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INHALT Lebendige Seelsorge 4/2018

THEMA

Synodalität – eine Perspektive für die katholische Kirche

Von Joachim Schmiedl

Synodalität aus evangelischer Perspektive

Von Christian Grethlein

Chancen der Partizipation

Die Replik von Joachim Schmiedl auf Christian Grethlein

Synodalität in der katholischen Kirche – evangelisches Staunen

Die Replik von Christian Grethlein auf Joachim Schmiedl

Jugendtheologie als Vorfeldarbeit zum synodalen Prozess?

Grundannahmen und Konkretisierungen Von Bert Roebben, Janieta Bartz, Laura Otte und Katharina Welling

PROJEKT

Triff den Papst in der Kneipe – 50.000-mal

Von Simon Linder

INTERVIEW

„Eine Kirche, die aufhört, von Berufung zu sprechen, würde aufhören zu existieren!“ Ein Gespräch mit Jugendbischof Stefan Oster SDB, Magdalena Hartmann und Thomas Andonie

PRAXIS

Jugendsynode im Ländervergleich Themen für die Jugendsynode aus den Antwortdokumenten der Bischofskonferenzen, der Vorsynode und des Instrumentum Laboris Von Paul Metzlaff

Die Partizipationspraxis junger Leute

Wunschdenken der Älteren oder Realität?

Von Peter Martin Thomas und Verena Hünerfeld

Die MEHR-Konferenz. Mehr als eine Konferenz

Von Theresa Mertes und Chris Cuhls

Jugendkirchen im Konzert der jugendpastoralen Vielfalt

Von Eileen Krauße

FORUM

Kirche(n) unter Soldaten – Zur Ökumene in der Militärseelsorge

Von Niklas Peuckmann

NACHLESE

Glosse

Von Annette Schavan

Buchbesprechungen

Impressum

POPKULTURBEUTEL

Mancher Dornbusch schaut zurück

Von Matthias Sellmann

EDITORIAL


Matthias Sellmann Mitglied der Schriftleitung

Liebe Leserin, lieber Leser,

es gibt in pastoralen Kreisen ein schönes, immer wieder gern genutztes Wort, das heißt: „Die Jugend ist ja die Zukunft der Kirche.“ Da sind sich alle einig. Und es schließen sich zwei Konsequenzen an: Da man ja die eigene Zukunft zu fördern hat, sollte man auch die Wünsche des Jugendkaplans, der Jugendreferentin oder der Jugendverbände großzügig unterstützen.

Und zweitens: Da ‚die Jugend‘ so erkennbar anders und immer mehr scheinbar auch gar nicht so Kirche ist wie man selber, macht man sich große Sorgen um die Zukunft. „Wo soll das enden, wenn es schon so anfängt?“, fragt man sich – und reiht sich ein in die jahrhundertealte Reihe all jener Lehrer, Philosophen, Professoren, Eltern und sonstigen Erzieher, die immer schon wussten, dass nach ihnen irgendwie das Niveau zu sinken begann.

Auf diesem Schiff offenbar permanent sinkenden Glaubensniveaus erleben wir gerade einen prominenten Navigierer in wildem Flaggenalphabet. Er buchstabiert nach draußen auf das Meer: „Die Jugend ist die Gegenwart der Kirche“. Und da ihn Gegenwart mehr als alles interessiert, lädt er junge Leute ein, das alte Schiff mal kritisch unter die Lupe zu nehmen.

Gemeint ist Papst Franziskus und sein Projekt der Jugendsynode in diesem Herbst. Das Dokument zur Vorsynode ließ schon aufhorchen – denn selten gab es einen derart entschieden lernbereiten Text des Vatikans. Die Vorsynode selbst hielt das Versprechen. Wir können neugierig sein, was die Synode selbst für Überraschungen bereithält.

Dieses Themenheft wird Ihre Neugierde befeuern. Beteiligte und Verantwortliche kommen zu Wort; die Idee einer expliziten ‚Jugendtheologie‘ wird präsentiert; das Instrument ‚Synode‘ wird ökumenisch und soziologisch geprüft; Projektberichte bringen Farbe ins Spiel.

Der alte Pott wird sicher kein Katamaran, auch nicht nach dem Herbst 2018. Aber junge Leute haben normalerweise mehr Angst vor Häfen als vor Ozeanen. Und das macht uns flott.

