Czytaj książkę: «Vier Jahre für Lincoln», strona 6

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Zuhause kursierten indessen die wildesten Gerüchte über die Schlacht und ihren Ausgang. Ich habe in diesem Moment einen alten Brief vor mir liegen, den mir mein Vater am 19. April als Antwort auf meinen vorangegangenen Brief (von dem ich noch sprechen werde) schickte. Er hatte durch mein Schreiben die ersten verlässlichen Neuigkeiten über unser Regiment und die Jungs aus der Nachbarschaft erhalten und schrieb in seiner Antwort unter anderem: "Hier bei uns ging das Wort um, Frys Regiment sei gänzlich entweder getötet worden oder in Gefangenschaft geraten und habe praktisch aufgehört zu existieren. Außerdem sollte euch Beauregard alle über eine Klippe in den Tennessee River getrieben haben. Auch hieß es, Captain Reddish habe man den Arm abgeschossen, zudem sollten verwundet sein: Enoch Wallace …" Es folgte eine Liste von Namen, die jedoch (ebenso wie Reddish und Wallace) tatsächlich keine Schramme davongetragen hatten. Mein vorheriger, oben genannter, Brief an meinen Vater datierte vom 10. April und erreichte ihn am 18. Er war kurz, nur etwa vier jener kleinen, fleckigen Papierseiten lang, die man damals bei den Marketendern kaufen konnte. Ich kann mich nicht mehr entsinnen, warum ich nicht bereits früher schrieb, aber das hing wohl damit zusammen, dass zuvor kein Postschiff von der Anlegestelle ablegte. Der kleine, alte Wagen, der die Post aus der weiten Welt nach Otter Creek brachte, erreichte das dortige Postamt für gewöhnlich etwa eine Stunde vor Sonnenuntergang und an jenem Abend, als er meinen Brief beförderte, war das winzige Postamt (das zugleich auch als Kramladen fungierte) mit Leuten vollgestopft, die begierig auf Neuigkeiten von ihren Söhnen oder sonstigen Verwandten im 61st Illinois warteten. Die Verteilung der Post war damals in dieser kleinen Stube eine sehr einfache Prozedur. Der alte Postler, der sich darum kümmerte, rief mit dröhnender Stimme den Namen eines jeden Adressaten aus und wenn dieser anwesend war und "Hier!" rief, wirbelte ein geübter Schwung aus dem Handgelenk den Brief durch das Zimmer in Richtung des Empfängers, der ihn fangen musste. An jenem Tage befand sich jedoch scheinbar kein einziger Brief aus dem Regiment in der Post, bis der Postler schließlich den Namen meines Vaters ausrief: "J. O. Stillwell!" Er rief ihn noch lauter ein zweites Mal, aber es kam noch immer keine Antwort. Hierauf hielt er den Brief auf Armeslänge von sich und unterzog die Adresse einer genauen Prüfung. "Hmm" sagte er schließlich, "Der ist von Jerry Stillwells Jungen vom 61st, also gehe ich mal davon aus, dass er zumindest nicht gefallen ist." Diese Neuigkeit sorgte für aufgeregtes Raunen im Raum und die Leute drängten sich nach vorne, um einen Blick auf die Handschrift auf dem Umschlag zu werfen. "Ja, das ist die Handschrift von Jerrys Jungen, keine Frage" bestätigten mehrere. Hierauf flehten William Noble und Joseph Beeman, zwei alte Freunde meines Vaters, den Postler an, ihnen bitte den Brief auszuhändigen, sie würden ihn sofort zu den Stillwells bringen, ihn sich vorlesen lassen und dann unverzüglich mit den Neuigkeiten zurückkommen. Alle Anwesenden unterstützten diese Idee, also willigte der Postler ein und händigte den Brief aus. Die beiden Herren stürmten nach draußen, banden ihre Pferde los und galoppierten drei Kilometer zur Stillwell Farm, die auf der Südseite des Otter Creek in einer bewaldeten Gegend lag. Als sie sich dem kleinen, alten Blockhaus näherten, sahen sie meinen Vater unweit der Scheune stehen. Der Träger des Briefes schwenkte ihn über dem Kopf und brüllte: "Brief von deinem Jungen, Jerry!" Dies hörte meine Mutter und sie kam zitternd vor Aufregung aus dem Haus gelaufen. Der Brief wurde sogleich geöffnet und gelesen und rasch lösten sich all die fürchterlichen Gerüchte über das angebliche Schicksal von Frys Regiment in Luft auf. Natürlich beinhaltete der Brief auch traurige Neuigkeiten, aber diese verblassten im Vergleich zu den Schauermärchen, welche man sich in der Nachbarschaft erzählt hatte. Dieser alte Brief befindet sich noch immer in meinem Besitz.

