Czytaj książkę: «Frieden - eine verlorene Kunst?»
Stephan Elbern
FRIEDEN –
EINE VERLORENE KUNST
VON KADESCH BIS CAMP DAVID
Abbildungsnachweis:
Titelbild, oben: Horacio36, Wikimedia Commons, Lizensiert unter Creative Commons-Lizenz Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert, http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/legalcode
unten: Reuters/CORBIS
Abb. 1 – 3, 5 – 12, 18: Stephan Elbern
Abb. 4: Privatbesitz
Abb. 13: Helen Johns Kirtland (1890 – 1979) and Lucian Swift Kirtland (died 1965), Wikimedia Commons, gemeinfrei
Abb. 14: Norbert Aepli, Wikimedia Commons, lizensiert unter Creative Commons-Lizenz Attribution 3.0 Unported, http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/legalcode
Abb. 15: Andreas Praefcke, Wikimedia Commons, lizensiert unter Creative Commons-Lizenz Namensnennung 3.0 Unported, http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/legalcode
Abb. 16: Spc. Johnson, Wikimedia Commons, gemeinfrei
Abb. 17: Filzstift, Wikimedia Commons, gemeinfrei
200 Seiten mit 18 Abbildungen
Titelbild: oben, Vertrag von Kadesch, Museum Istanbul
unten, Clinton shakes hands with Barak and Arafat (Clinton schüttelt Barak und Arafat die Hände)
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2014 by Nünnerich-Asmus Verlag & Media, Mainz am Rhein
ISBN 978-3-943904-89-5
Gestaltung: Bild1Druck GmbH, Berlin
Lektorat: Frauke Itzerott, Jan Budde
Gestaltung des Titelbildes: Manuela Wirtz, Kommunikationsdesign
Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf fotomechanischem Wege (Fotokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen oder unter Verwendung elektronischer Systeme zu verarbeiten und zu verbreiten.
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2014
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INHALT
Cover
Titel
Abbildungsnachweis
Impressum
VORWORT
EINLEITUNG
Anmerkungen
VON DEN PHARAONEN BIS ZUR UNO – FRIEDENSABKOMMEN IM LAUFE DER JAHRHUNDERTE
Anmerkungen
ALTER ORIENT
Das erste Friedensabkommen der Geschichte: Der Vertrag zwischen Ramses II. und den Hethitern nach der Schlacht bei Kadesch (1284 v. Chr.)
Das erste historische Datum: Der Friedensschluss am Halys (585 v. Chr.)
Anmerkungen
KLASSISCHES ALTERTUM
Förmlicher Vertrag oder „Gentlemen’s Agreement“?: Der „Kallias-Frieden“ (um 450 v. Chr.?)
Zusammenbruch: Das Ende des Peloponnesischen Krieges (404 v. Chr.)
Griechische Zersplitterung: Der Königsfrieden (387/86 v. Chr.)
Die Einigung Griechenlands: Der Friedenskongress von Korinth (338/37 v. Chr.)
Nur eine Kampfpause: Das Friedensabkommen mit Karthago (241 v. Chr.)
Triumph der römischen Beharrlichkeit: Der Frieden mit Karthago (201 v. Chr.)
Das Ende der Souveränität: Der Vertrag von Apameia (188 v. Chr.)
Verzicht auf Rache: Der Friede von Dardanos (85 v. Chr.)
Das göttliche Kind: Der Vertrag von Brundisium (40 v. Chr.)
Triumph der Propaganda: Der Partherfrieden des Augustus (20 v. Chr.)
Eine verpasste Chance?: Der Markomannenfrieden des Commodus (180 n. Chr.)
Frauen als Druckmittel: Das Friedensabkommen von Nisibis (298 n. Chr.)
Der Anfang vom Ende: Das Gotenfoedus (382 n. Chr.)
Auf dem Weg zur Unabhängigkeit: Der Vandalenvertrag (442 n. Chr.)
Erfolgreiche Erpressung: Verträge mit Attila (435, 443, 448 n. Chr.)
Tödlicher Verrat: Theoderich und Odoakar (493 n. Chr.)