Ihr


Prof. Dr. Matthias Sellmann

THEMA

Synodalität – eine Perspektive für die katholische Kirche

Der erste synodale Akt in der Geschichte der jungen Kirche war die Wahl des Matthias zum Apostel (Apg 1,15-26). 120 Personen waren zusammengekommen. Weniger waren es dann beim so genannten „Apostelkonzil“ (Apg 15) mit dem Verzicht auf Beschneidung und Speisevorschriften. Konzilien und Synoden prägten die Entwicklung der Kirche dann nicht nur in den ersten Jahrhunderten mit der Klärung der christologischen und trinitarischen Fragen, sondern dienten zu allen Zeiten der Herausbildung von Lehre und Gestalt der Kirche. Das gilt für die römische Kirche ebenso wie für die Kirchen der Orientalen und Orthodoxen sowie für die Kirchen der Reformation. Joachim Schmiedl

Das Kirchenrecht von 1917 schrieb für die römisch-katholische Kirche die Abhaltung von Diözesansynoden alle zehn Jahre vor (CIC/1917, can. 356-362). Diese Regelmäßigkeit wurde in Deutschland nicht durchgehalten. Das Zweite Vatikanische Konzil rief deshalb Synoden wieder in Erinnerung. Im Bischofsdekret Christus Dominus (CD 36) werden sie als „ehrwürdige Einrichtungen“ bezeichnet. Das Konzil unterscheidet Synoden, Provinzialkonzilien und Plenarkonzilien. Im selben Abschnitt ist auch von den Bischofskonferenzen die Rede. In Ergänzung der Herausstellung der päpstlichen Vollmacht auf dem Ersten Vatikanischen Konzil bindet das Zweite Vatikanum die Kollegialität der Bischöfe mit einer synodalen Ausübung ihrer Vollmacht zusammen. Hinzu kam, dass das Konzil die theologische Position der Laien stärkte. Auch sie nehmen an der Heilssendung der Kirche teil, wie die Kirchenkonstitution LG 33 hervorhebt, und üben eine „wertvolle Wirksamkeit zur Evangelisation der Welt“ (LG 35) aus.

NACHKONZILIARE SYNODEN

Dadurch musste sich die Gestalt von Synoden nach dem Konzil verändern. An den ersten Bischofssynoden, die Paul VI. an die Stelle des vom Konzil gewünschten permanenten Bischofsrats gesetzt hatte, nahmen nur Ordinarien im rechtlichen Sinn teil. Den Durchbruch zu einer veränderten Gestalt von Synode brachte das Niederländische Pastoralkonzil (1967–1970), an dem nicht nur Bischöfe und Priester, sondern auch Laienvertreter stimmberechtigt teilnahmen. Daran orientierten sich auch die deutschsprachigen Länder bei ihren nachkonziliaren Synoden.

In der Bundesrepublik Deutschland ging die Initiative vom Essener Katholikentag aus. Der Diskussionsbedarf wurde von der Christlichen Arbeiterjugend (CAJ) als Antrag an die Bischofskonferenz formuliert, die den Vorbereitungsprozess in Gang setzte. Lange wurde um Statut und Geschäftsordnung gerungen, um sowohl die Freiheit der Synode als auch die Rechte der Bischöfe als „episkopoi“, als Aufseher über den Glauben, zu wahren. Vereinbart und auch von Rom genehmigt wurde ein Verfahren, nach dem die Bischofskonferenz vor der jeweiligen Lesung einer Vorlage ihre eventuellen Bedenken vorbringen sollte, diese aber auch zur Diskussion gestellt wurden und auf diese Weise noch modifiziert werden konnten. So wurde die Diskussionskultur gestärkt und größere Differenzen vermieden, was jedoch nicht für mit Rom auszuhandelnde Streitfragen wie den Diakonat der Frau oder die Laienpredigt galt.

Joachim Schmiedl

Dr. theol. habil., Professor für Mittlere und Neue Kirchengeschichte an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar.

Die Dynamik dieser nachkonziliaren Nationalsynoden, zu denen noch die Dresdner Pastoralsynode, die Schweizer Synode 72 und der Österreichische Synodale Vorgang zu rechnen sind, entsprach dem Aufbruch der Kirche nach dem Konzil, aber auch der inzwischen eingetretenen Ernüchterung. Jede Synode prägte das Gesicht der jeweiligen Kirche. Die Struktur der Bistümer, Katechese, Religionsunterricht und Jugendarbeit, Kirche als Weltkirche und transnationale Gemeinschaft im eigenen Land, eine prophetische Zeitanalyse („Unsere Hoffnung“) – die Bilanz gerade der Würzburger Synode kann sich sehen lassen.

