You belong to me

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Z serii: You Belong To Me #2
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Sarah Glicker

You belong to me

Aiden´s Story

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Inhaltsverzeichnis

Titel

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Drei Monate später

Impressum neobooks

1

Sarah Glicker

You Belong To Me

Aiden´s Story

Sarah Weber

Alter Postweg 31a

48477 Hörstel

Copyright by Sarah Weber

Alle Rechte vorbehalten!

Bilderrechte: www.pixabay.com

Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der offiziellen schriftlichen Genehmigung der Autorin!

Wütend starre ich auf das Bild, welches sich in meiner Hand befindet. Darauf abgebildet ist ein Mädchen, eine junge Frau, welches ich noch als Mädchen kenne. Doch nun befindet sie sich in ihrem letzten Jahr auf dem College, ist nur ein paar Jahre jünger als ich und ist jahrelang durch die Scheiße gegangen.

Alleine das sorgt dafür, dass ich wieder wütend werde. Mein Körper beginnt zu zittern und meine Muskeln spannen sich an, was ich nur schwer unter Kontrolle halten kann.

In den letzten Wochen habe ich mich zurückgehalten. Ich habe mir alles angesehen und kaum etwas dazu gesagt, obwohl es da ein paar Dinge gegeben hätte, die ich hätte loswerden wollen. Hätte ich das getan, wäre ich wahrscheinlich jemanden an den Hals gesprungen. Und die Wahrscheinlichkeit, dass es meinen Vater und seinen Freund erwischt hätte, wäre sehr hoch gewesen.

Doch ich bin nicht der Einzige, der wütend ist. Mein bester Freund Mike ist es auch, schließlich hängt er mitten in dieser Geschichte. Was er damit zu tun hat? Eine ganze Menge.

Er ist ihr Bruder!

Ein letztes Mal sehe ich mir das Foto von Sofia an, ehe ich es in meine Hosentasche stecke.

Ihr Vater hat es mir vor Wochen gegeben und mir dabei das Versprechen abgenommen, dass ich sie beschützen und endlich nach Hause bringen soll. Dabei war er derjenige, der dafür gesorgt hat, dass sie es nicht ist. Und das nur, weil er und mein Vater dachten, es wäre die richtige Entscheidung gewesen, sie in dem Glauben zu lassen, dass sie keine Familie mehr hat.

Seitdem ich die Wahrheit erfahren habe, war es eine Herausforderung für mich, meine wahren Gefühle für mich zu behalten. Allerdings bin ich mir sicher, dass meine Mutter es mitbekommen hat. Sie kennt mich und weiß, dass das kein leichtes Thema für mich ist.

Sie hat immer wieder irgendwelche Kommentare fallen lassen. Allerdings habe ich es vorgezogen, nicht darauf einzugehen.

Ich werfe einen letzten prüfenden Blick in die Reisetasche, die vor mir auf dem Bett liegt. Viel habe ich nicht eingepackt, da ich hoffe, dass ich schnell wieder von dort verschwinden kann.

In dem Augenblick, in dem ich sie schließen will, geht die Tür zu meinem Schlafzimmer auf.

Während ich mir die Waffe in den Bund meiner Hose stecke, drehe ich mich um und entdecke Mike hinter mir. Er steht einige Schritte von mir entfernt und sieht mich mit einem gequälten Gesichtsausdruck an.

„Ich will über alles Bescheid wissen, was passiert. Ich will, dass du auf meine Schwester aufpasst.“

Mit einem eindringlichen Blick sieht er mich an. Ich spüre, dass er angespannt ist. Er braucht es mir nicht zu sagen, ich weiß auch so, dass er den gleichen Grund hat, den ich auch habe. Allerdings ist sein Hintergrund ein anderer, was es aber nicht leichter macht.

„Ich meine es ernst“, spricht er weiter, als ich auch noch ein paar Sekunden noch nichts gesagt habe.

„Ich glaube, nun bin ich wirklich beleidigt.“

Während ich spreche, verziehe ich ein wenig das Gesicht und versuche einen Scherz zu machen. Allerdings ist mir klar, dass es mir nicht gelingt. Dieses Thema ist zu ernst.

