer Fall für die Privatermittler um Willy Hamplmaier aus der Serie

‚Mordskrimigeschichten aus dem Odenwald (2)‘

Für Lucia.

In dieser Reihe sind bisher erschienen:

„Die Witwe und der Wolf im Odenwald“

Erschienen am 12.08.2021 (ISBN 978-3-754151-55-6) Bewertungen: 4,6 Sterne bei 5 Bewertungen.

Rezensionen von LovelyBooks (November 2021)

Drogen, Mafia im Altenheim und ein Mord.

Hamplmaier, Bestatter und Privatermittler hat hier jede Menge zu tun. Auf nahezu 620 Seiten entwickelt sich ein äußerst spannender Krimi. Der Autor schreibt sehr flüssig, das Schriftbild ist großzügig, so dass das Buch trotzdem (und leider) bald gelesen ist.

Da kann ich nur auf einen neuen Fall hoffen und lege diesen Band den Odenwaldfans und Krimifreunden nahe ans Herz.

Bericht der Odenwaldzeitung am 19.10.2021:

Kellners packender Schreibstil mit überraschenden Wendungen treibt die gut aufgebaute Geschichte voran. Aktuelle Bezüge wie die Corona-Krise und die Figur des Kriegskorrespondenten Afghanistan verleihen dem spannenden Thriller eine zusätzliche Authentizität. Zudem hebt er sich wohltuend ab, von der für die Regionalkrimis typische Aufklärungsarbeit mit munterem Lokalkolorit. Für Thriller-Fans eine gut recherchierte Story mit Spannung pur bis Seile 630. Es folgt der Wunsch, den vertrauten Hauptfiguren weiter zu begegnen.

Kurzfassung des Bandes 1 der Serie mit dem Titel

„Die Witwe und der Wolf im Odenwald“

Im Oktober 2009 platzt in Frankfurt ein spektakulärer Drogenprozess, nachdem die Kronzeugin unmittelbar vor der Urteilsverkündung ermordet wird. Die russische Drogenmafia, die ‚Bratwa‘, bedroht und tötet alle, die ihre Kreise stört. Das gilt für einen neugierigen Investigativ-Reporter ebenso wie für den korrupten Staatsanwalt. Elf Jahre später hat die Drogenmafia im Odenwald ihre kriminellen Aktivitäten unter dem Deckmantel der Seniorenoase ‚Jungbrunnen‘ weiter ausgebaut. Der Ehemann und die Tochter der ermordeten Kronzeugin geraten nach der Rückkehr in ihre Heimatregion erneut ins Fadenkreuz der Mafiabande. Währenddessen bemüht sich im Hintergrund ein afghanischer Clan, mit allen Mitteln seine Familienehre wieder herzustellen. Willy Hamplmaier, ein umtriebiger Bestatter und nebenberuflicher Privatermittler aus Michelstadt, ermittelt in seinem wichtigsten Fall die Serientäter von Raubüberfällen auf Geldautomaten. Er bereitet sich auf seinen Ruhestand vor und ist dabei, seine Fälle an seinen Sohn und Juniorchef Hans Hämmerle abzugeben, der das kleine Team als Wirtschaftsdetektei weiterführen will. Der Junior nimmt im Auftrag der hessischen Heimaufsicht für Senioren-Pflegeheime und unter den schwierigen Bedingungen der Corona Pandemie die Ermittlungen wegen Sozialbetrug und Bandenkriminalität auf, ohne zu wissen, mit wem er sich dabei anlegt. Die Ereignisse überrollen das Ermittlerteam, als Hans zum ersten Mal nach der Tat eine konkrete Spur zum Mörder seiner Frau entdeckt.

Klappentext zum Band 2:

Todgeweiht im Odenwald

Wie kam es dazu, dass eine mondän gekleidete Dame an einem sonnigen Ostersonntag in Wald-Michelbach eine rot geschaltete Fußgängerampel überquerte und von einem Auto erfasst und getötet wurde?

