Czytaj książkę: «Vier Jahre für Lincoln», strona 4

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Auf diese Weise verlebten wir eine angenehme Zeit bis zu jenem ereignisreichen Sonntagmorgen am 6. April 1862. Gemäß dem Almanach der "New York Tribune" für jenes Jahr ging die Sonne an diesem Morgen in Tennessee um 05.38 Uhr auf. Ich besaß keine Taschenuhr, bin mir jedoch sicher, dass die Sonne bereits anderthalb Stunden am Himmel stand, als die Kämpfe an unserem Abschnitt der Linie losbrachen. Wir waren bei Sonnenaufgang aufgestanden, hatten den Morgenappell abgehalten und unser Frühstück zubereitet und verzehrt. Anschließend bereiteten wir uns auf die allsonntagmorgendliche Inspektion vor, die um 09.00 Uhr stattfinden sollte. Die Jungs trieben sich auf den Kompaniestraßen und vor dem Appellplatz herum, polierten ihre Musketen oder reinigten ihre Schuhe, Jacken, Hosen und sonstige Kleidung. Es war ein wunderbarer Morgen. Die Sonne schien hell durch die Bäume und es fand sich kein Wölkchen am Himmel. Es war wie ein Sonntag auf dem Lande zuhause. An den Wochentagen herrschte an der Anlegestelle ein unablässiges Kommen und Gehen von Armeewagen und das Knirschen ihrer Räder, die Rufe und Flüche der Fuhrleute, das Knallen der Peitschen, das Brüllen der Maultiere, das Wiehern der Pferde, die Kommandorufe der Offiziere bei den Drillübungen, das lärmende Treiben in den Lagern, das Schmettern der Signalhörner und die rollenden Wirbel der Trommeln – all dies vermengte sich zu einer ständigen Geräuschkulisse, die von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang andauerte. Jener Morgen jedoch war seltsam still. Die Wagen gaben keinen Laut von sich, die Maultiere kauten in aller Ruhe ihr Heu und die Fuhrleute verschonten uns mit ihrem Lärm. Ich lauschte interessiert den klagenden Lauten einer Trauertaube in einem nahen Gehölz, während auf dem toten Ast eines im Lager stehenden großen Baumes ein Specht seinen "Trommelwirbel" veranstaltete. Er klang exakt wie seine nördlicheren Brüder, die ich schon tausendmal zuhause in Otter Creek in den Bäumen gehört hatte.

Plötzlich ertönte in einiger Entfernung zu unserer Rechten, aus Richtung der Shiloh-Kirche, ein dumpfes, kräftiges "Bumm!", dann ein weiteres und noch eines. Wir alle sprangen auf, als hätten wir einen elektrischen Schlag erhalten und starrten einander verblüfft an. "Was ist das?" fragte ein jeder, aber niemand vermochte eine Antwort zu geben. Das Donnern wurde heftiger und erfolgte in kürzeren Abständen und schon wenige Sekunden nach jenem dumpfen, unheilvollen Grollen aus dem Südwesten wurde ein leiseres, gedämpftes, andauerndes Brausen hörbar. Dieses Geräusch war unverkennbar. Das war kein Trupp von Wachtposten, die nach ihrer Ablösung ihre Waffen leerfeuerten; das war das stetige Prasseln tausender Musketen. Nun wurde uns bewusst, dass eine Schlacht losgebrochen war.

Was ich gerade geschildert habe, ereignete sich innerhalb weniger Sekunden und nahezu zeitgleich mit dem Prasseln der Musketen ertönte in unserem Lager der Trommelwirbel. Es folgte eine Szene verzweifelter Hast, wie ich sie zuvor niemals gesehen hatte und auch danach nie wieder sehen sollte. Inmitten all dieser Hektik und Verwirrung, während die Jungs sich ihre Patronentaschen umschnallten und noch bevor wir in Kompanien angetreten waren, kam ein berittener Staboffizier von rechts her die Linie entlang herangaloppiert. Er stoppte direkt in unserer Kompaniestraße, indem er scharf die Zügel seines Pferdes herumriss, wobei dessen beschlagene Hufe den kleinen Haufen blechernen Kochgeschirrs zertrampelten, von dem meine Messe am Morgen ihr Frühstück gegessen hatte. Dem Pferd lief der Schaum von den Flanken und seine Augen und Nüstern waren rot wie Blut. Der Offizier blickte sich gehetzt um und rief aus: "Herr im Himmel! Das Regiment ist noch nicht gefechtsbereit! An der Rechten wird schon seit über einer Stunde gekämpft!" Er riss sein Pferd herum und verschwand in jene Richtung, wo das Zelt des Colonels stand.

