Czytaj książkę: «Beyl und MacGarney», strona 2

Czcionka:

„Ich bitte Sie, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen. Er hat nicht ausgecheckt, er wird also wohl wieder zurückkommen.“

„Waren Sie denn seitdem auf dem Zimmer? Vielleicht haben ja alle seine Sachen in die Tasche gepasst!“ MacGarney ging der Typ langsam auf die Nerven.

„Wäre es möglich, dass Sie die Zimmertür öffnen? Es liegt ein begründeter Verdacht vor, dass es sich bei dem Bewohner möglicherweise um den Täter handeln könnte.“

MacHorn rang mit sich. MacGarney gab ihm einen kleinen Hinweis: „Ansonsten besorgen wir uns die entsprechende Verfügung beim Richter. Das dauert länger und Sie stehen hinterher doof da, wenn Mr. Arthur tatsächlich der Täter war.“

MacHorn nickte: „In Ordnung.“ Er griff in seine Hosentasche und zog eine Karte hervor. MacGarney runzelte die Stirn: „Ich dachte, das ist ein Retro-Hotel. Warum haben Sie denn hier keine Schlüssel?“

„Leider sind die Karten sehr viel sicherer. Das Ganze ist eine Frage der Versicherung.“

Er steckte die Karte in einen Schlitz. Mit einem leisen Piepsen entriegelte die Tür. MacHorn öffnete sie und bedeutete den Polizisten, dass sie nun eintreten könnten.

Das Zimmer war so eingerichtet wie das des Opfers.

Beyl und MacGarney sahen sich um: Der Raum wurde offensichtlich noch bewohnt: Das Bett war nicht gemacht, schmutzige Kleidung lag neben einem großen Koffer, der auf dem Boden unter dem Fenster stand.

„Entweder, er kommt wieder oder er ist geflohen“, sagte Beyl. Er ging langsam durch das Zimmer.

„Ich denke, es wäre gut, wenn Sie mit auf das Revier kommen würden, um ein Phantombild von Ihrem Gast anzufertigen.“

„Ist das denn wirklich nötig?“ MacHorn war sichtlich betrübt.

„Was meinen Sie denn?“, raunzte MacGarney.

MacHorn schaute hilfesuchend zu Beyl, aber der blickte ihn nur ausdruckslos an.

„OK“, sagte MacHorn. „Ich warte unten.“

Eine streitbare Dame

Auf dem Revier setzten Beyl und MacGarney MacHorn beim Phantomzeichner ab und gingen anschließend in ihr Büro. Es war kurz nach elf und sie waren platt. „Ich brauche einen Kaffee“, sagte Beyl. MacGarney nickte zustimmend: „Vorher müssen wir aber noch zur Chefin.“

Beyl verzog das Gesicht: Die Chefin war ihre Vorgesetzte. Im Grunde war es sehr unterhaltsam: MacGarney eckte bei jeder Zeugenbefragung an. Keiner konnte ihn leiden. Beyl war der Charmebolzen, dem die Leute vertrauten. Sobald sie aber das Revier betraten und ihrer Chefin gegenüberstanden, änderte sich die gewohnte Rollenverteilung: Die Chefin war charakterlich das weibliche Gegenstück zu MacGarney: Direkt, grobschlächtig und mit einer gewissen Affinität zur Fäkalsprache. Sie konnte Beyl nicht wirklich leiden, wusste aber, dass er ein fähiger Ermittler war. Sie hatte noch fünf Jahre bis zur Pensionierung und es gab außer MacGarney kaum einen, der sich nicht darauf gefreut hätte.

„Bringen wir es hinter uns“, sagte Beyl und ging in Richtung Tür. MacGarney folgte ihm.

Sie verließen das Büro und gingen die tristen Flure entlang. Schließlich kamen sie zu einer breiten Tür aus dunklem Holz. MacGarney klopfte.

„Was?“, scholl eine tiefe Stimme aus dem Zimmer, der man den jahrzehntelangen Nikotinkonsum anhörte. MacGarney öffnete die Tür: „Morgen“, sagte er.

„Es ist nicht Morgen. Wenn Sie arbeiten würden, wüssten Sie das.“ MacGarney entgegnete: „Ich habe heute mehr gearbeitet als Sie, bei allem Respekt.“

Seine Chefin grinste: Sie mochte MacGarney. Er war nicht so ein Weichei wie die anderen Idioten hier, sondern wusste, dass man Härte auch an der Sprache erkannte.

