Czytaj książkę: «Maschinenraum»
Walter Gröbchen
Verleger, Journalist und Kurator in Wien. Gemeinsam mit Partnern betreibt er die Musik- und Kommunikationsagentur monkey und den Platten-/Hifi-Store Schallter Audio & Records. Als Autor war und ist Gröbchen, zuvor lange Jahre Redakteur, Beitragsgestalter und Moderator bei Ö3 und Ö1 (»Musicbox«, »Nachtexpress«, »Diagonal« u. a.), für Die Zeit, Die Weltwoche, Financial Times, Rolling Stone, profil, Trend, Falter, Wiener u. a. tätig. Derzeitige Arbeitsschwerpunkte: die zeitgenössische Musiksammlung (»Poparchiv«) der Wienbibliothek im Rathaus, eine TV-Doku zum 50-Jahre-Austropop-Jubiläum 2020 und die Projektierung eines DAB-Radiosenders für den Großraum Wien. Die Kolumne »Maschinenraum« erscheint in der Wiener Zeitung.
WALTER GRÖBCHEN
MASCHINENRAUM
GEBRAUCHSANLETITUNG FÜR DEN MODERNEN ALL TAG
»Am liebsten erinnere ich mich an die Zukunft.«
Salvador Dalí
INHALT
(KEIN) VORWORT
GEGENWART
RAUM, ZEIT, TEXT (2019)
WELTWEITES AUFFANGNETZ (2020)
DAS HOFFNUNGSVOLLE LEUCHTEN DES BILDSCHIRMS (2020)
ENTSCHEIDUNGSFRAGEN (2020)
HANDSHAKE MIT DEM GROSSEN BRUDER? (2020)
WELTMASCHINE, HALT! (2020)
ALLTAG
CAT CONTENT (2010)
KURSZIEL SKLAVENFABRIK (2010)
KÜHLE ENTSCHEIDUNG (2011)
WEISSER HASE, SCHWARZER STECKEN (2012)
FITNESS HIJACKING (2014)
SPAGHETTI MIT PESTIZID (2015)
EINBRECHER, BITTE MELDEN! (2015)
UNGEHEUER MASCHINENSTEUER? (2016)
STAUBSAUGER MIT SYMBOLWERT (2017)
DIE KRYPTIK DER KRYPTOWÄHRUNGEN (2018)
DIE BANK-REVOLUTION (2019)
PUTZIGE KERLCHEN (2019)
DER IKARUS-APPARAT (2020)
MEDIEN & INTERNET
GESCHICHTEN AUS DEM GESICHTSBUCH (2009)
CLOSED SPACE (2011)
DIE FEHLENDE DIMENSION (2011)
DAS GROSSE VERGESSEN (2014)
SCHLECHTWETTERLAGE (2014)
DAVID VERSUS GOLIATH (2015)
GESICHTSLOS (2018)
OH WEH, WEH, WEH! (2019)
BILDERBUCH FÜR HALB-ERWACHSENE (2019)
WENIGER = MEHR (2019)
MOBILITÄT
DIE NEUERFINDUNG DES RADS (2009)
ARMBRUSTSCHWACH (2009)
PORSCHE IM GEDANKENSTAU (2010)
HUMMER-LOS (2012)
PORSCHE ZAFIRA (2012)
TRIUMPHE & TRAGÖDIEN (2012)
DAS ELEKTRO-WAFFENRAD (2012)
MEIN-KAMPF-RADLER! (2016)
UBERDRUBER (2017)
DAS ENDE DER SEHNSUCHT (2018)
SAND IM GETRIEBE (2019)
MUSIK
PUNKTLANDUNG (2009)
EIN GLAS AUF LEO FENDER (2010)
DIE DUNKLERE SEITE DES MONDES (2011)
GOLDENE SCHALLPLATTE (2013)
HIGHEST FIDELITY (2014)
OHNE SCHLITZ (2016)
STRAHLENDE DUNKELHEIT (2016)
BLUE, BLUE, ELECTRIC BLUE (2017)
HÖR’ DOCH MAL, OPA! (2018)
DRAHTLOSES UNGLÜCK (2019)
KLINGKLANG IM DESIGN-WOHNZIMMER (2019)
POLITIK
EUROFIGHTER AUF EBAY! (2010)
BÜRGERKRIEG 2.0 (2010)
CAMERON, FRANKLIN & WIR (2011)
DIE REPUBLIK DER PECHVÖGEL (2012)
NEHMEN WIR EINMAL AN (2013)
FREIHEIT IST SKLAVEREI (2013)
GEWÖHNUNGSEFFEKT (2015)