Anmerkungen
MITTELALTER
Mit Hilfe der Gottesmutter: Der Friede zwischen Byzanz und den Sassaniden (628)
Glaubensspaltung: Der Vertrag von Siffin (657)
Die Geburt Deutschlands: Die Reichsteilung zu Verdun (843)
Um die Kaiserwürde: Das Friedensabkommen zwischen Otto d. Gr. und Byzanz (972)
Investiturstreit: Das Wormser Konkordat (1122)
Kaiser und Papst: Die Abkommen von Venedig und Konstanz (1177/83)
Stupor Mundi: Der Vertrag von Jaffa (1229)
Die Macht der „Pfeffersäcke“: Der Friede von Stralsund (1370)
Das Ende des Ordensstaates: Der 2. Frieden von Thorn (1466)
Beginn einer Erbfeindschaft: Der Vertrag von Senlis (1493)
Anmerkungen
DAS ZEITALTER DER REFORMATION
Wortbruch eines Königs: Der Friede von Madrid (1526)
Cuius regio, eius religio: Der Augsburger Religionsfrieden (1555)
Das „Siglo de Oro“: Der Vertrag von Cateau-Cambrésis (1559)
Der erste internationale Friedenskongress: Der Westfälische Friede (1648)
Anmerkungen
BAROCK UND AUFKLÄRUNG
Der Sonnenkönig und die Bauern: Der Frieden von Nimwegen (1678/79)
Das Europäische Gleichgewicht: Der Vertrag von Utrecht (1713)
Prinz Eugen, der „edle Ritter“: Der Friede von Passarowitz (1718)
Der Aufstieg Russlands: Das Friedensabkommen von Nystad (1721)
Um Österreichs Erbfolge: Der Friedensvertrag von Aachen (1748)
Ein „erster Weltkrieg“: Der Vertrag von Paris (1763)
Eine neue Großmacht: Der Friede von Hubertusburg (1763)
Die Geburt der USA: Der Vertrag von Versailles (1783)
Anmerkungen
DAS 19. JAHRHUNDERT
Der Aufstieg Napoleons: Das Friedensabkommen von Campoformio (1797)
Dreikaiserschlacht: Der Frieden von Pressburg (1805)
Der tiefe Fall Preußens: Der Friedensschluss zu Tilsit (1807)
Die Neuordnung Europas: Der Wiener Kongress (1814/15)
Die Freiheit Griechenlands: Der Friede von Adrianopel (1829)
Nackter Imperialismus: Der Vertrag von Guadalupe Hidalgo (1848)
Um die Meerengen: Der Friede von Paris (1856)
Kluge Mäßigung: Das Friedensabkommen von Prag (1866)
Erbfeindschaft: Der Frieden von Frankfurt (1871)
Ein „ehrlicher Makler“: Der Berliner Kongress (1878)
Afrikanischer Sieg: Der Vertrag von Addis Abeba (1896)
Anmerkungen
DAS 20. JAHRHUNDERT
Die „aufgehende Sonne“: Der Frieden von Portsmouth (1905)
Sieg im Osten: Der Vertrag von Brest-Litowsk (1918)
Strafe statt Frieden: Das Diktat von Versailles (1919)
Erfolgreiche Revision: Der Frieden von Lausanne (1923)
Warum nicht im Westen?: Der Friedensvertrag von San Francisco (1952)
Am 38. Breitengrad: Der Waffenstillstand von Panmunjom (1953)
Der Niedergang der Kolonialreiche: Das Waffenstillstandsabkommen von Genf (1954)
Ein nationales Trauma: Der Vertrag von Paris (1973)
Versöhnung im Nahen Osten?: Das Friedensabkommen von Camp David (1978)
Anmerkungen
GLOSSAR
Weitere Bücher
Unseren österreichischen Verwandten in Dankbarkeit gewidmet
VORWORT
„Ein bisschen Frieden …“ – unauslöschlich ist dieses Bild in das Gedächtnis der Deutschen eingegraben: Ein hübsches Mädchen mit einer – symbolträchtigen – weißen Gitarre siegt mit ihrem ein wenig naiv anmutenden Lied beim Grand Prix Eurovision de la Chanson (seit 1992 Eurovision Songcontest). Sein Text spiegelte die weit verbreitete Angst in der Zeit der Nachrüstungsdebatte (als Antwort auf die sowjetischen SS–20 – Raketen hatte der Westen die Stationierung von eigenen Mittelstreckenwaffen beschlossen; deshalb herrschte vielerorts eine geradezu hysterische Furcht vor einem 3. Weltkrieg) und gab damit dem Zeitgeist Ausdruck – was maßgeblich zum ersten Sieg eines deutschen Liedes bei diesem internationalen Wettbewerb beitrug.
Die intellektuelle Kritik an seinem Wortlaut war sicher nicht unberechtigt; denn eigentlich war das Wirken für den Frieden jahrhundertelang eine ernsthafte diplomatische Arbeit, ja geradezu eine politische Kunst, deren Erfolg zudem für die vom Krieg heimgesuchten Völker eine Erlösung von Tod und Leid, Plünderung und Vergewaltigung, Vertreibung und Verarmung bedeutete – und davon sollte „ein BISSCHEN“ genügen?