Elsbeth Dromder war eine alte Dame, mit der man lieber keinen Streit haben wollte: Sie hatte so manche Karriere beendet, bevor sie überhaupt begonnen hatte. Mit den Jahren war sie nicht milder geworden, wie mancher vielleicht gehofft hatte. Vielmehr war in ihr die Überzeugung gereift, dass sie den Saustall auf eine Zeit ohne sie vorbereiten musste.

„Was wollen Sie?“, fragte sie nun.

„Wir waren bei dem Retro-Hotel. Es gibt einen potentiellen Verdächtigen.“

„OK. Gibt es einen Bericht der Spurensicherung?“

Beyl antwortete: „Nein, der steht noch aus.“

Dromder verdrehte die Augen: „Junge, dann machen Sie denen mal Feuer unterm Hintern!“

„Sie sind dran. Der Bericht sollte bald vorliegen.“

„Aha.“ Dromder schaute von einem zum anderen: „Wars das? Ich habe zu tun!“ Sie nickte in Richtung ihres Computers.

„Alles klar.“ MacGarney schob Beyl sanft in Richtung Tür.

„Warum ist die immer so ätzend?“, fragte Beyl. Er war schon seit einigen Jahren in der Abteilung, konnte sich aber einfach nicht an die Besuche bei der Chefin gewöhnen.

„Denk mal nach: Wie alt ist die?“

„100?“

„Quatsch. Aber sie ist voll alt. Sie ist aber auch schon ewig „die Chefin“. Das bedeutet, sie hat sich hochgearbeitet, als Frauen in Leitungsfunktionen absolut keine Selbstverständlichkeit waren. Ich denke, sie musste so sein, damit sie überhaupt ernst genommen wird.“

„Aber muss es denn immer so sein?“

„Stell dir vor, sie wäre ein Mann.“

„Was soll das denn jetzt?“

„Wenn sie ein Mann wäre, würdest du sagen, er ist ein harter Hund. Fertig. Aber weil sie eine Frau ist, die nicht in dein Bild passt, meckerst du.“

Beyl schaute MacGarney an: Vielleicht hatte er Recht.

„Mir egal“, sagte er trotzdem. „Ich habe Hunger. Mittagessen?“

„Mittagessen!“

Mittagessen

Sie fuhren in die Old Town von Edinburgh und gingen die Hauptstraße entlang in Richtung Castle. Touristen rannten zwischen den verschiedenen Shops herum und kauften Schals aus Wolle, die sie niemals tragen würden. Schließlich bogen sie in eine Straße links ab und folgten dem abschüssigen Weg hinunter zu einem kleinen Laden: In dessen Auslage lag ein Schwein. Der Verkäufer pulte mit einer Gabel Fleisch heraus.

„Sehr gut“, seufzte MacGarney, dessen Magen auf dem Boden hing.

Sie bestellten zwei Portionen Pulled Pork mit Barbecue Sauce im Brötchen und setzten sich auf einen der wenigen Stühle, die der Laden für seine Kunden bereithielt.

„Wie lange brauchen die von der Spurensicherung wohl?“, fragte Beyl. Sein Kollege kaute noch, zuckte aber mit den Schultern.

„Ohne brauchbare Hinweise kommen wir nicht weiter.“

MacGarney nickte. Er schluckte das Fleisch runter: „Stimmt. Im Grunde hat die Alte Recht gehabt. Wir müssen bei denen etwas Stress machen, damit sie uns schnell was liefern. Wir könnten auch diesen Arthur schon mal überprüfen.“

Sie kauten weiter. Der Laden füllte sich immer mehr. Nach einiger Zeit hatte sich eine Schlange gebildet, die bis auf die Straße reichte.

„Da haben wir aber Glück gehabt“, sagte Beyl mit einem Blick auf die vielen Leute. MacGarney wischte sich mit einer Serviette den Mund ab, dann zog er sein Handy aus der Tasche.