Einige Tage nach der Schlacht kamen Gouverneur Richard Yates aus Illinois, Gouverneur Louis P. Harvey aus Wisconsin und viele weitere Zivilisten aus dem Norden angereist, um nach dem Wohlergehen der Verwundeten und Kranken aus ihren jeweiligen Heimatstaaten zu sehen. Die 16th Wisconsin Infantry lagerte direkt neben uns und eines Nachmittags erfuhr ich, dass Gouverneur Harvey beabsichtigte, am Abend nach der Parade eine Rede zu halten. Ich suchte ihr Lager auf, um mir die Sache anzusehen. Das Wisconsin-Regiment nahm keine militärische Formation ein, sondern versammelte sich einfach formlos um den Gouverneur, der mit seinem Pferd unter einer kleinen Baumgruppe stand, um seine Rede aus dem Sattel zu halten. Er trug einen immensen, breitkrempigen Hut, hatte seinen Mantel bis unters Kinn zugeknöpft und seine Hände staken in enormen Wildlederhandschuhen. Er war ein imposant aussehender Mann von stämmiger Gestalt und einem Alter von etwa 42 Jahren. Seine Ansprache war nicht lang, aber patriotisch und wohlformuliert. Ich erinnere mich noch besonders deutlich daran, wie er die Soldaten aus Wisconsin für ihr tapferes Betragen in der Schlacht lobte und beteuerte, dass ihr Staat stolz auf sie sei und er selbst in seiner Eigenschaft als Gouverneur entschlossen sei, für die Dauer seiner Amtszeit nach Kräften für ihr Wohlergehen zu sorgen. Zudem wolle er ihrer auch nach dem Ende seiner politischen Laufbahn stets mit Dankbarkeit und der innigsten Zuneigung gedenken. Sein massiver Leib erbebte unter der Intensität seiner Emotionen, während er sprach und ich hatte den Eindruck, dass seine Worte und Gefühle aufrichtig waren. Zu diesem Zeitpunkt ahnte er ja noch nicht, dass ein tragisches und beklagenswertes Schicksal bereits die Hand nach ihm ausstreckte. Nur wenige Abende später stürzte er beim Überqueren einer Laufplanke zwischen zwei Dampfschiffen bei der Anlegestelle ins Wasser. Die Strömung zog ihn sogleich unter die Schiffe und er ertrank. Einige Tage später fand ein Neger seinen Leichnam, der vom Wasser gegen einige Steine auf unserer Uferseite gepresst wurde und brachte ihn auf seinem alten Karren zu uns. Der Tote wurde anhand einiger Papiere in seinen Taschen und weiterer Indizien zweifelsfrei als Gouverneur Harvey identifiziert. Seine sterblichen Überreste wurden per Schiff zurück nach Wisconsin überführt, wo er ein großes und prächtiges Begräbnis erhielt.

Kapitel V

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Die Belagerung von Corinth – Im Feldlager am Owl Creek (April und Mai 1862).

Einige Tage nach der Schlacht kam General H. W. Halleck aus St. Louis zu uns und übernahm das Oberkommando über die bei Pittsburg Landing versammelten Unionstruppen. Zu diesem Zeitpunkt (oder möglicherweise kurze Zeit später) begann die sogenannte "Belagerung von Corinth". Wir krochen langsam bis auf 12 oder 16 Kilometer an den Ort heran, wobei wir uns unablässig durch die Erde buddelten und ständig wechselnde Linien von Feldbefestigungen, Brustwehren und dergleichen errichteten. Halleck war ein "akademischer Soldat" und genoss während des Krieges den Ruf eines ausgesprochen fähigen Strategen und allgemein begnadeten militärischen Genies. Tatsächlich halte ich ihn jedoch (und die Geschichtsschreibung scheint meine Ansicht zu teilen) für einen Schwindler und Aufschneider. Er schien der Überzeugung anzuhängen, dass dieser Krieg als eine strikte Nachahmung der alten, napoleonischen Kriege in Europa geführt werden müsse, obgleich die damaligen Methoden in unserer Zeit und unter modernen Bedingungen kaum anwendbar waren. Zudem schien es ihm gänzlich an praktischem, gesundem Menschenverstand zu mangeln. Kurz nachdem die Konföderierten Corinth evakuiert hatten, wurde Halleck nach Washington versetzt, um dort als eine Art Berater zu fungieren und den Rest des Krieges auf einem Bürostuhl auszusitzen. [Anm. d. Übers.: Was Stillwell hier spöttisch als "eine Art Berater" bezeichnet, war tatsächlich das Amt des Oberbefehlshabers des US-Heeres. Als Ulysses S. Grant im März 1864 diese Funktion übernahm, fungierte Halleck fortan als dessen Generalstabschef.] Er nahm während des gesamten Krieges an keiner einzigen Schlacht teil und der einzige Waffenlärm, den er zu hören bekam, bestand aus weit entferntem Artilleriefeuer während der Corinth-Episode und möglicherweise einigen abgefeuerten Schüssen vor Washington im Sommer 1864. [Anm. d. Übers.: Der konföderierte General Jubal A. Early erregte im Juli 1864 einiges Aufsehen, als er mit seinem Armeecorps bis an den Stadtrand von Washington, D.C. vorstoßen konnte, ehe er zurückgeschlagen wurde.]