Aber was ließ sich wirklich verändern? Die Bereitschaft Roms, auf die eingesandten Voten einzugehen, lag bei Null. Und was den Niederländern 1967 noch als „Pastoralkonzil“ zugestanden worden war, durfte die österreichische Kirche 1973 nur noch als „synodalen Vorgang“ bezeichnen. Eine synodale Euphorie war rasch verflogen und wurde ausgebremst.

In Deutschland und Europa wurden Synoden nicht mehr regelmäßig durchgeführt. Die von vielen als gescheitert angesehene Augsburger Diözesansynode 1990 fand erst 2012 in Trier eine Nachfolgerin.

DIE ROLLE DER BISCHOFSKONFERENZEN

Eine Form der Ausübung von Kollegialität und Synodalität sind die Bischofskonferenzen. In Deutschland treffen sich die Bischöfe seit 1848. Offiziell konstituiert wurde die Deutsche Bischofskonferenz am Ende des Zweiten Vatikanums. Während dieses Konzils waren die Versammlungen der Bischöfe eines oder mehrerer Länder die Gremien, in denen die Marschrouten für die Diskussionen der Vorlagen abgestimmt und die Sprecher für das Plenum bestimmt wurden. Heute gibt es weltweit über 100 Zusammenschlüsse von Bischöfen eines Landes, einer Region oder eines Kontinents. So sehr sie das konkrete Leben einer Teilkirche bestimmen, bleibt ihre Wirksamkeit doch auf Organisation und Motivation beschränkt. Eine lehramtliche Qualität setzt immer noch eine Quasi-Einstimmigkeit voraus.

DIE RÖMISCHEN BISCHOFSSYNODEN

Seit 1967 beruft der Papst im Abstand von zwei bis vier Jahren eine Synode von Bischöfen zu einem von ihm festgesetzten Thema ein. Teilnehmer sind von den Bischofskonferenzen delegierte Bischöfe und vom Papst selbst eingeladene Personen mit oder ohne Stimmrecht. Nach 50 Jahren ergibt sich ein beeindruckendes Panorama an Themen. Die Synoden behandelten die Evangelisierung und Katechese, Bischöfe, Priester und Ordensleute, Eucharistie und das Wort Gottes. Außerordentliche Synoden wurden durchgeführt für die Niederlande, Afrika, Asien und Europa, den Libanon, den Nahen Osten und Ozeanien. Angekündigt ist für 2019 eine Synode für das Amazonasgebiet. Drei Synoden (1980, 2014 und 2015) widmeten sich Ehe und Familie.

Die nachkonziliaren Schreiben geben weniger Antworten auf konkrete Fragen, sondern dienen der Motivation und Stärkung des Glaubensbewusstseins der Kirche. Sie gehören zur Selbstvergewisserung einer global agierenden Glaubensgemeinschaft und sind ein wichtiger Teil des ordentlichen Lehramts der Kirche, gewonnen aus der lebendigen Auseinandersetzung mit Tradition und Gegenwart.

PAPST FRANZISKUS UND DIE SYNODALITÄT

In die Synoden und ihre Ergebnisse fließt das Ringen der Bischofskonferenzen um adäquate Antworten auf die Fragen der Zeit mit ein. Dabei ist es je nach Pontifikat unterschiedlich, wie diese Diskussionen rezipiert werden. Während sich Johannes Paul II. in seinen zahlreichen Schreiben mehrfach auf Dokumente kontinentaler Bischofskonferenzen bezieht, fehlt bei Benedikt XVI. in den Fußnoten seiner Schreiben jeglicher Hinweis auf die Arbeit der Konferenzen.

Das änderte sich mit dem Amtsantritt von Papst Franziskus fundamental. Je 22 Verweise auf Publikationen von Bischofskonferenzen finden sich in Evangelii gaudium und in Laudato sí. Es sticht natürlich das Abschlussdokument der Versammlung des lateinamerikanischen Episkopats in Aparecida (2006) hervor, das unter Bergoglios Leitung verfasst wurde. Aber auch Dokumente aus dem Kongo, Indien, Paraguay, Neuseeland, Mexiko, Portugal und Bolivien werden als Referenz herangezogen. Mehr als seine Vorgänger nimmt Franziskus die lehramtlichen Stellungnahmen der regionalen Kirchen auf. Ihnen einen nicht nur geduldeten, sondern das päpstliche Lehramt ergänzenden Stellenwert zu geben, sollte der nächste Schritt der Entwicklung von Synodalität und Kollegialität sein.