„Was hast du vor?“

„Stress machen.“

MacGarney wählte eine Nummer, dann hielt er sich den Hörer ans Ohr. Es dauerte etwas, bis sich jemand meldete: „Hallo. Hier MacGarney... Ja... Wie sieht es aus? .... Na hört mal, ihr wart schon vor uns da...Wir brauchen was, ist mir egal, dass ihr viel zu tun habt... Die Chefin ist schon sauer... Bis später...“ Er drückte weg und grinste: „Wir sollen so gegen fünf mal vorbei kommen.“

Beyl verzog das Gesicht: „So spät? Ich wollte heute mal pünktlich nach Hause und was mit meiner Frau machen.“

MacGarney nickte: „Stimmt. Hast du gesagt. Dann fahre ich alleine hin. Ich habe heute nichts weiter vor.“

„Ist das für dich OK? Wenn was Wichtiges dabei rum kommt, ruf durch und ich komme.“

MacGarney machte eine wegwerfende Handbewegung: „Schon OK.“

Sie standen auf und fuhren zurück in Richtung Revier.

Der Leichenkeller

MacGarney fuhr mit dem Aufzug in den Keller. Hier waren die Knochenbrecher untergebracht, die man lieber nicht so nennen sollte. Er hatte es einmal probiert, aber offensichtlich durfte man keinen Sinn für Humor haben, wenn man hier arbeitete.

Beyl war nach Hause gefahren. Er hatte Frau und Kind, da musste man Rücksicht nehmen. MacGarney hingegen war allein. Nicht freiwillig, aber das Resultat war das gleiche: Er hatte Zeit und war froh, wenn er nicht alleine irgendwo rumsitzen musste.

Die Fahrstuhltüren glitten auf: Ein klinischer Geruch drang sofort in MacGarneys Nase. Er verzog das Gesicht. Absolut ekelhaft!

Er ging einen kurzen Gang entlang und klopfte an eine Bürotür.

„Herein!“, rief eine bekannte und verhasste Stimme.

MacGarney öffnete die Tür und betrat das Büro. Lobs saß hinter seinem Schreibtisch und tippte mühsam einen Bericht in den PC.

„Wo haben Sie denn Ihren Kollegen gelassen?“, fragte er.

„Der hat zu tun. Sie werden mit mir Vorlieb nehmen müssen.“

Lobs Gesicht war anzusehen, was er davon hielt, aber er behielt jeden Kommentar für sich. MacGarney nahm auf einem Stuhl vor dem Schreibtisch Platz: „Also?“

„Wir haben nicht viel gefunden. Das Opfer starb durch Strangulation mit einem Telefonkabel. Es hat sich gewehrt.“

„Das ist ja was Neues.“

„Sehr witzig. Sie wollten, dass es schnell geht, also unterbrechen Sie mich nicht, dann sind wir hier auch schnell durch. Also weiter: Wir haben einen Computer gefunden. Unsere Technik ist noch dabei, ihn zu untersuchen. Er ist aufwändig geschützt. Ansonsten haben wir keinerlei persönliche Gegenstände gefunden. Für einen Mann im Urlaub erstaunlich.“

„Keine Bücher oder so? Nichts?“

„Nein. Ich frage mich, was er den ganzen Abend gemacht hat. Im Hotel gibt es kein Internet. Der PC wird ihm nur begrenzt etwas gebracht haben.“

MacGarney kratzte sich am Kinn. „Fingerabdrücke?“, fragte er.

„Ja, das ist das einzige, was wirklich interessant war.“

MacGarney horchte auf.

„Überall im Zimmer sind nur Fingerabdrücke des Opfers. Normalerweise finden sich auch vom Personal welche wieder. Das sollten Sie überprüfen.“

„Also ist das Aufregende, dass es nichts gibt?“

„Nicht ganz: Wir haben einen einzelnen Abdruck gefunden.“

MacGarney lehnte sich nach vorne: „Einen Abdruck? Vielleicht hat der Mörder den Handschuh zu früh ausgezogen.“

„Das kann sein. Aber das wissen wir nicht. Wir konnten ihn bisher noch keiner Person zuordnen. Wir haben eine Schnellabfrage mit der Datenbank gestartet, aber es gab keinerlei Übereinstimmungen. Jetzt läuft die große Abfrage, aber das kann dauern.“

„Interessant.“ MacGarney lehnte sich wieder zurück. Sein Gegenüber schaute ihn an: „Das war alles.“

MacGarney nickte.

„Sie können jetzt gehen.“

Edinburgh bei Nacht

MacGarney verließ den Pub so gegen elf Uhr. Er hatte sich in der Old Town noch zwei Pints gegönnt und ging nun im gemächlichen Tempo die Hauptstraße hoch. Er kannte viele Einwohner, die diese Gegend nicht mehr so mochten. Zu viele Touristen, alles nur noch Kommerz. Das stimmte wohl, aber er war aus einem anderen Grund hier: Das Castle, angestrahlt bei Nacht, war ein so erhabener Anblick! Schon als Kind hatte ihn die Festungsanlage fasziniert und das hatte sich in all den Jahren nicht geändert.

