Czytaj książkę: «Was Europa von Trump lernen kann»
Todd Huizinga
WAS EUROPA VON TRUMP LERNEN KANN
Die Krise des alten Kontinents und das neue Amerika
Impressum
Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN: 978-3-86408-220-7
Satz und Layout: FrankPetrasch
Alle Übersetzungen aus dem Englischen von Todd Huizinga.
© Copyright: Vergangenheitsverlag, Berlin/2017
Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, der fotomechanischen und digitalen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten.
Gewidmet meiner geliebten Frau Vici zu unserem dreißigsten Hochzeitstag
Inhalt
Vorwort
Die Entfremdung in den USA
Das Unbehagen: rechts wie links
Der Verwaltungsstaat und das Schwinden der Demokratie
Herrschaft durch Juristen
Identity Politics, politische Korrektheit und die Beraubung der Freiheit
Postmodernismus: Leugnung der Wahrheit, Aushöhlung der Freiheit
Verwaltungsstaat und Postmodernismus
Europa: die postmoderne EU
Die neuen Menschenrechte
Die globale Neubestimmung der Menschenrechte
Die Destabilisierung der Politik in Europa
Donald Trump und die Rückkehr zur Demokratie
Donald Trumps Abrechnung mit dem Marktfundamentalismus
Donald Trump gegen das gesetzlose Vermächtnis der amerikanischen Linke
Donald Trump und die Überwindung der offenen Grenzen
Donald Trump und das Recht auf Leben
Trump und die Evangelikalen
„Post-Truth“ und die Verkennung von Donald Trumps New Yorker Schnauze
Trump und Europa: Was Europa von Donald Trump lernen kann
Trump und die EU: Nationalismus,Patriotismus, Demokratie
Der transatlantische Trump: die NATO und Russland
Trump und Klimawandel
Trump gegen die globale politische Korrektheit der EU: Israel
Trump und die Offenheit zum religiösen Glauben
Nachwort: Ein Konservatismus für Amerika und Europa
Danksagung
Über den Autor
Vorwort
In Europa ist die Wahl Donald Trumps zum 45. Präsidenten der USA weitgehend auf heftige Ablehnung gestoßen. Man meint, er sei ein gefährlicher Populist, ein Feind der EU und Freund Putins, und vor allem ein unberechenbarer und hemmungsloser Elefant im „Porzellanladen“ der Weltpolitik.
Trotz aller auch berechtigten Kritik an einzelnen Handlungen des neuen Präsidenten verkennen jedoch die verzerrten Schilderungen in den Medien die zentrale Stärke Donald Trumps. Effektiver als alle anderen Politiker in den USA hat er, auch wenn er seine Schwächen hat, seinen Finger an den Puls der Zeit gelegt. Er hat die Notwendigkeit erkannt, die politischen Gepflogenheiten und Strukturen in den USA grundlegend zu reformieren – viele würden sagen auszumisten – und das nicht, um radikale Neuerungen herbeizuführen, sondern um die Errungenschaften des amerikanischen Systems zu bewahren. „In order to make America great again“: Um Amerika wieder groß werden zu lassen. Eine ähnliche, ebenso notwendige Aufgabe steht Europa bevor. Auf beiden Seiten des Atlantiks stehen wir vor der Herausforderung, dass sich die Menschen wieder verantwortlich für die Politik fühlen, um die bedrohten politischen Freiheiten und Rechte sowie den Wohlstand, die wir im Westen erreicht haben, gegen eine unverantwortliche, erstarrte und abgehobene politische, wirtschaftliche und intellektuelle Elite zu sichern.
Es ist schließlich nicht so, dass vor Donald Trump die Welt in Harmonie und Frieden lebte und erst durch eine einzige Person alles aus den Fugen geraten ist. Es lag und liegt vieles im Argen. Viele Konflikte konnten trotz jahrelanger Anstrengungen nicht gelöst werden. Fronten haben sich verhärtet. Eine gähnende Weltanschauungskluft zwischen Konservativen und Progressiven, die gegenseitig ihre unterschiedlichen Wahrheitsauffassungen nicht mehr anerkennen, scheint sich immer weiter zu verbreitern. Vor diesem Hintergrund ist Donald Trump, mit seinem Anspruch, die weitgehend verlorene Volkssouveränität in Amerika wiederherzustellen, eine Antwort auf die weltanschauliche Balkanisierung unseres postmodernen Zeitalters. So stellt das Erscheinen Trumps auf der Weltbühne eine Gelegenheit dar, festgefahrene politische Dogmen neu zu bewerten und allgemeine politische Denkgewohnheiten, die von dem weit verbreiteten Relativismus unserer Zeit geprägt sind, zu hinterfragen.
