Wochenpredigt
von
Gottfried Keller
In heißem Glanz liegt die Natur,
die Ernte lagert auf der Flur;
in langen Reihn die Sichel blinkt,
mit leisem Geräusch die Ähre sinkt.
Doch hinter jenen grünen Matten,
in seines Kirchleins kühlem Schatten
geborgen vor dem Stich der Sonne,
da steht das Pfäfflein der Gemeine,
auf diesem, dann auf jenem Beine,
in seiner alten Predigertonne
hoch an dem Pfeiler grau und fest,
dem Kranich gleich in seinem Nest.
Schwarz glänzt das kurzgeschorne Haar,
wie Röslein blüht das Wangenpaar;
nur etwas schläfrig blinzen nieder
die Äuglein durch die fetten Lider,
weil er sich seiner Wochenpredigt
mit ziemlich saurer Müh’ entledigt.
So spricht er von dem ewigen Leben,
das nach dem Tod es werde geben:
wie man auch da noch müsse ringen
und immer weiter vorwärts dringen,
und nie von Handel und Wandel frei,
bis man zuletzt vollkommen sei;
von einem Stern zum andern hüpfen
und endlich in den Urquell schlüpfen.
Doch unten in des Kirchleins Tiefen
die Hörer auf den Bänken schliefen.
Sie waren alle hoch an Jahren,
mit weißen oder gar keinen Haaren,
ganz klingeldürre Frau’n und Greise,
gebeugt von ihrer langen Reise;
so lehnten sie an ihren Krücken
mit lebensmüdem, sanftem Nicken.
Sie hatten gelebt und hatten gestritten,
Erde gegraben und Garben geschnitten,
Bürden getragen und Freuden gehabt
und, wenn sie gedürstet, sich gelabt.
Sie hatten nicht ihr Leben verfehlt,
kein Genie und keine Tugend verhehlt,
auch keine Schwänke unterlassen —
wen’s konnten bei der Nase fassen,
den haben sie gar fest ergriffen
und ihn mit Freuden ausgepfiffen,
nicht immer bezahlt, was sie geborgt,
und fleißig doch für Erben gesorgt.
Die Predigt schweigt, sie sind erwacht,
die Kirchentür wird aufgemacht,
und leuchtend bricht der grüne Schein
der Bäume in die Dämmrung ein.
Die Alten stehen mühsam auf
und setzen sich gemach in Lauf
und schleichen seltsam kreuz und quer
über die grünen Gräber her.
Sie setzen sich auf die Leichensteine
und reiben ihre kranken Beine,
sie hüsteln, spucken aus und lachen
und sprechen bewußtlos kindische Sachen.
Sie schauen in die goldnen Auen,
wo ihre Enkel und Sohnesfrauen
im fernen Sonnenglanze gehen,
die reifen Früchte rüstig mähen;
sie sehen in all den hellen Schein
mit blöden Augen stumm hinein.
Schon ist verklungen leis und weit
das Lied von der Unsterblichkeit.
Und wie vor langen achtzig Jahren
die Flämmlein im Entstehen waren
und mählig aus der tiefen Nacht
sich in ein helles Licht entfacht,
das freilich auch sich ewig schien,
so glimmen sie jetzt wieder hin
und denken bessres nicht zu tun,
als ewig, ewig auszuruhn.
Von Durst nach neuem Kommerzieren,
wenn recht ihr schaut, ist nichts zu spüren.
Das Pfäfflein ist nach Haus gekommen,
hat einen Schluck zu sich genommen
und wandelt jetzt im schmucken Garten,
den kühlen Abend zu erwarten,
wo er sich freut auf ein Gelage,
zu dem er freundlich ist gebeten;
doch steht die Sonn’ noch hoch am Tage.