CHINESISCHE VERHÄLTNISSE (2015)
HOFFNUNGS-LOS (2016)
DENKWERK ZUKUNFTSREICH (2019)
DIE IBIZA-CONNECTION (2019)
VERGANGENHEIT
REDEN UND SCHWEIGEN (2011)
AUSGESCHOSSEN (2009)
TECHNISCHES PRIVATMUSEUM (2010)
PHÖNIX IN DER ASCHE (2011)
DAS JAHR DER STILLEN SONNE (2011)
MEMENTO MORI (2012)
DER FAKTOR FORM (2013)
RAUM UND ZEIT (2015)
SINUS, COSINUS, TANGENS (2016)
NUR FLIEGEN WAR SCHÖNER (2017)
ZUKUNFT
ZUKUNFTSFORSCHUNG (2014)
KOHLENSTOFFFIEBER (2014)
AUS-ZEIT (2015)
KÜNSTLICHE SONNE (2015)
2001: ODYSSEE IM ALLTAG (2018)
JENSEITS DES HORIZONTS (2018)
GENERATIONENKONFLIKT (2019)
MANN IM MOND (2019)
UTOPIA: EINE ÖKO-DIKTATUR (2019)
ZUKUNFTSAHNUNG (2019)
(K)EIN VORWORT
Es ist ein Tag der Arbeit, und dabei schreiben wir noch gar nicht den 1. Mai. Ich sitze an diesem Text, einem Vorwort, weil ich meine, dass ein Buch ein Vorwort braucht. Tatsächlich ist das Vorhaben, ausgewählte Kolumnen aus über zehn Jahren zu versammeln und neu auszubreiten, nicht selbsterklärend. Zumal im Feld des Technischen und in Zeiten wie diesen, wo sich viele Einschätzungen von anno dazumal relativieren oder längst ins Gegenteil verkehrt haben. Wer möchte heute noch dem menschlichen, eventuell aber auch nur männlichen Drang, in einem schicken Sportflitzer mit Verbrennungsmotor unbekümmert durch die Landschaft zu brausen, das Wort reden? Oder sich spontan in ein Flugzeug gen Afrika oder Asien verfrachten lassen, wenn gerade die größten Fluglinien der Welt zur Disposition stehen?
Es sind seltsame Tage, in denen dieses Buch entsteht. Sie werden an vorderster Stelle eine Kolumne finden, die als Botschaft an einen Freund gedacht war – Peter Glaser. Es war der mehr oder minder charmante Versuch, dem österreichischen Autor, der seit Jahren in Berlin lebt und arbeitet, ein Vorwort abzuringen. Er hat auch gleich zugesagt, zu meiner Freude, denn ein paar definitiv kundige einleitende Worte zu diesem Kompendium hoffentlich halbwegs kundiger Texte sind mehr als bloßes Beiwerk. Sie adeln das Buch, den Verlag und den Autor. Allein: Ich erreiche Peter seit Wochen nicht, und die letzte Botschaft, die mich via Personal Message auf Facebook erreichte, klang gar nicht gut. Was mit den Umständen zu tun hat, mit Corona, der Bürokratie, der Ratlosigkeit, der körperlichen und seelischen Verfasstheit in Phasen wie diesen. Die vielen Fragezeichen und alles Gute wünschenden Buchstaben meiner immer dringlicheren Depeschen an den erhofften Verfasser dieses Einleitungstextes blieben ab Mitte März unbeantwortet. Ich hoffe dennoch, Peter Glaser baldigst ein »Maschinenraum«-Exemplar überreichen zu können. Persönlich, mit Freude, Dank und Erleichterung.