Ich weiß, dass die Schlacht an jenem Morgen gemäß der Geschichtsschreibung gegen 04.30 Uhr begann, dass sie von einem Erkundungstrupp eröffnet wurde, den General Prentiss am frühen Morgen ausgesandt hatte und dass General Shermans Division an der rechten Flanke frühzeitig vor dem Nahen der Rebellen gewarnt wurde und sich in aller Ruhe darauf vorbereiten konnte. Ich habe diese Dinge in Büchern gelesen und bestreite sie nicht. Ich erzähle lediglich, wie die Situation sich einem einfachen Soldaten an der Linken von Prentiss' Linie gegen 07.00 Uhr an jenem Morgen darstellte.

Die Kompanien traten an und wir marschierten auf den Appellplatz, wo sich das Regiment in Gefechtslinie formierte. Es ertönte der Befehl: "Ohne Kommando laden!", doch dies hatten wir bereits vorhergesehen und die meisten von uns hatten ihre Musketen instinktiv schon vor dem Antreten in Kompanien geladen. Während all dessen kam der Lärm zu unserer Rechten näher und wurde lauter. Unser alter Colonel kam herangeritten, bezog vor dem Zentrum der Regimentslinie Aufstellung und rief: "Bataillon, Achtung!" Unser aller Augen waren auf ihn gerichtet und wir waren gespannt, was jetzt wohl kommen mochte. Es folgte die leidenschaftliche Ansprache des alten Herrn, die uns auf die Schlacht einstimmen sollte.

"Gentlemen," sagte er mit einer Stimme, die jedermann im Regiment hören konnte, "denken Sie an Ihren Heimatstaat und tun Sie am heutigen Tage Ihre Pflicht wie tapfere Männer!"

Das war alles. Ein Kriegsjahr später hätte uns der alte Herr zweifelsohne als "Soldaten" angesprochen und nicht als "Gentlemen" und zudem hätte er wohl die Nennung des "Heimatstaates" unterlassen, da diese unangenehm an die Beweggründe der Rebellen erinnerte. Er war jedoch ein überzeugter Demokrat im Sinne von Stephen Douglas und seine Gedanken kreisten wohl noch um die Schlacht von Buena Vista im Mexikokriege, wo sich angeblich ein Regiment aus einem westlichen Staate schändlich betragen und das Ansehen jenes Staates so schmählich besudelt hatte, dass es nur im Wüten des jetzigen Bürgerkrieges wiederhergestellt werden konnte. [Anm. d. Übers.: Stephen Arnold Douglas war ein erfolgloser Kandidat der gespaltenen Demokratischen Partei bei den Präsidentschaftswahlen des Jahres 1860. Er setzte sich für die Rechte der Einzelstaaten ein und verurteilte sowohl die Abolitionistenbewegung in den Nordstaaten als auch die Sezessionsbestrebungen in den Südstaaten. Nach Ausbruch des Bürgerkriegs hielt er zur Union, starb jedoch bereits im Juni 1861.] Nach der kurzen Anstachelung durch unseren Colonel marschierte das Regiment unverzüglich über das bereits erwähnte kleine Feld und nahm seinen Platz in der Kampflinie ein. Vor uns befand sich der Wald und hinter uns das freie Feld. Wir richteten uns an unserer Fahne aus und warteten, Gewehr bei Fuß, auf den Angriff. Der Lärm zu unserer Rechten war inzwischen ohrenbetäubend. Die Rebellenarmee verbreiterte ihre Front und die Schlacht rollte unaufhaltsam auf unsere Position zu. Zwischen den Bäumen an unserer rechten Flanke konnten wir bereits bläuliche Rauchringe aufsteigen sehen und der beißende Geruch verbrannten Schwarzpulvers hing in der Luft. Während das Prasseln von rechts her die Linie entlang auf uns zu brauste, erinnerte es mich an ein heftiges Sommergewitter, dessen Regen über dem ausgedörrten Boden eines Stoppelackers niederging, nur war es etwa eine Million Mal lauter.