Lange bevor es dazu kommt, beunruhigt Steffi Schwaiger aus dem Ermittlerteam von Willy Hamplmaier zu Beginn der Geschichte das Schicksal einer jungen Drogenabhängigen, die das Team vor einiger Zeit aus einem Edel-Puff befreit hat. Und es ist nicht die einzige Frage, die Steffi umtreibt. Die Ermittler werden mit der Klärung einer simplen Bedrohung durch einen Stalker beauftragt, die in eine unvorhergesehene Richtung eskaliert. Wer steckt hinter der Erpressung der jungen Frau, die vor einiger Zeit vergewaltigt wurde? Je tiefer die Ermittler graben, umso schwieriger entwickelt sich die Aufklärung, denn das Vergewaltigungsopfer verschwindet genauso spurlos, wie die schwangere Drogenabhängige, die wegen eines Schlafplatzes in eine KITA eingebrochen ist. Ein Mann und eine Frau, werden auf einem Parkplatz nahe Michelstadt mit einer massiven Rauchgasvergiftung aus ihrem Auto gerettet. Handelt es sich dabei um einen Selbstmordversuch? Und wenn nicht, wer steckt dahinter? Die Ermittler stoßen bei ihren Recherchen auf eine Verbindung, deren Handlung weit zurückreicht ins Mittelalter und die Odenwälder Sagenwelt. Wirkt der Fluch heute noch nach, mit dem das im Mannesstamm ausgestorbene Geschlecht der Freien Herren von Crumpach-Rodenstein bedroht wurde?

Steffi Schwaiger begibt sich in ihrer unkonventionellen Art auf die Suche nach den Tätern und gerät selbst in Lebensgefahr…

Hinweis:

Die handelnden Personen und die Schauplätze des folgenden Romans sind frei erfunden. Einzelne Situationen der Geschichte wurden an historische oder reale Geschehnisse angepasst und verfremdet.

Prolog: Eine traurige Osterbotschaft

Der 4. April 2021 war ein warmer Frühlingstag, ein Ostersonntag wie er im Buche steht.

Ein lauer Frühling hatte die Kirschblütenzeit eröffnet.

Die Straßen waren menschenleer und auf Abstand bedachte Gemeindemitglieder hatten sich in den Kirchen versammelt. Die dritte Coronawelle war im Abklingen begriffen und die Menschen schöpften Hoffnung.

Für den Fahrer des nagelneuen Hybrid-SUV war es hingegen der schwärzeste Tag im Leben des bis zu diesem Zeitpunkt glücklichen Familienvaters. Er war fünfzehn Minuten vorher mit seiner Frau und den beiden Kindern aufgebrochen, um sich mit seinen Eltern zum Osteressen im Familienkreis zu treffen.

Eine halbe Stunde nach dem Unfall saß er im Bus der Polizeidirektion Erbach und schaute auf die leere Parkbank gegenüber.

Die Vorgeschichte der mondän gekleideten Dame, die er soeben überfahren hatte, kannte er nicht. Und er wusste ebenso wenig, dass sie sich auf dieser Bank von den Aufregungen der vergangenen Tage ausgeruht und einen Kinderwagen geschaukelt hatte. Dieselbe Dame, deren geschundene Leiche jetzt zugedeckt auf dem Fußgängerübergang der Ampelkreuzung ruhte.

Ein Seelsorger kümmerte sich um seine Frau und die beiden kleinen Kinder, die den Aufprall im Unfallwagen hautnah miterlebt hatten.

Das Auto des Familienvaters war mit nur geringfügig überhöhter Geschwindigkeit auf der L 3120 in Richtung Kreidacher Höhe unterwegs, aber die Wucht des Zusammenpralls war tödlich.

Wie die Dashcam des Unfallfahrers zeigte, hatte die Frau die Straße eindeutig bei Rot überquert. Ohne nach rechts oder links zu blicken, hielt sie Kopf und Hände im Lauf nach vorne auf die andere Straßenseite gestreckt.

