Geschichten zum Einschlafen, Wachwerden und für Zwischendurch

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Geschichten zum Einschlafen, Wachwerden und für Zwischendurch
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Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

http://dnb.ddb.de abrufbar.


Hergestellt in Deutschland • 1. Auflage 2021

© Heimdall Verlag, Devesfeldstr. 85, 48431 Rheine,

www.heimdall-verlag.de

© Alle Rechte beim Autor: Siegfried Mau

Satz und Produktion: www.lettero.de

Illustrationen: © designerauge – Adobe Stock,

Coverbilder: © ramona georgescu – Adobe Stock

Gestaltung: © Matthias Branscheidt, 48431 Rheine

ISBN: 978-3-946537-82-3

Weitere Bücher

als E-Book, Print- und Hörbuch unter:

www.heimdall-verlag.de

www.meinaudiobuch.de

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Zum Buch

Das erste Osterei

Das Mondelfenhaus

Der abgewrackte Klabautermann

Der Dummklönschnacker

Der gefressene Hexenbesen

Der verschwundene Schokoladenosterhase

Die geangelte Ehefrau

Die Gespenstermama Gruselbuh

Die Kältemacher

Die Kraft des Hühnergottes

Die Krötenretter

Die Maus im Kühlschrank

Die Ohrwurmmuschel

Die Rettungsrobbe

Die Schlapphutschweber

Die Schwanenkönigin

Die Vergesserer

Fitti sucht Clara

Flugträume und andere Fähigkeiten

Loco ist weg

Oma ist Chefin

Schlafraffus

Steintrolle in Not

Zum Buch

Das Frachtschiff von Kapitän Ulf soll nach vielen Jahren verschrottet, also abgewrackt werden. Deshalb möchte er jetzt Rentner werden und in ein großes Kapitänshaus an die Küste ziehen. Aber was passiert mit dem Schiffsklabautermann, der ebenfalls seit vielen Jahren auf dem Schiff lebt?

Hilfe, bei Johanna und Nina im Hause lebt eine Maus im Kühlschrank! Das finden die Eltern natürlich überhaupt nicht gut. Wie ist dieses Problem wohl zu lösen?

Endlich ist es soweit. Wieder entführen uns weitere 24 Geschichten in eine Welt, die zum Nachdenken und Träumen anregen. Dabei spielt das Alter des Lesenden oder des Zuhörers keine Rolle.

Zum Vor- und Selbstlesen, kurzweilig und dennoch lehrreich.

Siegfried Mau, Jahrgang 1958, ist Vater und Großvater. Er ist tätig als Anleiter für Menschen mit Defiziten und versteht es, mit pädagogischem Geschick spannende und unterhaltsame Geschichten zu schreiben.

Nach zwei erfolgreichen Weihnachtsbüchern folgt jetzt der Band 2 der Geschichtenreihe »Geschichten zum Einschlafen, Wachwerden und für Zwischendurch«

Das erste Osterei

Gestern war Ostersonntag. Da fahren wir immer zu meiner Oma Sophie-Marie und Opa Adalbert. Wir, das sind mein kleiner nervender Bruder Ben, meine noch mehr nervende kleine Schwester Britta, mein Papa Ole, meine Mama Nadja und ich. Mein Name ist übrigens Max.