Hier standen wir also stillschweigend am Rande des Waldes und warteten darauf, dass der Sturm über uns hereinbrechen möge. Ich weiß noch exakt, an was ich in jenem Moment dachte. Vor meinem inneren Auge sah ich das kleine Blockhaus, weit entfernt, im Hinterlande des westlichen Illinois. Ich konnte meinen Vater sehen, wie er auf der Veranda saß und in der dünnen Lokalzeitung las, welche am Abend zuvor mit der Post gekommen war. Meine Mutter war auch da und machte meine kleinen Brüder ausgehfein für die Sonntagsschule. Unser alter Hund döste in der Sonne. Die Hühner stolzieren gackernd in der Scheune umher. All diese Dinge und noch hundert weitere teure Erinnerungen durchfluteten meinen Geist und ich schäme mich nicht, einzugestehen, dass ich alle vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen militärischen Ehren bereitwilligst hergegeben hätte, wäre ich dafür durch irgendeine Zauberei plötzlich auf den Hof jenes kleinen Heims in tausend Kilometern Entfernung von allen Schrecken menschlicher Kriegsführung versetzt worden.

Die Zeitspanne, während der wir dort herumstanden und auf die Attacke warteten, kann nicht mehr als fünf Minuten betragen haben. Plötzlich flackerte schräg zu unserer Rechten eine lange, gewellte Reihe von kleinen Blitzen auf, dann eine weitere und noch eine! Es war dies das Sonnenlicht, das von Musketenläufen und Bajonetten reflektiert wurde. Und dann … da waren sie schließlich! Eine langgezogene, braune Linie, die Musketen an der rechten Schulter, in makelloser Formation – so kamen sie direkt durch den Wald auf uns zu.

Wir eröffneten sofort das Feuer. Eine Welle roter Flammen rollte vom einen Ende des Regiments zum anderen und der Lärm, den wir am Rande unseres Feldes veranstalteten, klärte General Prentiss zweifellos darüber auf, dass die Rebellen die äußerste Linke seiner Linie erreicht hatten. Wir hatten erst zwei oder drei Salven abgefeuert, als wir aus irgendeinem Grunde (ich habe niemals erfahren, weshalb) den Befehl erhielten, uns über das Feld zurückzuziehen, was wir auch prompt taten. Unsere gesamte Linie, soweit ich nach rechts sehen konnte, wich zurück. Am Waldrand auf der gegenüberliegenden Seite des Feldes, in der Nähe unserer Zelte, nahmen wir wieder Aufstellung und eröffneten erneut das Feuer. Die Rebellen waren uns natürlich gefolgt und nahmen nun jene Stellung ein, die wir gerade verlassen hatten. Hier fochten wir unseren ersten harten Kampf des Tages aus. Nach dem Ende der Schlacht sagten unsere Offiziere, wir hätten diese Position eine Stunde und zehn Minuten lang gehalten. Ich selbst vermag darüber nichts zu sagen. Ich konnte die Zeit nicht schätzen, da ich anderweitig beschäftigt war.

Von unserer zweiten Stellung zogen wir uns zurück, da (wie unsere Offiziere später sagten) die Truppen zu unserer Rechten nicht mehr standhalten konnten und unsere Flanke bedroht war. Wahrscheinlich bedienten sich diese Burschen zu unserer Rechten der gleichen Entschuldigung und womöglich stimmte sie sogar. Wie dem auch sei, wir zogen uns keine Minute zu früh zurück. Als ich mich hinter dem gestürzten Baumstamm aufrichtete, von dem aus ein Grüppchen von uns gefeuert hatte, sah ich bereits Männer in grauer und brauner Kleidung mit ihren Musketen durch das Lager zu unserer Rechten rennen. Ich sah noch etwas anderes, das mir ein Schauern über den Rücken jagte: eine Flagge, wie ich sie noch niemals zuvor gesehen hatte. Sie war ein farbenfrohes Ding mit roten Streifen und sofort durchblitzte mich die Erkenntnis, dass dies eine Rebellenflagge sein müsse. Sie flatterte nicht weiter als 50 Meter von mir entfernt. Der Rauch um sie herum hing niedrig und dicht und so konnte ich den Mann, der sie trug, nicht sehen, aber die Fahne selbst war deutlich zu erkennen. Sie bewegte sich in abrupten Sprüngen vorwärts, woran ich erkannte, dass ihr Träger im Laufschritt vorstürmte. Ziemlich genau zu diesem Zeitpunkt setzten wir uns nach hinten ab. Wir hielten dabei keinerlei Formation ein und waren nur bestrebt, schnellstmöglich das Weite zu suchen. Ich rannte unsere Kompaniestraße entlang und als ich das große Sibley-Zelt meiner Messe erreichte, kam mir der Gedanke, meinen Tornister mit all meinen Habseligkeiten, darunter mein unersetzlicher, kleiner Packen von Briefen meiner Eltern, zu bergen. Ich sagte mir: "Ich rette meinen Tornister, komme, was da wolle!" aber nach einem raschen Blick über meine linke Schulter besann ich mich eines Besseren und eilte weiter. Weder meinen Tornister noch seinen Inhalt habe ich jemals wieder gesehen.