„Ihr darf nichts passieren. Aber solange sie da draußen ist, ist sie Freiwild für ihn. Und das weißt du auch.“

Ja, das weiß ich. Das muss er mir nicht extra sagen. Aus diesem Grund fahre ich auch noch nach Dallas, um auf Sofia aufzupassen.

„Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Du weißt, dass sie bei mir in Sicherheit ist.“

Einen Moment sieht er mich nachdenklich an, ehe er nickt. Dennoch erkenne ich, dass er dies nur zögerlich macht. Gemeinsam mit Sofia sind wir zusammen aufgewachsen. Zumindest für einige Jahre. Daher kenne ich ihn besser, als er sich wahrscheinlich selber.

„Ich mache mir aber welche. Am liebsten würde ich meinem Vater in den Arsch treten.“

Er knurrt die Worte mehr, als das er sie wirklich ausspricht. Doch ich kann ihn sehr gut vorstehen. In den letzten Wochen habe ich mir das öfter vorgestellt. Und auch jetzt erscheinen die Bilder wieder vor meinem inneren Auge.

„Melde dich bei mir, sobald du Hilfe brauchst. Ich kann mich mit den Männern jederzeit auf den Weg machen.“

„Das weiß ich. Allerdings hoffe ich, dass es nicht nötig sein wird.“

Stumm nickt er und zeigt mir, dass es ihm auch so geht. Gemeinsam haben wir diesen Notfallplan geschmiedet, da wir dieses Mal unseren eigenen Weg gehen wollen, um sie in Sicherheit zu bringen.

„Wirst du es ihr sagen?“, fragt er mich schließlich.

Seitdem sein Vater bei mir war und mich gebeten hat, auf sie aufzupassen, habe ich über diese Frage nachgedacht. Ich bin sämtliche Szenarien durchgegangen, die passieren können. Allerdings bin ich immer wieder zu dem gleichen Ergebnis gekommen.

Ja, irgendwann werde ich ihr die Wahrheit sagen. Wann ich das jedoch machen werde, liegt daran, wie sich diese Geschichte entwickelt.

Daher nicke nun ich.

„Sie hat es verdient“, stellt er als nächstes fest.

„Ja, aber ich habe keine Ahnung, wie sie darauf reagieren wird. Ich wüsste nicht einmal, wie ich reagieren würde“, gebe ich zu, nachdem ich einen Moment darüber nachgedacht habe.

„Ich bin mir sicher, dass du den richtigen Weg finden wirst. Schließlich habt ihr euch früher ja schon super verstanden.“

Sein aufmerksamer Blick ruht auf mir. Doch ich ziehe es vor, nicht näher darauf einzugehen. Schließlich ist Sofia seine Schwester, da werde ich mich mit ihm sicherlich nicht über das unterhalten, worauf er gerade unzweifelhaft anspielt.

„Das Zimmer im Wohnheim, in dem ich wohnen werde, ist nur ein paar Türen von ihrem entfernt. Ich kann also wunderbar auf sie aufpassen, ohne, dass es ihr auffallen wird. Außerdem habe ich die gleichen Hauptfächer wie sie, sodass ich ihr oft über den Weg laufen werde.“

Ich weiß nicht, ob ich damit versuche ihn zu beruhigen, oder mich selber. Die Wahrheit sieht nämlich so aus, dass ich kein gutes Gefühl dabei habe. Allerdings werde ich ihm das nicht auf die Nase binden. Zum einen will ich ihn nicht noch nervöser machen und zum anderen kann ich es auch selber nicht einordnen.

„Na los, ich muss mich gleich auf den Weg machen“, erkläre ich ihm, greife nach der Tasche und verlasse mein Schlafzimmer.

Mike ist einer meiner besten Freunde. Daher weiß ich, wie schwer es ihm fällt, mir das zu überlassen. Allerdings bin ich froh darüber, denn ich kenne ihn und weiß, dass er gerne mal die Nerven verliert und Alleingänge macht.

„Du weißt, was du zu tun hast?“, erkundigt sich mein Vater, als ich wenige Minuten später zu meinem Wagen gehe.

Man muss ihn nicht kennen um zu wissen, dass seine Stimme vorsichtig ist, da er weiß, dass ich noch immer sauer auf ihn bin. Und das beweise ich ihm auch, in dem ich langsam stehen bleibe und mich mit einem bedrohlichen Blick in seine Richtung drehe. Um mein Auftreten noch bedrohlicher erscheinen zu lassen, schließe ich meine Augen ein Stück.