Nun gut, meine beiden Eltern nerven auch manchmal, aber nicht so oft wie Ben und Britta. Ja, wenn man kleinere Geschwister hat, dann ist man echt fürs Leben gestraft. Schon allein wie lange das dauert, die erst einmal in ihre Kindersitze ins Auto zu verstauen. Und wenn die dann endlich im Auto sitzen, dann gibt es nur Geknatsche. Der eine will diese CD eingelegt haben und die andere wiederum eine andere. Einer von beiden heult zum Schluss immer, auch wenn man eigentlich überhaupt keine CD hören müsste, weil man ja nur kurz zum Supermarkt um die Ecke fährt. Endlich angekommen, dauert es wieder unendlich lange, bis Mama sie aus ihren Kindersitzen herausgenommen hat und wenigstens einer von den beiden Kleinen in der Kindersitzvorrichtung des Einkaufswagens sitzt. Dann gibt es meistens wieder eine große Heulerei, weil immer genau der eine oder die andere in dieser Vorrichtung sitzen möchte. Ich verstehe sowieso nicht, warum die Supermarktbesitzer nicht endlich Einkaufswagen für Mütter oder Väter mit zwei oder auch drei Kindern zur Verfügung stellen. Schließlich kaufen große Familien doch Berge an Lebensmitteln und Papa sagt immer, dass wir bei dem Windelverbrauch schon längt mal Sonderprozente in dem Laden kriegen müssten.

Da haben Mama und Papa auf jeden Fall Glück, dass ich mit meinen sieben Jahren schon so groß und selbstständig bin und mich fast nichts aus der Ruhe bringen kann. Obwohl, die Fahrten zum Supermarkt nerven auch mich richtig, eigentlich nervt mich jede Autofahrt, weil unsere Kindersitze jeweils an den Außenseiten angebracht sind und ich immer zwischen meinen kleineren Geschwistern sitzen muss. Ich habe mich schon gefühlte dreihundertmal darüber bei Mama und Papa beschwert, aber die sagten bisher immer nur, es müsse halt so sein. Dann könne man die Kleinen besser in ihre Sitze setzen und wieder herausnehmen.

Mein einziger Trost ist, dass ich ja bald groß sein und mir dann ein eigenes Auto zulegen werde, wahrscheinlich ohne Rückbank.

Bis dahin werde ich das Rumgeheule wohl noch ertragen, wobei Papa ja immer sagt, das gibt sich, wenn die größer werden.

Okay, ich muss aber zugeben, dass ich meine Geschwister eigentlich ganz gerne habe und bei uns zuhause wenigstens immer was los ist.

Ja, aber wie gesagt, wir waren bei meiner Oma Sophie-Marie und Opa Adalbert. Die haben einen riesigen Garten. Ich glaube, der ist größer als der Stadtpark in unserer Stadt, zumindest ist er interessanter und da gibt es so ungefähr eine Millionen Dinge zu entdecken, die es in unserer Stadt nicht gibt.

Letztes Jahr hat mein Opa an einem sonnigen Platz extra ein Biotop für Zauneidechsen angelegt mit einer großen Sandfläche und aufeinandergestapelten Steinen und einigen Holzstümpfen und dieses Jahr konnten wir schon die ersten Echsen beim Sonnenbaden beobachten. Besonders die glitzernden grünen Eidechsenmännchen finde ich besonders schön. Opa meinte, dass sie unten am Steinbruch, gar nicht weit entfernt, jetzt ein Hotel gebaut hätten. Da gab es früher unzählig viele von diesen schönen Eidechsen und jetzt hätten sie keine Heimat mehr. Irgendwo müssten die armen Tierchen doch bleiben.

Worauf Oma nur meinte, dass sie das schon mal gehört hätte. Damals hatten sie den Bachlauf auf der anderen Straßenseite trockengelegt, damit Abwasserrohre gelegt werden konnten. Da hat Opa mal schnell unseren Teich angelegt, damit die ganzen Frösche, Molche und Libellen ein neues Zuhause bekommen. Seitdem könne sie manche Nacht nicht bei offenem Fenster schlafen, weil die Frösche so laut quaken. Die würden sogar Opas Schnarchen übertönen, worüber wir alle lachen mussten.

Aber so ist mein Opa, er hat Mitleid mit jedem Lebewesen und er liebt die Natur und dafür lieben wir unseren Opa.

Aber Ostersonntag besuchen wir die beiden immer, weil man in dem großen Garten besonders gut Ostereier verstecken kann und dort das Suchen besonders viel Spaß macht.

