Czytaj książkę: «Es würde Knochen vom Himmel regnen…»
WÜRDE DAS GEBET EINES HUNDES ERHÖRT…
ÜBER DIE VERTIEFUNG UNSERER BEZIEHUNG ZU HUNDEN
SUZANNE CLOTHIER
AUS DEM AMERIKANISCHEN VON PATRICIA KOBER
Die Namen und persönlichen Details der in diesem Buch erwähnten Hunde und Personen wurden geändert, um deren Privatsphäre zu schützen.
Copyright © Suzanne Clothier, 2002
Alle Rechte vorbehalten.
© 2004 Suzanne Clothier/ animal learn Verlag, Bernau
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung, Verbreitung und Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werks darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
ISBN 978-3-936188-15-8
Übersetzung ins Deutsche: Patricia Kober
Lektorat: Sonja Zbinden
Umschlagillustration: Stefan Dinter, Stuttgart
Satz & Layout: Annette Gevatter, Großerlach
eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund
Alle Rechte der deutschen Übersetzung:
animal learn Verlag, Am Anger 36, 83233 Bernau
email: animal.learn@t-online.de, www.animal-learn.de
STIMMEN ZUM BUCH
„Aus der mit Hundebüchern überfrachteten literarischen Landschaft sticht dieses Buch heraus. Es ist fröhlich, bewegend, informativ, menschlich und klug. Frau Clothier versteht Hunde wirklich und spricht ihre Sprache.“
— Clinton Sanders,
Ph.D., Autor von Understanding Dogs: Living and Working with Canine Companions und Mitautor von Regarding Animals
„Wenn Hunde beten könnten, würden sie dafür beten, dass Menschen dieses durchdachte und warmherzige Buch lesen… Suzanne Clothier zeigt, dass Einfühlungsvermögen, Respekt (und etwas feiner Humor) das ungenutzte Potential in Beziehungen zwischen Menschen und Hunden freisetzen kann.”
— Rev. Gary Kowalski,
Autor von Dein Tier. Eine empfindsame Seele.
„Sachlich und einfach zu lesen… eine beeindruckende Würdigung des Wohlwollens, der Geisteshaltung und der Seele unserer Kopiloten im Leben.“
— Marc Bekoff,
Ph.D., Autor von Das unnötige Leiden der Tiere
„Das Buch hält sein Versprechen, die Beziehung zwischen Menschen und Hunden zu vertiefen… Es ist unmöglich, dieses Buch über Hunde zu lesen, ohne überraschende und provozierende Dinge über sich selbst zu erfahren. Ich kann das Buch nicht genug empfehlen… ein Muss.“
— Susan Chernak McElroy,
Autorin von Tiere als Lehrer und Heiler
„Endlich gibt es eine genaue Analyse der Denkweise und Motive unseres besten Freundes, des Hundes… Ich empfehle dieses wundervolle Buch wärmstens. Lesen Sie es und lernen Sie, Ihren Hund zu lesen.“
— Ian Dunbar,
Ph.D., MCRVS, Moderator der englischen Fernsehserie
Dogs with Dunbar und Gründer der Association of Pet Dog Trainers (APDT)
„Dieses Buch handelt nicht von der Ausbildung von Hunden, damit diese den Menschen verstehen — es geht darum, Menschen auszubilden, damit sie Hunde verstehen… Es wird Ihnen helfen, eine tiefere Beziehung zu Ihrem vierbeinigen, besten Freund aufzubauen.“
— Steve Dale, Chicago Tribune
Kolumnist von My Pet World und Moderator von Pet Central, WGN-Radio und Animal Planet Radio
„Fesselnd. Clothiers Buch besitzt Tiefe, Weisheit, gute Laune und faszinierende Einsichten… lernen Sie von diesem wunderbaren Buch.“
— Marylee Nitschke, Ph.D.,
Tiertherapeutin und Professorin der Psychologie,
Linfield College, OR (USA)
„Dieses Buch wurde eindeutig von jemandem geschrieben, der Hunde wirklich versteht und liebt.“
— Jane Goodall,
Autorin von Grund zur Hoffnung