„Im Gegensatz zu euch werde ich es nicht versauen“, verkünde ich und setze mich wieder in Bewegung.

Nachdem ich meinen Truck erreicht habe, werfe ich die Tasche auf die Ladefläche und ziehe meinen Schlüssel aus der Hosentasche. Mikes Vater steht in einiger Entfernung und sieht mich so an, als würde er noch etwas sagen wollen. Doch er ist schlau genug, genau das nicht zu machen.

 

Er weiß, dass ich mich dieses Mal nicht zurückhalten werde!

„Pass auf Sofia auf“, flüstert mir meine Mutter zu, als sie sich von mir verabschiedet. „Das Mädchen hat eindeutig mehr als genug mitgemacht. Sie hat es verdient, endlich nach Hause zu kommen.“

„Ihr wird nicht passieren.“

Mit diesen Worten lächle ich sie ein letztes Mal an, bevor ich einsteige und mich auf den Weg mache.

Je näher ich Dallas komme, umso nervöser werde ich. Dies wird nicht leicht werden, das ist mir durchaus klar. Doch ich werde es mir nicht verzeihen, wenn ihr etwas geschieht.

Ich werde sie wieder nach Hause holen und ihr zeigen, dass es da mehr als genug Menschen gibt, denen sie etwas bedeutet.

Und ganz vorne stehe ich!

2

Uns trennen nur wenige Meter. Dennoch kommt es mir so vor, als wäre dies noch immer zu viel. Dabei ist es weniger, als in den letzten Jahren. Doch ich habe keine Ahnung, wie ich mich ihr am besten nähern kann. Dabei weiß ich, dass ich das machen muss. Nur so kann ich in Erfahrung bringen, ob vielleicht schon etwas passiert ist, was ich nicht weiß. Um für ihre Sicherheit zu garantieren, muss ich in ihrer Nähe sein. Und am besten ist es, wenn ich ihr dabei am Anfang nicht auffalle.

Seufzend ziehe ich mir schnell meine Schuhe an, da ich sie nicht verpassen will. In meinen Gedanken bin ich in den letzten Jahren immer wieder diesen Moment durchgegangen. Dennoch habe ich keine Ahnung, wie ich mich ihr gegenüber verhalten soll.

Sobald ich das Zimmer, welches ich mir mit einem anderen Studenten teile, verlassen habe, suche ich mir einen Platz, der nicht sofort von allen eingesehen werden kann. Allerdings habe ich von hier ihre Zimmertür genau im Blick.

Es dauert nur wenige Minuten, bis sie gemeinsam mit ihrer Mitbewohnerin aus dem Zimmer tritt. Wenn ich die beiden allerdings so beobachte, muss ich sagen, dass es auf mich eher den Anschein macht, als wären sie Freundinnen. Sie lachen gemeinsam und aus der Entfernung sieht es aus, als würden sie sich gegenseitig aufziehen.

Erleichterung macht sich bei dem Anblick der beiden Frauen in mir breit. Ich bin froh darüber, dass Sofia wenigstens Freunde hat, auf die sie sich verlassen kann, wenn es schon nicht ihre eigene Familie ist. Schnell schiebe ich diesen Gedanken jedoch wieder zur Seite. Er sorgt nur dafür, dass ich wieder wütend werde. Ich bin mir sicher, dass es noch eine Weile dauern wird, bis ich unseren Vätern diesen Schritt verziehen habe.

Mein Vater hat mich sogar gefragt, ob ich an seiner Stelle anders reagiert hätte. Kurz habe ich überlegt, ob ich ihm an den Kopf werfen soll, wie beschissen ich diese Vorgehensweise, wenn man sie so nennen will, finde. Doch ich brauchte ihm nur einen Blick zuzuwerfen, um ihm zu zeigen, dass ich das getan hätte.

Um die beiden nicht zu verlieren, aber auch um zu verhindern, dass sie auf mich aufmerksam werden, warte ich einige Sekunden, bevor ich ihnen nach unten folge. Ich werde so lange zu ihrem Schatten werden, bis ich sie besser einschätzen kann. Irgendwann werde ich ihr die Wahrheit sagen, doch ich hoffe, dass ich die Chance habe, selber zu bestimmen, wann und wie ich das machen werde.