Während der Operationen gegen Corinth unternahm das 61st einige kurze Märsche und wurde hin und wieder an verschiedene Positionen verlegt. Gegen Mitte des Monats Mai lagerten wir am Owl Creek, hinter der rechten Flanke der Hauptarmee. Unsere Aufgabe bestand darin, eventuelle Angriffe aus dieser Richtung zu vereiteln und wir waren hauptsächlich damit beschäftigt, Verteidigungsanlagen zu errichten und Postendienst zu versehen. Während all dieser Zeit war die Krankenliste besorgniserregend lang. Am ärgsten setzte uns unser alter Feind zu: der Lagerdurchfall. Wir litten jedoch auch unter anderen Krankheiten wie Malaria und dergleichen. Wie bereits erwähnt, hatten die Jungs noch nicht gelernt, ihr Essen ordnungsgemäß zuzubereiten und auf die notwendige Hygiene zu achten und diese Unwissenheit war für die Mehrheit der Krankheitsfälle verantwortlich. Das Wetter war regnerisch, unsere Lager waren schlammverkrustet und düster und dies mag dazu beigetragen haben, dass etliche der Jungs in dieser Zeit arges Heimweh bekamen. Ein waschechter Anfall von Heimweh ist eine ausgesprochen deprimierende Angelegenheit. Ich litt selbst einige Male darunter und spreche daher aus Erfahrung. Die armen Betroffenen saßen in ihren Zelten herum, jammerten und schwelgten so lange in Erinnerungen an ihr Zuhause, das köstliche Essen dort und derlei Dinge, bis sie anscheinend nicht mehr den geringsten Funken an Tatkraft in sich hatten. Ich vermied diese Burschen nach Kräften, denn schon ein Gespräch mit ihnen wirkte demoralisierend auf mich. Eines regnerischen Tages saß ich jedoch in unserem großen Sibley-Zelt in unserem Lager am Owl Creek, als einige der anderen Jungs mit ihrem Lieblingsthema anfingen. Es war ein trüber Tag, der Regen trommelte von draußen auf unser Zelt und tropfte von den Blättern der großen Eichen, die im Lager standen. Das Zeltinnere war feucht und moderig und roch entsprechend unangenehm.

"Ach, Jim" begann einer, "Ich wünschte, ich könnte jetzt unten am Coon Creek sein und ein gutes Mittagessen mit dem alten Bill Williams essen. Ich kann dir sogar sagen, was ich nehmen würde: Zuerst eine schöne große Scheibe gebratenen Schinken mit reichlich dicker, brauner Soße, dazu luftig-leichte, ofenfrische Brötchen, wie sie Bills Frau immer so lecker hinbekommt, dann einige dicke Ofenkartoffeln, dampfend heiße von der mehligen Sorte und dann …"

"Oh ja, Jack" unterbrach ihn Jim, "Ich hab' schon oft beim alten Bill gegessen und würde dich mit Freuden begleiten. Weißt du, der alte Bill mästet jene Schweine besonders, die er selbst essen will. Die sind so richtig fett von Hickorynüssen und Eicheln und er räuchert ihr Fleisch in Hickoryrauch und ach, dieses Fleisch ist so zart und pikant! Da kann das Fleisch von maisgefütterten Schweinen einfach nicht mithalten."