So liest sich dieses Buch auch ein wenig mehr wie ein persönliches Logbuch als ursprünglich gedacht. Tagesaktuell war das Gros der Kolumnen nie, aber es kam zu den geplanten Kapiteln über die Vergangenheit und die Zukunft – ohne die wohl kein halbwegs unterhaltsames Werk zum Thema Technik im weitesten Sinn auskommen kann – noch eine Abteilung zur Gegenwart dazu. Dass sie uns morgen (und das kann dann schon der Tag sein, an dem Sie diese Zeilen erstmals lesen) hoffnungslos veraltet, schräg und falsch beurteilt vorkommt und wir das C-Wort nicht mehr annähernd riechen können (oder wollen), mag sein. Aber die Lachhaftigkeit vieler Konzepte, Konstruktionspläne und Visionen von einst ergibt sich schon bei der Lektüre ein paar Jahre oder gar Jahrzehnte alter Wirtschafts- und Technikmagazine. »Life is what happens while you’re busy making plans«, wusste schon John Lennon. Wir sollten die vergilbten Ideen von gestern dennoch studieren, weil sie uns auch jede Menge über die aktuelle Situation erzählen. Und den Weg dahin.
Was will dieses Buch, was will die ihr zugrunde liegende Kolumne (die erstmals 2009 in der Presse erschien, wofür es Christian Ultsch und Rainer Nowak zu danken gilt, und die seit 2017 in der Wiener Zeitung abgedruckt wird, hier geht der Dank an Christina Böck, Bernhard Baumgartner und Ex-Chefredakteur Reinhard Göweil)? Kurz gesagt: ein Begreifen ermöglichen. Jede hinreichend fortschrittliche Technologie sei von Magie nicht zu unterscheiden, hat der britische Autor Arthur C. Clarke einst postuliert. Hier aber geht es um Entzauberung. Der gemeinsame Abstieg in den »Maschinenraum« ist der Versuch einer lustvollen, nicht mit Fachsprache, Hard Facts und technischen Details überfrachteten Expedition in den Alltag eines Durchschnitts-Users. Das ist wesentlich: Alle Beobachtungen, Anmerkungen und Einschätzungen erfolgen aus der Sicht eines kritischen Konsumenten, nicht eines Experten.
Wie für jeden Autor, für jede Autorin gilt auch für mich: Wir schreiben gegen das Sterben an, gegen das Vergessenwerden, gegen den Lauf der Dinge. Wie lange wird der Laptop, in dessen Tastatur ich gerade klopfe, noch klaglos laufen? Was kann uns Neo-Virologe Bill Gates über die Vergänglichkeit erzählen, welches Smartphone nutzt der Papst (und schaltet er es während eines Gesprächs mit Gott aus)? Wird die Zukunft mehr Technik, mehr Verstehen, mehr Lösungen bringen oder weniger? Und kann Fortschritt gegebenenfalls das Überleben der Menschheit sichern? Fragen über Fragen. Ich beginne abzuschweifen. Zeit, umzublättern.
GEGENWART
»Es ist dies das Zeitalter der Angst, weil die elektrische Implosion uns ohne Rücksicht auf ›Standpunkte‹ zum Engagement und zur sozialen Teilnahme zwingt.«
Marshall McLuhan
»Der Fortgang der wissenschaftlichen Entwicklung ist im Endeffekt eine ständige Flucht vor dem Staunen.«
Albert Einstein
»Was man heute als Science-Fiction beginnt, wird man morgen vielleicht als Reportage zu Ende schreiben müssen.«
Norman Mailer
RAUM, ZEIT, TEXT
Schreiben über Technik? Selten im Radar des Literatur-Nobelpreis-Komitees. Leider.