Des ist er nun in großen Nöten;
er weiß, die besten Bachforellen
werden auf blumiger Schüssel schwellen,
ausländische Wurst und köstlicher Schinken
reizen ihn zu frohem Trinken;
er kennt die staubigen Flaschen zu gut
in Herrn Confratris frommer Hut,
die schön geschliffnen Gläser dringen
schon in sein Ohr mit feinem Klingen;
er kennt das Tischlein hinter der Türen,
von wo die Flaschen hermarschieren,
bis er eine mit silbernem Hals entdeckt,
die vor dem Abschied doppelt schmeckt.
Und noch drei lange, lange Stunden! —
Hier hat er Ranken angebunden,
ein nagendes Räupchen abgelesen,
dort aufgehoben einen Besen
und an das Gartenhaus gelehnt,
dann einen Augenblick gewähnt,
er wolle auf den Sonntag Morgen
noch schnell für eine Predigt sorgen;
doch ist er hievon abgegangen,
hat einen Schmetterling gefangen,
wirft einen Socken über den Hag,
der mitten in einem Beete lag.
Die Sonne steht noch hoch am Tag.
Er wird der langen Weil zum Raube
und sinkt in eine kühle Laube,
macht dort ein Ende seiner Pein,
schläft zwischen Rosen und Nelken ein.
O Pfäfflein, liebes Pfäfflein, sag,
ist dir zu lang der eine Tag,
was willst du mit all den Siebensachen,
den Millionen Sternen und Jahren machen?
Alte Schweizer
von
Conrad Ferdinand Meyer
Sie kommen mit dröhnenden Schritten entlang
den von Raffaels Fresken verherrlichten Gang
in der puffigen alten geschichtlichen Tracht,
als riefe das Horn sie zur Murtener Schlacht.
„Herr Heiliger Vater, der Gläubigen Hort,
so kann es nicht gehn und so geht es nicht fort.
Du sparst an den Kohlen, du knickerst am Licht —
an deinen Helvetiern knaus’re du nicht!
„Wann den Himmel ein Heiliger Vater gewann,
ergibt es elf Taler für jeglichen Mann!
So galt’s und so gilt’s von Geschlecht zu Geschlecht,
wir pochen auf unser historisches Recht!
„Herr Heiliger Vater, du weißt, wer wir sind,
bescheidene Leute von Ahne zu Kind!
Doch werden wir an den Moneten gekürzt,
wir kommen wie brüllende Löwen gestürzt!
„Herr Heiliger Vater, die Taler heraus!
Sonst räumen wir Kisten und Kasten im Haus …
Potz Donner und Hagel und höllischer Pfuhl!
Wir versteigern dir den apostolischen Stuhl!“
Der Heilige Vater bekreuzt sich entsetzt
und zaudert und langt in die Tasche zuletzt —
da werden die Löwen zu Lämmern im Nu:
„Herr Heiliger Vater, jetzt segne uns du!“
Don Fadrique
von
Conrad Ferdinand Meyer
Don Fadrique bringt ein Ständchen
der possierlichen Pepita:
„Liebchen, strecke durch die Türe
deines Füßchens Spitze nur!“
Und die drollige Pepita
streckt durch eine schmale Spalte
eines allerliebsten Fußes
weißes Spitzchen in die Luft.
Don Fadrique krümmt den Rücken,
will das weiße Spitzchen küssen,
Knabe Amor steht beiseite,
der den Bogen lachend spannt.
Nach dem ewigjungen Herzen
zielt er, doch wer lacht, der zielt schlecht:
In des Ritters alten Rücken
schießt er einen Hexenschuß.
Don Fadriques Knochen rasseln,
Don Fadrique stürzt zusammen,
Figaro holt eine Sänfte,
Figaro bringt ihn zu Bett.
„Frommer Bruder Agostino,
exorziere mir das frevle
allerliebste weiße Füßchen,
das durch meine Beichte tanzt!“
Don Fadrique sucht den Hades,
zierlich schreitend wie ein Stutzer,
tänzelnd leuchtet ihm ein weißes
Füßchen durch die Unterwelt.
Von Katzen
von
Theodor Storm
Vergangenen Maitag brachte meine Katze
zur Welt sechs allerliebste kleine Kätzchen,
Maikätzchen, alle weiß, mit schwarzen Schwänzchen.