Eigentlich bin ich ja mit sieben Jahren schon zu groß für so einen Kinderkram und an den Osterhasen glaube ich schon lange nicht mehr, mindestens schon ein Jahr nicht mehr. Aber meine kleinen Geschwister brauchen mich ja schließlich zum Suchen helfen und außerdem hat Opa immer wieder die besten Ideen, wo man Eier verstecken kann, um sie nicht zu leicht zu finden. Angeblich hat er letzten Sommer noch einen Schokoladenosterhasen wiedergefunden, der in einer aufgehängten Gießkanne versteckt war. Deshalb sagt Oma auch immer, dass er nur einfach zu findende Verstecke auswählen solle. Dann sind da noch die Marzipaneier, die ich besonders gerne mag und für die Oma und Opa vor Ostern immer selbst nach Lübeck, in die Marzipanstadt fahren. Die sind so lecker, dass ich die wahrscheinlich noch suchen würde, wenn ich schon so alt wie meine Mama und mein Papa wäre, also schon ziemlich alt.

 

Das Suchen hat auf jeden Fall wieder unheimlich viel Spaß gemacht und wir Kinder sind dann mit den Körben voller Eier und Schokoladenosterhasen in das Esszimmer gegangen, wo Oma schon den Frühstückstisch gedeckt hatte.

Oma hatte frisches Rosinen- und Graubrot gebacken, ihre leckere Erdbeermarmelade und Opas selbst erzeugten Honig auf den Tisch gestellt. Dazu haben wir dann die buntgefärbten Hühnereier gegessen, die wir draußen gefunden hatten, obwohl meine kleinen Geschwister lieber zuerst die Marzipan- und Schokoladeneier gegessen hätten. Aber das hatte Mama verboten, wobei es erst einmal wieder einige Minuten Heulerei gab, was bei uns ja voll normal ist.

Ein gefärbtes Hühnerei war besonders bunt und schön anzusehen und ich meinte noch, dass sei viel zu schön zum Essen. Das wollte ich bis zum Sommer aufbewahren, was bei den Erwachsenen doch für Heiterkeit sorgte, denn alle mussten ziemlich laut lachen.

Ich hatte es dann doch abgeschält und gesagt, dass es sehr lecker war. Irgendwie schmecken gefärbte Hühnereier doch besser als ungefärbte, obwohl die Farbe doch nur außen an der Schale ist.

Ostereier sind doch eine gute Erfindung, auch wenn man schon nicht mehr an den Osterhasen glaubt. Irgendwie wollte ich wissen, wer diese Köstlichkeiten denn erfunden hatte und so stellte ich den Erwachsenen die Frage. Alle schauten sich fragend an und zuckten mit den Schultern. Nur Opa nicht. Der lächelte nur und meinte dann ganz beiläufig, dass er das genau wüsste. Wir sollten erst einmal in Ruhe zu Ende frühstücken und dann würde er es mir erzählen.

Und nach dem Frühstück habe ich ihn dann sofort daran erinnert, dass er mir ja noch die Geschichte erzählen wollte.

»Okay Max«, sagte er. »Ich kippe mir noch einen Pott von dem guten Vanilletee ein, den Oma heute gebrüht hat und dann setzen wir zwei uns auf die Bank am Froschteich.«

Das machten wir dann und ich konnte es kaum erwarten, weil Opa ein super Geschichtenerzähler ist. Dann fing er an zu erzählen.

»Die gleiche Frage hatte ich auch meinem Opa gestellt, als ich ungefähr so alt war wie du. Wir saßen damals übrigens auch auf einer Bank vor einem Froschteich, wobei früher eigentlich noch in jedem Teich Frösche lebten. Damals erzählte er mir folgende Geschichte:

Früher waren die Menschen, die auf dem Lande lebten, sehr arm. Sie lebten von den Dingen, den ihnen die Natur schenkte und von dem, was sie selbst angebaut hatten. Alles musste auf dem eigenen Feld angebaut werden und dann für den Winter eingelagert werden. Wenn sie Dinge brauchten, welche sie nicht selbst erzeugen konnten, dann mussten sie oftmals ihre Wintervorräte dafür eintauschen. Es war auch besonders schlimm, wenn es einmal eine schlechte Ernte gab, weil der Sommer zu trocken oder zu nass war oder ein Hagelschauer die Ernte vernichtet hatte.