Ich habe das ehrenwerte Angebot bekommen, eine Auswahl der hier erscheinenden Kolumnen als Buch zu veröffentlichen. Ob sie es wert sind, weiß ich nicht. Aber das soll das Publikum entscheiden, das ja im Kosmos der Konsumprodukte eine faktisch brutale, nicht selten finale Abstimmung vornimmt – an der Kassa des Buchladens, via »Buy«-Click im Internet. Oder auch nicht. Noch gilt das Prinzip Hoffnung: Die pure Existenz des Werks wird Ihnen nach diesem Vorab-Hinweis und seinem Erscheinen noch oft genug untergejubelt werden. Eventuell hilft es, die Absatzzahlen zu steigern, wenn ich nicht extra auf den Umstand verweise, dass sich die Mehrzahl der Texte online leicht auffinden und gratis studieren lässt.
Aber ein Buch macht halt deutlich mehr her! Erst recht für den Autor. Es ist ein Konzentrat jahrelanger flüchtiger Beobachtungen, launiger Anmerkungen, bisweilen auch dauerhafterer Gedanken und Erkenntnisse. Abseits profaner Tagesarbeit, die hilft, die Miete zu bezahlen, rückt allein das jahrtausendealte, auch im 21. Jahrhundert konkurrenzlos sinnliche Medium Papier jeden Beistrich in die Nähe ernsthafter Literatur, und man muss nicht von Tolstoi, Homer und Handke kommen, um sich geadelt zu fühlen. Eventuell reicht auch Hobby – das Magazin der Technik. Kennen Sie nicht? Im Feld des strikt linearen technologischen Fortschritts, der kein Zurück kennt und selten Nostalgie, freilich kein Mirakel. Entschuldigen Sie das Pathos! Mir ist gerade danach.
Ich habe Peter Glaser ein Mail geschickt, ob er ein kurzes Vorwort für das Büchlein verfassen möchte. Kennen Sie ebenfalls nicht? Der Mann ist der beste Technik-Kolumnist des deutschsprachigen Raums (auch wenn ihm Sascha Lobo hart auf den Fersen ist). »Geboren als Bleistift in Graz« in den Fünfzigerjahren des vorigen Jahrtausends, wie seine Web-Biografie festhält. Heute lebt Glaser in Berlin. Eigentlich aber im Cyberspace. Wie geht so einer, wage ich zu fragen, mit der Flüchtigkeit seiner schriftstellerischen Existenz um, der Rasanz der Zeit, der Explosion der im Idealfall vollständig und penibel zu kommentierenden Möglichkeiten, Perspektiven, Entwicklungen? Erst recht im Kontrast zur – vermeintlichen? tatsächlichen? – Gefangenheit des Menschen in sich selbst. Apropos: Peter Glaser sitzt, wenn er nicht seinen Intellekt um den Globus streifen lässt, im Rollstuhl. Nicht die übelste Erfindung in der Geschichte der Menschheit.
Ich halte gerade eines seiner Bücher in Händen. Der Autor – Bachmann-Preisträger! – ist mir weit voraus, was bedrucktes Papier betrifft. Das Werk (»24 Stunden im 21. Jahrhundert«, Erscheinungsjahr 1995) ist, oberflächlich betrachtet, vergilbt, aber es strotzt vor zeitlos aktueller Gedankenfülle. Und zutiefst humanem Humor. Ich empfehle dringend: googlen, abonnieren, lesen Sie Glaser! Technik und Alltag, Introspektion und Extrapolation, Poesie, Gegenwart und Zukunft so elegant zu verzahnen ist kein Lercherlschas. Zumal sich die ernste Literatur selten Alexa, Greta und das nimbusumflorte Nobelpreis-Komitee in den Elfenbeinturm einlädt; eine ihrer größten Schwächen. Jetzt bin ich mal gespannt, was mir vergleichsweise der Grazer Titan, Freund und Kolumnistenkollege zurückschreibt.