Von Grund auf benötigen wir eine Rückkehr zur Freiheit, die fest in der Wahrheit verankert ist. Das sind große Worte für die westliche Welt, die reklamiert besonders frei zu sein. Was ich damit meine, ist eine Rückkehr zur zweischneidigen Wahrheit über den Menschen, dass jeder Mensch einerseits eine unantastbare Würde besitzt, dass also jeder einen unanfechtbaren Anspruch auf die gleichen Grundrechte hat; dass aber andererseits der Mensch auch fehlerhaft ist, und stark dazu neigt, Macht zu missbrauchen. Wegen dieses Hangs zur Korruption, muss es Gewaltenteilung sowie die strikte Eingrenzung der Staatsgewalten geben, um einer Machtkonzentration vorzubeugen, die im Endeffekt zur Tyrannei führen würde. Diese Kernwahrheiten bilden die unverzichtbare Basis jeder nachhaltigen Demokratie. Heute werden aber genau diese Kernwahrheiten abgelehnt. Die Freiheit wird verzerrt – umdefiniert als das Recht eines jeden, die echte, überindividuelle, man kann auch sagen: universelle Wahrheit außer Betracht zu lassen und für sich selbst zu entscheiden, was seine eigene Wahrheit ist.
Unsere gesellschaftliche Realität, die Wahrheit, die uns leiten sollte, zerfällt in Scherben. Und die postmoderne, wahrheitsaufbrechende „Toleranz“ führt zum genauen Gegenteil: die Unterdrückung der Andersdenkenden, die sich nicht von der postmodernen Elite vorschreiben lassen wollen, wie sie zu denken haben. Schon seit ein paar Jahrzehnten überschwemmt uns diese Absurdität in der Form von Identity Politics und der politischen Korrektheit, durchgesetzt durch eine postmoderne intellektuelle Elite und einen demokratisch nicht legitimierten Bürokratiestaat. Hillary Clinton machte es unbeabsichtigt klar in ihrer Abrechnung mit der „Hälfte der Trump-Wähler“, ungefähr 30 Millionen Amerikanern: Es wird immer mehr zum Normalfall, dass Menschen, die die neu behaupteten Wahrheiten der politischen Korrektheit nicht linientreu nachplappern, als xenophob, rassistisch, homophob, islamophob, rechtsextrem oder was auch immer diffamiert werden. Die Grenzen werden durch verleumderischen sozialen Druck gezogen, außerhalb derer man nicht denken darf. So werden unter dem Deckmantel einer neuen sozialen Gerechtigkeit „für alle“ die reine Unfreiheit und die dreisteste Ungerechtigkeit durchgedrückt. Das gilt für den ganzen transatlantischen Raum, für Europa sowie für Amerika.
In Europa kommt der Zwang hinzu, dem amorphen Traum von irgendeinem letztendlichen Weltfrieden durch eine übernationale Überwindung der Nationalstaaten nach EU-Vorbild anzuhängen, und sei es, dass man die EU-Gläubigkeit durch Stillschweigen über sich ergehen lässt. Tut man das nicht, wird man als erstarrter Nationalist mit rechtsextremistischen Anklängen abgestempelt.
Aber der Schleier wird gelüftet. Immer mehr Menschen spüren, dass ein ungerechter Überfall gegen ihre Freiheit im Gange ist. Und darum ging es bei der Wahl Donald Trumps, dem Kandidaten, der besser als alle anderen die Notwendigkeit verstanden hat, die politische Korrektheit auf den Müllhaufen der Geschichte zu werfen und den Bürokratiestaat wieder unter Kontrolle zu bringen. Um es spitz zu sagen: Es ging bei der Präsidentenwahl nicht um Twitter, noch um ungewöhnliche Haarschnitte, noch um irgendeine andere Nebensächlichkeit dieser Art, die die Aufmerksamkeit der selbst ernannten Bewahrer des politisch und gesellschaftlich guten Tons so dominiert haben. Es ging um die Wiederherstellung der Freiheit und der Gerechtigkeit nach amerikanischer Art.