Als ob sie etwas ergreifen wollte.

Sie bewegte sich im Laufschritt, aber sie war nicht schnell genug, um dem drohenden Zusammenstoß zu entkommen. Das Auto, das dank eines modernen Elektroantriebes nahezu lautlos die Landesstraße entlang fuhr, stieß sie an der Kreuzung Ludwigstraße und Adam-Karrillon-Straße zu Boden und tötete sie auf der Stelle.

Der Unfallfahrer wurde vor seiner Befragung durch die Polizei von demselben Seelsorger betreut, der sich jetzt um seine Familie kümmerte. Er hatte, aufgeschreckt durch das Sirenengeheul vor der Kirche, kurzentschlossen den Ostergottesdienst des nahegelegenen Gotteshauses unterbrochen. Das schrille Geräusch der Sirenen hatte die Osterbotschaft von der Auferstehung von den Toten gestört, und der Klang der Martinshörner ließ den Ton der Orgelpfeifen ebenso wie den Gesang der Gemeinde verstummen.

Vor der Kirche herrschte ein aufgeregtes Durcheinander, was angesichts des tragischen Zwischenfalls nicht verwunderlich war, aber von den Rettungskräften eher störend empfunden wurde.

Der Fahrer wurde von der Polizei, nachdem die Dash-Cam ausgewertet worden war, zum Unfallhergang befragt, aber er saß wie in Schockstarre da und wiederholte immer nur einen Satz.

„Wieso ist sie bloß bei Rot über die Straße gelaufen?“

Der junge Beamte, der die Aussage aufnahm, war nicht in der Lage diese Frage präzise zu beantworten.

Der leere Kinderwagen an der Parkbank hätte, wenn er gefragt worden wäre, einen Beitrag zur Vorgeschichte leisten können.

Aber dazu kam es nicht.

EINS

Die Abstammung

Georg Memmert verzieh zeit seines gesamten Lebens seiner Mutter nicht, dass sie ihn als uneheliches Kind in die Welt gesetzt hatte.

An Tagen wie diesen, wenn jedermann seine Toten ehrte, war es für ihn extra bedrückend, seiner Mutter zu gedenken.

Dabei hatte sich Hilde Memmert zeit ihres gesamten Lebens liebevoll um ihn gekümmert, und alle ihre Bedürfnisse hintangestellt.

Leider sah er in ihr immer nur die Frau, die ihn gebar und großzog, ohne ihn jemals über seinen Vater und seine Herkunft aufzuklären.

Dabei unterstellte er ihr enttäuscht ein Wissen, das nicht existierte. Sein unbekannter Vater hatte Georgs Mutter keinen Hinweis darauf zukommen lassen.

Seine Mutter war Köchin in einem adligen Haushalt gewesen. So viel war ihm aus ihren Erzählungen geläufig. Sein Glaube, dass sein Vater demselben Haus zuzuordnen war, basierte mehr auf einer instinktiven Ahnung als auf irgendeinem Beleg.

Das mag nicht zuletzt daran gelegen haben, dass sich seine kindlichen Erinnerungen an eine Mutter, die ihn vor fünfundsechzig Jahren in der Mutter-Kind-Klinik in Engenthal gebar, relativ bruchstückhaft gestalteten.

Sie war die erste ledige Schwangere, die einen Sohn in der im Odenwald gegründeten Dependance des Stammhauses in Wiesbaden gebar. Die Klinik war während des Krieges gebaut worden, aber ihren Betrieb nahm sie erst Anfang der fünfziger Jahre auf.

Nach der Geburt durfte Hilde Memmert in der Klinik bleiben, und er erinnerte sich dunkel an einige wenige Spielkameraden sowie an ein finsteres Haus mit geheimnisvollen Winkeln, die er in seiner Kindheit nicht zu betreten wagte. Seine Mutter erhielt eine Stelle als Köchin in der Anstalt, denn Kochen war ihr ein und alles.