WELTWEITES AUFFANGNETZ
Aufklärung oder Verschwörungstheorie? Das World Wide Web transportiert beides.
Ich schreibe dies zwei Tage nach der Zeitenwende im Jahr des Herrn 2020, und wenn diese Zeilen nach einem Logbuch-Eintrag klingen, dann durchaus beabsichtigt. Es ist gerade mal zwei Wochen her, dass ich an dieser Stelle das »hoffnungsvolle Leuchten des Bildschirms« imaginierte, als eine Art Signalfeuer im Meer der Unwägbarkeiten. Damals – es erscheint seltsam fern – begann Italien ob der Covid-19-Pandemie mit der Abriegelung erster Provinzen, mittlerweile hat sich das ganze Land selbst unter Quarantäne gestellt. Aber alles hat längst die Grenze passiert: das Virus, die Angst, die Maßnahmen, der Kampf gegen einen unsichtbaren Feind. Europa, nein, die Welt befindet sich im Kriegszustand.
Zu viel Lärm um eine Krankheit, die bis zuletzt noch als »harmloser als eine Grippe« galt? Ich meine: nein. Es sind die leuchtkräftigen Bilder, die uns den Weg weisen im Sprühnebel der Desinfektionsmittel. Auch da kann sich jeder heimische Politiker eine Scheibe von der Methodik (nicht der Moral!) der chinesischen Behörden abschneiden: Zeig’ entschieden, wo’s langgeht, erklären kann man es später immer noch – verstehen könnten es locker zwei Drittel der Bevölkerung, aber wirklich verinnerlichen will es aktuell vielleicht ein Bruchteil davon, wenn überhaupt.
Man konnte selbst respektierte Journalisten, Meinungsbildner und Landärzte lange nicht vom Wesen dieses Wettlaufs mit dem Tod überzeugen. Man kann es partiell immer noch nicht – sei es mit Schautafeln, Videos, mathematischen Formeln, akkuraten Statistik-Kurven oder dramatischen Augenzeugenberichten aus Spitälern in Krisen-Hotspots. Mit fatalen Folgen.
Bezeichnenderweise hat in diesem Kontext der potenziell hochklassige, weil weltumspannende, quellendiverse und mit Abstand rasanteste Kommunikationsträger – das Internet – mit seiner eigenen Übermacht zu kämpfen. Jeder nutzt es, keiner traut ihm. Weil der Großteil seiner User zu träge ist, Fakten zu checken, Informationen abzuwägen und ein Sensorium gerade für unangenehme Wahrheiten zu entwickeln, glaubt man nur, was man vorher schon an »Meinung« in der warmen Jackentasche mit sich herumtrug.
So kam, was kommen musste: Man wird – inmitten eines Tsunamis! – Teil einer Fraktion in einer fraktionierten Welt. Pro? Contra? Egal? Mir jedenfalls egal, bei manchen Zeitgenossen als Mitbefeuerer einer »weltweiten social-media-gesteuerten Massenhysterie« (O-Ton in einem Facebook-Thread) zu gelten. Time will tell. Aber den Ärzten läuft die Zeit und die Bettenkapazität davon. Es wäre mehr als schmerzlich, recht zu behalten.
Homeoffice now! Das hoffungsvolle Leuchten des Bildschirms … Warum setzen wir weiterhin auf die vielgeschmähten, nachgerade verdammten, an ihre Kapazitätsgrenzen geratenden Neuen Medien? Weil die elektronischen Kanäle ein Eckpfeiler eines würdigen Weitermachens, ja Weiterlebens sind. Erst recht bei geschlossenen Grenzen und Türen. Weil wir uns noch viel zu sagen haben werden in den nächsten Wochen, Monaten. One-to-one. One-to-many. Viral. Jeder Mensch für sich. Allein in und aus seinem Quarantäne-Raum, seinem Ego-Bunker, seinem Familiennest, seinem Chefbüro, seinem Krankenbett, seiner Polit-Schaltzentrale, seiner Steinzeithöhle des 21. Jahrhunderts.