Die Europäer könnten sehr viel Gewinn aus einer Analyse dieser amerikanischen Vorgänge schlagen. Denn auf dem Mutterkontinent der USA, in Europa, wächst eine ähnliche Sehnsucht nach der Wiedererlangung der Freiheit und Gerechtigkeit, gegen die utopischen Träumereien einer friedvollen Weltordnung nach EU-Vorbild, in der eine globale Elite über die Köpfe der Wähler hinaus regiert.
Was kann man in Europa – und Amerika – von Donald Trump lernen? Um diese Frage zu beantworten, möchte ich im Rest dieses Buches zuerst das Gefühl der Entfremdung in den USA und dessen Ursachen schildern. Dann möchte ich zur postmodernen EU übergehen, um die vergleichbaren Herausforderungen in Europa aufzudecken. Nach einem Diskurs über Trumps Projekt zur Wiederherstellung einer robusten Demokratie in Amerika anhand der Beispiele von brennenden politischen Streitfragen, will ich ein paar Thesen darüber aufstellen, an welchen Punkten dieser Versuch der Wiederbehauptung der Demokratie auch für Europa relevant sein könnte.
Mein durchgehendes Plädoyer ist, für eine Rückkehr zur strikten Eingrenzung des Staates zu plädieren, für das demokratisch rechenschaftspflichtige Regieren auf der Basis eines konservativen Menschenbildes. Kurz und bündig möchte ich in diesem Buch für eine Rückkehr zu einer politischen Führung eintreten, die mit den Menschen, mit der Wählerschaft, und deren common sense verbunden ist.
Dieses Buch versucht, einem europäischen Publikum zu vermitteln, dass Trump kein Zufall, kein Unfall und keine Absurdität der Weltgeschichte ist. Er ist demokratisch legitimierter Präsident der größten Demokratie und eine Figur, die uns im Westen wieder auf unsere eigentlichen demokratischen Werte besinnen lässt. Gerade weil Donald Trump die Selbstverständlichkeiten von vielen von uns – Amerikanern wie Europäern – so sehr erschüttert, haben wir in der ehrlichen Auseinandersetzung mit seinen Thesen eine Chance zur Selbstfindung und zu neuer Stärke.
Editorische Notiz
Die Behandlung der Themen Postmoderne, Menschenrechte und Global Governance auf den Seiten 33-50 sind zum Teil an zwei frühere Werke des Autors angelehnt, und enthalten Auszüge und Zitate aus diesen Werken: Todd Huizinga: The New Totalitarian Temptation: Global Governance and the Crisis of Democracy in Europe. New York: Encounter Books, 2016; und Todd Huizinga: Christlicher Glaube und Politik in der Postmoderne, S. 147-159, in: Philipp W. Hildmann/Johann Christian Koecke (Hrsg.): Christentum und politische Liberalität: Zu den religiösen Wurzeln säkularer Demokratie, Berliner Bibliothek Religion - Kultur - Wissenschaft Band 3, Frankfurt am Main: Peter Lang Edition, 2017.
Die Entfremdung in den USA
Das Unbehagen: rechts wie links
Um das Projekt Donald Trumps zu verstehen, muss man den politischen und gesellschaftlichen Hintergrund der Wahl 2016 im Auge behalten, nämlich die Entfremdung in den USA, die nicht mehr zu übersehen ist, zwischen dem „Mann auf der Straße“ und einer scheinbar hoffnungslos abgehobenen Elite. Diese Entfremdung drückte sich aus, um nur ein Beispiel zu nennen, in dem, was die beiden Kandidaten, Donald Trump und Hillary Clinton, im Laufe ihrer Wahlkampagnen über Flint sagten, einer Stadt im Bundesstaat Michigan, in dem ich zu Hause bin. Viele werden sich wahrscheinlich an die Trinkwasserkrise von Flint erinnern. Sie lieferte im Jahr 2016 eine Zeit lang auf dem ganzen Globus Stoff für die Berichterstattung aus den USA. Das Trinkwasser in Flint war verfault und verunreinigt. Man konnte es nicht trinken. Es war ein Skandal.