Er erreichte den Platz, der der Burg vorgelagert war. Einzelne Touristen machten Fotos oder schauten links über die Brüstung auf die Straße hinab.

MacGarney schlenderte zur rechten Seite des Platzes. Er setzte sich auf den Boden und lehnte sich an eine Mauer: Rechts lag das Castle, links der Weg in die Old Town. Es war eine milde Nacht.

Er kam oft hierher: Zuhause fiel ihm die Decke auf den Kopf. Seine Frau war vor vier Jahren bei einem Verkehrsunfall verstorben. Seitdem hatte er mehr Zeit, als ihm lieb war. Er konnte Beyl verstehen, der pünktlich nach Hause wollte, um mit seiner Familie Zeit zu verbringen. Das hatte er damals auch getan.

Er griff in seine Jackentasche und fischte ein Notizbuch und einen Stift hervor. Er kniff die Augen zusammen: Das Licht auf dem Platz war nicht sehr hell, aber ausrechend. Dann fing er an zu schreiben.

***

Beyl lag im Bett. Er schaltete sein Handy auf den Flugmodus und legte es zur Seite. Neben ihm lag seine Frau, die bereits eingeschlafen war.

Beyl griff nach seinem eBook-Reader, um noch etwas zu lesen: Die unterhaltsame, leicht verdauliche Geschichte des Polizisten Marius Baga, der in Wien ermittelt.

Bewegung

Beyl und MacGarney trafen fast gleichzeitig im Büro ein.

„Und?“, erkundigte sich Beyl. „Was hat unser Experte aus dem Keller für uns gehabt?“

„Einen Daumenabdruck. Ansonsten waren nur Abdrücke vom Sebstein da.“

MacGarney griff zum Telefon: „Ja. Ich würde gerne mit Mr. MacHorn sprechen... Mein Name ist MacGarney von der Polizei... Ja, danke... Guten Morgen... Ich habe eine Frage: Wie oft macht das Personal bei Ihnen sauber?... Jeden Tag? Interessant... Es gibt bei Mr. Sebstein keinen Fingerabdruck von einer Dame, die dort geputzt hätte... Ja, ich warte... Ja?... Aha... Danke.“ Er legte auf und grinste Beyl an: „Das war ein komischer Kerl. Er hat explizit darum gebeten, dass sein Zimmer nicht betreten oder gereinigt wird.“

„Er hat es nicht putzen lassen oder so?“

„Nein.“

Beyl rümpfte die Nase: „Das ist verdächtig. Interessant. Ich denke, es lohnt sich, mehr über ihn rauszufinden. Was hat er überhaupt beruflich gemacht?“

Sein Partner schüttelte den Kopf: „Das weißt du nicht? Vielleicht solltest du dich mal mehr um deinen Job kümmern.“ Beyl sah ihn verärgert an: „Du weißt es also?“

„Yep.“

„Und?“

„Er hat in einer Bank gearbeitet.“

Beyl zog die Augenbrauen hoch: „Und als was?“

„Keine Ahnung. Ich würde sagen, wir fahren mal hin und fragen nach.“

Beyl schüttelte den Kopf: „Wir können die Stadt nicht verlassen.“

„Müssen wir nicht.“

„Wie meinst du das?“ Beyl war wieder überrascht.

„Naja“, sagte sein Kollege. „Der Gute hat anscheinend vor kurzem seine Wohnung gekündigt, einen Nachsendeantrag zum Hotel gestellt und ist dann dort abgestiegen.“

Beyl verstand nichts mehr: „Moment: Willst du mir sagen, der wohnte in Edinburgh, hat sich aber ein Hotelzimmer genommen und seine Wohnung gekündigt?“

„Ja.“

Beyl schüttelte den Kopf: „Es wird immer seltsamer.“

Die Bank

Die Bank residierte in einem alten, erhaben wirkenden Gebäude. Der Eindruck von Erhabenheit wurde allerdings relativiert, sobald man die Geschäftsräume betrat: Alles war modern, offen und schnell.

Beyl und MacGarney wurden in ein Büro im dritten Stock (von fünf) gelotst, wo sie einem dicken Mann in einem maßgeschneiderten Anzug gegenüber Platz nahmen. Der Mann hatte eine Espressotasse vor sich stehen, die vor dem Hintergrund seiner Fülle noch kleiner wirkte als ihre Artgenossen.