Dennoch – das Wort „Frieden“ ruft unausweichlich diese Erinnerung hervor. Daher steht sie am Beginn dieses Buches, das sich den bedeutendsten Friedensabkommen vom Alten Orient bis in unsere Zeit widmet. Es soll weder eine völkerrechtstheoretische Abhandlung über internationale Beziehungen bieten, noch den bereits vorhandenen Vertrags – Ploetz ersetzen; daher strebt es auch keine Vollständigkeit an. Vielmehr soll es ein historisches Lesebuch – mit gelegentlichen zeitkritischen Gedanken – sein, das die wichtigsten Friedensverträge aus über drei Jahrtausenden in das Gedächtnis zurückruft – mit ihren geschichtlichen Voraussetzungen, dem Ablauf der vorhergehenden militärischen Konflikte, sowie den oftmals gravierenden Folgen. Ergänzend soll ein meist vernachlässigter Aspekt hinzutreten – der Ort des Vertragsabschlusses. Denn die Idee zu diesem Buch kam dem Verfasser auf einer seiner zahlreichen Reisen: In Pressburg (j. Bratislava) besichtigte er den Spiegelsaal des Primatialpalastes, in dem einst der Konflikt zwischen Frankreich und Österreich beigelegt wurde (1805). Seit seiner Jugend war ihm das Abkommen wohl bekannt – nicht aber der Schauplatz des Geschehens.
Der Begriff des Friedensvertrages wird hier sehr weit gefasst; mehrfach finden sich bloße Waffenstillstandsabkommen (sonst wären nach dem 1. Weltkrieg nur wenige Verträge aufgeführt!), aber auch das Wormser Konkordat, mit dem der Investiturstreit zwischen Kaiser und Papst endete, oder das Abkommen von Brundisium zwischen den rivalisierenden Parteien im innerrömischen Bürgerkrieg.
Der Nünnerich-Asmus Verlag hat das Buch in gewohnter Qualität gestaltet; dafür sei ihm herzlich gedankt, ebenso seiner Geschäftsführerin Dr. Annette Nünnerich-Asmus für die fachlich wie menschlich angenehme und ertragreiche Zusammenarbeit. Dank schulde ich zudem Frau Katrin Vogt für die Unterstützung bei der Recherche sowie meiner Ehefrau, die das Werk unermüdlich mit Rat und Tat gefördert hat.
Bad Frankenhausen, im Januar 2014
Stephan Elbern
EINLEITUNG
Es war im Schloss zu Versailles, im Februar 1871. Für das soeben gegründete Deutsche Reich verhandelte Otto von Bismarck mit dem Ministerpräsidenten Adolphe Thiers über ein Friedensabkommen zur Beendigung des Deutsch – Französischen Krieges. Auf Wunsch des preußischen Militärs forderte der „Eiserne Kanzler“ die Abtretung der wichtigen Grenzfestung Belfort; der gegnerische Unterhändler wies dieses Verlangen jedoch zurück. Große Teile Frankreichs waren von deutschen Truppen besetzt, eine Weiterführung des Krieges unmöglich. Dennoch – aus heutiger Sicht erstaunlich – setzte Bismarck seine Forderung nicht durch Drohungen – etwa mit einem weiteren Vormarsch – durch. Vielmehr ließ er dem Ministerpräsidenten die Wahl: Falls dieser einer deutschen Siegesparade auf den Champs-Élysées zustimmte, dürfte Frankreich Belfort behalten; andernfalls sollte es an das Reich fallen. Der französische Unterhändler entschied sich für den Besitz der Festung.
Erneut in Versailles, nahezu 50 Jahre später; der 1. Weltkrieg war beendet. Im Spiegelsaal des Schlosses hatten die Vertreter der Alliierten Platz genommen; dann wurden die deutschen Delegierten eingelassen. An den Verhandlungen der Siegermächte über die Bestimmungen des Abkommens hatten sie nicht teilgenommen; ihre Aufgabe war lediglich, das einseitig verhängte Diktat zu unterzeichnen; es war ein Tribunal, kein Vertragsabschluss (1919).