„Wunderbare Geschichten… jeder Besitzer eines Haustieres und jeder, der sich einen Hund anschaffen möchte, sollte dieses Buch lesen.“
— William E. Campbell,
Mitbegründer der American
Society of Veterinary Ethology
„Eine Rarität… ein Ausbildungsbuch, das die spirituelle Seite berücksichtigt. Clothier beweist Witz, Einsicht und Vorstellungskraft bei einem Thema, das lange vom behavioristischen Modell dominiert wurde.“
— Helen Weaver,
Autorin von The Daisy Sutra:Conversations with My Dog
„Clothier hat die seltene Gabe, die Welt mit den Augen eines Hundes zu sehen… Ein Buch voller Mitgefühl und Liebe für unsere tierischen Gefährten, mit denen wir die Welt teilen.“
— Erich Klinghammer,
Ph.D., Eckhard Hess Institute of Ethology, Wolf Park/NAWF
„Es ist ein echtes Vergnügen, ein Buch über die Beziehung zwischen Menschen und Tieren zu lesen, in dem der Hund wie ein spirituelles Wesen behandelt wird…. gut gemacht!“
— Martin Goldstein,
DVM, ganzheitlicher Tierarzt und
Autor von The Nature of Animal Healing
„Ein Buch, das Sie mehrmals lesen und in dem Sie jedes Mal etwas Neues entdecken können: Entdecken Sie eine einfache Mitteilung von Tieren an Menschen, finden Sie einen Satz, der Sie zu neuem Bewusstsein führt, lesen Sie ein Ende, das Sie weinen lässt… Wenn Hunde schreiben könnten, würden Sie wahrscheinlich solche Bücher schreiben.“
— Terry Ryan,
Präsidentin von Legacy Canine Behavior & Training, Inc.,
international anerkannte Tierausbilderin, Autorin, Leiterin von Workshops und Autorin von Toolbox for Remodeling Your Problem Dog
FÜR GRAS,CHRISTIANUND BEAR
INHALT
1. In der Gesellschaft von Tieren
2. Das Gebet eines schwarzen Hundes
3. Tanzen mit Hunden
4. Die Qualität der Bindung
5. Spaziergänge mit Hunden
6. Neuanfang
7. Dr. Doolittle
8. Die Katze im Sack
9. Und nichts als die Wahrheit
10. Was ich eigentlich sagen wollte…
11. Bring mich zu eurem Anführer
12. Führung bedeutet Aktion
13. Wem gehört die Couch überhaupt?
14. Ich gehe voran – das könnte gefährlich sein
15. Aber was hast du für ein entsetzlich großes Maul?
16. Leg die Pfannkuchen hin, dann wird niemand verletzt
17. Was Timmy Lassie nie angetan hätte
18. Auf der Suche nach gefühlvoller Übereinstimmung
19. Herzensangelegenheiten
20. Kalte Nasen, keine Flügel
Danksagung
Empfohlene Literatur
WÜRDE DAS GEBET
EINES HUNDES ERHÖRT,
WÜRDE ES KNOCHEN VOM
HIMMEL REGNEN.
TÜRKISCHES SPRICHWORT
1
IN DER GESELLSCHAFT VON TIEREN
Du musst die Stadt deiner Bequemlichkeit verlassen
und in die Wildnis deiner Intuition gehen.
Was du entdecken wirst, wird wundervoll sein.
Was du entdecken wirst, bist du selbst.
ALAN ALDA
Mein einziger Fehler war, dass ich ihr über das Knie leckte. Bis zu diesem Moment hatten sie toleriert, dass ich ruhig unter dem Esszimmertisch hechelte, ein guter Liegeplatz an einem warmen Sommerabend. Ich war ein kluger Hund. Ich wusste, ich könnte kühler auf den glatten Fliesen im Badezimmer oder sogar draußen liegen, im Schatten der Büsche entlang der Mauer. Aber dann wäre ich nicht bei meiner Familie gewesen. Von der Position unter dem Tisch aus gesehen, eingerahmt vom Tischtuch, erschien meine Familie wie eine Ansammlung von Beinen und Kleidung: rundliche Knie, dicke Knie, schorfbedeckte Knie, müde wirkende Fußgelenke, die bleich und dünn aus praktischen, weißen Socken ragen, angenehm schmuddelige Füße, die gedankenverloren an Stühlen reiben, ein Flip-Flop, der an einem schwingenden Zeh baumelt.