„Sie wollen über Sebstein sprechen“, stellte der Mann fest, der sich als Henry Lamrad vorgestellt hatte - Leiter der Personalabteilung.

„Stimmt, es gibt da einige Fragen, wie Sie sich sicher denken können.“ Beyl setzte sein freundlichstes Lächeln auf. MacGarney auch, aber er wirkte noch immer genervt.

„Kann ich verstehen. War ein guter Mann.“

„Was hat er denn hier gemacht?“, erkundigte sich Beyl.

„Naja. Er war ein Nerd. Ein PC-Freak.“

„Und das bedeutet was?“, fragte MacGarney.

Lamrad schaute ihn abschätzig an: „Das bedeutet, dass er für unser Institut komplexe Finanzprodukte entwickelt hat.“

MacGarney grinste: „Solche Produkte, die uns den Scheiß mit der Bankenkrise beschert haben?“

Lamrads Stirn legte sich in Falten. Er verkehrte nicht in Kreisen, die derart aufmüpfig waren.

„Nein. Er hat seriöse Produkte zusammengestellt und die Berechnungen durchgeführt. Die Nerds sind in unserem Geschäft echte Goldesel. Wenn man einen guten hat, versucht man ihn für immer zu binden.“

Beyl hakte nach: „Und Sebstein war ein guter Goldesel?“

Lamrad lachte: „Oh ja. Er hat großartige Produkte zusammengebastelt, die nur er verstanden hat. Allerdings waren sie alle in Ordnung, das muss ich nochmal dazu sagen. Nicht, dass hier ein falscher Eindruck entsteht.“

MacGarney grinste gehässig: „Keine Sorge, hier entsteht kein falscher Eindruck. Sie haben ja schon gesagt, dass Sie die Produkte nicht verstanden haben.“

Lamrad schnappte nach Luft, aber bevor er auf die unflätige Bemerkung eingehen konnte, ging Beyl zur nächsten Frage über: „Hatte er hier Kollegen? Oder Feinde? Freunde?“

„Lassen Sie mich mal überlegen: Freunde? Nein. Feinde - eher nicht. Kollegen? Puh.“ Er kratzte sich am Kopf: „Die sitzen alle in ihren engen Räumen und hämmern den ganzen Tag auf ihre Maschinen ein. Kann man es Kollegen nennen, wenn sie sich auf dem Flur begegnen?“

Beyl notierte sich ein paar Sachen im Handy: „Hatte er denn einen Teamleiter oder so?“

Lamrad nickte: „Klar, unser Ober-Nerd. Philips.“

„Können wir mit ihm sprechen?“

Der Ober-Nerd

Lamrad hatte nicht gelogen, als er von kleinen, engen Räumen gesprochen hatte. Die Technik-Abteilung befand sich im Keller, abgeschottet vom Rest des Betriebs. Beyl hatte den Eindruck, dass die Bank zwar die Dienste der Männer am PC brauchte, aber doch sicherstellen wollte, dass sie nicht versehentlich mit echten Kunden in Kontakt kamen.

Philips, Abteilungsleiter der Produktentwickler, saß in einem Büro, dass etwas größer zu sein schien als die übrigen Räume.

Er trug eine runde Brille, einen langen Pferdeschwanz und ein schlappriges T-Shirt. Er schaute nervös von einem Polizisten zum anderen. Lamrad hatte es vorgezogen, in seinem Büro zu bleiben.

„Guten Tag, Mr. Philips. Ich denke, Sie wissen, warum wir hier sind“, begann Beyl. Philips begann nervös mit den Augen zu klimpern.

„Es geht um Sebstein. Er ist tot. Schrecklich.“

„Genau.“ Beyl nickte. „Sie waren sein Vorgesetzter. Hatte Mr. Sebstein in der Bank Freunde oder Feinde?“

Philips legte den Kopf schräg und dachte nach. Dann schüttelte er den Kopf: „Nein. Hier bleibt jeder für sich allein. Sehen Sie, hier sind nur riesige Egos unterwegs. Jeder hält sich für den Besten.“

„Und Sie sind der Beste, weil Sie der Boss sind!“, sagte MacGarney, der Philips etwas aufbauen wollte. Der schaute nur irritiert: „Ich? Nein, die sind alle besser als ich. Aber ich habe ein gutes Händchen für Menschen.“

MacGarney schaute ihn sehr erstaunt an. Beyl half ihm aus: „Dann haben Sie sicher öfters mit Sebstein gesprochen?“

„Nein.“

„Aber Sie haben doch ein Händchen für die Leute hier. Das bedeutet doch, dass Sie mit ihnen sprechen, oder?“

„Nein.“

„Was bedeutet es denn dann?“ Beyl war verwirrt.