Flint wurde zu einem Leitthema für die Wahl im vergangenen November. Die Wahl fand statt in einer Zeit, in der viele im ganzen Land sich genauso vorkamen wie viele der Einwohner von Flint – verlassen, allein und vergessen. Um es vielleicht vorsichtiger auszudrücken, fühlten und fühlen sich viele Menschen von der regierenden Klasse unbeachtet – unterbewertet, unberücksichtigt und ignoriert. Donald Trump sagte dazu sehr passend: „Früher wurden Autos in Flint hergestellt, und man konnte das Wasser in Mexiko nicht trinken. Jetzt werden Autos in Mexiko hergestellt, und man kann das Wasser in Flint nicht trinken.“ Hillary Clinton sagte hingegen etwas ganz anderes: „Ich bin empört über das, was in Flint geschieht, und ich finde, jeder einzelne Amerikaner sollte auch empört sein.“
Beide Zitate drückten etwas aus, dem die meisten Amerikaner sicherlich erst einmal zustimmen würden. Bei näherem Hinsehen benannten die Kandidaten aber radikal verschiedene Dinge. Hillary Clinton bezog sich ganz klar auf „Identity Politics“, eine Politik, die auf der Betonung der Identität und der Rechte marginalisierter Gruppen basiert. Sie verwies wiederholt darauf, dass die Mehrheit der Flint-Einwohner Afroamerikaner sind und behauptete, indirekt aber unmissverständlich, dass die Wurzel der Trinkwasserkrise rassistisch begründet war. Ein Hauptthema ihrer Kampagne war das Eintreten für mehr Gerechtigkeit für Gruppen, die sie für marginalisiert hielt: Frauen, LGBT-Menschen (Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuelle) und Einwanderer nichteuropäischer Abstammung sowie andere Minderheiten.
Auf der anderen Seite konzentrierte sich Donald Trump auf die verlorene Größe Amerikas. Seine Aussage bezog sich auf die Entscheidung der Ford Motor Company (einen Entschluss, den Ford inzwischen teilweise zurückgenommen hat) innerhalb der kommenden Jahre die gesamte Kleinwagenherstellung nach Mexiko zu verlagern. Trumps Kampagne zirkulierte um die Wiederherstellung der Größe Amerikas – making America great again – eine Größe, die laut ihm verloren gegangen ist, weil eine abgehobene Elite – die staatliche, großindustrielle und intellektuelle Elite – amerikanischen Patriotismus für eine globalistische Orientierung eingetauscht hat. Dieser Begriff des Globalismus, und wie darauf zu reagieren ist, ist für das weitere Verständnis zentral. Trump wollte und will die frühere Größe Amerikas dadurch wiederherstellen, dass er bei dem amerikanischen Staat sowie den Führungskräften der amerikanischen Wirtschaft „patriotische Rechenschaftspflicht“ wieder durchsetzt.
Im Prinzip ging es in der ganzen Wahlkampagne genau um diese Themen, also um Identity Politics auf der einen Seite gegen die Wiederbehauptung der patriotischen Verantwortlichkeit innerhalb der Elite auf der anderen. Die Kampagne verlief vor dem Hintergrund einer weitverbreiteten Empfindung unter der Bevölkerung im allgemeinen, die das Gefühl der Einwohner von Flint ähnelte, dass man sie vernachlässigt, allein lässt und ignoriert. Die Präsidentenwahl 2016 fand im Rahmen einer wachsenden Spaltung statt, die die Arbeiter- und Mittelklasse (vervollständigt durch eine beträchtliche Unterklasse) von einer kleinen Elite trennt. Hinzu kommt – und darum geht es eigentlich in diesem Buch –, dass der Prozess einer wachsenden Spaltung zwischen einer zum großen Teil traditionalistischen Bevölkerung und einer postmodern-progressiven, globalistisch denkenden Elite überall in der westlichen Welt zu beobachten ist und sich unentwegt verschlimmert.