Ich verlagerte mein Gewicht, um mich gegen das Knie einer Frau zu lehnen, mit geschlossenen Augen atmete ich den vertrauten, süßen Duft ein, der von einer Vertiefung an ihrem Fußgelenk ausging. Geistesabwesend streckte sie den Arm herunter, um mir den Kopf zu tätscheln, und dankbar für die Aufmerksamkeit leckte ich ihr über das Knie. Der erschreckte Schrei meiner Tante bereitete meiner glücklichen Zeit als Familienhund ein Ende. Das war nicht fair, dachte ich grollend, während ich unter dem Tisch vorgezogen und brüsk mit den Worten: „Setz dich hier hin und iss wie ein Mensch!“ auf einen Stuhl platziert wurde. Ich wollte doch nur einen Hund. Wenn ich schon keinen Hund haben konnte, konnte mir meine Familie doch wenigstens erlauben, ein Hund zu sein. Und jeder weiß, dass Hunde Leute, die sie mögen, ablecken.
Ich lebte in einer typischen Familie der Mittelklasse – eine durchschnittlich intakte Familie –, die so ein merkwürdiges Verhalten bei ihrem ältesten Kind ganz bestimmt nicht unterstützte. Meine Eltern waren tolerant gegenüber Tieren und behandelten sie gut, beide waren aber nicht ausgesprochen vernarrt in sie. Ich fühlte mich nicht aus Bedürfnis nach Liebe oder Anerkennung zu Tieren hingezogen, obwohl viele Kinder bei Tieren die bedingungslose Liebe und Anerkennung finden, die ihnen in ihrem jungen Leben fehlt. Doch lange bevor ich die Enttäuschung und die Verärgerung kennen lernte, lange bevor ich lernte, wie verletzend und komplex Menschen sein können, fühlte ich mich instinktiv zu Tieren hingezogen. Ich fühlte mich von allen möglichen Tieren angezogen, einfach weil sie da waren. Sie waren und sind mein Mount Everest –, sich jeder Erklärung ihrer Anziehungskraft widersetzend, unglaublich einladend – vorhanden, um gesehen und kennen gelernt zu werden, wenn ich bereit bin, die Expedition zu unternehmen.
Ich war nicht damit zufrieden, Tiere zu beobachten oder sogar anzufassen. Ich wollte ihr tiefstes Inneres verstehen, mich in ihre Gedanken versetzen, die Welt so sehen, fühlen, riechen und hören wie sie. Meine Experimente, ein Tier zu „sein“, wurden normalerweise privat durchgeführt, da die Toleranz meiner Mutter gegenüber meinen Tierverhaltensweisen ziemlich erloschen war, nachdem ich einfach zu viele Fußgelenke abgeleckt hatte. Wenn ich jedoch mit meinen Schwestern Familie spielte, wurden diese Experimente und Fähigkeiten gefördert, da sie aufregende, neue Spielsituationen erlaubten. Normalerweise spielte meine mittlere Schwester die Mutter (eine Rolle, die sie bereits damals und auch heute noch sehr gut ausfüllt), und unsere jüngste Schwester übernahm jede ihr zugewiesene Rolle. Ich spielte ausnahmslos das Haustier. Manchmal war ich ein Hund, manchmal ein Pferd und manchmal, um auch mal exotischere Rollen spielen zu können, ein Puma, Löwe oder Tiger, bis das erforderliche wilde Brüllen meinen Hals erschöpfte.
WENN BERLITZ DIE HUNDESPRACHE ANGEBOTEN HÄTTE
Bei meinem lebenslangen Streben nach Kenntnissen über die Sprache der Tiere war die Sprache der Hunde die erste und einfachste. Schließlich lebten Muttersprachler in meiner Nachbarschaft und konnten ohne weiteres studiert werden. Ob in der Gesellschaft eines lebenden, atmenden Hundes oder nur mit den zahllosen eingebildeten Hunden in meinem Kopf – Bob, Lad, King, Buck und Lassie –, ich übte. Ich übte hecheln, zur Verärgerung meiner Schwestern und zu meiner eigenen Bestürzung, als ich entdeckte, dass Hecheln mich nicht abkühlte, wie ich es von Hunden gelesen hatte, sondern mich nur schwindelig machte und bei mir die Frage aufwarf, ob Hunde jemals so hyperventilierten wie ich. Ich versuchte, Wasser zu schlappen und aus einem auf dem Boden stehenden Napf zu fressen. Dabei wünschte ich mir immer, dass meine Schnauze länger und besser für die Aufgabe geeignet sei. Ich liebte es (und liebe es noch immer), an den Knochen von Steaks oder Koteletts zu nagen, und verstehe zumindest teilweise, warum Hunde so glücklich aussehen, wenn sie es dürfen. Ich übte, den Kopf nicht zu drehen, wenn ich ein Geräusch hinter mir hörte, sondern stattdessen die Ohren in diese Richtung zu drehen. Es frustrierte mich, dass ich, da ich keine sehr mobilen und gut sichtbaren Ohrmuscheln hatte, nicht öffentlich zeigen konnte, wie geschickt ich darin war. Schwanzwedeln war ein schwer zu lösendes Problem – ein aufgerolltes Shirt oder Handtuch führte zu einem lahmen Effekt, egal wie sehr ich mit meinem Hinterteil wackelte. Schließlich entschloss ich mich zu einem Wedeln, das meinen Ohrbewegungen entsprach – fein, einfach und (leider) nur mir bewusst.