So gut es geht weiche ich den anderen Bewohnern des Wohnheimes aus, während ich sie nicht aus den Augen lasse. Dabei kann ich gerade noch den Wunsch unterdrücken sie an mich zu ziehen und sie nie wieder loszulassen.

Ich will ihren warmen Körper an mir spüren und wissen, dass es ihr, nach allem, was in den letzten Jahren geschehen ist, gut geht. Irgendwie habe ich nämlich die Befürchtung, dass genau das nicht der Fall ist. Auch, wenn sie glücklich aussieht, so kommt es mir vor, als wäre dies nur nach außen hin so.

Seitdem ihre Mutter vor Jahren gestorben ist, war Sofia alleine. Sie war auf sich gestellt und hatte niemanden, der für sie da war. Auch wenn ihr Vater der Meinung ist, dass es die richtige Entscheidung war, genau diesen Schritt zu gehen, um für ihre Sicherheit zu sorgen, finde ich das nicht. Ich könnte das nicht. Ich hätte schon von Anfang an nicht diesen Schritt gehen können.

Schnell konzentriere ich mich wieder auf meine Umgebung. Wenn ich ihren Vater das nächste Mal sehe, werde ich ihm sagen, dass er sich für den falschen Weg entschieden hat. Doch wenn ich jetzt einen Fehler mache, kann es sie eventuell das Leben kosten. Der Mann, der hinter ihr her ist, geht nämlich über Leichen, um an sein Ziel zu kommen.

Während die beiden über den Parkplatz gehen, lasse ich sie nicht aus den Augen. Daher erkenne ich auch, wie sie auf der Höhe ihrer Frontscheibe stehen bleibt und etwas in die Hand nimmt, was unter ihrem Scheibenwischer gesteckt wurde.

Ich kenne sie nicht sonderlich gut und ich bin auch nicht nah genug bei ihr, doch sogar aus dieser Entfernung kann ich sehen, wie sie augenblicklich beginnt zu zittern. Alleine dies sorgt dafür, dass mein Beschützerinstinkt sich noch mehr meldet, als es bei ihr eh schon der Fall ist.

Beruhige dich, ermahne ich mich selber.

Doch so einfach ist das nicht. Ich weiß nämlich, von wem dieser Brief ist. Beziehungsweise ich habe einen Verdacht und das reicht mir schon. Unter anderem bedeutet dies, dass ich zu spät komme. Irgendwann ist sie ihm bereits über den Weg gelaufen. Und so ungern ich es auch sage, aber es ist ein Wunder, dass sie noch auf beiden Beinen läuft.

Unweigerlich ballen sich meine Hände zu Fäusten. Doch schnell lockere ich sie wieder und ziehe stattdessen mein Handy aus der Hosentasche.

Ihre Blicke wandern über den Parkplatz, genauso wie meine. Ich bin mir sicher, dass er sich in der Nähe aufhält. Er hat es schon immer geliebt ständig die Person zu beobachten, mit der er spielt. Daher muss er sich irgendwo hier befinden. Doch es ist egal, wie sehr ich meine Umgebung mit den Augen abtaste, ich kann ihn nicht erkennen.

Sofia steigt schließlich in ihren Wagen. Aber selbst dabei steht sie plötzlich neben sich. Ich habe es damals schon an ihr erkannt, wenn etwas nicht stimmte und ich erkenne es auch jetzt. Sie hat Angst. Angst vor diesem Mann.

Und das vor allem aus dem Grund, weil sie nicht weiß, was hier los ist.

Als sie vom Straßenrand anfährt, begegnen sich unsere Blicke. Ich wende mich nicht von ihr ab und auch sie macht keine Anstalten, sich auf etwas anderes zu konzentrieren.

In diesem Moment wird mir klar, dass sich zwischen uns nichts geändert hat. Es besteht noch immer die gleiche Anziehungskraft zwischen uns, die es schon gab, als wir noch Kinder waren. Ja, die gab es schon, als wir beide noch nicht einmal wussten, was das ist.

Mir ist bewusst, dass diese Tatsache es mir nicht einfacher macht, doch vielleicht ist es auch besser so. Ich will mich nicht von ihr fernhalten.