Unsere arg zerzausten Truppen formierten sich schließlich einen knappen Kilometer hinter unserem Lager auf dem Kamm eines sanften Hügels, der mit dichtem Gehölz bewachsen war. Ich erkannte mein Regiment an dem kleinen, grauen Pony, das unser alter Colonel ritt und rannte an meinen Platz in der Linie. Während wir dort standen und einmal mehr dem Feinde entgegensahen, bemerkte ich eine scheinbar endlose Kolonne von Soldaten in blauen Uniformen, die an unserer Flanke vorbeimarschierten und nach rechts in den Wald verschwanden. Ich hörte, wie unser alter, deutscher Adjutant namens Cramer in seinem unverkennbaren Zungenschlag zum Colonel sagte: "Das sin' die Truppe vom Gen'ral Hurlbut. Er bild' 'ne neue Linie dort im G'hölz." Als ich dies hörte, jubelte ich innerlich: "Ein Hoch auf General Hurlbut und seine Jungs im Gehölz! Vielleicht reißen wir die ganze Sache ja doch noch herum!" Dieses Gefühl der Hoffnung werde ich niemals vergessen. Unser erster Rückzug am Morgen über das Feld an den Rand unseres Lagers hatte mich verwirrt, aber dann dachte ich, dass all dies wohl nur irgendeine "höhere Strategie" gewesen sein mochte und planmäßig so geschehen sei. Als wir dann allerdings unser Lager aufgeben und einen knappen Kilometer weit davonrennen mussten, war ich überzeugt, wir seien auf ewig entehrt und in meinem Kopf kreiste die eine Frage: "Was werden die Leute zuhause nur hierzu sagen?"

Ich litt elendigen Durst und da wir gerade untätig waren, schlüpfte ich aus der Formation und rannte auf der Suche nach Wasser zu einer kleinen Senke hinter unserer Linie. Ich fand eine Pfütze, warf mich vor ihr auf die Erde und trank mit gierigen Schlucken. Als ich mich wieder erhob, sah ich in etwa fünf Metern Entfernung einen Offizier, der ebenfalls seinen Durst stillte, wobei er sein Pferd am Zügel festhielt. Er stand auf und ich erkannte in ihm unseren alten Adjutanten. Normalerweise hätte ich es niemals gewagt, ihn ohne einen dienstlichen Anlass zu belästigen, aber die gegenwärtige Lage der Dinge hatte mich mit der nötigen Tapferkeit erfüllt. "Herr Adjutant" sagte ich, "Was bedeutet das alles? Warum rennen wir davon? Sind wir etwa geschlagen?" Er blies einige Wassertropfen aus seinem Schnauzbart und antwortete rasch in unbekümmertem Tonfalle: "Oh nein, das hat scho' alles seine Ordnung. Wir sin' nur zurück, um hier die Reserve zu bilden. Gen'ral Buell is' mit 50.000 Mann auf dem Weg über'n Fluss und wird bald hier sein. Und Gen'ral Lew Wallace kommt von Crump's Landing mit weit'ren 15.000. Wir wer'n sie dreschen, wir wer'n sie dreschen. Geh zurück zu deiner Kompanie." Ich eilte frohen Herzens und im Laufschritt zurück. Als ich meinen Platz neben meinem guten Freund Jack Medford wieder einnahm, erzählte ich ihm: "Jack, ich habe mich gerade mit dem alten Adjutanten unterhalten, während ich mir unten am Rinnsal einen Schluck Wasser gegönnt habe. Er sagt, Buell käme mit 75.000 Mann und jeder Menge Kanonen über den Fluss und irgendein anderer General sei mit weiteren 25.000 Männern von Crump's Landing auf dem Weg hierher. Er hat mir erklärt, dass wir uns absichtlich hierher zurückgezogen haben und dass wir die Rebellen ordentlich verdreschen werden, gar keine Frage. Ist das nicht großartig?" Ich hatte die Zahlen des Adjutanten ein wenig nach oben korrigiert, da mir diese Neuigkeit so fantastisch erschien, dass ich dachte, 25.000 bis 30.000 Mann mehr oder weniger würden kaum ins Gewicht fallen. Als sich die weiteren Stunden des Tages dann jedoch in die Länge zu ziehen begannen, ohne dass Buell oder Wallace erschienen wären, begann mein Vertrauen in die Aufrichtigkeit des Adjutanten beträchtlich zu bröckeln.