Ich perfektionierte mehrere Knurr- und Brummgeräusche und ein Schnappen, das mit einem wunderbaren, hörbaren Zuschnappen meiner Zähne endete. Ein Geräusch, das selten seine Wirkung als deutliches Alarmzeichen für denjenigen, an den es sich richtete, verfehlte. Mein Aufheulen eines verletzten Hundes deckte den ganzen Bereich von versehentlichen Tritten auf meine Pfoten bis zum tödlich verwundeten Hund ab und war realistisch genug, um Leute mitten im Schritt innehalten zu lassen. Natürlich war auch mein Bellen überzeugend – so sehr, dass ich gelegentlich eingesetzt wurde, um drohend zu bellen, wenn meine Eltern nicht zu Hause waren und jemand an die Tür kam. Im College haben an so manchen langweiligen Abenden meine Einmann-Vorstellungen eines „Hundekampfes“ Leben in das Badezimmer des Wohnheims gebracht. Es ist verblüffend, wie einfach es ist, ansonsten intelligente Leute glauben zu machen, dass in der Dusche zwei Pudel miteinander kämpfen.
Ich wollte jedoch noch andere Sprachen sprechen. Pferde stellten bei meiner leidenschaftlichen Begeisterung für die Sprache der Tiere sogar Hunde in den Schatten, und als ich im Alter von zehn Jahren begann, Reitunterricht zu nehmen, eröffnete sich mir eine neue Sprache aus Bewegung, Körperhaltung, Gesichtsausdruck und Geräuschen. Mit zwölf Jahren beherrschte ich die Grundlagen: die Begrüßung mit dem langsamen, vorsichtigen Pusten in die Nüstern des anderen, ein leises Schnauben, das Prusten, das Wiehern, das warnende Schnauben, das Hochwerfen des Kopfes und die Halsbewegungen eines verärgerten Pferdes, das Rollen der Augen und Anlegen der Ohren bei Verärgerung, sogar das seitliche Ausbrechen mit hocherhobenem Kopf eines erschreckten Pferdes. Auch heute noch scheue ich manchmal wie ein Pferd, wenn ich mich erschrecke. Wenn in meiner Schulzeit nervige Witzbolde versuchten, meinen Kopf in den Trinkbrunnen zu tauchen, während ich trank, war ihnen nicht bewusst, dass ich meine Ohren nach hinten gedreht hatte, um sie zu hören. Sie waren immer überrascht, wenn ich, wie es wohl viele Pferde tun würden, sehr treffsicher nach ihnen ausschlug. Wenn sie die Pferdesprache gesprochen hätten, hätten sie die angelegten Ohren und die verengten Augen gesehen und gewusst, dass sie vorher angemessen gewarnt worden waren.
Leider habe ich die Pferdesprache zu spät erlernt, zu meinem Bedauern war sie nicht mehr sehr hilfreich für meine anspruchsvollste Rolle. Im Alter von sechs bis acht spielte ich gleichzeitig einen kanadischen Mountie, sein Pferd und seinen Hund. Wenn ich in diesem zarten Alter bereits mehr als nur die Grundkenntnisse in der Pferdesprache beherrscht hätte, wäre mein Galopp durch die Nachbarschaft authentischer gewesen.
ÜBERALL TIERE
So gut ich konnte, integrierte ich meine Liebe zu Tieren in jeden Bereich meines Lebens. Meine Mutter ermutigte mich in meinem Interesse, obwohl sie es nicht immer verstand und meine Neugier und meine Begeisterung für alle Aspekte der Natur nicht teilte. Sie lernte, alle in meinem Besitz befindlichen Behälter vorsichtig zu überprüfen. Ein einfacher Plastikbecher konnte das Heim eines Frosches sein oder eine Sammlung abgeworfener Heuschreckenhaut beherbergen oder sogar absichtlich gezogenen Schimmel enthalten. Ihr Wäschekorb konnte frisch gewaschene Socken oder ordentlich gefaltete Pyjamas enthalten, aber genauso gut das Heim eines nackten Jungvogels mit noch sichtbaren inneren Organen sein. Ihr umgedrehter und mit Hühnerdraht versehener Kartentisch wurde das Heim von Buster und Dandy, einem Paar Rhodeländer-Küken, die ihr ihre Toleranz als erwachsene Hühner dadurch dankten, dass sie munter alle Blüten ihrer Muttertagspflanzen fraßen.