Es kommt nicht von ungefähr, dass viele Beobachter die Ähnlichkeiten zwischen Bernie Sanders und Donald Trump notiert haben. Ihre Kandidaturen zielten beide auf genau diesen Hintergrund ab: die Spaltung und Entfremdung zwischen einer kleinen Elite und einer Mehrheit, die sich vernachlässigt vorkommt. Diese Entfremdung ist weit genug verbreitet, um sowohl rechts als auch links, Konservative und Progressive, anzusprechen, und zwar auf ähnliche Art und Weise. Eigentlich könnte man sagen, dass diese Entfremdung nicht nur die gemeinsame Wurzel von den Kampagnen von Donald Trump und Bernie Sanders war, sondern dass ihr auch eine überraschende Gemeinsamkeit zwischen zwei Bürgerbewegungen zu Grunde liegt, die sich sonst auf entgegengesetzten Polen des politischen Spektrums befinden, nämlich der Tea-Party-Bewegung auf der rechten und der Occupy-Wall-Street-Bewegung auf der linken Seite. Ein Lied vom Country- und Westernsänger John Rich, „Shuttin’ Detroit Down“, das einige Zeit zu einer Art Parole für die Tea-Party wurde, veranschaulicht diese Gemeinsamkeit. Das Lied vermengt altehrwürdige amerikanische, Tea-Party-artige Werte wie z.B. Familie, Fleiß, Selbstständigkeit, Chancengleichheit und Patriotismus mit normalerweise linken, Occupy-Wall-Street-artigen Themen wie Klassenkonflikte zwischen Arbeitern und Reichen, die im Lied vom „Boss“ und den Wall-Street-Bankern verkörpert werden:
„Mein Papa sagte mir, dass in diesem Land alle gleich sind
Man arbeitet für seinen Dollar und steht dafür gerade,
Wenn die Dinge schiefgehen.
Und jetzt sehe ich wie die großen Tiere im Fernsehen winseln,
Dass sie ihre Milliarden verlieren und es liegt an mir und dir
Denen zur Rettung angelaufen zu kommen.
Nun Verzeihung, dass ich keine Träne vergieße.
Denn sie verkaufen Märchen und wir nehmen das hier nicht ab.
Denn in der echten Welt wird Detroit stillgelegt,
Während der Boss seine Prämie kassiert und wegjettet.
DC rettet all die Banker und guckt zu, wie die Bauern ihr Land versteigern.
Ja, während man in der New Yorker Wall Street sich austobt,
Wird hier in der echten Welt Detroit stillgelegt.“
Auf der rechten Seite wittern viele, dass das Land der Chancengleichheit nicht mehr wirklich allen eine Chance bietet. Auf der linken Seite ahnen viele, dass eine kleine herrschende Klasse – das obere Ein-Prozent, wie die Occupy-Wall-Street-Bewegung sie bezeichnete – alle anderen, die restlichen 99-Prozent, ausbeutet. Rechts und links gibt es wesentliche Unzufriedenheit und beträchtliche Verärgerung über eine distanzierte Elite in Politik und Wirtschaft, die das schöne Leben genießt und sich um ihre eigenen Interessen kümmert. Aber diese Entfremdung hat noch tiefere Wurzeln. Im Folgenden möchte ich mich auf drei konzentrieren: den Verwaltungsstaat, die Herrschaft der Juristen, und den Verlust an Freiheit durch Identity Politics und politische Korrektheit. Hinter all dem lauert die vorhin angedeutete Weltanschauungskluft zwischen einer zum großen Teil traditionalistischen Bevölkerung und einer postmodern-progressiven Elite.
Der Verwaltungsstaat und das Schwinden der Demokratie
In den USA breitet sich der Verwaltungsstaat schon mehr als 100 Jahre lang aus. Die Bürokratisierung der Herrschaft, d.h., die zunehmende Ausübung von politischer Macht durch Bürokraten und Fachleute, hat ein Ausmaß erlangt, dass man langsam den Punkt erreicht, an dem Beamte de facto die legislative Gewalt ausüben, für die nach der amerikanischen Verfassung die gewählten Kongressmitglieder verantwortlich sind, die Politiker also, die regelmäßig durch Wahlen dem Volk gegenüber Rechenschaft ablegen müssen. Schon seit mehr als 100 Jahren, seit den Präsidentschaften von Theodore Roosevelt und Woodrow Wilson am Anfang des 20. Jahrhunderts, wächst der Verwaltungsstaat in den Vereinigten Staaten fast ununterbrochen. In dieser Zeit machte der Bürokratiestaat große Sprünge nach vorn, vor allem während der Amtszeiten von Franklin Delano Roosevelt, Lyndon Johnson, Richard Nixon und Barack Obama. Unter Barack Obama, der in Deutschland immer noch eine unkritische Verehrung genießt, die er niemals verdient hat, ist der Verwaltungsapparat des Staates so explosiv gewachsen, dass nach einer Schätzung von Clyde Wayne Crews auf cato-unbound.org im Jahr 2015 „Verwalter“ dreißig Mal mehr Vorschriften und Regelungen gemacht haben, die das tägliche Leben der Amerikaner mitbestimmen, als der Kongress Gesetze verabschiedet hat.