Zu diesem Zeitpunkt wurde mein Regiment aus Prentiss' Division ausgegliedert und sollte für den Rest des Tages nicht mehr bei ihr kämpfen. Man schickte uns nach rechts, um dort eine Geschützbatterie zu unterstützen, deren Namen ich bis heute nicht erfahren konnte. (Einige Jahre nach der Niederschrift dieses Textes erfuhr ich, dass es sich um Richardson's Battery, Co. D, 1st Missouri Light Artillery gehandelt hatte.) Die Kanonen waren auf der Kuppe einer Anhöhe aufgestellt und als wir sie erreichten, waren sie schon lebhaft bei der Arbeit. Unsere neue Stellung befand sich etwa 100 Meter hinter der Batterie, wo wir uns flach auf die Erde legen sollten. Von der Stellung der Geschütze zu unserer Position hin fiel das Gelände sanft ab und da wir uns so flach wie möglich an die Erde pressten, sausten die Kugeln und Granaten der Rebellen über uns hinweg.

Hier war es auch, dass ich gegen 10.00 Uhr morgens erstmals Grant sah. Er saß natürlich zu Pferde, war von seinem persönlichen Stabe umgeben und war offensichtlich unterwegs, um sich mit eigenen Augen einen Überblick über seine Linien zu verschaffen. Er stürmte an der Spitze seines Stabes im Galopp zwischen uns und den Geschützen an uns vorbei. Die Batterie lieferte sich noch immer ein hitziges Gefecht mit der feindlichen Artillerie und so zischten Kugeln und Granaten über uns hinweg und rissen Äste aus den Bäumen, aber Grant ritt vollkommen gleichmütig durch diesen Sturm. Er schien die Geschosse so wenig zu beachten, als seien sie Papierkügelchen.

Unsere Bewachung dieser Batterie dauerte bis 14.00 Uhr an. Dann wurden wir nach rechts geschickt, schwenkten nach links um, überquerten die zu unserer Linken gelegene Corinth Straße und formierten uns in Gefechtslinie. So kletterten wir durch einen kleinen Graben und eine Anhöhe hinauf, wo wir ein Regiment an der linken Flanke von Hurlbuts Linie ablösten. Die Truppen hier waren in erbitterte Kämpfe verwickelt und das bereits, wie wir später erfuhren, seit über vier Stunden. Ich erinnere mich noch, wie wir die Anhöhe hinauf vorrückten und zu schießen begannen. Ich schaute mich um und der erste Anblick, der mir ins Auge sprang, war eine "Schwade" (wie wir im Westen sagen) von toten Männern in blauen Uniformen. [Anm. d. Übers.: "Schwade" bezeichnet in der Landwirtschaft eine Reihe abgemähten, zusammengerechten Grases oder Getreides.] Einige lagen zusammengekrümmt mit den Gesichtern im Schmutz, andere mit ihren fahlen Gesichtern dem Himmel zugewandt. Diese tapferen Jungs waren totgeschossen worden, während sie versucht hatten, die Linie zu halten. Wir verteidigten diese Stellung, bis wir unsere Munition verschossen hatten und von einem anderen Regiment abgelöst wurden. Nachdem wir unsere Patronentaschen wieder aufgefüllt hatten, wurden wir erneut mit der Unterstützung unserer Geschützbatterie beauftragt. Die Jungs legten sich wieder auf die Erde und begannen, sich leise miteinander zu unterhalten. Viele unserer Kameraden, die noch eine Stunde zuvor lebendig und wohlauf gewesen waren, hatten wir tot auf dieser blutgetränkten Anhöhe zurücklassen müssen. Und die Schlacht tobte noch immer, zur Linken wie zur Rechten, allüberall … es war ein stetes, fürchterliches Lärmen, das nie wieder enden zu wollen schien.