Dann mussten auch noch meistens viele Kinder durchgefüttert werden, weil kinderreiche Familien früher keine Seltenheit waren. Zehn oder zwölf Kinder in der Familie waren oft normal. Zum Ende des Winters waren dann häufig die Vorräte aufgebraucht und die Familien mussten hungern.

Da litten besonders die alten Menschen, die Kranken und die Kinder. Das war sehr bitter für sie.

In einem kleinen Dorf im hohen Norden soll aber ein Färbermeister gelebt haben. Dieser färbte in seinem Haus Stoffe oder Schafsfelle in vielen verschiedenen Farben, um damit die Menschen in der Stadt zu versorgen.

Dabei hatte er es zu einem gewissen Reichtum gebracht und es fehlte ihm an nichts.

Er und seine Frau wünschten sich sehnlich ein Kind, doch das Schicksal schenkte ihnen keine.

Weil er sich nicht um seine Kinder kümmern konnte, weil er keine hatte, hielt er sich viele Hühner und umsorgte diese liebevoll.

Und weil es den Hühnern so gut ging, legten sie viele, viele Eier.

Wenn der Färbemeister mit seinem beladenen Wagen durch das Dorf fuhr, dann sah er die armen hungernden Kinder und er fragte sich, wie er ihnen wohl helfen konnte.

Einmal, als er gerade dabei war, die Schafswolle der Schäfer vor dem Garnspinnen einzufärben, hatte er eine Idee.

Er wollte den Kindern einige seiner vielen Hühnereier abgeben, damit sie am Ende des Winters nicht mehr hungern müssten. So packte er so viele Eier, wie er entbehren konnte, in einige gefärbte Tücher, band diese zusammen, um sie zu den Kindern bringen. Das erzählte er seiner Ehefrau. Diese meinte aber, dass sich bestimmt viele Familien schämen würden, wenn er einfach dort hinginge und ihnen die Eier schenkte.

Deshalb solle er sie einfach heimlich in der Nacht verteilen und so hinlegen, dass man sie nicht sofort finden würde.

Diesem Rat folgte er natürlich und er verteilte die Eier in der Nacht. Als er sie aber aus den gefärbten Tüchern herausnahm, da bemerkte er, dass die Eier die Farbe vom Stoff angenommen hatten, weil diese Stoffe beim Einpacken wohl noch nicht ganz trocken waren. Er überlegte kurz, ob er sie wieder mitnehmen solle, dann ließ er sie aber doch in den Gärten der Familien mit vielen Kindern liegen. Als die Kinder am nächsten Tag die Eier zufällig beim Spielen fanden, da dachten sich viele, dass es überhaupt keine Hühnereier waren, obwohl sie genauso schmeckten, ja sogar noch leckerer. Es war doch klar, dass die Kinder ihre Eltern fragten, wo denn diese bunten Eier herkämen. Und da bald Ostern war, da nannten einige diese gefärbten Eier einfach Ostereier und einige Eltern erzählten den Kindern, die hätte der Osterhase gebracht, weil sie einfach auch keine Erklärung dafür hatten.

So ist wohl auch die Geschichte vom Osterhasen entstanden, denn einer musste die Eier ja gebracht haben. Dem Färbermeister erzählte man natürlich auch diese Geschichten, da ja niemand wusste, dass er hinter der Sache steckte. Dieser grinste aber immer nur, wenn er die Geschichten hörte und weil er glücklich darüber war, dass sich alle Menschen über die bunten Eier freuten und vor allen Dingen die vielen Kinder, da verteilte er noch viele, viele Jahre bunte Hühnereier. Und weil er als Färbermeister viele verschiedene Farben besaß, da wurden die Eier von Jahr zu Jahr bunter und waren immer schöner anzuschauen.