Während ich ihrem Wagen nachsehe, wähle ich die Nummer von Mike. Allerdings dauert es eine Ewigkeit, bis er das Gespräch entgegengenommen hat.

„Er ist hier“, verkünde ich schließlich und berichte ihm von meinen Beobachtungen.

„Bist du dir sicher?“

An seiner Stimme erkenne ich, dass er nicht sehr glücklich darüber ist. Wobei das noch untertrieben ist. Als wir von der Drohung erfahren haben, hat Mike geschworen, dass er diesen Wichser umbringt, wenn seiner Schwester auch nur ein Haar gekrümmt wird. Ich für meinen Teil habe noch hinzugefügt, dass ich ihn vorher foltern werde.

„Ja, das bin ich. Aber keine Sorge, noch scheint es nicht so, als wäre er zur Gefahr geworden“, versuche ich ihn zu beruhigen, auch wenn ich nicht weiß, ob es wahr ist, oder nicht.

Die letzten zwei Stunden war ich damit beschäftigt, mir das Wohnheim und die Umgebung genau anzusehen. So wollte ich nicht nur in Erfahrung bringen, wie dieser Wichser ins Haus gelangen kann, ohne jemandem aufzufallen, sondern auch, wie wir im Notfall von hier verschwinden können.

Auch, wenn ich es nicht gerne mache, doch ich muss auch das in Betracht ziehen. Allerdings sind alle Türen nachts abgeschlossen, sodass ich mir deswegen keine Sorgen machen muss. Doch tagsüber sieht das anders aus. Und das ist es, was mir Sorgen bereitet. Er kann sich durchaus ins Haus schleichen und sich hier verstecken. Gelegenheiten gibt es mehr als genug.

Ich will gerade um die Ecke biegen, als ich mit jemanden zusammenstoße. Schnell blicke ich auf die Person, die dicht vor mir steht.

Sofia, schießt es mir durch den Kopf, nachdem ich sie erkannt habe.

Auf den ersten Blick merke ich, dass sie irgendetwas beschäftigt. Ihr Blick huscht panisch von einer Seite zur anderen und ihr Mund ist ein Stück geöffnet. Damit sie nicht fällt haben sich meine Hände automatisch um ihre Handgelenke gelegt und drücke sie gegen die Wand.

Aufmerksam beobachte ich sie, bis sie sich so weit gefangen hat, dass sie auf mich aufmerksam wird.

„Alles klar bei dir?“, frage ich sie und reiße sie so aus ihrer Erstarrung.

Es dauert einen Augenblicklich, doch schließlich richtet Sofia ihre komplette Aufmerksamkeit auf mich. Wir sind uns so nah, dass sie sicherlich meinen Atem auf ihrer Haut spüren kann.

„Sicher“, bringt sie schließlich stotternd hervor.

Ich lasse sie keine Sekunde aus den Augen und kann so jede Reaktion in ihrem Gesicht erkennen.

„Du solltest vorsichtiger sein“, erkläre ich ihr.

Dabei ist meine Stimme so leise, dass nur sie mich verstehen kann.

Ich bin mir sicher, dass sie das unauffällig machen will, dennoch merke ich, dass sie ein Stück zur Seite geht, um so den Abstand zwischen uns zu vergrößern.

„Danke“, entgegnet sie freundlich.

Allerdings bin ich mir sicher, dass sie überhaupt nicht freundlich sein will. Ihre Körpersprache gibt mir zu verstehen, dass sie gerade auf der Flucht ist. Und ich würde gerne wissen, was der Grund dafür ist, auch wenn ich es mir bereits denken kann.

Ich muss mich zusammenreißen, damit ich nicht ausraste. Dieser Wichser befindet sich bereits in ihrem Leben und ich kann gerade nichts dagegen unternehmen, außer sie nicht mehr aus den Augen zu lassen.

In letzter Sekunde schaffe ich es, dass sich meine Muskeln entspannen und sie daher nichts von dem mitbekommt, was hier gerade los ist.