Ein Vergleich beider Szenen lässt deutlich erkennen, wie im verhängnisreichen 20. Jh. eine uralte diplomatische Kunst verloren ging: die Fähigkeit, einen militärischen Konflikt durch ein Abkommen zu beenden, das zwar möglichst den eigenen Interessen diente (etwa durch territorialen oder wirtschaftlichen Gewinn), zugleich aber den ursprünglichen Friedenszustand wiederherstellte und damit die Rückkehr zu normalen völkerrechtlichen Beziehungen erlaubte (wobei der augenblickliche Gegner durchaus ein künftiger Verbündeter sein konnte!).1
Solange überwiegend monarchische Staaten gegeneinander Krieg führten – ob die Herrscher des Alten Orients und des hellenistischen Staatensystems oder die europäischen Fürsten seit Beginn des Mittelalters – blieb ohnehin der gegenseitige Respekt erhalten, der sich bereits bei den Pharaonen und Hethitern in der Anrede „Mein Herr Bruder“2 äußerte (auch wenn man eine militärisch günstige Lage bedenkenlos zur Durchsetzung der eigenen Interessen nutzte).3 Die Verschwägerung nahezu aller Dynastien – im Hellenismus ebenso wie im mittelalterlichen und neuzeitlichen Europa – ließ ohnehin nur in den seltensten Fällen Erbitterung oder persönliche Abneigung aufkommen; man führte gleichsam Krieg innerhalb der eigenen Familie. Auch die Kombattanten hegten keine feindseligen Gefühle gegeneinander, zumal wenn sie derselben adligen Schicht entstammten; so sind Treffen zwischen preußischen und österreichischen Offizieren in Kampfpausen des Siebenjährigen Krieges (1756 – 63) überliefert, bei denen man mit Wein und Champagner die beiderseitige Tapferkeit und Courtoisie hochleben ließ. Religiöse Konflikte – mit den „Ungläubigen“ im Morgenland oder gar „Ketzern“ – folgten dagegen anderen Gesetzen, wie etwa die Gräuel des Katharerkreuzzuges in Südwestfrankreich belegen.
Erst mit der Französischen Revolution kam zunehmend Hass zwischen den Völkern auf, vor allem aufgrund der allgemeinen Wehrpflicht – jetzt kämpften Landeskinder statt angeworbener Söldner – sowie der veränderten Kriegführung (und der damit verbundenen Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung). Dennoch erreichten die Schrecken der damaligen militärischen Konflikte niemals das Ausmaß des 20. Jhs.; erfolgreich hatte man nach dem Westfälischen Frieden den Krieg „domestiziert“.
Dagegen steigerte sich im Zeitalter des Nationalismus der Völkerhass in erschreckendem Maße; hinzu kamen – spätestens seit der bolschewistischen Oktoberrevolution (1917) – ideologische (und damit religionsähnliche) Gegensätze, die – zumindest zeitweilig – ein friedliches Nebeneinander unmöglich machten. Mit dem „Klassenfeind“ konnte man eben keine normalen Beziehungen pflegen (so wenig wie mit dem „Rassenfeind“ oder dem „Feind der Demokratie“). Die Vernichtung oder zumindest die „Bestrafung“ des Gegners wurde zum Hauptziel der „modernen Glaubenskriege“, nicht die Wiederherstellung des Friedenszustandes. Dadurch ging diese politische und diplomatische Kunst – unwiederbringlich? – verloren. Denn ein einvernehmliches Miteinander ist nur dann möglich, wenn man den Vertragspartner als gleichberechtigt ansieht und auch ihm legitime Interessen zubilligt.
Seit dem 1. Weltkrieg sind daher Friedensabkommen selten geworden; zahlreiche Konflikte wurden lediglich einstweilen durch einen Waffenstillstand beendet – etwa in Korea und Indochina, auf Zypern und im Nahen Osten; eine dauerhafte politische Lösung ist dort auf Jahrzehnte hinaus nicht zu erwarten. Im Irak – Krieg verkündete man nur das „Ende der Hauptkampfhandlungen“; er dauert noch immer an, eine Beilegung ist nicht abzusehen. Auch der 2. Weltkrieg wurde – zumindest in Europa – nie durch einen abschließenden Friedensvertrag beendet; das beweist u. a. das Fortwirken der „Feindstaaten-Klausel“ gegen Deutschland und seine einstigen Verbündeten (vor dem 20. Jh. war eine derartige Brandmarkung des besiegten Gegners undenkbar).4 Zu den wenigen Ausnahmen zählt das Friedensabkommen zwischen Ägypten und Israel in Camp David (1978), das bisher von beiden Seiten eingehalten wird (aber keine Gesamtlösung des Nahostproblems herbeiführte).