Es war wohl irgendwann zwischen 16.00 und 17.00 Uhr, als eine seltsame Stille eintrat. Unsere Batterie stellte das Feuer ein und die Kanoniere stützten sich auf ihre Geschütze und begannen zu lachen und sich zu unterhalten. Plötzlich kam ein Stabsoffizier angeritten und wechselte einige vertrauliche Worte mit dem Kommandeur der Batterie, bevor er an unseren Colonel herantrat und auch ihm etwas zuflüsterte. Sogleich wurden von einer Senke im Hinterland die Artilleriepferde herangeführt, die Kanonen wurden angespannt und die Batterie setzte sich quer durch das Gehölz nach hinten ab. Auch wir wurden in Bewegung gesetzt und folgten ihr. Es war dermaßen still, dass die einzigen Geräusche, die ich hören konnte, aus dem Knirschen der Räder der Geschützlafetten und Protzen bestanden, die durch das Gesträuch rollten. Wir erreichten den Waldrand und überquerten ein freies Feld. Hier sah ich vor uns und zu unserer Rechten Reihen von Männern in Blau, die alle in die gleiche Richtung marschierten wie wir und es war offensichtlich, dass wir uns erneut zurückzogen. Plötzlich brach von links, von rechts und von unserer gerade aufgegebenen Stellung hinter uns ein fürchterlicher Donner los und die Kugeln flogen wie Hagel um uns herum. Unsere Reihen eilten im Laufschritt weiter. Eine Zeit lang wurde noch versucht, einen organisierten Rückzug durchzuführen, aber bald brach jegliche Ordnung völlig auseinander. Ich war zutiefst verzweifelt und dachte, die Schlacht sei unrettbar verloren. Eine wirre Masse von Männern, Kanonen, Protzen, Fuhrwerken und Ambulanzwagen, allesamt Trümmer einer zerschlagenen Armee, strömte über einen schmalen Trampelpfad auf die Anlegestelle zu, während von unserem Rücken her ein erbarmungsloser Bleiregen auf uns einprasselte. Bei dieser katastrophalen Lage der Dinge konnte kein Zweifel daran bestehen, dass die Division von General Prentiss in Gefangenschaft geraten war.

An dieser Stelle möchte ich kurz abschweifen, um von einer kleinen Begebenheit zu berichten, die sich während jenes kritischen Stadiums der Schlacht zutrug und mir als rührendes Beispiel des Patriotismus und der selbstlosen Opferbereitschaft für unsere Sache (Eigenschaften, die vielen der einfachen Unionssoldaten zu eigen waren) im Gedächtnis geblieben ist.

Es gab in meiner Kompanie einen Deutschen mittleren Alters namens Charles Oberdieck. Laut der Stammrolle der Kompanie war er im damaligen Königreich Hannover (einer heutigen Provinz von Preußen) gebürtig. Er war ein typischer Deutscher: hellblondes Haar, blauäugig, ruhig und wortkarg, von einfacher und dürftiger Bildung, jedoch ein Mustersoldat, der ohne Widerrede oder Murren die Anweisungen seiner Befehlshaber befolgte. Vor dem Kriege hatte er sich seinen Lebensunterhalt verdient, indem er in den bewaldeten Hügeln bei der Mündung des Illinois River Feuerholz hackte oder für 14 Dollars Monatslohn als Arbeitskraft bei den Farmen auf dem Lande aushalf. Er war Junggeselle, seine Eltern waren bereits verstorben und er hatte keine lebenden Verwandten, weder in seinem Vaterlande noch in seiner neuen Heimat. Zur Zeit unserer Einschreibung waren wir weitläufige Nachbarn gewesen. Ich hatte ihn bereits im Zivilleben gekannt und so war er mir gegenüber ein wenig redseliger als bei den übrigen Jungs der Kompanie. Ein oder zwei Tage nach der Schlacht saßen wir zusammen in unserem Lager im Schatten eines Baumes und sprachen über unsere Erlebnisse im Kampf. "Charley" fragte ich ihn, "Was hast du am Sonntagnachmittag gegen 16.00 Uhr empfunden, als sie unsere Linie zerschlagen hatten, wir uns ungeordnet zurückzogen und es so aussah, als sei die ganze unselige Angelegenheit entschieden?" Er klopfte die Asche aus seiner Pfeife, warf mir einen raschen Blick zu und entgegnete: "Ich will dir mal sagen, was ich empfunden hab'. Ich sorg' mich nicht mehr um Charley. Ich hab' kein Weib und keine Kinder, kein' Vater und keine Mutter. Wenn Charley getötet wird, dann int'ressiert das keinen, keiner wird um ihn weinen. Also denk' ich nicht an mich, aber eins kann ich dir sagen: um uns're Sache tät's mir leid!"