Jack ergänzte: "Ja, Jim! Und zu den Brötchen und Kartoffeln hätte ich jede Menge von der geschmackvollen, gelben Butter, die Bills Frau mit ihren eigenen Händen herstellt und du weißt ja, dass Bill immer eine Menge Honig im Haus hat und ich würde Honig und Butter auf eines der Brötchen schmieren und …"

"Oh, Jack, erinnerst du dich noch an die Früchtepasteten, die Bills Frau im Ofen zaubert?" erwiderte Jim, "Die sind immer gespickt mit Rosinen und anderen guten Dingen und …"

An dieser Stelle stürmte ich vor Verzweiflung aus dem Zelt. Ich wollte ausrufen: "Ach, zur Hölle mit euch!", aber ich konnte mich beherrschen. Die armen Kerle fühlten sich schon erbärmlich genug und es hätte nichts gebracht, sie auch noch zu schelten. Ich zog mich unter das Blätterdach eines großen Baumes zurück und ertrug lieber den Regen, der mir durch die Blätter auf den Kopf tropfte als weiter Jacks und Jims deprimierendem Gerede über die üppigen Fleischtöpfe des alten Bill Williams zuzuhören. Da ich hier jedoch gerade vom Essen spreche, möchte ich dir von einem Festmahl erzählen, das mir zuteilwurde, während unser Regiment noch bei Pittsburg Landing lagerte. Es war wenige Tage nach der Schlacht von Shiloh (noch in unserem alten Lager), als ich in meiner Eigenschaft als Corporal angewiesen wurde, sechs Männer auszuwählen und mit ihnen zur Anlegestelle zu gehen, um drei oder vier unserer Regimentsfuhrwerke mit Proviant für unser Regiment zu beladen. Als wir den Anlegeplatz gegen 10.00 Uhr erreichten, wurde ich beim zuständigen Offizier vorstellig, der uns den Lagerplatz unserer Nahrungsmittel zeigte und wir machten uns prompt an die Arbeit. Die Ladung bestand aus großen Scheiben fetten Bauchspecks ("Schweinebauch"), Kisten voller Hartkekse, Säcken voller Reis, Bohnen, Kaffee und Zucker sowie Seife und Kerzen. Ich dachte, ich sollte wohl mit anpacken und versuchte, nach Kräften zu helfen, obwohl ich dermaßen krank war, dass es mich bereits einige Mühe kostete, geradeaus zu laufen. Owen McGrath aus meiner Kompanie, ein riesiger, bärtiger, schwarzhaariger Ire, den ich für meine kleine Gruppe ausgewählt hatte, schritt rasch ein. Er packte mich mit einer seiner enormen Hände sanft bei der Schulter und sagte: "Corporal, Sie sind nicht kräftig genug für diese Arbeit und es erwartet auch niemand, dass Sie hier zur Hand gehen. Erlauben Sie mir einfach, ein Auge auf die Bande zu haben und ruhen Sie sich ein wenig aus." Ich antwortete: "Da haben sie wohl Recht, McGrath." Und rief mit lauter Stimme, damit der Rest meiner Gruppe es hören konnte, aus: "McGrath, Sie werden das Verladen der Lebensmittel beaufsichtigen. Ich fühle mich unwohl (was ja auch stimmte) und werde mich ein wenig ausruhen." McGrath war etwa 30 Jahre alt und ein ausgezeichneter Soldat. In seiner alten Heimat hatte er in der Britischen Armee gedient und somit war er seinen gegenwärtigen Pflichten mehr als gewachsen. (Ich werde an späterer Stelle nochmals auf ihn zu sprechen kommen.) Ich setzte mich in der Nähe meiner Gruppe in den Schatten und lehnte meinen Rücken gegen einen vollen Sack. Plötzlich stieg mir ein starker, sehr angenehmer Geruch in die Nase. Er kam von Zwiebeln, die in dem Sack hinter meinem Rücken stecken mussten. Ich holte mein Taschenmesser hervor, schnitt heimlich ein Loch in den Sack und entwendete zwei Prachtexemplare, die sogleich in meinem Brotbeutel verschwanden. Ich verspürte nicht das geringste schlechte Gewissen. Diese Zwiebeln waren, so glaube ich, für das Lazarett bestimmt, aber ich sagte mir, dass ich sie nicht minder nötig hätte als die Burschen im Lazarett und das entsprach wohl auch der Wahrheit. An jenem Morgen hatte ich Captain Reddish gefragt, ob ich die Wagen nach dem Beladen ins Lager zurückschicken und den Tag bis zum Abend nach eigenem Gutdünken im Umland verbringen könne und der liebenswürdige alte Herr hatte mir bereitwillig seine Zustimmung gegeben. Als nun also die beladenen Fuhrwerke zur Rückkehr bereit waren, übertrug ich McGrath das Kommando und die Aufgabe, die Lieferung der Waren an unseren Quartiermeister oder Proviantmeister zu beaufsichtigen, während ich mich in der Gegend herumtrieb und Vorbereitungen für mein geplantes opulentes Mahl traf. An der Anlegestelle lagen zahlreiche Dampfschiffe vor Anker, also suchte ich mir eines aus, das einladend aussah, ging an Bord und schlenderte in Richtung Kombüse. Es war um die Mittagessenszeit und der Bursche an der Essensausgabe war gerade dabei, einige Laibe Maisbrot aus dem Ofen zu holen. Ich trat an ihn heran, ließ meine Zehn-Cent-Münze, die ich von dem Kavalleristen für die Äpfel erhalten hatte, aufblitzen und fragte im diskreten Flüsterton, ob ich wohl ein Maisbrot haben könne. Er grinste mich an, schob mir einen Laib zu, den ich in meinen Brotbeutel stopfte und ich gab ihm die Münze. Jetzt hatte ich alles Nötige beisammen. Ich ging an Land und lief das Flussufer hinab zu einer Stelle, wo nahe den Wurzeln einer großen Buche eine kleine Quelle aus der Erde sprudelte. Ich entfachte ein kleines Feuer und kochte einen Liter Kaffee in einer Austerndose mit einem befestigten Drahtgestell. Dann briet ich eine Scheibe Schweinebauch an einem Stock, schälte die äußere Haut von den Zwiebeln … und fertig war die Mahlzeit. Welch ein kulinarischer Gaumenschmeichler! Ich glaube nicht, dass ich in meinem Leben jemals eine Mahlzeit mehr genossen habe als jene, die ich unter dieser alten Buche am Ufer des Tennessee River zu mir nahm. Die Zwiebeln waren dick, von kräftiger roter Farbe und sehr intensivem Geschmack, aber ich verspürte eine solche Gier auf sie, dass ich in sie hineinbiss, als seien sie Äpfel. Auch von dem Maisbrot ließ ich kein Krümelchen verkommen. Nach dieser Mahlzeit fühlte ich mich prächtig. Ich verbrachte den Rest des Nachmittags mit der gemächlichen Besichtigung der örtlichen Sehenswürdigkeiten und kehrte erst kurz vor Sonnenuntergang zum Lager zurück. Die Quelle und die Buche sind, nebenbei bemerkt, noch immer dort. Zumindest waren sie es im Oktober 1914, als ich das alte Schlachtfeld von Shiloh besuchte. Ich machte bei dieser Gelegenheit die exakte Stelle ausfindig, legte mich unter den Baum und nahm um der alten Zeiten willen einen tiefen, genüsslichen Schluck aus der Quelle.