„Ich hoffe, in dem Brief heute Morgen stand etwas Nettes.“

Ein freches Lächeln zieht sich über mein Gesicht. Mir ist bewusst, dass ich jetzt die Chance habe wenigstens zu erfahren, in welche Richtung dieser Brief ging. Doch wenn ich es nicht richtig anstelle, wird sie sich verschließen, da sie mich nicht kennt. Daher kann ich nur hoffen, dass sie die gleiche Verbindung zwischen uns spürt, die ich auch merke.

„Oh … ähm … ja“, stottert sie.

Mir ist bewusst, dass sie lügt. Und das lässt mich noch wütender werden. Wenn ich dieses Arsch in die Hände bekomme, werde ich ihn umbringen. Niemand legt sich mit meiner Familie an. Und schon gar nicht mit Sofia.

„Schöne Post bekommt doch jeder gerne“, gebe ich dennoch von mir. Dabei tue ich so, als hätte ich nichts von dem mitbekommen, was sie beschäftigt.

Ich erkenne die Gänsehaut, die sich auf ihrem Körper bildet. Keine Sekunde lasse ich sie aus den Augen. Ich kann beinahe erkennen, wie ihr Herzschlag sich erhöht. Und das ist etwas, worüber ich mich freue.

Auf diese Weise weiß ich nämlich, dass sie es spürt.

„Ich muss weiter. Meine Freundin wartet schon auf mich“, flüstert sie, um meine Reaktion auf sie etwas abzumildern.

„Ich wünsche euch noch einen schönen Abend“, gebe ich zurück, auch wenn ich weiß, dass es gelogen ist, was sie da gerade sagt. Doch das lasse ich mir nicht anmerken.

Einen Moment sieht sie mich noch an, bevor sie verschwindet.

Ich sehe ihr nach, bis sie aus meinem Sichtfeld verschwunden ist.

3

Seit meiner Ankunft in Dallas ist es ruhig gewesen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich froh darüber sein soll, oder nicht. Und das aus dem einfachen Grund, weil ich nicht weiß, ob es ein gutes Zeichen ist.

Wenn man mal von dem Brief an ihrer Windschutzscheibe absieht.

Zu gerne würde ich wissen, was darin stand. Doch sie kennt mich nicht, daher glaube ich kaum, dass sie es mir sagen wird, wenn ich sie danach frage. Außerdem hat sie bei unserer letzten Unterhaltung schon deswegen gelogen. Denn soviel kann ich sagen. In dem Brief stand nichts Gutes drin.

 

Jetzt muss ich nur noch herausfinden, ob er etwas damit zu tun hat, oder nur ein Ex-Freund sich aufgeregt hat.

Bei der Vorstellung daran, dass es da irgendwo einen Ex-Freund gibt, spanne ich mich automatisch an. Dabei habe ich überhaupt keinen Grund um eifersüchtig zu sein und normalerweise bin ich das auch nicht. Doch ich weiß, dass gerade nichts normal ist. Und es das wahrscheinlich auch nicht so schnell wieder werden wird. Daher weiß ich, dass es jetzt keinen Sinn ergibt, wenn ich mich damit auseinandersetze.

Stattdessen muss ich mir überlegen, welchen Schritt ich als Nächstes machen soll. Mit Colin kann ich nicht darüber sprechen. Für ihn steht die Sicherheit seiner Schwester an erster Stelle. Auch mir geht es so. Allerdings kann ich mich nicht einfach an sie heften.

Früher oder später würde sie misstrauisch werden und das könnte ich verstehen. Ich muss es anders angehen. Und vielleicht habe ich so die Gelegenheit ihr näherzukommen und sie besser kennenzulernen. Ich will ihr diese Sache, und auch den Start in ihrer Familie, so leicht wie möglich machen.

Als ich mein Zimmer verlasse, sehe ich, dass ihre Mitbewohnerin ebenfalls gerade verschwindet. Sie hat ein Handy an ihr Ohr gedrückt und scheint nichts von ihrer Umwelt mitzubekommen. Nach einigen Schritten bleibe ich stehen und sehe ihr nach, während sie in einem der anderen Räume verschwindet. Da ich mich umgesehen habe weiß ich, dass es nur ein Abstellraum ist.

Kaum hat sie die Tür wieder hinter sich geschlossen sehe ich zu der, von der ich ausgehe, dass Sofia sich hinter ihr befindet. Wenn ich eine Chance habe, mich ihr zu nähern, ist das jetzt. Daher ergreife ich die Gelegenheit und gehe auf sie zu.