Ohne eine einzige Frage zu stellen und lediglich mit einer hochgezogenen Augenbraue überließ sie mir Kuchenformen, Mehl, Sirup und einen Pinsel. Obwohl sie vielleicht probierte zu erraten, was ich damit vorhatte, war sie nicht auf das vorbereitet, was ich damit tat. Wie sie wohl wusste, hatte ich gerade Die Wildnis ruft gelesen – sie fand mich so heftig schluchzend auf dem Wohnzimmersofa, dass sie fürchtete, einer meiner Freunde sei gestorben. Als sie das Buch in meiner Hand sah, meinte sie mitfühlend: „Ich schätze, du bist an der Stelle, wo er Flag erschossen hat.“ Ich nickte und schluchzte noch lauter. „Das Essen ist fertig, wenn du soweit bist.“ Sobald ich die Trauer um den Jährling beendet hatte, beschloss ich, die Methode von Jody und seinem Vater zur Verfolgung von Honigbienen zu ihrem Bienenstock in meiner Nachbarschaft auszuprobieren. Das Buch enthielt eine ausführliche Beschreibung der scheinbar einfachen Verwendung von Sirup zum Anlocken der Bienen, die dann Mehl auf ihr Hinterteil getupft bekamen. Das Mehl diente als einfach zu verfolgende optische Markierung des Fluges der Bienen. Ich kann nun auf Grund meiner Erfahrungen entschieden darauf hinweisen, dass mein großes Bienenexperiment nur beweist, dass dieser Literaturklassiker reine Erfindung ist und sich Bienen heftig dagegen wehren, ihre Hinterteile mit Mehl betupft zu bekommen. Es war nicht das letzte meiner großen Experimente, aber eines meiner schmerzhaftesten.
Nur selten überstieg meine Begeisterung die beträchtliche Toleranz meiner Mutter. Ich werde nie wissen, welches erwartungsvolle Leuchten in meinen Augen sie warnte, als ich sie an einem Sommernachmittag nach einem kleinen Küchenmesser fragte, denn sie zögerte, als sie in die Schublade griff. Als ihre Befragung ans Licht brachte, dass ich zu diagnostischen Zwecken eine Autopsie an einem toten Hasen, den ich gefunden hatte, durchführen wollte, lehnte sie es rundweg ab, mir auch nur einen Löffel zu leihen. Bis heute frage ich mich, ob damals eine potentiell brillante Karriere als Tierärztin endete.
Es war wahrscheinlich gut so, denn die für die Ausbildung zum Tierarzt erforderlichen Mathematikkenntnisse waren nicht meine starke Seite. Die Schule hat mich oft gelangweilt. Ich hätte mich als Schülerin wahrscheinlich besser gemacht, wenn die langweilige Hauswirtschaftsstunde durch einen wirklich interessanten Kurs, wie zum Beispiel Stallwirtschaft oder Zwingermanagement, ersetzt worden wäre. Wenn meine Lehrer klüger gewesen wären, hätten sie mich bereits früh dazu ermutigen können, Algebra zu lieben. Die Mathematikaufgabe hätte nur lauten müssen: „Siebzehn Zebras starten um 12 Uhr mittags in westliche Richtung, sie bewegen sich mit einer Geschwindigkeit von 14 km pro Stunde. Sechs Löwen gehen ab 16 Uhr mit 6,5 km pro Stunde in östliche Richtung. Wann treffen die Zebras und die Löwen aufeinander, und wie viele Zebras überleben das Treffen?“ Die in den Aufgaben normalerweise verwendeten Autos, Flugzeuge und Züge ließen mich jedoch kalt und interessierten mich nicht.