Der noble, einfache Charley! Zu jener Stunde, als alles verloren schien, lag ihm nur die Gefahr für die Sache auf der Seele. Als wir das feindselige, triumphierende Donnern der Rebellengeschütze in unserem Rücken hörten, das uns wie die Totenglocke für dieses letzte, große Experiment des zivilisierten Menschen, unter den Nationen dieser Erde eine vereinigte Republik frei von dem Fluche allmächtiger Könige und selbstsüchtiger Adeliger zu errichten, in den Ohren dröhnte – in diesem Moment dachte er, wie er es in seinen einfachen Worten auszudrücken versuchte, einzig und alleine an den drohenden Untergang der Sache.

Wir waren auf unserer bereits erwähnten Flucht wohl nur noch weniger als einen Kilometer von der Anlegestelle entfernt, als wir auf eine lange Gefechtslinie von Soldaten in Blau stießen, die sich in tadelloser Formation und Gewehr bei Fuß quer über die Straße erstreckte, bis sie beiderseits der Wald vor unseren Blicken verbarg. Was hatte das zu bedeuten? Wo kamen diese Burschen her? Ich lief neben Enoch Wallace, dem Ordonnanzsergeant meiner Kompanie, her. Er war ein nervenstarker und mutiger Mann und mit seinen Worten und Taten hatte er an jenem Tage mehr dazu beigetragen, uns unerfahrene Jungs zum Halten unserer Stellungen und zur Erfüllung unserer Pflicht zu animieren als jeder andere Mann in der Kompanie. Doch angesichts der scheinbar verzweifelten Lage der Dinge hatte selbst er offenbar jegliche Hoffnung aufgegeben. Ich fragte ihn: "Enoch, was tun diese Männer hier?" Er antwortete mit leiser Stimme: "Ich glaube, man hat sie hier postiert, um die Rebellen in Schach zu halten, bis die Armee über den Fluss gesetzt hat." Dies war zweifellos die Vermutung eines jeden halbwegs intelligenten Soldaten in unserer geschlagenen Kolonne und genau hier zeigt sich, wie wenig der einfache Soldat von den tatsächlichen Entwicklungen im größeren Maßstabe wusste. Wir wussten zu diesem Zeitpunkt nicht, dass diese Gefechtslinie die letzte Stellung der "Fighting 4th Division" unter General Hurlbut darstellte, dass zu ihrer Rechten die Division von McClernand (die Jungs von Fort Donelson) stand und dass zu deren Rechten die rechtwinkelig zurückgebogenen Truppen des guten, alten Sherman die rechte Flanke der Armee bildeten und sich verbissen an der Straße von Crump's Landing über den Snake Creek festkrallten, über die Lew Wallace mit seinen 5.000 Mann heranmarschierte. Kurz gesagt: Wir hatten dem Feinde noch immer eine ungebrochene Frontlinie entgegenzusetzen, die aus Männern bestand, welche noch keineswegs von unserer Niederlage überzeugt waren. Auch wussten wir nicht, dass unser flüchtender Haufen lediglich aus einigen Regimentern von Hurlbuts Division und wenigen weiteren isolierten Einheiten bestand, welche man nicht rechtzeitig von Hurlbuts planmäßigem Rückzug zwecks Formierung einer neuen Verteidigungslinie in Kenntnis gesetzt hatte und welche deswegen beinahe das Schicksal von Prentiss' Männern geteilt hätten und den Rebellen als Gefangene in die Hände gefallen wären. Ich selbst fand diese Dinge erst 20 Jahre nach der Schlacht heraus und doch sind sie so unzweifelhaft wahr wie die Tatsache, dass gestern Morgen die Sonne aufging. Wir marschierten also durch Hurlbuts Linie hindurch, hielten an, formierten uns neu und wandten uns wieder dem Feind entgegen. Man postierte uns ein wenig hinter Hurlbut, wo wir einige schwere Geschütze bewachten. Es muss dies so etwa um 17.00 Uhr gewesen sein. Plötzlich ertönte von unserer äußersten Linken, ein wenig oberhalb der Anlegestelle, her eine ohrenbetäubende Explosion, die förmlich die Erde unter unseren Füßen erzittern ließ und der in kurzen und regelmäßigen Abständen weitere Explosionen folgten. Der Ausdruck von Verwunderung und Neugierde auf den Gesichtern der Soldaten wich bald offenkundiger Freude und Begeisterung, als wir begriffen, dass sich die Kanonenboote endlich den Festivitäten angeschlossen hatten und 25-Pfund Parrott-Granaten in den Hohlweg vor Hurlbuts Stellung feuerten (sehr zum Schrecken und Unbehagen unserer Widersacher).