Er wuchs in dem Heim auf und schloss dort seine Schulzeit mit der mittleren Reife ab, kurz nachdem seine Mutter nach langer Krankheit starb.

Seine wenigen Erinnerungen spülten von Zeit zu Zeit hoch, dass sie eine stolze Frau war, die seinem unbekannten Vater nicht nachtrug, dass er sie geschwängert hatte. Es war ein simpler ‚Verkehrsunfall‘, den sie in dem Haus erlitten hatte, in dem sie als Köchin arbeitete. Irgendjemand aus der Familie des Vaters hatte ihr die Geburt in der abgelegenen und neugegründeten Klinik in Engenthal ermöglicht.

Seine lebhaftesten Erinnerungen rankten sich um die Märchen und Sagen des Odenwaldes, mit denen sie ihn als Kind in den Schlaf begleitete.

Er kramte immer wieder in der alten Schuhschachtel mit den vergilbten Fotos, die sie ihm hinterlassen hatte. Rückblickend musste er zugeben, wie schön und großgewachsen und blond mit wasserblauen Augen sie war, wie sie so dastand auf dem Foto und selbstbewusst in die Kamera des unbekannten Fotografen schaute.

Was hätte er für eine tolle Jugend haben können, wenn seine Eltern sich ordentlich verhalten und geheiratet hätten.

Die Briefe, die er beim Entrümpeln ihrer Habseligkeiten entdeckte und erst Jahre später las, stammten alle von einem einzigen Absender, und waren entweder kurz vor und nach dem Krieg geschrieben worden. Einige waren als Feldpostbriefe abgestempelt. Der letzte Brief datierte vom 20. Dezember 1954.

Ein Weihnachtsbrief.

Vier Monate vor seiner Geburt datiert.

Die Affäre seiner Mutter mit seinem Vater hatte lange gedauert, und er war das unehrenhafte Produkt der Verbindung.

Er hatte nicht zuletzt deshalb die Briefe lange Zeit mit Missachtung gestraft, weil er im Stillen seinen Vater verfluchte, der seine Mutter schmählich mit ihm allein zurückgelassen hatte, ohne die Verantwortung für seine Samenspende zu übernehmen.

Zugleich war er traurig, dass seine Mutter ihm die Briefe vorenthalten hatte.

Im Gegensatz zu ihm war seine alleinerziehende Lebensspenderin niemals unglücklich oder haderte mit ihrem Schicksal. Jedenfalls zeigte sie das nie.

Ihr genügte es, zu wissen, dass ihr Sohn gesunde Gene geerbt hatte. Sie hatte nicht vor, halbgare Gerüchte weiterzugeben, denn eine solide Stammbaumanalyse erforderte angesichts der Vermutungen, die sich in ihrem Kopf um die Herkunft des Vaters rankten, einen Aufwand, den sie nicht zu leisten imstande war.

Für sie reichte es aus, sein Interesse zu wecken.

Um die Nachverfolgung der verästelten Familiengeschichte sollte er sich im Laufe seines Lebens selber kümmern.

Und so war es auch.

Er bemühte sich ab dem Zeitpunkt, an dem er konkrete Hinweise auf die Möglichkeit einer herausragenden Herkunft besaß, Licht ins Dunkel der verzweigten Linien seines Stammbaumes zu bringen.

Es sollte für ihn ein steiniger Weg werden, den zu bewältigen, er einen langen Atem brauchte.

Den einzigen Hinweis, den sie ihm quasi als Appetithappen mitgab, wiederholte sie ständig mit der Erzählung ihrer Lieblingssage. Und obwohl sie ihm die Sage immer wieder wie ein Nachtgebet erzählte, dauerte es Jahre, bis ihn die Neugier übermannte, die Briefe zu lesen und die Informationen zusammenzufügen.