GESEGNET SEI DAS TIER
Sogar mein religiöses Leben war von Tieren durchdrungen. Trotz des Gewichts, das unsere Kirche auf Jesus legte (der, wie ich feststellte, nicht einmal einen Hund hatte!), fühlte ich eine natürlichere Verbundenheit zu Noah, dem Held meiner Kindheit. Jona, der eine enge Beziehung zu einem Wal hatte, war einer meiner anderen Lieblingspersonen. Als ich eine Bibel mit Konkordanz erhielt, suchte ich sofort nach allen Versen – und es gibt viele –, die einen Hinweis auf Tiere enthielten: Adler, Esel, Pferd, Spatz, Löwe, Hund, Schaf, Lamm, Rind, Ziege, Schwein. Ich nahm mir zu Herzen, dass alle Tiere, genau wie ich, Geschöpfe Gottes sind. Ich ging davon aus, dass sie als solche im Kindergottesdienst genauso willkommen sind wie Kinder. Und so kam es, dass ich bereits in sehr jungen Jahren meine erste Glaubenskrise hatte, die mit einem Black and Tan Coonhound begann, den ich auf dem Weg in die Kirche traf. Er war ein großer Hund, genau die richtige Größe, um beim Gehen kameradschaftlich den Arm um ihn legen zu können. Er war ein freundlicher Hund, es brauchte nicht viel Anstrengung, ihn zu überzeugen, mich die Treppen hinunter zum Kindergottesdienst zu begleiten, wo er sich höflich neben mich legte. Wie die Lehrerin unser Kommen verpasste, werde ich nie herausfinden. Wir waren nicht heimlich gekommen, bisher war mir nicht aufgefallen, dass er kein passender Gast war. Eigentlich dachte ich, als ich mich hinsetzte, um die Bibelgeschichte des Tages zu hören, dass ein Hund und der Kindergottesdienst eine himmlische Kombination sei. Beim Aufrufen der Namen hob die Lehrerin bei jedem antwortenden Kind den Kopf und lächelte es strahlend an. „Suzanne?“ fragte sie gut gelaunt, während sie den Kopf in meine Richtung drehte. Vielleicht schnappte sie nur in meiner Vorstellung nach Luft und machte einen Schritt zurück, vielleicht habe ich nur geträumt, wie ihre Lippen zuckten und sie mit unaussprechlichem Entsetzen fauchte. Auf jeden Fall erinnere ich mich an ihre Frage: „Was macht dieser Hund hier?“. Es lag eine unangenehme Betonung auf dem Wort Hund.
Ich hielt das für ziemlich offensichtlich und sagte: „Er ist wegen dem Kindergottesdienst hier.“
Ihre Antwort erschütterte meine unschuldige Zustimmung zur Lehre der Kirche. Sie sagte: „Er gehört nicht hierher!“ Ich war vor den Kopf geschlagen. Gehört nicht hierher? Ist er nicht ein Geschöpf Gottes? Hat Gott nicht auch ihn erschaffen? Jesus wäre sicherlich froh, einen Coonhound in der Kirche zu haben, besonders einen, der niemandem etwas getan hat. Wenn ich diese Szene filmisch umsetzen würde, würde ich die Rolle mit einem redegewandten, leidenschaftlichen Kind besetzen, das mit großartiger Ausstrahlung den Standpunkt des Hundes vertritt und die heilige Schrift so schnell und heftig zitiert, dass die Lehrerin sich schließlich der Ansicht der Bibel unterwirft, ein tieferes Verständnis für die Liebe Gottes zu Hunden erreicht und dem Hund erlaubt zu bleiben. Leider konnte ich mich angesichts des Zorns nicht so gut ausdrücken und protestierte nur schwach, während ich mich unter ihrem feindseligen Blick wand.
„Er stinkt.“ Mit dieser abschließenden Erklärung enthüllte die Lehrerin die Grenzen ihrer Liebe zu allen Geschöpfen Gottes. (Rückblickend ist mir klar, dass, wenn ich einen Leprakranken mit stinkenden Verbänden oder einen nach Gosse riechenden, unglückseligen Betrunkenen mitgebracht hätte, sich die Nächstenliebe der Lehrerin genauso schnell verflüchtigt hätte. Aber ich bin inzwischen viel älter und etwas zynischer.) Ich war empört und widersprach entschieden, der Hund stinke nicht. Nun ja, um ehrlich zu sein, er stank nicht, er roch nur so, wie manche Hunde nun einmal riechen. Und so hat Gott ihn geschaffen!