Fürwahr, es war ein zierlich Wochenbettchen!
Die Köchin aber – Köchinnen sind grausam,
und Menschlichkeit wächst nicht in einer Küche —
die wollte von den Sechsen fünf ertränken,
fünf weiße, schwarzgeschwänzte Maienkätzchen
ermorden wollte dies verruchte Weib.
Ich half ihr heim! – Der Himmel segne
mir meine Menschlichkeit! Die lieben Kätzchen,
sie wuchsen auf, und schritten binnen kurzem
erhobnen Schwanzes über Hof und Herd;
ja, wie die Köchin auch ingrimmig dreinsah,
sie wuchsen auf und nachts vor ihrem Fenster
probierten sie die allerliebsten Stimmchen.
Ich aber, wie ich sie so wachsen sahe,
ich pries mich selbst und meine Menschlichkeit. —
Ein Jahr ist um, und Katzen sind die Kätzchen,
und Maitag ist’s! – Wie soll ich es beschreiben,
das Schauspiel, das sich jetzt vor mir entfaltet!
Mein ganzes Haus, vom Keller bis zum Giebel,
ein jeder Winkel ist ein Wochenbettchen!
Hier liegt das eine, dort das andre Kätzchen,
in Schränken Körben, unter Tisch und Treppen,
die Alte gar, nein, es ist unaussprechlich,
liegt in der Köchin jungfräulichem Bette!
Und jede, jede von den sieben Katzen
hat sieben, denkt euch! sieben junge Kätzchen,
Maikätzchen, alle weiß, mit schwarzen Schwänzchen!
Die Köchin rast, ich kann der blinden Wut
nicht Schranken setzen dieses Frauenzimmers;
ersäufen will sie alle neun und vierzig!
Mir selber, ach, mir läuft der Kopf davon —
o Menschlichkeit, wie soll ich dich bewahren!
Was fang’ ich an mit sechsundfünfzig Katzen!
Das Mädchen mit den hellen Augen
von
Theodor Storm
Das Mädchen mit den hellen Augen,
die wollte keines Liebste sein;
sie sprang und ließ die Zöpfe fliegen,
die Freier schauten hinterdrein.
Die Freier standen ganz von ferne
in blanken Röcklein lobesam.
„Frau Mutter, ach, so sprecht ein Wörtchen,
und macht das liebe Kindlein zahm!“
Die Mutter schlug die Händ’ zusammen,
die Mutter rief: „Du töricht’ Kind,
greif zu, greif zu! Die Jahre kommen,
die Freier gehen gar geschwind!“
Sie aber ließ die Zöpfe fliegen
und lachte alle Weisheit aus;
da sprang durch die erschrocknen Freier
ein toller Knabe in das Haus.
Und wie sie bog das wilde Köpfchen,
und wie ihr Füßchen schlug den Grund,
er schloß sie fest in seine Arme
und küßte ihren roten Mund.
Die Freier standen ganz von ferne,
die Mutter rief vor Staunen schier:
„Gott schütz’ dich vor dem ungeschlachten,
ohn’ Maßen groben Kavalier!“
Aanten int Water
von
Klaus Groth
Aanten int Water,
wat vaern Gesnater!
Aanten in Dik,
wat vaern Musik!
De Wart is wat heesch: Wat wat wat schüll wie eten?
Murt, inne Murt, inne Grund is dat fett!
Höja! de graue fangt lud an to reden:
Quark un warm Water! Un alle ropt mit.
Aanten int Water,
wat vaern Gesnater!
Aanten in Dik,
wat vaern Musik!
De Rünnsteen hentlank all int Trünneln un Snappeln!
Barbeent un plattföt un jümmer vergnögt!
Hier is de Kaekenguß! Beersupp mit Appeln!
Wackeli, gackeli – süh, wa se sökt!
Aanten int Water,
wat vaern Gesnater!