Für Franziskus ist dieser „Geist der Kollegialität und Synodalität“ (06. Oktober 2014) unverzichtbar. Doch um zu verstehen, in welcher Spannbreite sich dieser Geist äußert, sind zwei Aussagen von ihm gegeneinanderzuhalten. Bei der Feier zum 50-jährigen Jubiläum der Einrichtung der Bischofssynode durch Papst Paul VI. am 17. Oktober 2015 sagte Franziskus: „Die Welt, in der wir leben und die in all ihrer Widersprüchlichkeit zu lieben und ihr zu dienen wir berufen sind, verlangt von der Kirche eine Steigerung ihres Zusammenwirkens in allen Bereichen ihrer Sendung. Genau dieser Weg der Synodalität ist das, was Gott sich von der Kirche des dritten Jahrtausends erwartet. […] Der sensus fidei [der Glaubenssinn] verbietet, starr zwischen Ecclesia docens [der lehrenden Kirche] und Ecclesia discens [der lernenden Kirche] zu unterscheiden, weil auch die Herde einen eigenen ‚Spürsinn‘ besitzt, um neue Wege zu erkennen, die der Herr für die Kirche erschließt.“ Auf drei Ebenen erschließe sich die Synodalität: in den Beratungsgremien des einzelnen Bistums, auf der Ebene der Bischofskonferenzen und schließlich der Universalkirche.

Bei derselben Gelegenheit wies der Papst auf die Begrenzung der Synodalität durch das Amt des Papstes hin: „Und schließlich gipfelt der synodale Weg im Hören auf den Bischof von Rom, der berufen ist, als ‚Hirte und Lehrer aller Christen‘ zu sprechen: nicht von seinen persönlichen Überzeugungen ausgehend, sondern als oberster Zeuge der fides totius Ecclesiae [des Glaubens der gesamten Kirche], als ‚Garant des Gehorsams und der Übereinstimmung der Kirche mit dem Willen Gottes, mit dem Evangelium Christi und mit der Überlieferung der Kirche‘. Die Tatsache, dass die Synode immer cum Petro et sub Petro handelt – also nicht nur cum Petro, sondern auch sub Petro – ist keine Begrenzung der Freiheit, sondern eine Garantie für die Einheit. Der Papst ist nämlich nach dem Willen des Herrn ‚das immerwährende, sichtbare Prinzip und Fundament für die Einheit der Vielheit von Bischöfen und Gläubigen‘. Damit verbindet sich das Konzept der ‚hierarchischen Gemeinschaft‘, das vom Zweiten Vatikanischen Konzil angewandt wurde: Die Bischöfe sind mit dem Bischof von Rom durch das Band der bischöflichen Gemeinschaft verbunden (cum Petro) und sind ihm als dem Haupt des Kollegiums zugleich hierarchisch unterstellt (sub Petro).“

Damit sind die Chancen, aber auch die Begrenzungen von Synodalität in der katholischen Kirche markiert: Synoden sind Beratungsgremien. Die Teilnehmerstruktur variiert; seit dem Zweiten Vatikanum sind Synoden, vor allem auf diözesaner und nationaler Ebene, ein Spiegel der jeweiligen Teilkirche aus Priestern und Laien, Haupt- und Ehrenamtlichen, den verschiedenen Berufsgruppen, Mitgliedern von Orden, Verbänden und geistlichen Gemeinschaften. Doch sie sind und bleiben Versammlungen, in denen zentrale Themen der jeweiligen Ortskirche behandelt werden, die letzte Entscheidung über ihre Umsetzung aber beim Bischof bzw. bei den Bischofssynoden beim Papst bleibt. Dass Papst Franziskus in diesem Zusammenhang das Erste Vatikanische Konzil zitierte, zeigt diese Spannung zwischen Beratung, Mitbestimmung und Entscheidung auf.

WIE KÖNNEN SYNODEN GELINGEN?

Daraus lassen sich einige Kriterien ableiten, wie Synoden erfolgreich durchgeführt und umgesetzt werden können. Ich beziehe mich dabei auf eine Analyse der Bischofssynoden, vor allem aber auf eigene Erfahrungen in der Trierer Diözesansynode.