Doch zurück zu unserem Lagerleben am Owl Creek. Ich war zu jener Zeit gesundheitlich arg angeschlagen und in der Tat kurz davor, "den Löffel abzugeben". Eines Tages hörte ich zufällig, wie sich zwei durchaus intelligente Jungs aus meiner Kompanie über mich unterhielten und einer von ihnen sagte: "Wenn Stillwell nicht schnellstens zurück in die Heimat geschickt wird, hat er es wohl bald hinter sich" und der andere stimmte zu. Das jagte mir ordentlich Angst ein und ich geriet ins Grübeln. Dem Lazarett traute ich nicht, dort würde ich niemals hingehen und auch der Gedanke, Medizin schlucken zu müssen, war mir verhasst. Ich war allerdings in einem dermaßen üblen Zustand, dass ich bereits von meinen Dienstpflichten befreit war und frei über meine Zeit verfügen konnte, weswegen ich so oft wie möglich das Lager verließ und lange Spaziergänge in den Wäldern unternahm. Unten am Bach entdeckte ich eine Stelle, an der ich problemlos zwischen zwei Wachtposten hindurchschlüpfen und das Umland durchstreifen konnte. Diese Schwachstelle nutzte ich oft aus. Sie bestand aus einem mächtigen Baum, der quer über den Bach gestürzt war und eine natürliche Brücke bildete, über welche ich etliche Male "die Front durchbrach". Es war sehr erbaulich, den Schlamm, Dreck und Gestank des Lagers hinter sich zu lassen und sich in den immensen Wäldern mit ihrer reinen Luft aufzuhalten und bald begann meine Gesundheit, sich zu verbessern. Auf einigen dieser Ausflüge begleitete mich Frank Gates, ein weiterer Corporal aus meiner Kompanie. Er war einige Jahre älter als ich, ein lebhafter Bursche mit einem guten Sinn für Humor und deswegen ein angenehmer Gefährte. Eines Tages kamen wir auf einer unserer Wanderungen an eine kleine, alte Blockhütte am Fuße einer dicht bewaldeten Anhöhe. Außer einigen Frauen und Kindern war niemand zuhause und eine der Frauen stand an einem alten Butterfass und war damit beschäftigt, Butter zu stampfen. Die Maulbeeren waren reif und auf dem Hof stand ein großer Baum, der mit den reifen Früchten vollhing. Wir fragten die Frauen, ob wir wohl einige Beeren essen dürften und sie gaben uns ihre freundliche Erlaubnis. Frank und ich kletterten also in den Baum und bedienten uns. Die Beeren waren groß, saftig-reif und schmeckten köstlich und so stopften wir uns mit ihnen voll, bis wir pappsatt waren. Als wir wieder aus dem Baum herabstiegen, war die Butter bereits fertig gestampft und wir baten um etwas Buttermilch. Die Frauen gaben uns eine Schöpfkelle aus der gehöhlten Hälfte eines Flaschenkürbisses und forderten uns auf, tüchtig zuzulangen. Das taten wir auch und wir tranken gierig und reichlich. Danach setzten wir unseren Spaziergang fort, aber schon bald darauf begannen wir, unter fürchterlichen Bauchschmerzen zu leiden. Wir mussten uns niederlegen und wälzten uns unter Qualen auf der Erde. Es war ein heißer Tag, wir waren mit einem ordentlichen Tempo marschiert und wahrscheinlich rebellierte das Maulbeer-Buttermilch-Gemisch gegen die stete Bewegung. Frank hatte jedoch seine eigene Theorie. Während er sich auf dem Boden krümmte und die Hände auf seinen geblähten Bauch presste, stieß er hervor: "Bei Gott, Lee! Ich glaube, diese verdammten Rebellenweiber haben uns vergiftet!" Ich wusste damals nicht, ob ich ihm glauben sollte und konnte auch kaum einen klaren Gedanken fassen, aber schließlich stellte sich auf natürlichem Wege die Erleichterung ein. Über die Einzelheiten möchte ich mich an dieser Stelle in Schweigen hüllen. Als wir uns wieder rühren konnten, machten wir uns auf den Rückweg zum Lager, aber wir sahen dabei so erbärmlich aus wie geprügelte Hunde. Fortan ging ich jeglicher Mischung von Beeren und Buttermilch aus dem Wege. [Anm. d. Übers.: Kurioserweise führten im Jahr 1850 sehr ähnliche Umstände zum Tode des US-Präsidenten Zachary Taylor, der an einem heißen Tag große Mengen roher Kirschen und gekühlter Milch verzehrte, danach unter Erbrechen und Durchfall litt und wenige Tage später verstarb. Die konkrete Todesursache wurde niemals geklärt.]