Die Sage vom Rodensteiner[Fußnote 1]:

Der Letzte der Herren zu Crumpach-Rodenstein lernte seine Frau Maria auf einem Turnier in Heidelberg kennen und lieben. Lange Jahre lebten sie auf ihrer Burg im Frieden. Eines Tages geriet der kampflustige Freie Herr Hans zu Crumpach mit einem Nachbarn in Streit, den er glaubte, in einem Krieg ausfechten zu müssen. Seine schwangere Frau flehte ihn an, sie nicht zu verlassen, denn sie fürchtete um sein Leben. Als sie ihn festhielt, stieß er sie von sich. Sie fiel unglücklich und starb zusammen mit ihrem ungeborenen Kind. Tags darauf erschien sie ihm als weiße Frau im Traum und verfluchte ihn dazu, mit dem wilden Heer umherzuziehen und Krieg und Frieden anzukündigen.

Seither führte Hans III. von Crumpach-Rodenstein der sogenannte Schnellertsherr, bei bevorstehenden Kriegsereignissen ein Geisterheer an. Das Heer zog lärmend von der Ruine Schnellerts durch einen Bauernhof, dann entlang der Gersprenz und durch Fränkisch-Crumbach zur Burgruine Rodenstein durch die Lüfte, um beim Ende des Krieges von dort wieder zum Schnellerts zurückzukehren.

Nach dem Tod seiner Mutter erfuhr er erst durch die Testamentseröffnung, was sie ihm hinterlassen hatte. Neben der Schuhschachtel voller Fotos (sowie der Briefe, die er zur Seite legte und mit Missachtung strafte) handelte es sich um eine herrschaftliche Villa in Wald-Michelbach, die aus dem väterlichen Besitz stammte, was ein Einblick ins Grundbuch bestätigte.

Die Halloweenparty

Burg Frankenfels, Freitag, 31.10.2020

Seit seiner Artikelserie über die Missstände im Pflegeheim Jungbrunnen hatte sich Georg Jährling thematisch anderen Schattenseiten der Wohlstandsgesellschaft zugewandt. Die Problematik der Drogenabhängigkeit beschäftigte ihn vor allem deshalb so, weil sie schon zu lange vom großen Publikum kommentarlos hingenommen beziehungsweise vollkommen totgeschwiegen wurden.

Er verfolgte die Diskussion zur Freigabe von Cannabis mit Unverständnis und hoffte, mit seiner Aufklärungsarbeit dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten. Ein erhöhtes Steueraufkommen zu Lasten der Gesundheit sozial benachteiligter Menschen zu forcieren, entsprach nicht seiner Vorstellung einer nachhaltigen Politik.

Das Problem des Drogenkonsums weitete sich nach seinen Erkenntnissen auf jüngere Konsumenten bis hinunter ins Schulalter aus.

Nicht immer mit gutem Ausgang.

Seine Tochter Mia hatte ihn darauf gestoßen, die in Fürth das Hardenberg-Gymnasium besuchte.

Sie hatte ihm neulich aufgeregt erzählt, dass es an ihrer Schule eine Polizeiaktion gab, bei der zwei Dealer vor dem Schulgebäude mit Rauschgift verhaftet wurden, die angeblich an einige Mitschüler kleine Mengen Dope verhökert hätten.

„Das waren Jungs aus der Abschlussklasse, die dann damit geprahlt haben und uns überreden wollten, gemeinsam mit ihnen an dem Joint zu ziehen! Das war eklig“, sie verzog angewidert den Mund und hatte keine Hemmungen, mit ihrem Papa darüber zu reden.

Georg war erleichtert und hoffte, dass seine Tochter ihm gegenüber auch künftig so offen über Probleme sprechen würde. Die meisten Kids, da war er sicher, sträubten sich, das zu Hause zu erzählen.

Seit ihrer Entführung hatte Mia ein anderes, vertrauteres Verhältnis zu ihm entwickelt, er war fast geneigt, es vertrauensvolle Zusammenarbeit zu nennen.

Insgeheim nicht unfroh darüber, lächelte er in sich hinein.

Das Thema drogenabhängige Jugendliche ließ ihn dann nicht mehr los, und er hatte sich auf die Fahne geschrieben, das Leben und die Hintergründe der in Anhängigkeit geratenen Personen durch direkten Kontakt und Befragung zu ermitteln.