Aanten in Dik,
wat vaern Musik!
Nu oppen Wall! un nu ropt wi de Günner!
Nu kamt se an, un nu gift dat en Snack.
Nu fleegt wi dal, un nu dukt wi uns ünner!
All dat warm Water löppt blank vunne Nack!
Aanten int Water,
wat vaern Gesnater!
Aanten in Dik,
wat vaern Musik!
Wat wat wat wüllt wi? Nu wüllt wi na ’n Misten.
Hör! se döscht Weten! Wi krupt daer de Rill!
Kamt man! man sachden! op Töntjen mit Listen!
Nückt mit den Kopp, un et gau, un swigt still!
Aanten int Water,
wat vaern Gesnater!
Aanten int Stroh —
wat vaern Halloh!
Dar kumt de Kaeksch! Neiht man ut, brukt de Flünken!
Hoch aewern Tun un koppheister na ’n Dik!
Swimm’ as de Pocken, un flegen as Lünken,
klok as en Minsch – un so dick! un so dick!
Aanten int Water,
wat vaern Gesnater!
Aanten in Dik,
wat vaern Musik.
Matten Has’
von
Klaus Groth
Lütt Matten de Has’,
de mak sik en Spaß,
he weer bi ’t Studeern,
dat Danzen to lehrn,
un danz ganz aleen
op de achtersten Been.
Keem Reinke de Voß
un dach: das en Kost!
Un seggt: „Lüttje Matten,
so flink oppe Padden?
Un danzst hier aleen
oppe achtersten Been?
„Kumm, lat uns tosam!
Ik kann as de Dam!
De Krei, de spelt Fidel,
denn geit dat canditel,
denn geit dat mal schön
op de achtersten Been!“
Lütt Matten gev Pot.
De Voß beet em dot;
un sett sik in Schatten,
verspis’ de lütt Matten:
de Krei de kreeg een
vun de achtersten Been.
Spatz
von
Klaus Groth
„Lütt Ebbe, kumm ropper, hier babn na de Föst,
krup ünner, ja kik mal, hier bu’t wi en Nest.
Du sittst as Gardrutjen er Hahn ünnert Bett,
as en Mus in en Heeddis, wa nett, o wa nett!“ —
„Du Spitzbov, du Gaudeef, man weg, ga man weg!
Weest noch vergangn Jahr? O wa slech, o wa slech!
Wa seet ik un brö, harr ni Korn oder Kröm,
un Spatz flog to Dörp, räsonneer in de Böm.
„Du Spitzbov! du Gaudeef!“ – „Lütt Ebbe, swig still,
vuntjahr ward’t ganz anners: will mi betern – ik will!
Mi steken de Fettdun – kumm, kik mal, wa schön!
Vuntjahr ward dat anners, schast sehn, schast mal sehn!
„He Hadbar kumt bald, wahnt uns dicht aewern Kopp,
bu’t en Hus as en Korf, stellt sik baben derop,
op een Been, opt anner, de Näs inne Flünk!
Wa klappert he fründli: „Gudn Morn, Nawer Lünk!“
„Un denn schint de Sünn hier lankt Dack rein so blank,
un denn trekt de Rok hier vunn Schösteen hentlank,
un denn kumt Annstina mit Weten und Kaff:
Tuck, tuck! – Kikriki! un wi beidn krigt wat af.
„Ok heff ik man sehn, hier de Koppel int Gras:
Nawer Anton will Rogg sei’n, dat kumt uns to paß;
un denn hier de Bom vaer uns Kinner to fleegn,
un wi merrn dermank, watn Vergnögn, watn Vergnögn!“
„Du Spitzbov, lat sehn: dats dat Nest, dats dat Nest?
Mak to, un hal Feddern un Dun, dats dat best!
Ol Anton sin Pudelmütz liggt günd achtern Tun:
Plück as, mak man to, lats man bu’n, lats man bu’n!“
Dat is ’e
von
Fritz Reuter
Dat giwwt so’n Lüd’, dei hewwen Strid mit jeden,
dei mit ehr in Gesellschaft sitt,
un ihre sünd sei nich taufreden,
bet Ein sei köpplings ’ruter smitt.