An erster Stelle steht die entscheidende Rolle des Bischofs. Das Gelingen synodaler Prozesse hängt davon ab, ob und wie die Rolle des Bischofs/der Bischöfe/des Papstes akzeptiert und eingebunden wird. Ein Negativbeispiel ist das niederländische Pastoralkonzil mit einer unklaren Geschäftsordnung. Das Gegenbeispiel ist die Würzburger Synode mit der Veto-Möglichkeit der Bischofskonferenz in einem genau austarierten Spiel der Kräfte. Direkt eingreifen sollte der Bischof – analog gilt das auch vom Papst – nur in seltenen Fällen. Umso wichtiger ist es, der Dynamik einer Synode, theologisch gesprochen dem Wirken des Heiligen Geistes, freien Raum zu lassen.

Ein zweites Kriterium lautet: Das synodale Prinzip auf allen Ebenen umsetzen. Eine Synode beginnt nicht erst mit der Eröffnung, ebenso wenig wie sie mit der Schlusssitzung endet. Eine breite Beteiligung ist bereits bei der Vorbereitung wichtig. Die offenen Fragebogenaktionen vor den beiden Familiensynoden und vor der Jugendsynode sowie die Vorsynode der Jugendvertreter aus allen Kontinenten sind in dieser Hinsicht ein qualitativer Sprung synodaler Mitbeteiligung. Diese ist deshalb so wichtig, weil eine Synode die Möglichkeit bietet, nicht nur die „üblichen Verdächtigen“ zu ihren Meinungen zu befragen. Noch einmal: der Heilige Geist wirkt in den Herzen der Glaubenden.

Das dritte Kriterium, damit Synoden und ihre Umsetzung gelingen, lautet: Kommunikation. Geheimniskrämerei auf Synoden ist im Zeitalter von Facebook, Twitter und Instagram ein vergebliches Unterfangen. Deshalb ist die Medienarbeit zentral für Erfolg oder Misserfolg einer Synode. Dabei geht es um weit mehr als die Veröffentlichung eines Abschlussdokuments. Es müssen Zusammenhänge kommuniziert werden, damit nicht ein falscher Zungenschlag entsteht.

So war die zentrale Nachricht über die Trierer Diözesansynode, dass die Zahl der Pfarreien von über 800 auf 35 reduziert werden soll. Horrorvorstellungen breiteten sich aus. Dass eine solche Zahl aber in Zusammenhang mit den Perspektivwechseln gesehen werden muss, fehlte in der Kommunikation. Es muss nämlich das kirchenrechtliche Gebilde „Pfarrei“ ergänzt werden durch ein Netzwerk von Gemeinden und Kirchorten, an denen sich pastorales Leben ereignet. Die großen Strukturen funktionieren nur, wenn gleichzeitig „vom Einzelnen her“ gedacht und gehandelt wird, wenn nicht in erster Linie ein abzuarbeitendes Aufgabenprogramm Priorität hat, sondern die Charismen und Fähigkeiten der Gläubigen ernst genommen und in synodalen Prozessen auf Gemeinde- und Pfarreiebene entdeckt werden können.

Ein viertes Moment für die Umsetzung von synodalen Beschlüssen lautet: Sich Zeit lassen! Wenn eine Synode wirklich etwas bewirken will, muss mit Geduld an die Realisierung herangegangen werden. Den langen Atem brauchen dabei nicht nur die Gläubigen, sondern vor allem auch der Bischof und die diözesanen Gremien, analog auf der Ebene der Bischofskonferenz und der Weltkirche.

Die Prozesse, die auf und zwischen den beiden Familiensynoden abgelaufen sind, zeigen, wie wichtig die breite Mitbeteiligung auf allen Ebenen ist, die Rückspiegelung von Ergebnissen und die erneute Diskussion. Und selbst wenn sich in der Öffentlichkeit alles auf eine einzige Fußnote zu konzentrieren scheint, gelingt die Einordnung des damit verbundenen Themas in das Gesamt der Synodenberatung erst nach vielen Anläufen. Schließlich müssen die Betroffenen – Bischöfe, Priester, Haupt- und Ehrenamtliche, die einzelnen Gläubigen – auf einen neuen Weg mitgenommen werden. Damit kann – und wird in vielen Fällen – das Aufbrechen gewohnter Abläufe und Arbeitsplatzbeschreibungen verbunden sein.

SYNODALITÄT – EINE NEUE QUALITÄT VON KIRCHE?