Ein Telefonanruf bei der Kripo in Erbach hatte die unerfreuliche Situation bestätigt, dass Marihuana Anbau in gewerbsmäßigem Umfang im Odenwald nichts Ungewöhnliches war.

Es ging ihm nicht nur darum, eine spannende Überschrift in der Lokalpresse zu produzieren.

Er dachte auch an die Missbrauchsopfer.

Vielleicht könnte er dem einen oder anderen helfen, aus dieser hinterhältigen Falle zu entkommen.

Seine Hintergrundrecherchen zum Drogenmissbrauch kamen an den bekannten Hotspots ins Rollen, wobei er auf Mias Hilfe zurückgriff, um diese Treffpunkte zu lokalisieren. Es gab nicht viele davon, wo sich die jugendlichen Schüler Orientierungslosen sammelten und abhingen.

Einmal geortet, war es im nächsten Schritt einiges schwieriger, als er eingeschätzt hatte, um mit dieser Art von Klientel ins Gespräch zu kommen. Er versuchte, sich in seiner Erscheinung und seinem Auftreten an die Zielgruppe anzupassen, und merkte schnell, sobald er in den Fragemodus kam, mauerten die Jugendlichen.

Nicht zuletzt deshalb wich er von seiner starren Haltung zur Ablehnung von Drogen ab und benutzte Haschisch, das unbedenklichste Mittel, das halbwegs legal aufzutreiben war, um den Betroffenen quasi eine Sprechhilfe anzubieten. Und siehe da, auf diese Art gelang es ihm, langsam aber sicher ihre Gesprächsbereitschaft zu erhöhen.

Schritt für Schritt bekam er so Einblick in alle Arten familiärer Krisenherde und problembehafteter Hintergründe, die teilweise etwas Beängstigendes an sich hatten. Es war ein weites Spektrum an Sorgen, Konflikten und persönlichen Schicksalen, das er so kennenlernte. Es reichte vom simplen und unbedarften Anfangskonsum aus Neugier oder Langeweile, wobei verwöhnte Söhne aus wohlbehüteten Familien gleichgesinnte Mädchen abschleppten und sich die Langweile aus der Birne rauchten. Bis hin zu richtigen Sozialfällen, von Jungs oder Mädels, die von zu Hause, aus welchen schwer zu erklärenden Gründen auch immer, ausgerissen waren und jetzt auf der Straße lebten. Die meisten von ihnen waren überdies psychisch angeschlagen bis hin zu bleischweren Depressionen, aus denen sie allein nicht mehr herausfanden.

Er mischte sich ein und unter die Süchtigen, und er bevorzugte Plätze, an denen sie ungehemmt abfeierten. Auch wenn das nicht der Hauptzweck war, so standen aktuell Halloweenpartys hoch im Kurs um abzufeiern und sich zuzudröhnen.

Damit war klar, wo er das ganze Wochenende über verbringen würde. Mit Schlafsack und einigen Gramm Hasch unterwegs, um sich auf Burg Frankenfels einzumischen. Um ehrlich zu sein, musste er sich ordentlich abstrampeln, um das Vertrauen der Junkies zu erringen.

Zu fortgeschrittener Stunde, als sich Müdigkeit über die Drogenkonsumenten ausbreitete, platzierte er seinen Schlafsack neben einer jungen Frau.

Die nicht nur drogenabhängig, sondern zudem schwanger war, worüber sie sich jedoch nicht groß den Kopf zerbrach.

Es bedurfte einiger Geduld seinerseits, um mit ihr ins Gespräch zu kommen, denn ihr Freund, der mehr wie ein Drogenhändler und Zuhälter zugleich aussah, schirmte sie auf eine unangenehme Art und Weise ab.

Sie taute auf, nachdem Georg ihr einen Joint offeriert hatte und sie bemerkt hatte, dass ihr Freund vollgekifft weggenickt war.

Sandra.