Meine Argumente trafen auf taube Ohren. Die Lehrerin bestand darauf, dass ich den Hund nach draußen zu bringen und mich ohne Hund zurück an meinen Platz zu begeben habe. Traurig und langsam stieg ich die Stufen hinauf, öffnete die Tür und blieb für einen Moment mit dem Hund stehen. Ich entschuldigte mich bei ihm, und obwohl mir die Worte fehlten, um meine tiefe Betrübnis über die Machtlosigkeit einer Fünfjährigen auszudrücken, glaube ich, dass er mich verstand. Das muss er wohl, denn seine Machtlosigkeit entsprach der meinen, auch in seiner Welt gab es viele große, starke Leute, die von ihm einzuhaltende Regeln festlegten. Ich umarmte ihn – das warme, leicht fettige Fell und der moschusartige Hundegeruch ist mir noch heute in Erinnerung – und er lehnte sich schwanzwedelnd an mich. Mit Tränen in den Augen und neuen Zweifeln im Herzen ließ ich ihn im Sonnenschein zurück und kehrte zum Kindergottesdienst zurück, unendlich älter und weiser.
WER MICH LIEBT, LIEBT MEINEN KÄFER
Wie sich Leute und Tiere gegenseitig beeinflussen und wie Leute auf Tiere reagieren, war unendlich lehrreich. Ich lernte zum Beispiel, dass viele Erwachsene nicht annähernd so mutig sind wie es scheint. Im Alter von zehn Jahren trug ich im Sommer immer eine Kaffeekanne mit mir herum. Gönnerhaft fragten mich die Erwachsenen, was ich darin herumtrug, und da ich immer darauf brannte, die Natur mit anderen zu teilen, öffnete ich den Deckel und zeigte ihnen meinen Hirschkäfer Benjy, den ich als Haustier hielt. Ich weiß nicht, was sie von einer Zehnjährigen und einer Kaffeekanne erwarteten, aber bestimmt nicht den siebeneinhalb Zentimeter langen, eindrucksvoll wild aussehenden Benjy. Einige kreischten, bevor sie ihre Fassung wieder erlangten, und lächelten mich schwach an, einige wurden sogar bleich. Alle haben mich danach mit anderen Augen angesehen und viele fragten mich nie wieder, was ich da hatte, egal wie herausfordernd ich einen Behälter herumtrug.
Ich schätze, jedes Kind, das Geschwister hat, hegt einen Groll wegen längst vergangener Vorfälle in der Kindheit. Wenn Sie mich fragen würden, an was ich mich an meine Zeit als Vierjährige erinnere, würde ich antworten, dass ich in dem Jahr Schildkröten hatte. Angeblich gehörte eine der beiden Schildkröten meiner Schwester Sheryl. Sie ist zwei Jahre jünger als ich und wollte immer das tun, was ich tat, obwohl wir sehr unterschiedliche Interessen hatten. Sie fand Babys (menschliche Babys) unbeschreiblich aufregend; ich fand sie bei weitem nicht so faszinierend wie einen nach Regenwetter auf dem Bürgersteig sterbenden Regenwurm. Als ich glücklich mit meinen Schildkröten spielte und das Stechen ihrer winzigen Krallen auf meiner Hand spürte, war ich leicht verärgert, als Sheryl bat, eine halten zu dürfen. Aber auf das Drängen meiner Mutter willigte ich ein, den Spaß zu teilen. Mehr als drei Jahrzehnte später verziehe ich noch immer automatisch angewidert die Lippen, wenn ich mich erinnere, wie meine Schwester, als ich ihr die Schildkröte auf ihre ausgestreckte Hand setzte, „… sie hat Krallen!“ oder etwas Ähnliches schrie und die unglückselige Schildkröte durch den Raum warf. Sie überlebte den Vorfall, der in meiner Erinnerung viel länger weiterlebt als die Schildkröte.
Sheryl ist inzwischen erwachsen. Sie ist nun vernünftig genug, das Berühren von Reptilien zu vermeiden, und ich bin klug genug, sie keine anfassen zu lassen. Unendlich gutherzig mag sie Tiere am liebsten aus der Entfernung, obwohl sie sie nicht immer versteht, und es gab einige Tiere, die sie auch in ihrer Nähe und sehr persönlich liebte, mit schmutzigen Pfoten, Sabber und allem. Sie hat sich meine Anerkennung an dem Tag verdient, als sie herausfand, dass ein in Abständen auftretendes Ohrproblem durch ein langes Hundehaar verursacht wurde, das sich geschickt um ihr linkes Trommelfell gewickelt hatte – das Ergebnis davon, dass sie das Bett mit einem Hund geteilt hatte. Ich liebe meine Schwester, aber trotz des ausgleichenden Hundehaars in ihrem Ohr werde ich mich bis zu meinem Todestag immer an den Schildkrötenvorfall erinnern.