Ob Synodalität wirklich die Zukunft der katholischen Kirche prägen wird, muss sich noch zeigen. Papst Franziskus möchte diesen Weg einschlagen. Offen ist, ob die Widerstände des „Apparats“, also der Verwaltung auf weltkirchlicher und teilkirchlicher Ebene, synodale Prozesse bremsen oder ob es gelingt, die „Freude des Evangeliums“ (Papst Franziskus) im gemeinsamen Ringen um die Zukunft der Kirche zu entdecken.

Synodalität aus evangelischer Perspektive

Synoden stellen heute als die Legislative einen wichtigen Teil in der Leitung Evangelischer (hier und im Folgenden groß geschrieben, wenn der institutionelle Aspekt, klein, wenn der sachliche Bezug auf das Evangelium im Vordergrund steht) Kirchen dar. Allerdings gab es über Jahrhunderte auch reformatorische Kirchen ohne Synoden. Welche Bedeutung kommt diesen Versammlungen in evangelisch-theologischer Perspektive zu? Christian Grethlein

Um dies zu beantworten, will ich in vier Schritten vorgehen: Einleitend skizziere ich knapp den biblisch-theologischen und reformatorischen Hintergrund zu Synodalität. Es folgen historische Hinweise auf drei Impulse, die zur konkreten Ausarbeitung synodaler bzw. presbyterial-synodaler Kirchenordnungen führten. Von hier aus, also angesichts einer historisch gewachsenen Pluriformität bestimme ich systematisch drei wichtige theologische Inhalte synodaler Kirchenordnung. Den Abschluss bilden empirische Hinweise auf Probleme dieser Ordnungsform in der Gegenwart.

BIBLISCHE UND REFORMATORISCHE HINTERGRÜNDE

„Synodos“ bezeichnete im achäischen Bund „eine politische Körperschaft, der […] die Gesetzgebung, die Entscheidung über Krieg und Frieden und die Ein- und Absetzung der leitenden Beamten oblagen; es bezeichnete zugleich kultische Versammlungen“ (Huber, 322). Dazu bedeutet das Verb „synodeuein“ „den gleichen Weg unter die Füße nehmen, zusammen reisen, jemanden auf dem Weg begleiten“ (Huber, 322). Von daher lag es durchaus nahe, dass die frühen Christen sowohl Versammlungen örtlicher Gemeinden als auch Treffen zwischen Vertretern verschiedener Gemeinden als „Synoden“ bezeichneten.

Im Neuen Testament begegnet eine solche Zusammenkunft, in der es um die Klärung strittiger Fragen ging, im sog. Apostelkonzil – das jedoch besser Gemeindesynode (oder eben lateinisch: -konzil) genannt würde, weil daran neben den Aposteln auch andere Gemeindevertreter teilnahmen. So heißt es zum Abschluss: „Und die Apostel und die Ältesten beschlossen samt der ganzen Gemeinde“ (Apg 15,22). Der etwa seit Mitte des 2. Jahrhunderts einsetzende und sich über die Jahrhunderte zunehmend forcierende Prozess der Klerikalisierung christlicher Gemeinden hatte auch für solche Versammlungen Konsequenzen. Die aktive Beteiligung der Gemeindeglieder trat in den Hintergrund zugunsten der repräsentativen Funktion der Bischöfe (vgl. Huber, 341). So waren im Mittelalter – und sind bis heute in vielen nichtprotestantischen Kirchen – Synoden bzw. Konzile Klerikertreffen.

Christian Grethlein

Dr. theol. habil., Professor für Praktische Theologie an der Universität Münster; Forschungsschwerpunkt: Theorie der Kommunikation des Evangeliums in der Gegenwart.

Dem stand die theologische Grundauffassung Martin Luthers entgegen, die dieser auf eine Anfrage aus der Gemeinde in Leisnig am 29. Januar 1523 knapp in folgender programmatisch betitelter Schrift entwickelte: „Daß eine christliche Versammlung oder Gemeinde Recht und Macht habe, alle Lehre zu urteilen und Lehrer zu berufen, ein- und abzusetzen, Grund und Ursach aus der Schrift.“ Hier zieht der Reformator die kirchentheoretischen Konsequenzen aus der theologischen Einsicht in das allgemeine Priestertum aller Getauften. Zwar ergaben sich daraus für die konkrete Ordnung der lutherischen Kirchen lange Zeit keine konkreten Konsequenzen. Dem stand neben mittelalterlichem Ständedenken vor allem die formale Unbildung der großen Bevölkerungsmehrheit entgegen, die als Analphabeten keinen Zugang zu der für reformatorische Theologie grundlegenden Bibel hatten. Doch konnte die spätere Bildung von Synoden zur Begründung auf den reformatorischen Ansatz zurückgreifen. So erschien jetzt die Synodalität als ein Grundprinzip evangelischer Kirchen, insofern sie nämlich die „Zusammengehörigkeit von lehrender und hörender Kirche“ zum Ausdruck brachte und einseitigen Autoritätszuschreibungen wehrte.