Die letzte Position, die mein Regiment besetzt hielt, lag nahe der Straße zur Anlegestelle. Plötzlich hörte ich die Klänge von Militärmusik und sah eine Kolonne die Straße heraufmarschieren. Ich schlüpfte aus der Formation und lief an den Straßenrand, um zu schauen, welche Truppen das wohl sein mochten. Ihre Kapelle spielte "Dixie's Land" und sie war gut. Die Männer marschierten im Eilschritt und trugen ihre Waffen, Patronentaschen, Brotbeutel, Feldflaschen und aufgerollten Decken bei sich. Ich sah, dass sie offensichtlich noch nicht gekämpft hatten, da ihre Gesichter nicht von Pulverrauch geschwärzt waren. "Welches Regiment ist das?" fragte ich einen jungen Sergeant, der die Marschkolonne flankierte. Er antwortete vergnügt: "Wir sind das 36th Indiana, die Vorhut von Buells Armee."

Als ich dies hörte, hütete ich mich, meine Mütze in die Luft zu schleudern und zu jubeln, denn somit hätte ich diesen Burschen aus Indiana nur einen Anlass geliefert, mich zu necken und mit Spötteleien zu überziehen, was ich natürlich tunlichst vermeiden wollte. Also verschluckte ich einen tiefen Seufzer der Erleichterung und blieb scheinbar seelenruhig an Ort und Stelle stehen, während mir innerlich ob dieser sagenhaften Neuigkeit das Blut in der Halsschlagader hämmerte und mein Herz vor Freude schier durch meine enge Uniformjacke bersten wollte. Einem Soldaten muss ich die unbeschreibliche Freude beim Anblick nahender Waffenbrüder in der finstersten Stunde einer Schlacht wohl nicht erst zu erklären versuchen. Was mich persönlich betrifft, so kann ich mit absoluter Sicherheit sagen, dass mir während meiner gesamten bescheidenen Soldatenlaufbahn der Anblick von Verstärkungen niemals wieder so ersehnt und willkommen war wie an jenem Sonntagabend, als die Strahlen der sinkenden Sonne an den Bajonetten von Buells Vorhut blitzten, während die Männer an den Abhängen von Pittsburg Landing Aufstellung nahmen.

Hiermit ist mein Bericht über die Schlacht so gut wie beendet. Meines Wissens wurde an jenem Abend nach Buells Überquerung des Flusses kaum noch gekämpft. Wir hatten wohl noch etwa eine volle Stunde Tageslicht, als alles, was man als organisierte und stetige Schusswechsel bezeichnen könnte, gänzlich erstarb. Was hätte passieren können, wenn Beauregard seine Truppen an unserer Linken konzentriert und versucht hätte, noch am späten Sonntagabend eine Entscheidung zu erzwingen, muss notwendigerweise reine Spekulation bleiben und hierbei hätte die Meinung eines einfachen Soldaten wohl kein sonderliches Gewicht.

Am folgenden Tage wurde mein Regiment in Reserve gehalten und griff nicht mehr in die Kämpfe ein, weswegen ich über diesen Tag keine persönlichen Erlebnisse mitzuteilen habe. Nach der Schlacht von Shiloh wollte es das Schicksal, dass ich noch zu weiteren hitzigen Waffengängen meinen bescheidenen Beitrag leisten sollte, aber Shiloh war meine Feuertaufe. Hier sah ich erstmals, wie eine Muskete in tödlicher Absicht abgefeuert wurde, hier hörte ich erstmals das Pfeifen einer fliegenden Kugel und hier sah ich erstmals einen Menschen eines grausigen Todes sterben. All meine Erfahrungen, Gedanken, Eindrücke und Gefühle während jenes blutigen Sonntages werden mich zeit meines Lebens nicht mehr verlassen.

21,39 zł
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Ograniczenie wiekowe:
0+
Objętość:
441 str. 2 ilustracje
ISBN:
9783738072662
Wydawca:
Właściciel praw:
Bookwire
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