Korl Stänker was so’n slimmen Gast,
un einen rechten Ekel was’t,
un wo wat los was, dor was hei,
un ümmer gawwt ’ne Demolei.
Na, mal was denn tau Stargard Ball;
un wat dat heit, dat weit wi all:
tau Stargard Ball in ollen Tiden,
dat wull wat Richtiges bedüden,
dor danzten ’s bet an hellig Sünn,
un wer denn nich mihr stahen künn,
dei danzte up den Kopp herüm.
Na, as dat kamm so gegen Morgen,
lett Korl den Kutscher ’ran besorgen.
De Kutscher höllt twei lang, twei breid,
de Kutscher höllt, hei weit Bescheid. —
Nu kümmt Ein stramm de Trepp hendal,
de Husknecht seggt: „Dat is din Herr.“
„Ne,“ seggt Jehann, „dat ’s anners wer,
min Herr, dei sitt un drinkt noch mal.“ —
En anner kümmt in lichten Draf,
so recht behen’n de Trepp heraf,
de Husknecht seggt: „Paß up, Jehann,
dat is din Herr!“ – „Ne,“ seggt de Kutscher,
„dat is hei nich, dat is so ’n Flutscher;
min Herr, dei kümmt ganz anners ’ran.“
Mit einmal ward dat dor en Larm
un en Spektakel – Gott erbarm!
Ein ward de Trepp herunner smeten,
dunn seggt de Kutscher: „Holt en beten!“
Un horkt un fött sin Mähren wisser:
„Na smit em mi man ’rin, dat is ’e.“
De blinne Schausterjung’
von
Fritz Reuter
„Ach, Meister! Meister! ach, ick unglückselig Kind!
Wo geiht mi dit? Herr Je, du mein!
Ach, Meister! Ick bün stockenblind,
ick kann ok nich en Spirken seihn!“
De Meister smitt den Leisten weg,
hei smitt den Spannreim in de Eck
un löppt nah sinen Jungen hen:
„Herr Gott doch, Jung’! Wo is di denn?“
„Ach, Meister! Meister! Kiken S’ hir!
Ick seih de Botter up’t Brot nich mihr!“
De Meister nimmt dat Botterbrot,
bekikt dat nipp von vörn un hinn’n:
„So slag’ doch Gott den Düwel dod!
Ich sülwst kann ok kein Botter finn’n.
Nu, täuw!“ Hei geiht tau de Fru Meistern hen
un seggt tau ehr: „Wat makst du denn?
Wo is hir Botter up dat Brot?
Dor slag’ doch Gott den Düwel dod!“ —
„Is dat nich gaud för so en Jungen?
Ji sünd man all so’n Leckertungen;
ji müggten Hus un Hof vertehren,
un ick sall fingerdick upsmeeren.
So geiht dat noch nich los! Prahl sacht!
De Botter gelt en Grösch’ner acht.“
„Ih, Mudder, ward’ man nich glik bös,
hest du denn nich en beten Kes’?“
Un richtig! Sei lett sick bedüden
un deiht den Jungen Kes’ upsniden.
De Meister bringt dat Botterbrot herin,
giwwt dat den Jungen hen un fröggt,
ob sick sin Blindheit nu hadd leggt,
un ob hei wedder seihen künn.
„Ja, Meister,“ seggt de Jung’ ganz swipp,
„ja, Meister, ja! Ick seih so nipp,
as hadd ’ck ’ne Brill up mine Näs’,
ick seih dat Brot all dörch den Kes’.“
Snider-Begnäugen
von
Fritz Reuter
Dor was mal eins en lütten Mann,
hadd Hosen an,
hadd kunterbunte Hosen an,
en fipprig Röckschen un so wider,
un was von Profeßschon en Snider,
un sporsam was hei hellschen.