Bald darauf erlebten Frank und ich ein weiteres Abenteuer außerhalb unserer Postenlinien, dieses war jedoch amüsant. Wir kamen an eine alte Blockhütte und auch sie war nur von Frauen und Kindern bewohnt, wie es in den Kriegsjahren in dieser Gegend nicht unüblich war. Die Familie bestand aus der Mutter mittleren Alters, einem großen, dürren, langbeinigen Mädchen von etwa 16 oder 17 Jahren und einigen Kleinkindern. Ihr Nachname lautete Leadbetter, was mir nur aufgrund des folgenden Ereignisses im Gedächtnis geblieben ist. Das Haus war ein typisches Exemplar dieser kleinen, selbstgebauten Hütten und hatte einen unebenen, schmutzigen Bretterboden, der mit öligen Flecken übersät war. Das Mädchen war barfüßig und trug ein schmutziges, weißes Baumwollkleid nach dem neumodischen Mutter-Hubbard-Schnitt, das wie ein Sack an ihr herunterhing. Es war dies, wie ich kurz darauf sehr genau beobachten konnte, das einzige Kleidungsstück, das sie trug. Tatsächlich sah sie nicht übel aus, aber sie war schmutzig und ihre Körperhaltung war unglaublich schlaff. Wir wollten etwas Butter haben und fragten die Herrin des Hauses, ob sie uns wohl welche verkaufen könne. Sie antwortete, sie wolle gerade Butter stampfen und falls wir noch etwas warten wollten, könne sie uns welche geben. Wir warteten also und als die Arbeit getan war, gaben wir dem Mädchen einen großen Metallbecher, den wir mitgebracht hatten und es machte sich daran, ihn mit Butter zu füllen. Während es auf uns zukam, um uns den Becher zu übergeben, rutschten seine bloßen Füße auf einem der Fettflecken auf dem Boden aus und es landete flach auf dem Rücken, wobei sein Kleid beträchtlich nach oben rutschte und einen ungehinderten Ausblick auf seine Gliedmaßen preisgab. Dabei fiel dem Mädchen der Becher aus der Hand und sein Inhalt ergoss sich wie geschmolzenes Schmalz über den schmutzigen Fußboden. Das Mädchen setzte sich auf, besah sich die Schweinerei und ließ sich auf die Seite fallen, wobei es in schallendes Gelächter ausbrach und vor Lachkrämpfen um sich trat. Nun tauchte auch die Frau Mama auf. "Sal Leadbetter!" rief sie aus, "Du dreckiges Luder! Du nimmst sofort einen Löffel und kratzt die Butter auf!" Sal rappelte sich unbeholfen auf (was mich an eine aufstehende Kuh erinnerte), wobei sie noch immer kicherte und begann gehorsamst, die Butter zusammenzukratzen. Die Reste wurden zurück in unseren Becher gefüllt und uns, dieses Mal ohne Unfall, übergeben. Wir bezahlten für das "Nahrungsmittel" und gingen, aber ich sagte Frank, dass ich auf meinen Anteil verzichtete. Frank antwortete, er habe kein Problem damit, denn ein jeder müsse ohnehin im Leben seine Portion Dreck auslöffeln. Damit war die Sache erledigt. Ich habe seitdem nie wieder etwas von der Familie Leadbetter gesehen oder gehört, aber gelegentlich frage ich mich, was wohl aus der armen "Sal" geworden sein mag.