DAS HOFFNUNGSVOLLE LEUCHTEN DES BILDSCHIRMS
Die wirksamste Abwehr von Covid-19: der eigene, hoffentlich gesunde Menschenverstand.
In diesen Tagen sind gute Nachrichten doppelt willkommen. Hier ist eine: Die Neuen Medien funktionieren als Live-Ticker, Informationsquelle und persönliches Nachrichten-Netzwerk im Fall einer unklaren Bedrohungslage durchaus. Jedenfalls besser als erwartet. Sie zeigen dabei die ganze Bandbreite der Reaktionen auf das Corona-Virus (offiziell: Covid-19) – von epidemischer Angst über sterile Sachlichkeit bis zu demonstrativer Gelassenheit. Letztere nicht selten verbunden mit einer gesunden Portion Ironie. »Ich habe weniger Angst vor dem Virus als davor, was passiert, wenn plötzlich alle zuhause bleiben und den ganzen Tag hier auf Twitter verbringen«, warf ein forscher Politikberater – der sich selbst »Agent Provocateur« nennt – in die Runde.
Tatsächlich ist das Szenario nicht ganz unvorstellbar. Wer nach China blickt oder, weit näher, Italien, für den sind Abriegelungen ganzer Wohnblocks, ja Städte und Provinzen, inzwischen das Denkmodell der Stunde. Trautes Heim, Glück allein (regelmäßiges Händewaschen nicht vergessen)! Österreichs Entscheidungsträgern wird dito nichts anderes einfallen, so entschlossen sie auch in die TV-Kameras blicken. Allein: Zurück bleibt der Eindruck, dass derlei das Virus nicht stoppt. Und es eine beunruhigende Kluft gibt zwischen der gebetsmühlenartig wiederholten Botschaft, Covid-19 sei »harmloser als eine Grippe« und medizinischem Fachpersonal, das in Schutzanzügen durch die Gegend stapft wie in einem Endzeit-Thriller.
Ein weiteres Twitter-Fundstück – ein Video des britischen Daily Telegraph – macht erst recht betroffen: Es zeigt den Gesundheitsminister des Iran, stark schwitzend, bei der Verkündung der offiziellen Botschaft, man hätte »alles im Griff«. Am nächsten Tag bekam der Mann sein persönliches medizinisches Testergebnis: positiv.
Zu Tode gefürchtet ist aber auch gestorben. Die Technik – und ihr Funktionieren – sind in solchen Situationen die Voraussetzung für eine systematische, erfolgversprechende Abwehrreaktion. Stephen Hawking, der britische Astrophysiker, warnte 2017 vor den größten Bedrohungen der Menschheit: Klimawandel, Atomkrieg, genetisch veränderte Viren, Künstliche Intelligenz. Aber grundsätzlicher Pessimismus war Hawking nicht eigen: »Nachdem wir die Nutzung des Feuers entdeckt hatten, haben wir uns ein paar Mal dumm angestellt. Und dann den Feuerlöscher erfunden.« Die größte Gefahr für sich selbst und diesen Planeten sei der Mensch. Aggression als Wesenszug der humanoiden Spezies. Einzig wirksames Gegenrezept: Empathie.
Es ist ein wohl kein Zufall, dass Medien alter und neuer Bauart dieses Aggressionspotenzial – das Angst (oft irrationaler Natur) als Nährboden hat – widerspiegeln, verstärken und potenzieren. Insofern erlaube ich mir, in diesen Tagen Selbstdisziplin anzuraten: Man überlege sich doppelt und dreifach, wie eine Botschaft auf Seite der Empfänger verstanden werden kann (inklusive aller denkbaren Missverständnisse), bevor man auf die »Send«-Taste drückt. Das gilt insbesondere für öffentliche Wortäußerungen. Damit kein Missverständnis entsteht: Alles, was uns zum Lachen bringt, ist ausdrücklich erwünscht.