Dei seggt tau sinen Jungen: „Hal
uns doch enmal
den Hiringsschwanz von’n Baen hendal,
för mi en Finzel, di en Finzel
un mine Fru hal ok en Finzel,
un’n Finzel, den’n lat liggen.“
De drei, de sitten üm den Disch.
De Jung’ will frisch
inhauen up sin Finzel Fisch,
dunn ritt de Meister mit de Gabel
de Hälft em weg vör sinen Snabel:
„’t künn up de Nacht di schaden!
„Du frettst di ganz ut Rick un Schick,
du ward’st tau dick.“ —
Fru Meistern nimmt dat anner Stück:
„Du frettst di noch ut Rand und Band,
bringst Hungersnot noch in dat Land,
wi will’n kin Fettswin mästen.“
De Jung’ steiht trurig up un schüwwt
mit eine Tüft
nah’n Baen herup un sitt un riwwt
an’t Schapp, wo noch de Finzel steiht,
mit sine Tüft: „Wer weit? Wer weit?
Sei künn doch dornah smecken.“
Scholmeiste Boars
von
John Brinckman
Scholmeiste Boars – je de was echt
un de vestünn to backsen,
un ümme hett sien Sprüch he seggt,
wull he üns aw eng jacksen.
Ens set bi’t saewt Gebot ick wiß
un künn nich rut mi trecken:
– „Je,“ röp he dunn, „all wat nich is,
doa kan’n ook nicks vun seggen!
„Na, kumm ens rut doa ut dien Bänk,
wat helpt all dat Bisinnen!
denn wat en nich velüst, dat, denk
ich, kann en ook nich finnen!“
Sien Fust was knakendrög un swer;
irst hett se aw mie knuffelt,
backst linksch un rechtsch mie nahst un sär:
– „Süh, äwe Krüz höllt duwwelt!“
Ick schnöw un speeg: man he höll fast,
grar as mit iesen Klannen
un röp doato: – „Sonn Amt, sonn Last —
en Düwel’s äwe’n annen!
„Wen alltoneeg an’n Graben führt,
is oft all’ rinne schaten, —
un wen de Koh to eegen hührt,
möt ’s ook an’n Swanz anfaten!
„Man nich so ängstlich, dreig die ründ,
dat geit di nich an’t Leben;
süh, Murjahn was’n steenolt Hund
un müß sick doch noch geben.
„Sonn Pott, sonn Stülp, – sonn Boom, sonn Block,
sonn Woar, mien Sähn, sonn Drüttel!
Dat Hemd is nege as de Rock, —
nu treck ens aw dien Kittel!“
Un as ick dunn vespreken deer,
wat ick nu betern wull mie, —
doa langt he flink den Tagel her
un slög för blind un dull mie.
„Süh, Wühr, mien Sähn, de sünd nich dühr,
dat künn mie doch bilur’n;
vespreken dohn de Eddellühr,
man hollen dohn de Bur’n!“ —
Ick blölkt lurrhals. Dunn schreeg he: „Jung,
schrie driest to! Du schast blarren!
Unglück harr stets ’ne scharpe Tung,
un de perrt Pogg de quarren.
„So heet, as ick die dat upfüll,
brukst du’t jo nich to eeten;
wenn sick dien Tung vebrennen schüll,
möst du die’t sülst biemeeten!“ —
– „Mien Puckel,“ schreg’k, „möt gäl un grön,
mien lew Herr Boars, all wesen!“ —
Dunn särr he: „Unwennt Arbeit, Sähn,
dat’s ümme so, bringt Kwesen.
„Süh, Moltspriet hührt to Suerkohl —
sonn Säg, mien Sähn, sonn Farken, —
fuhl Lühr kam’ uppen güllen Stohl, —
dat wast nu sacht die marken!“ —
Günd, achter de Blompütt
von
Johann Meyer
Günd, achter de Blompütt, schreeg öwer de Strat,
Persepter sin Döchder – dat is di en Staat!