In besonderer Weise schon früh ausgeprägt findet sich das Prinzip der Synodalität in den reformierten Gemeinden. Fundiert in der Lehre vom vierfachen Amt – Pfarrer, Diakon, Presbyter und Lehrer – bekamen und behielten Synoden, etwa in den Niederlanden, die nicht nur aus Klerikern bestanden, von Anfang an ein besonderes Gewicht.

IMPULSE ZUR EINFÜHRUNG SYNODALER ORDNUNGEN

Drei wichtige Impulse führten in historischer Perspektive dazu, dass heute synodale Ordnungen in den deutschen Evangelischen Landeskirchen selbstverständlich sind.

Den wohl entscheidenden Anstoß gaben tief greifende Veränderungen am Beginn des 19. Jahrhunderts: „Das aufwühlende Erlebnis der Befreiungskriege gegen die napoleonische Herrschaft, der geistesgeschichtlich bedeutsame Umschwung vom Rationalismus der Spätaufklärung in eine romantisch-idealistische Weltsicht, aber auch die Wiederbelebung eines aus dem Pietismus stammenden persönlichen Frömmigkeitsideals – alles das mündete in einen neuen religiösen Aufbruch“ (Link, 138). Er stand in Widerspruch zum überkommenen landesherrlichen Kirchenregiment und verlangte nach einer allgemeineren Beteiligung der Gemeindemitglieder. Unterstützt durch konkrete Anlässe wie die Unionsbestrebungen des preußischen Königs kam es zuerst 1835 mit der Rheinisch-Westfälischen Kirchenordnung zu einer sog. presbyterial-synodalen Kirchenverfassung. Genauer muss zu „presbyterial-synodal“ noch „konsistorial“ hinzutreten, insofern auf Provinzialebene Konsistorien wichtige Funktionen – im Dienst des Landesherrn – vollzogen.

Die sich in den einzelnen Landeskirchen über Jahrzehnte hinziehende Einrichtung von Synoden, in denen mit der Zeit die Nichtordinierten an Zahl und Bedeutung gewannen, verliefen parallel zu den staatlichen Demokratisierungsbewegungen. Wie ein Blick in entsprechende Begründungen bei Friedrich Schleiermacher zeigt, der federführend für die preußischen Reformbestrebungen war, handelte es sich dabei aber nicht um eine einseitige kirchliche Übernahme und damit erneute Abhängigkeit vom Staat, sondern um wechselwirksame Prozesse zwischen Staats- und Kirchenreform (vgl. Huber, 326–330). Dazu trat von Beginn an eine wichtige Differenz zwischen den Synoden und den Parlamenten. Die Synodalen vertraten nicht repräsentativ die Kirchenmitglieder, sondern die jeweiligen Gemeinden bzw. Interessengruppen – in Form von berufenen Synodalen. Zu letzteren gehören bis heute regelmäßig Vertreter der theologischen Fakultäten, die auf dem Gebiet der entsprechenden Landeskirche liegen. Ihre in den jeweiligen Kirchenordnungen vorgesehene Beteiligung weist auf den hohen Rang hin, der traditionell in den Evangelischen Kirchen der wissenschaftlichen Theologie zugemessen wird.

Den zweiten Impuls, jetzt vor allem für die Gemeindeebene und damit den Ausbau des presbyterialen Systems, gab die sog. Gemeindeaufbau-Bewegung am Ende des 19. Jahrhunderts, wie sie etwa Emil Sulze propagierte (vgl. Lorenz). Orientiert an der damals modernen Sozialform des Vereins wurden Kirchengemeinden entsprechend umstrukturiert. Das Presbyterium bzw. der Kirchenvorstand wurde dabei „zu einer Art Vereinsvorstand, der das Engagement der Ehren- und Hauptamtlichen koordiniert, befördert und beaufsichtigt“ (Hermelink, 245). Dabei ging es wesentlich auch um repräsentative Funktionen, etwa der Kirchengemeinde gegenüber der Kommune. Dementsprechend entstammten die von den Gemeindegliedern gewählten Presbyter häufig dem Kreis der lokalen Honoratioren.