ENTSCHEIDUNGSFRAGEN
Die Software-Wahl der Stunde ist keine Überlebensfrage. Oder doch?
Der Maschinenraum hält als Metapher Einzug in die Kommunikation der Krisenstäbe. So sprachen diese Woche sowohl Kanzler Kurz wie auch Vizekanzler Kogler davon, das sei der Raum, wo Entscheidungen getroffen würden. Das ist falsch. Wenn man sich schon nautischer Metaphorik bedienen will, dann wäre das die Kommandobrücke.
Im Maschinenraum tun subalterne, dreckverschmierte Gestalten Dienst, sie schaufeln Kohle, bedienen Stellräder und heizen den Kessel. Aber ja, ohne sie wäre auch die Brückenbesatzung mit Kapitänspatent verloren. An schiefen Bildern, unzulässigen Vergleichen und gewagten Gedanken mangelt es dieser Tage wahrlich nicht. Aber wir müssen lernen, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen, Wesentliches von Nebensächlichem, Realität von Fiktion. Und das rasch.
Die Entscheidung, ob man weiter auf restriktive (und zunehmend repressive) Maßnahmen gegen eine Pandemie setzt oder, in striktem Gegensatz dazu, rasch wieder die Wirtschaft ankurbelt, statt Desinfektionsmittel Optimismus versprüht und ein vergleichsweise normales Alltagsleben zulässt, ist gerade die Kernfrage. Ich stelle nur eine einzige Frage in den Raum: Kann eine Gesellschaft, in der auf Jahre hinaus biologisch begründetes Misstrauen herrschen wird, überhaupt zu so etwas wie Normalität zurückkehren? Man muss kein Tourismusmanager oder Oberarzt sein, um die Dringlichkeit dieser Frage zu spüren. Kühle Darwinisten würden antworten: Das Verrecken von Millionen Menschen hat uns bis dato auch nicht geschert, die Welt ist, wie sie ist, der Lebens-und Überlebenskampf bis hinein in die kleinsten Wirtschafts-, Kultur-und Privaträume ist unser Schicksal. Aber ich bin kein Darwinist. Und weiß mich als Mensch von einer Bestie zu unterscheiden. So hoffe ich zumindest, und, fatal banal, die Hoffnung stirbt zuletzt. Genug der Herumphilosophiererei im Homeoffice. Gut von Böse zu trennen, ist aber auch hierorts eine Frage, die sich ständig stellt.
Ich will Ihnen ein Beispiel nennen: Zoom. Das ist eine kleine, in ihren Basisfunktionen gratis erhältliche Software, die Videokonferenzen im Web ermöglicht. Gut, das tun andere Programme auch – von Microsoft Teams bis Skype –, aber tatsächlich scheint es mir via Zoom simpler, unkomplexer und in puncto Audio- und Videoqualität besser zu funktionieren als mit den genannten Alternativen (eine brauchbare Netzbandbreite vorausgesetzt). »Die Coronakrise wirkt wie eine gigantische Werbekampagne für die Software«, konstatierte Der Spiegel. Und warnte zugleich, wie viele andere Medien dieser Tage, vor ihrem Gebrauch. Aus Datenschutz- und Sicherheitsgründen. Man kann beim geringsten Zweifel dazu die Details – nebst unzähligen mahnenden Stimmen – im Netz finden.
Bin ich, sind wir also einmal mehr Opfer eines Herdentriebs? Oder sollten wir jetzt nicht zu kleinlich oder gar latent panisch sein mit all unseren Bedenken? Zoom hält gerade meine kleine Firma am Laufen, das funkt. Aber ob ich in ein, zwei Jahren immer noch diesem Pragmatismus anhänge und meine Liebe überlebt, wird sich erst weisen.