Persepter sin Lischen, sin Witjen un Trin,
dree Deerns, als dree Rosen, künnt all dree all fri’n.
Wa hebbt se för Haar, – rein so blank un so glatt!
un Ogen, – de Swarte, als Aalbein so swatt,
de Gehle, – so blau als Vergißmeinnichtblom,
de Brune, – so brun als Kastanjen vun’n Bom.
Se danzt un se springt un se hüppt als en Reh,
sünd rot, als en Ros’, un so witt, als de Snee,
se singt, als en Drossel, un lacht, als en Duv,
un scheert sick den Deuwel um Hochtid un Huv.
Günd, achter de Blompütt, schreeg öwer de Strat,
Persepter sin Döchder – dat is di en Staat!
Un schull ick een rutnehm’n, un günn he mi een,
ick sä: „Herr Persepter, all dree – oder keen!“ —
Ein Augenblick
von
Friedrich Theodor Vischer
Um die alte Stadt auf der Promenade,
dem bequemen, beliebten Pfade,
den die Platanen beschatten und zieren,
ging ich am Sommerabend spazieren.
Ein Sonntag war’s und ein Sonnentag,
es wandelten Leute von allerhand Schlag,
festlich geputzt, und alle dem Volke
stand auf dem Gesicht keine einzige Wolke.
Da kam mir im goldenen Abendschein
entgegen ein Kinderwägelein,
ein nett geflochtnes, auf leichten Rädchen,
es zog ein sauberes Ulmermädchen.
Mein Blick fiel just ins Gefährt hinein,
da lag ein Knabe, gebettet fein,
kaum jährig etwa, sein Angesicht
umwob ein Schimmer von Rosenlicht,
als ruht’ er in einem Rosenhag,
denn in dem Schatten, worin er lag,
fiel erhellend ein Widerschein
vom farbigen Obdach im Wägelein,
auch kam von außen der Glanz ergossen,
denn ganz mit Licht war die Luft durchschossen;
ja vom Kind auch schien es mir auszugehen,
denn ein schöneres hab’ ich noch nie gesehen;
man glaubte Herz und Auge zu laben
an einem von Raphaels Engelknaben,
es schwamm wie ein Bild im erleuchteten Raum,
wie ein Feenkind, wie ein seltener Traum.
Stillbeglückt sah es vor sich hinaus
in seinem fahrenden kleinen Haus,
in seiner Welt ein kleiner König,
lächelte auch dazu ein wenig,
als schwebten ihm an der Zukunft Tor
schon die allerhand lustigen Streiche vor,
die man verübt in den Tagen der Jugend,
welche – man weiß ja – nicht hat viel Tugend;
er schaute so hell aus den dunkeln Augen,
als möcht’ er nicht immer gar zu viel taugen.
Ich sah ihn an, blinzte und nickte
schmunzelnd. Der reizende Knabe blickte
mich an und blinzte, schmunzelte, nickte.
Gelt du, es ist eben gar etwas Gutes
ums Existieren, schmecken tut es?
Und ein bißl Spitzbüberei
ist eben immer auch dabei?
Er hat es mir richtig im Auge gelesen,
der Schelm, das kleine, kaum ahnende Wesen,
er hat es verstanden und hat es bejaht,
der liebliche Lebenskandidat.
Ich hätt’ ihn mögen vor lauter Entzücken
aus den Polstern heben, verküssen, verdrücken,
doch ich sagte mir: „Laß es lieber gehen,
es soll so bleiben, wie es geschehen,
es soll bleiben ein Augenblick.“
Fürbaß ging ich, sah nicht zurück.
Ein alter Bekannter begegnete mir,
er stellte mich, fragte: „Was ist’s mit dir?
Es strahlt ja ordentlich dein Gesicht,
so heiter sah ich dich lange nicht;
wart’, ich merk’s schon, du kommst vom Wein!
ein guter muß es gewesen sein!“
„Ja,“ sagt’ ich, „er war nicht eben schlecht,
noch Most, aber Ausstich, feurig und echt.“