Während unserer Zeit am Owl Creek führte die Führungsriege des Sanitätswesens ein Mittel zur Vorbeugung und Heilung von Malaria ein, das bei der Mehrheit der Jungs ausgesprochen beliebt war. Das Mittel bestand aus einem Gill Whisky [Anm. d. Übers.: Altes englisches Volumenmaß, entspricht etwa 100 ml.], dem eine große Menge Chinin beigemengt wurde und es wurde vor dem Frühstück an die Männer ausgegeben. Ich trank meinen ersten "Wachrüttler", wie wir das Gebräu nannten, und wusste sofort, dass ich keinen weiteren hinunterbekommen würde. Das Getränk war viel zu bitter für meinen Geschmack und ich reichte meine Dosis heimlich an John Barton oder Frank Burnham weiter. Die beiden hätten das Zeug wohl selbst dann getrunken, wenn es zur Hälfte aus Salpetersäure bestanden hätte. Als die ersten Whiskyrationen für dieses Gebräu in das Regimentslazarett in unserem Lager gebracht wurden, war ich in einen Vorfall verwickelt, der mich mit großer Scham erfüllte. Der Quartiermeister trat an Captain Reddish heran und übergab ihm ein Anforderungsformular für zwei große Kesselfüllungen Whisky. Reddish solle das Formular an zwei Unteroffiziere seiner Kompanie weiterreichen, die erwiesenermaßen strikte Abstinenzler und unbedingt vertrauenswürdig seien. Diese beiden sollten damit zur entsprechenden Ausgabestelle des Divisionshauptquartiers gehen, den Whisky in Empfang nehmen, ihn zurück ins Lager bringen und dem Quartiermeister persönlich übergeben. Für diesen delikaten Auftrag wählte Captain Reddish Corporal Tim Gates (ein Bruder des oben genannten Frank) und meine Wenigkeit aus. Tim war etwa zehn Jahre älter als ich und ein großgewachsener, schmaler Bursche. Er neigte zum Stottern, wenn er nervös oder aufgeregt war. Wir besorgten uns also je einen großen Kessel, holten den Whisky und machten uns auf den Rückweg zum Lager. Auf unserem Wege überquerten wir einen Platz, an dem etliche Fuhrwerke des Wagentrosses abgestellt waren. Als wir uns inmitten des Fuhrparks befanden und vor neugierigen Blicken von außen geschützt waren, blieb Tim stehen, sah sich um, ob die Luft rein sei und sagte dann: "Du, Sti-Sti-Stillwell, l-l-lass uns 'nen Schluck n-n-nehmen." Ich antwortete: "In Ordnung." Tim stützte seinen Kessel auf einer Radnabe ab, senkte den Rand an seine Lippen und nahm einige tiefe Schlucke. Ich tat es ihm gleich. Dann gingen wir weiter und zumindest ich konnte mich glücklich schätzen, dass es nicht mehr weit bis zum Lager war. Ich hatte zuvor während meiner gesamten Soldatenzeit keinen Whisky angerührt, mit Ausnahme einiger kleiner Schlucke damals in Camp Carrollton. Zudem war ich noch kränklich und geschwächt und so fuhr mir das Zeug durch die Adern wie ein elektrischer Schlag. Ich spürte die Wirkung nahezu augenblicklich und nachdem wir das Lager erreicht und rasch den Whisky überbracht hatten, fühlte ich mich wie ein blutdürstiger Indianer auf dem Kriegspfad. Mir war danach, ein Kriegsgeheul anzustimmen, meine Muskete zu schnappen und um mich zu schießen, besonders auf Dinge, die bei einem Treffer klirrenden Lärm machen würden, wie einen Spiegel, eine Standuhr, einen Kronleuchter auf einem der Schiffe oder dergleichen. Ich konnte allerdings gerade noch den klaren Gedanken fassen, dass ich betrunken sei und Gefahr liefe, mich und meine Leute daheim auf ewig mit Schande zu überziehen. Mir war noch genug Verstand geblieben, um zu erkennen, dass ich sofort das Lager verlassen musste und so rannte ich in den Wald. Während ich an meinem Zelt vorbeispurtete, erhaschte ich einen Blick auf Tim in seinem Innern. Seine Mütze und Jacke lagen auf dem Boden, er hatte seine Hemdsärmel hochgerollt und forderte lauthals einen anderen Burschen dazu auf, irgendeinen alten Groll jetzt sofort "auf dem Feld der Ehre" auszutragen. Ich verweilte nicht, sondern stürmte weiter, so schnell es mir möglich war, bis ich schließlich in einem entlegenen Gebüsch das Gleichgewicht verlor und niederstürzte. Irgendwann am späten Abend kam ich wieder zu mir. Ich hatte hämmernde Kopfschmerzen und fühlte mich erbärmlich, aber zumindest war ich wieder einigermaßen nüchtern.