Aber die Anzahl von Vorschriften und der Überbürokratisierung ist nicht das größte Problem. Das Problem, wie ich vorhin angedeutet habe, ist die mangelnde Rechenschaftspflicht der Beamten und der Einrichtungen, die die Vorschriften machen. Ein Grund, warum das lange Zeit relativ unbemerkt ablief, ist, dass Vorschriften eben als vergleichsweise harmlose „Vorschriften“ daherkommen, obwohl sie eigentlich Gesetze sind. Und der Kongress ist die Einrichtung, die dazu da ist, um die legislative Gewalt auszuüben. Stattdessen, wie Joseph Postell von der University of Colorado bemerkt, „verabschiedet der Kongress Gesetze, die dessen legislative Gewalt auf Ministerien und andere Einrichtungen des Staates übertragen. Diese Ministerien und Einrichtungen, in denen das Personal aus ungewählten Beamten besteht, entwickeln dann die Gesetze, denen [die Bevölkerung] folgen muss.“ Was vielleicht noch schlimmer ist: Viele der Einrichtungen üben die drei Gewalten des Staates – die exekutive, legislative und judikative Gewalt – aus. Sie „sind mit der Gewalt versehen worden, Gesetze zu verabschieden, ihre Einhaltung zu untersuchen sowie zu erzwingen, die mutmaßlichen Verstöße gegen die Gesetze zu verfolgen, und oft sogar über diese mutmaßlichen Verstöße Urteile zu fällen.“
So beschreibt Professor Gary Lawson das Vorgehen einer typischen Instanz des Staates, der Federal Trade Commission (Bundeshandelskommission): „Die Kommission verabschiedet Regelungen. Dann ermächtigt sie Untersuchungen über mögliche Verstöße gegen diese Regelungen; die Kommission führt die Untersuchung dann aus und berichtet über ihre Feststellungen an die Kommission. Die Anklage der Kommission über den Verstoß gegen eine Regelung der Kommission wird dann von der Kommission verfolgt und gerichtlich entschieden. In gewissen Fällen, wenn die gerichtliche Entscheidung der Kommission nachteilig ist, kann die Kommission dann bei der Kommission Berufung einlegen...“ James Madison, einer der amerikanischen Gründerväter und Hauptverfasser der amerikanischen Verfassung, hatte Recht, als er schrieb, dass die Vereinigung aller drei Staatsgewalten in den gleichen Händen „der Inbegriff der Tyrannei“ sei.
Es überrascht also nicht, dass endlich, nach einem Jahrhundert des ständigen Wachstums, die außer Kontrolle geratene Erweiterung des Verwaltungsstaats den Eindruck unter vielen Amerikanern erweckt, dass die USA dabei sind, sich in etwas Unerkennbares zu verwandeln, dass das Amerika des Verwaltungsstaats auf dem Weg ist, ein Land zu werden, das von einer nicht rechenschaftspflichtigen Elite regiert wird, und das wesentlich weniger frei ist. Donald Trump hat Millionen von Anhängern unter der Wählerschaft gewonnen, weil er das Problem der Bürokratisierung der Staatsmacht erkennt und anpacken will. Eines seiner wichtigsten Themen ist die Wiederbehauptung von politischer Kontrolle über die rechenschaftsmangelnden Einrichtungen des Staates und das Abschaffen von niederdrückender Überregulierung. Hillary Clinton hat übrigens nie auch nur angedeutet, dass sie in irgendeiner Form über den Verwaltungsstaat besorgt sei.
Darmowy fragment się skończył.