Schließlich ist unter dem Stichwort des „Konziliarismus“ ein wichtiger Impuls aus der – internationalen – Ökumene zu nennen. 1971 hatte die ÖRK-Kommission „Faith and Order“ entsprechende Diskurse folgendermaßen zusammengefasst: „Unter Konziliarität verstehen wir das Zusammenkommen von Christen – örtlich, regional und weltweit – zu gemeinsamem Gebet, zu Beratung und Entscheidung in dem Glauben, dass der Heilige Geist solche Zusammenkünfte für seine eigenen Zwecke der Versöhnung, Erneuerung und Umgestaltung der Kirche benützen kann, indem er sie zur Fülle der Wahrheit und Liebe hinführt“ (Hermelink, 248). Durchaus unter Bezug auf biblische und altkirchliche Traditionen werden Synoden hier pneumatologisch gedeutet und damit in ihrem gottesdienstlichen Charakter erfasst.

Klares Ziel dieses synodalen Konzepts sind „Erneuerung und Umgestaltung der Kirche“. Dazu tritt der Hinweis auf die Bedeutung der Rezeption synodaler Entscheidungen durch die entsprechenden Einzelnen bzw. Einzelgemeinden (vgl. Hermelink, 249). Der Zusammenhang der synodalen Entscheidungen mit der sog. Basis bleibt also gewahrt.

THEOLOGISCHE INHALTE SYNODALER KIRCHENORDNUNGEN

Unter Ausblendung der beträchtlichen Differenzen in der konkreten Ausgestaltung der synodalen Elemente von Kirchenordnungen in den einzelnen Landeskirchen können zumindest drei wichtige theologische Inhalte benannt werden, die mit der Einrichtung von Synoden – und auf der Gemeindeebene von Presbyterien bzw. Kirchenvorständen – gegeben sind. Dabei ist inhaltlich durchweg vorausgesetzt, dass die Synoden das wesentliche legislative Organ der Evangelischen Kirchen sind.

Grundsätzlich impliziert das in den Evangelischen Kirchen gepflegte Prinzip der Synodalität eine „herrschaftskritische Tendenz“, die diese von der römisch-katholischen und auch den orthodoxen Kirchen unterscheidet. Denn – so resümiert Jan Hermelink zu Recht: „Eine religiös begründete Hierarchie, ein wesentlicher Vorrang des Klerus in der Gemeinde oder ein Primat des Bischofs in der Regionalkirche sind durch das synodale Prinzip ausgeschlossen“ (Hermelink, 241). Die Synode ist in den Evangelischen Kirchen also nicht nur ein Beratungsgremium, sondern ein zentraler Bestandteil der Kirchenleitung mit entsprechenden Befugnissen, die vom Haushaltsrecht bis zur Festsetzung der liturgischen Bücher reichen. Theologisch ist dies in dem – jedenfalls mittlerweile allgemein bei der Begründung der Synodalität in Anspruch genommenen – allgemeinen Priestertum aller Getauften begründet.

Ebenso fügen sich die deutschen Landeskirchen durch ihre Synoden bewusst in die ökumenische Bewegung der Konziliarität ein. Eine besondere, theologisch zentrale Akzentuierung erhalten die Synoden hier dadurch, dass ihnen wesentlich die Verantwortung für das Bekenntnis der Kirche übertragen ist. Darin spiegelt sich die für die deutschen Evangelischen Kirchen grundlegende Erfahrung aus dem Kirchenkampf wider, in dem die sog. Bekenntnissynoden einen Abfall zum Nationalsozialismus und seiner Führer-Ideologie verhinderten. Vor allem die auf der Barmer Bekenntnis-Synode formulierte „Theologische Erklärung zur gegenwärtigen Lage der Deutschen Evangelischen Kirche“ von 1934 (sog. Barmer Theologische Erklärung) spielt hier eine herausragende Rolle, insofern sie in Artikel 3 die Frage der Ordnung als grundlegend – und nicht beliebig – für Kirche erklärte (vgl. Burgsmüller/Weth, 36). Zugleich verstärkten diese Erfahrungen aus der Zeit der Bedrängnis das Anliegen, die „Synoden als gottesdienstliche Versammlungen zu verstehen […], die dem Vollzug des Bekennens dienen“ (Huber, 335).

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