In dieser Zeit ging aber nicht nur die politische Kunst verloren, Frieden zu schließen, sondern zugleich die „Domestizierung des Krieges“, die Europa nach dem Westfälischen Frieden erreicht hatte. Seither folgten die Kampfhandlungen festen Regeln, die im allgemeinen eingehalten wurden; die Nicht – Kombattanten waren weitgehend vor Übergriffen geschützt. Zu einem systematischen Vorgehen gegen die Zivilbevölkerung kam es erstmals nach 1648 im – ideologisch geprägten! – amerikanischen Bürgerkrieg (1861 – 65), etwa bei dem berüchtigten „Sherman-Raid“, dem die blühende Kultur und Zivilisation der Südstaaten zum Opfer fiel.5 Der Sezessionskrieg war nicht nur hinsichtlich von Strategie und Bewaffnung der erste militärische Konflikt der Moderne, sondern auch im rücksichtslosen Verhalten gegenüber der schutzlosen Zivilbevölkerung (das freilich in Dresden und Hiroshima aufgrund des technischen „Fortschritts“ zu weit höheren Opferzahlen führen sollte). Vorbildhaft war der amerikanische Bürgerkrieg auch in der Forderung der Nordstaaten nach „bedingungsloser Kapitulation“ (unconditional surrender) anstelle einer diplomatischen Lösung6, ebenso in der – später nicht ausgeführten – Absicht, „Kriegsverbrecher“ wie den Präsidenten der „abtrünnigen“ Bundesstaaten hinzurichten, die bereits auf die Prozesse von Nürnberg und Tokio oder das Todesurteil gegen den irakischen Diktator Saddam Hussein weist. Entgegen einem häufig geäußerten Vorurteil hat nämlich die Verbreitung der Demokratie keineswegs zum Weltfrieden oder zu einer humanen Kriegführung beigetragen (dafür mögen die Orte My Lai und Guantanamo stehen, ebenso die „Kollateralschäden“ im Irak und in Afghanistan). Vielmehr haben – wie bereits erwähnt – die Herrscher früherer Jahrhunderte ihre Gegner mit mehr Respekt behandelt als demokratisch gewählte Politiker der Gegenwart. Etwas überspitzt formuliert – unsere Epoche könnte von Ramses II. und dem Hethiterkönig Hattušili lernen!
Diese Behauptung mag heute vermessen, zumindest aber „politisch unkorrekt“ erscheinen, da die moderne Parteiendemokratie allgemein als einzig legitime Staatsform angesehen und als „Höhepunkt der Geschichte“ gefeiert wird. Tatsächlich werden jedoch in unserem demokratischen Zeitalter Konflikte nur noch höchst selten friedlich beigelegt, und gerade die Führungsmacht der westlichen Welt zieht es vor, ihre politischen und militärischen Gegner gnadenlos niederzuwerfen. Denn diese Epoche hat verlernt, den Gegner als gleichrangig sowie seine Ziele und Interessen als gleichberechtigt anzuerkennen. Dem nüchternen Historiker sei darum gestattet, diese – auf geschichtlichen Fakten basierende – scharfe Zeitkritik dem weithin emphatisch verkündeten „Mythos Demokratie“ entgegenzusetzen, der die Welt eben nicht in jeder Hinsicht zum Besseren verändert hat.
Das vorliegende Buch will aber nicht nur an die verlorene Kunst erinnern, Frieden zu schließen. Zudem soll es einen grundlegenden Fehler des heutigen politischen Denkens – nicht nur in Deutschland – aufzeigen: Es gibt kein „Ende der Geschichte“ (wie 1990 voreilig verkündet); das Werden der Völker und Staaten unterliegt vielmehr weiterhin einem steten Wandel. Weder territorial noch ideologisch ist ein Endpunkt erreicht oder erreichbar (so betrachtete man den weltweiten Sieg der Demokratie als unabwendbar und begrüßte euphorisch den „Arabischen Frühling“; tatsächlich scheint er jedoch in die Gründung von islamischen Gottesstaaten zu münden!). Auch die heutigen Staatsgrenzen sind zweifellos – entgegen allen Zusicherungen – nicht endgültig: Dass Russland in seinem ewigen Streben nach „warmen Meeren“ dereinst erneut das Baltikum erobert, ist ebenso möglich wie ein Austritt von Katalonien oder Schottland7 aus dem spanischen bzw. britischen Staatsverband. Vielleicht liest ja ein Politiker dieses Buch und zieht sogar Lehren daraus – man sollte die Hoffnung nicht aufgeben!
Zu einem Zeitpunkt entstanden, da die Ausspähung der europäischen „Verbündeten“ durch die US-Geheimdienste deren Vasallenstatus gnadenlos offenbarte, soll es zudem an frühere Jahrhunderte gemahnen, als selbstbewusste Staaten und Völker gleichberechtigt miteinander verkehren sowie frei über ihre Bündnisse und Interessen entscheiden konnten, statt sich willig unter das Joch des „Großen Bruders“ zu beugen.