Als er nach vielen Jahren starb, da erzählte seine Frau seinen Freunden davon und diese versprachen, diese Tradition weiterleben zu lassen und dafür zu sorgen, dass ihn viele reiche Menschen nachahmten.

So lebte die Tradition weiter und verbreitete sich über das ganze Land.

Heute haben die Menschen genug zu essen und keine Kinder bei uns müssen mehr hungern. Trotzdem verschenkt man zu Ostern weiter Ostereier, nur dass meistens die Eltern oder Großeltern diese Eier färben. In vielen Familien dürfen heute die Kinder beim Eierfärben helfen, wenn sie schon etwas größer sind.

Max, so hat mir mein Großvater die Geschichte erzählt und so könnte es gewesen sein, aber vielleicht gibt es den Osterhasen aber auch wirklich. Das weiß man ja bei Geschichten nie. Ich habe schon viele Nächte vor Ostersonntag aus dem Fenster geschaut, um zu sehen, ob nicht doch ein Osterhase durch den Garten hüpfen würde. Einen Osterhasen mit einem Korb voller Eier auf dem Rücken habe ich nie gesehen, aber es war schon auffällig, wie viele richtige Hasen in dieser Nacht durch unseren Garten hüpften und du weißt, dass behauptet wird, dass diese den Osterhasen bei seiner Arbeit unterstützen.«

Natürlich war mir klar, dass es keinen Osterhasen gibt, vielleicht wenigstens. Mit sieben Jahren glaubt man schließlich nicht mehr an den Osterhasen. Ich habe noch lange über die Geschichte nachgedacht und dann habe ich Mama und Papa gesagt, dass ich im nächsten Jahr auf jeden Fall auch beim Ostereierfärben mithelfen möchte. Egal, ob es ihn jetzt wirklich gibt oder nicht. Die Hauptsache war doch, dass früher den Kindern geholfen wurde und das Eierfärben auch heute noch großen Spaß macht.



Das Mondelfenhaus

Es war vor vielen Jahrzehnten, da sollte ich meinen Großvater Waldemar besuchen. Damals bat er mich um diesen Besuch, weil er mir einige Dinge zeigen wollte, die ihm auf dem Herzen lagen.

Er meinte, dass ich jetzt alt genug wäre, um diese Verantwortungen zu übernehmen.

Ich bin übrigens Jenny und damals wurde ich gerade siebzehn Jahre alt.

Ich liebte die Besuche bei Opa Waldemar. In Opas Garten erlebte man immer so viele, aufregende Dinge. Dort konnte man die schönsten Singvögel beobachten und ihrem Gesang lauschen. Selbst ein großer Grünspecht hatte sich in diesem Jahr seine Spechthöhle in den alten Esskastanienbaum, der vor dem Gartenteich steht, gehämmert und jetzt begrüßten die jungen Spechte ihre anfliegenden Eltern immer mit viel Geschrei.

Dieses Geschrei wurde oftmals nur von den großen, grünen Wasserfröschen übertönt, die scheinbar um die Wette quakten.

In dem alten, nicht mehr benötigten Kamin auf Opas Hausdach hatte sich in diesem Jahr ein Dohlenpaar eingenistet. Eine dieser beiden Dohlen war besonders frech. Nichts konnte man mehr auf dem Gartentisch stehen lassen, ohne dass man Gefahr lief, dass es verschwunden war, wenn man nur einmal kurz den Tisch verließ. Sie flog dann einfach schnell heran, setzte sich auf dem Gartentisch, griff sich alles, was irgendwie fressbar war und verschwand damit in Richtung Schornstein, um ihre Küken zu füttern.