Nach einigen gemeinsamen Zügen am selbstgedrehten Joint gab sie ihre Zurückhaltung mehr und mehr auf und erzählte bruchstückweise, dass sie mit ihrem Zuhälterfreund von ihren Pflegeeltern abgehauen war.

Gegen ihren Willen hatte der sie aus einer Azubistelle in Michelstadt in ein Frankfurter Bordell gezwungen. Sie kannte ein Leben im Puff aus ihrer Zeit in der Wellnessoase im Haus ‚Jungbrunnen‘, aus der sie die Polizei und das Gesundheitsamt am Ende eines heißen Sommers befreit hatte.

Das Leben in der Pflegefamilie danach hatte sie ungewohnt in einem festen Ordnungsrahmen eingeengt. Sie fühlte sich so beengt, dass ihr das Leben außerhalb strenger Regeln lebenswerter vorgekommen war.

Dass sie im Puff der Wohlfühl-Oase von einem Freier geschwängert worden war, hatte sie erst gemerkt, nachdem sie erneut in einem Bordell gelandet war. Und sie bemerkte zu spät, dass die Freiheit, die sie gewann, indem sie mit ihrem Freund aus einer intakten Familie geflohen war, sie vom Regen in die Traufe zwang.

Im Frankfurter Rotlicht Milieu ließ ihr Zuhälterfreund sie erneut anschaffen, solange ihre Schwangerschaft eine körpernahe Dienstleistung zuließ. Seither waren sie im südhessischen Raum unterwegs.

Mal hierhin und dann dorthin.

Nach einer längeren Gesprächspause, in der Georg fast eingeschlafen war, erzählte sie, wie zu sich selbst sprechend weiter. Sie schaute in den kalten Himmel und sinnierte über ein angenehmes Leben, das man ihr gestohlen hatte.

„Manchmal denke ich, dass Gott mich vergessen hat. Alle haben mich nur ausgenutzt und wie eine Puppe an langen Fäden tanzen lassen“.

Georg schwieg.

Es fiel ihm keine passende Antwort dazu ein.

Das erwartete sie auch nicht.

Er würde den richtigen Moment finden, um ihr den Glauben an ein besseres Leben abseits der Drogen zu vermitteln. Vielleicht würde ihr Kind helfen, sie auf einen sinnvollen Lebensinhalt zu fokussieren.

*

Steffi Schwaiger, die Assistentin aus dem Ermittlerteam um Willy Hamplmaier, hatte von den Sozialstudien des Georg Jährling keine Ahnung, obwohl sie sich zeitgleich mit Emina dieselbe Partyszene ausgesucht hatte. Sie hielt sich nur wenige Meter von ihm entfernt auf, an einer Lokalität und vor einer Kulisse, an der die heile mit der verkorksten Welt aufeinandertrafen.

Sie hatte die Halloweenparty nicht besucht, um Junkies zu helfen. Sie hatte Emina den Besuch zu deren sechzehntem Geburtstag versprochen. Seit Wochen hatte sie sich mit den Vorbereitungen für eine Party abgemüht, die man im Nachhinein guten Gewissens eine vermurkste Covid-Partymutante bezeichnen würde.

In den Jahren vor Corona boten die Veranstalter der Halloweenparty auf Burg Frankenfels ihren Fans eine heißgeliebte, schaurige Nacht.

Diesmal war alles ungleich schrecklicher.

Obwohl sich Steffi und Emina die größte Mühe gegeben hatten, um andere Partygäste durch gruselige Virenbilder auf ihren langen weißen Kostümkleidern zu erschrecken, hielt sich ihr Spaß in Grenzen. Die Kostümwahl der meisten Besucher beschränkte sich auf den vorgeschriebenen Mund- und Nasenschutz und war einfallslos und weinig originell.

Steffi hatte sich ausgiebig mit Halloween und dessen eigentlichem Ursprung, dem Samhain-Fest, beschäftigt. Samhain bildete bei den Kelten den dunklen Pol des Jahres. Im Zentrum des Feierns stand die Thematik des Todes und dessen Verbindung zu den Lebenden.