Mein Vater und ich hatten häufig Auseinandersetzungen wegen Tieren. Da gab es ein Paar Kätzchen, die ich unbesonnen aufnahm und über Nacht im Auto versteckte. Es war sein Auto, und trotz meines festen Vorsatzes, lange vor ihm aufzuwachen und die Kätzchen unbemerkt ins Haus zu schleusen, wachte ich erst auf, als ich ihn „Suzanne!“ brüllen hörte. Diese Kätzchen lehrten mich mehrere Sachen. Erstens, einen Wecker zu stellen, wenn ich morgens wirklich früh aufstehen muss. Zweitens, keine Kätzchen im Auto meines Vaters einzusperren, zumindest nicht ohne ihn vorher zu informieren. Außerdem, dass die Bedürfnisse eines Kätzchens nicht durch Futter (und zwar reichlich Futter) und (reichlich) Wasser befriedigt werden. Man muss auch ein Katzenklo bereitstellen. Die Kätzchen wanderten ins Tierheim, und ich verlor für eine Weile mein Taschengeld und einige Privilegien.
Eines Tages vergaß ich auch zu erwähnen, dass mir ein großer Collie nach Hause gefolgt war (sehr wohlerzogen, nachdem ich aus meinen Schnürsenkeln und meinem Gürtel eine Leine gebastelt hatte) und dass ich ihn in dem Schuppen versteckt hatte, in dem unsere Mülltonnen aufbewahrt wurden. Wie hätte ich ahnen können, dass mein Vater sein Abendessen früher beendete und sich entschloss, dann die Mülltonnen herauszuholen? Normalerweise holte er den Müll nie so früh heraus. Da ich den Hund vorübergehend vergessen hatte, war die Kombination aus tiefem Bellen, überraschtem Fluchen und das Brüllen meines Namens ein Schock für mich. Mein Taschengeld wurde auch diesmal gestrichen.
In meiner Kindheit und Jugend passierten einige Dinge, die mich für eine Mitgliedschaft in verschiedenen Selbsthilfegruppen und 12-Schritte-Programmen qualifizieren würden. Aber irgendwie überstand ich alles ziemlich unbeschadet und trage nur ein angemessenes Päckchen durchs Leben. Vielleicht dämpft bei jedem Kind mit einer verzehrenden Leidenschaft genau diese Leidenschaft die Schicksalsschläge des Lebens. Vielleicht wirkten die Tiere selbst sowohl dämpfend als auch heilend. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass eine Briefmarkensammlung so gut dafür geeignet gewesen wäre, die Irrwege und Prüfungen des Lebens zu bestehen, wie es meine tierischen Freunde waren.
WOHIN MICH DIE TIERE FÜHRTEN
Durch meine Kindheit und darüber hinaus begleitete mich eine richtige Arche Noah von Tieren auf meinem Lebensweg. Lange bevor ich Joseph Campbells weisen Rat „meinem Glück zu folgen“ las, folgte ich bereits dem Ruf meines Herzens. Mir standen im Leben auch andere Möglichkeiten offen – meine Kunstlehrer in der High School drängten mich, auf die Kunsthochschule zu gehen, mein Englischlehrer legte mir eine Karriere als Autorin nahe. Mein Großvater, der meine große Liebe zu Büchern kannte, bot an, für eine Ausbildung zur Bibliothekarin meine Studiengebühren zu bezahlen. Ich war umgeben von Missbilligung und unheilvollen Warnungen, dass ich schließlich scheitern würde, wenn ich versuchen sollte, meine Träume zu verwirklichen. Mein hartnäckiges Bestehen auf meinem Glück erzeugte Konflikte und Schmerz in meinen Beziehungen zu Leuten, die nicht verstanden, warum ich meine Teenager-Jahre im nahe gelegenen Stall verbrachte, warum ich einen Abschluss in Viehzucht anstrebte, diesen Plan jedoch nur für die Chance aufgab, mit einer Organisation für Blindenführhunde zu arbeiten und später einen Stall und Zwinger zu verwalten und schließlich Trainer zu werden. An jeder Wegkreuzung nahm ich nur den Weg, der dorthin führte, wohin ich wollte – zu einem tieferen Verständnis eines Lebens mit Tieren.