„Naja, ich weiß, was sie brauchen, um zu arbeiten. Was die optimalen Bedingungen sind. Und wenn Sie doch mal über ihre Arbeit sprechen, kann ich sie verstehen.“

MacGarney fuhr sich mit der Hand über seine Glatze: „Was genau machen Sie denn dann den ganzen Tag hier unten?“

„Ich?“

„Ja.“

„Ich überwache, dass jeder am Platz ist, dass es keinen Streit gibt...“

„Streit?“ MacGarney lehnte sich in seinem Stuhl nach vorne.

„Ja. Manchmal gibt es Ärger. Zum Beispiel, wenn zwei an dem gleichen Problem arbeiten und der einer dann schneller fertig ist.“

„Kam das bei Sebstein auch vor? Dass er Streit hatte?“, fragte Beyl.

„Nein. Wenn er an ein Problem ging, haben sich die anderen rausgehalten. Er war sowas wie ein Rockstar. Er war der Beste.“

„Dann gab es doch bestimmt Leute, die neidisch auf ihn waren?“ Beyl zog sein Handy raus, um sich Notizen zu machen.

„Kann sein. Aber ich denke nicht, dass einer so wütend war, dass er ihn umbringen würde. Die meisten hier unten haben genug mit sich selbst zu tun.“

„Können wir sein Büro sehen?“

Philips stand auf. Beyl und MacGarney folgten ihm. Zwei Türen weiter blieb Philips stehen und öffnete eine Tür. Er tastete nach einem Lichtschalter, dann flammten die Neonröhren auf: Der Raum war... kalt. Weiß gestrichen, ein Schreibtisch, ein Stuhl.

„Wo ist denn der Computer?“, fragte MacGarney.

„Wir arbeiten mit Laptops. Die meisten nehmen die Sachen mit nach Hause und arbeiten dort weiter. Wie gesagt: Nicht viele Freunde.“

„Ist das nicht unsicher?“, fragte MacGarney.

Philips nickte: „Ja. Aber die Jungs sind so gut, dass die Direktion ein Auge zudrückt.“

Beyl hatte eine Idee: „Was für Computer benutzen Sie hier?“

Philips schaute ihn verwirrt an: „Das interessiert Sie?“

„Wir haben einen Rechner bei Sebstein gefunden. Wir müssten wissen, ob das sein Dienstrechner oder der Private war.“

„Mhmmm, das müsste ich drüben nachschauen. Jeder hat seinen individuellen Rechner. Damit er mit ihm auch gut zurechtkommt. Ich gucke mal eben. Sehen Sie sich ruhig um.“ Damit verließ er das Büro.

MacGarney schaute seinen Kollegen verwirrt an: „Meint der das ernst? Was sollen wir uns denn hier ansehen? Wenn ich länger als zehn Minuten hier arbeiten müsste, würde ich mir die Kugel geben.“

Beyl setzte sich auf den Stuhl: „Ja, das ist echt trist.“

„Das ist nicht trist. Das ist scheiße.“

Beyl sah seinen Kollegen vorwurfsvoll an. Der grunzte: „Ja! Ich bin höflich! Aber hier ist es doch echt ätzend!“

Philips kam zurück. Er hielt einen Ausdruck in der Hand: „So, hier die Systemdaten von Sebsteins Rechner.“

Beyl nahm den Ausdruck entgegen und warf einen Blick drauf: „OK“, sagte er und faltete ihn zusammen. Verstanden hatte er kaum was, aber das musste er nicht. Er würde den Zettel einfach an die Technik geben und die sollten sehen, ob der Rechner mit den Daten übereinstimmte.

„Kann ich sonst noch was für Sie tun?“, fragte Philips.

„Ich denke nicht“, sagte Beyl und man merkte Philips an, dass diese Antwort ihn sehr erleichterte.

„Wenn Sie meine Hilfe nochmal brauchen, können Sie sich gerne melden.“ Dieses freundliche Angebot war wohl eher eine Floskel, aber Beyl und MacGarney lächelten freundlich.

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