Der mit dem Halloweenfest verbundene offene Umgang mit dem Tod strapazierte nach ihrem Empfinden nicht den persönlichen Bezug zu den Verstorbenen, sondern gestaltete ihn lebendig.

Das klang vermutlich seltsam, erklärte sich aber durch Steffis komplexe Psyche.

Zusammenfassend ließ sich feststellen, dass wegen der zweiten Welle der Coronapandemie Halloween jedoch ein glatter Reinfall war.

Und nicht nur deshalb.

Der ausschlaggebende und schockierendste Eindruck, den die Party hinterlassen hatte, betraf die allzu jungen Junkies.

Diese Bilder schmerzten Steffi und Emina in der Seele, und sie bekamen sie selbst Tage später nicht aus dem Kopf.

Emina taufte die Junkies in ihrer unnachahmlichen Art die Todgeweihten, und sie ahnte nicht, wie Recht sie mit dem Vergleich haben sollte.

Steffi meinte einen Augenblick lang eines der jungen Mädchen, die teilnahmslos an der Burgmauer lehnten oder im Gras fläzten, wieder zu erkennen. Es ähnelte frappierend einer der vier Minderjährigen, die sie mit ihren beiden Ermittler-Chefs erst vor kurzem im Pflegeheim ‚Jungbrunnen‘ dem Zugriff ausländischer Menschenhändler entzogen hatte.

Sie fixierte das Mädchen lange, von dem sie meinte, Sandra zu erkennen. In deren Augen und unter halbgeschlossenen Lidern blitzte kein Zeichen des Wiedererkennens auf.

Sie hatte sich erst vor kurzem mit Maria Bitsch von der Heimaufsicht für Pflegeheime in Darmstadt über das Thema unterhalten. Die hatte mit dem Verschwinden von der früheren Pflegedienstleitung, Nastasia Korolja, temporär für ein Vierteljahr die Leitung des Seniorenheims ‚Jungbrunnen‘ übernommen. Sie hatte sich spontan dazu bereit erklärt, den Mädchen eine Ausbildung an ihrer alten Wirkungsstätte mit einer alternativen Zukunftsaussicht zu ermöglichen.

Eine von den vieren, Katra, hatte das Angebot angenommen.

„Wie macht sich denn Katra? Ihr habt sie doch als Pflege-Azubi übernommen?“, hatte sich Steffi bei ihrem letzten Besuch im Heim erkundigt.

„Die macht sich gut. Sie hat es selbst geschafft, von der Nadel zu kommen, und stellt sich gut an“, erklärt eine zufriedene Maria Bitsch, „dafür habe ich von den anderen Junkiemädels eher desaströse Nachrichten“.

Und auf Steffis fragenden Blick war sie fortgefahren.

„Katra erzählt mir ab und zu etwas. Zwei der Mädels hängen leider immer noch an der Nadel. Sie kommen zwar nicht mehr so leicht an Drogen, vor allem seit die Polizei härter gegen Drogenhändler in der Region vorgeht. Leider ist eine der beiden, Sandra, komplett abgedriftet und untergetaucht. Stell dir vor, sie soll aus der Zeit in diesem Jungbrunnen-Puff schwanger sein.“

„Ich werde versuchen, mir die Mädels mal vorzunehmen“, hatte Steffi versprochen, bevor sie sich verabschiedet hatte. Sie war in den Arbeitsmodus des Gesundheitsamtes geglitten und liebte ihre Mutter Theresa Rolle.

Das zugekokste Mädchen vor der Burgmauer hatte einen extrem verwahrlosten Eindruck bei Steffi hinterlassen. Bevor sie es ansprechen konnte, wurde sie von Emina, die mit Todgeweihten nichts im Sinn hatte, schon weitergezogen. Den in der Gruppe anwesenden Georg Jährling hatte sie erst gar nicht wahrgenommen.

17,10 zł