In der vorhergehenden Woche hatte Opa eine Abdeckhaube über den Streuselkuchen gelegt, damit sie ihn nicht stehlen konnte. Als er dann mit der Teekanne aus der Küche kam, da lag die Haube auf dem Boden und es fehlte trotzdem ein Stück von dem leckeren Kuchen. Der schlaue Vogel hatte längst herausgefunden, dass er die Abdeckhaube mit seinem Schnabel hochheben konnte. Als Opa dann seinen Zeigefinger hob und in Richtung Kamin schimpfte, da schien es so, als wenn sie ihn mit ihren Rufen auch noch auslachen würde. Da musste auch Opa lachen, denn böse war er ihr überhaupt nicht. Opa liebt nämlich alle Lebewesen und er sah immer nur das Gute in ihnen.

Er half jedem verletzten Tier, welches er fand, und päppelte es wieder auf. Das hatte er schon als Kind gemacht und meine Oma erzählte mir, dass er als Junge schon alle Tiere gerettet hätte.

Deshalb liebte sie ihn schon, als sie selbst noch ein Mädchen war und schon damals besuchte sie ihn immer, um ihm beim Füttern seiner Tiere zu helfen.

Angeblich hatte er sogar einmal ein großes Wildschwein, welches er als Frischling im Wald fand und welches seinen offenen Stall im Garten einfach nicht verlassen wollte, als es groß genug war, sich selbst im Wald zu ernähren. So lebte es noch einige Jahre im Garten von Opas Eltern, bis es dann irgendwann doch einfach verschwand und nie wieder gesehen wurde.

Aber auch andere Tiere versorgte er auf dem Hof seiner Eltern.

Da soll es einen Fuchs gegeben haben, über den sich seine Eltern überhaupt nicht freuten, denn schließlich hielt sich früher jeder Hühner und Gänse auf dem Hof und jeder kennt doch das Lied Fuchs du hast die Gans gestohlen …

Aber angeblich soll damals weder ein Huhn noch eine Gans verschwunden sein. Aber dieser Fuchs, der soll schon nach kurzer Zeit wieder im Wald verschwunden sein. Man sagt, dass Füchse niemals zahm werden. Oma meinte aber, das wäre bei Opas Fuchs nicht so gewesen. Er wäre zahm gewesen wie ein Lamm.

Naja, Oma meinte dann auch noch, dass es wohl kein Jahr gegeben hätte, in dem nicht irgendein anderes Tier seinen Weg zu Opa gefunden hätte.

Gut, aber kommen wir auf den Grund meines Besuches zurück.

An diesem Tag sagte Opa mir, dass wir jetzt zu dem verbotenen Ort seines Gartens gingen.

Zu diesem Ort hatten wir Kinder, ja selbst Oma und unsere Eltern, immer absolutes Betretungsverbot.

Das war ein abgetrenntes Stück Garten in der hinteren Ecke, welcher von einer dichten Hecke umgeben war. An dem gusseisernen Gartentor, zwischen der Hecke, da hing immer noch das Schild: Nicht betreten, gefährlich, lebende Bienen!

Genau dieses Schild hatte uns als Kinder immer daran gehindert, auch einmal diesen Teil des Gartens zu untersuchen. Wer wollte denn schon gern von einer Biene gestochen werden, obwohl wir schon das eine oder andere Mal neugierig durch die Hecke geschaut hatten. Aber wenn wir dann die Bienen summen hörten, dann haben wir immer schnell das Weite gesucht.

 

An diesem Tag war es aber anders. Opa schloss das Gartentor mit einem großen, verzierten Schlüssel auf und wir betraten dieses abgegrenzte Stück des verbotenen Gartens.

Dort setzten wir uns erst einmal auf eine alte Holzbank und dann sahen wir den Bienen beim An- und Abfliegen zu.

»Sicher möchtest du jetzt wissen, warum meine Bienen in so einem übergroßen Bienenhaus leben, welches auch noch die Form eines Märchenschlosses hat?«, fragte Opa mich.

Natürlich wollte ich das wissen, denn für ein Bienenhaus war es schon sehr groß, aber auch sehr schön. Und dann erklärte mir Opa, wie es dazu gekommen war.