Dies war also das Betragen zweier Unteroffiziere von Kompanie D, die "erwiesenermaßen strikte Abstinenzler und unbedingt vertrauenswürdig" waren, wenn man ihnen Whisky anvertraute. Tims Verhalten blieb ohne disziplinarische Folgen. Ich schätze, er konnte mit irgendeiner plausiblen Erklärung aufwarten. Soweit es mich betraf, ich hatte in den Augen aller das in mich gesetzte Vertrauen gerechtfertigt und hütete mich natürlich, ein weiteres Wort über diese kleine Episode zu verlieren. Sowohl Tim als auch ich vermieden das Thema sorgfältig, privat ebenso wie in Gesellschaft, bis die Zeit gekommen war, darüber sprechen und lachen zu können, ohne einen "ernstlichen Kratzer an unserer makellosen Fassade" befürchten zu müssen.

In der Zwischenzeit schritt die "Belagerung" von Corinth mit einem gemächlichen Tempo, das nur mit der Fallbearbeitung bei einem Berufungsgericht verglichen werden kann, voran. [Anm. d. Übers.: Stillwells berufliche Laufbahn als Richter mag ihn wohl zu diesem reichlich skurrilen Vergleich veranlasst haben.] In unserem Lager am Owl Creek konnten wir gelegentlich sporadisches Geschützfeuer hören, aber wir gewöhnten uns dermaßen daran, dass wir es schließlich kaum noch zur Kenntnis nahmen. In den letzten Maitagen begannen die Konföderierten in aller Stille, den Ort zu evakuieren. Am 30. des Monats hatten sie das Unternehmen erfolgreich durchgeführt und noch am selben Abend marschierten unsere Truppen ohne jede Gegenwehr in das Städtchen ein.

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