»Seinerzeit, da hatte ich nur einen einfachen Bienenkorb, halt so wie jeder Imker. Aber dann passierte Folgendes: Nachdem ich mich um die Bienen gekümmert hatte, genoss ich noch ein wenig die Abendsonne, genau auf dieser Bank, auf der wir gerade sitzen. Dabei bin ich wohl ein wenig eingenickt und als ich wach wurde, da war es schon dunkel. Als ich dann noch einmal zu dem Bienenkorb schaute, da sah ich etwas Seltsames auf dem Korb sitzen. Es war etwa so groß wie eine kleine Libelle und es war bläulich transparent, fast durchsichtig. Es trug silberfarbene Flügel, welche im Mondschein glänzten und seine Haare reflektierten das Mondlicht ebenso. So etwas hatte ich noch nie in meinem Leben gesehen. Dieses seltsame kleine Lebewesen erzählte mir dann, dass es Waldus hieß, zu dem Volk der nördlichen Mondelfen gehörte und dass die Menschen sein Volk eigentlich nur sehen könnten, wenn sich ihre Körper durch das Licht des Vollmondes aufgeladen hätten. Ansonsten seien sie unsichtbar. Seinem Volk wäre ein großes Unglück widerfahren. In dem alten Baum, in dem sie schon seit über einhundertfünfzig Jahren lebten, sei der Blitz eingeschlagen und nun wäre es nur eine Frage der Zeit, bis der Baum umfallen und ihre Wohnung zerstört würde. Ihre Untermieter, die Hornissen, die ebenfalls in dem alten Baum ihr Nest hatten und sie tagsüber beschützten, wären schon ausgezogen. Er sei einer der Kundschafter, die nach einer neuen Wohnung schauen sollten. Das kleine Kerlchen tat mir sehr leid und so versprach ich, ihm zu helfen.

Also verbrachte ich dann die folgende Woche in meinem Werkkeller und konstruierte dieses große Märchenschloss aus Holz. Es ist in der Mitte geteilt.

Den vorderen Teil bewohnen meine Bienen und im hinterem Teil, da waren seinerzeit die Mondelfen eingezogen.

Damals hatte ich Waldus versprechen müssen, dass ich, solange ich kann, dafür Sorge trage, dass sein Volk nie von einem Fremden gestört wird.«

Dann meinte Opa zu mir, dass er jetzt aber alt wäre und jemanden benötige, der sich um seine Bienen, die auch das Volk der Mondelfen am Tage beschützten, kümmern müsste, damit sein Versprechen weiterhin einlöst würde.

Dann meinte er noch, dass ich ein reines Herz hätte und er glaubte, dass ich alles dort so liebte wie er und seine Sache gut weiterführen würde. Darum hätten meine Oma und er beschlossen, dass ich dort alles fortführen sollte, wenn sie einmal nicht mehr da wären.

Natürlich hätte er das auch mit Waldus besprochen. Gerade wäre eine Vollmondnacht und dann könne ich ihn auch kennenlernen. Der wollte das Versprechen natürlich auch aus meinem Munde hören und mich gern kennenlernen. Wir mussten noch einige Zeit warten, bis sich Waldus Körper vom Mondlicht aufgeladen hatte, um ihn zu erkennen. Solange erklärte mir Opa schon einmal alles, was ich über Bienen wissen musste und alles, was er vom Volk der nördlichen Mondelfen wusste. Das war ziemlich viel.

Dann war es so weit. Wir konnten Waldus erkennen und wir führten ein langes Gespräch mit ihm.

Natürlich erfüllte ich das Versprechen, welches ich Waldus und meinem Opa gegeben hatte.

Noch heute beschützen meine Bienen das Zuhause der Mondelfen und niemand kennt dieses Geheimnis.

Aber heute bin ich selbst alt und bald werde ich das Geheimnis an meine Tochter weitergeben.

Ich bin sicher, sie wird alles so machen, wie es schon mein Opa und ich gemacht haben.