Laut klopfe ich, nachdem ich sie erreicht habe und warte darauf, dass sie die Tür endlich öffnet.

„Seit ihr schon fertig?“, höre ich sie auf der anderen Seite rufen. Ich brauche nicht großartig darüber nachzudenken um zu wissen, dass sie ihre Freundin damit meint.

„Hi“, begrüße ich sie, als sie nach einigen Sekunden die Tür geöffnet hat.

Überrascht sieht sie mich an, wobei ich erkennen kann, dass ihr Blick an meinen Lippen klebt. Doch dann hat sie sich bereits wieder gefangen und sieht in meine Augen.

In diesem Moment würde ich sie am liebsten ins Auto setzen und in Sicherheit bringen. Und ehrlich gesagt verstehe ich auch nicht, wieso ich das nicht machen soll. Doch deswegen werde ich mich nicht mit meinen Eltern streiten. Sollte sie sich allerdings in Gefahr befinden, werde ich keine Sekunde mit mir hadern und sie sofort nach Hause bringen.

„Hi“, erwidert sie, wobei ihre Stimme nicht mehr als ein leises Quietschen ist. Schnell räuspert sie und wiederholt sich, was es aber auch nicht besser macht.

„Hast du jemanden erwartet?“

„Ich dachte, dass meine Mitbewohnerin mal wieder ihren Schlüssel vergessen hat“, antwortet sie und versucht dabei ihre Stimme so normal wie möglich klingen zu lassen.

Es ist nicht das erste Mal, dass ich einer Frau diese Reaktion entlocke. Doch es ist das erste Mal, dass ich mich darüber freue, weil ich es auch bei ihr schaffe.

„Kann ich dir irgendwie helfen?“ Neugierig sieht sie mich an.

„Ich habe erst vor zwei Wochen das College gewechselt, deswegen wollte ich ein paar Leute kennenlernen und hoffe, dass welche dabei sind, die das gleiche Hauptfach haben wie ich. Und ich dachte, dass es vielleicht am einfachsten wäre, wenn ich mit meinen Zimmernachbarn anfange.“

Ich sehe sie unsicher an und gebe ihr so das Gefühl, dass ich es auch bin. Dann lächle ich wieder. An ihrem Gesichtsausdruck kann ich erkennen, dass sie auf mich reagiert. Es macht sogar ein wenig den Eindruck auf mich, als würde sie sich entspannen. Doch so genau kann ich das nicht sagen, dafür kenne ich sie einfach zu wenig. Und das ist etwas, was ich dringend ändern muss. Es wurmt mich, dass ich keine Ahnung habe, was in ihrem Kopf vor sich geht.

Ich beobachte sie dabei, wie sie sich eine Strähne aus dem Gesicht streicht und ihre Hände in die Hosentaschen schiebt.

„Wenn das so ist, herzlich willkommen. Von welcher Uni kommst du denn?“

„Los Angeles.“

Ich sehe, dass es nicht spurlos an ihr vorbeigeht, als ich den Namen ihrer Heimatstadt ausspreche. Für einen kurzen Moment bekommt sie große Augen.

Da ich sie nicht aus den Augen lasse, erkenne ich, dass sie ein wenig schwankt. Allerdings greift sie sofort nach der Tür, sodass ich nicht einschreiten muss. Daher beschließe ich, dass es vielleicht besser ist, wenn ich so tue, als hätte ich nichts bemerkt.

„Wieso hast du gewechselt?“

„Ich hatte das Gefühl, als würde ich mal etwas anderes sehen müssen“, erkläre ich und ziehe die Schultern in die Höhe, um sie in der nächsten Sekunde wieder sinken zu lassen.

„Ich bin dort geboren“, flüstert sie in der nächsten Sekunde.

„Ehrlich?“ Interessiert schaue ich sie an.

„Aufgewachsen bin ich aber hier und seitdem war ich auch nicht mehr dort.“

Ich erkenne den traurigen Unterton in ihrer Stimme, als sie sich von mir abwendet.

„Wieso hast du dich für Dallas entschieden, um zu studieren?“

„Das ist eine lange Geschichte.“

Ich kenne die Antwort, doch ich will sie aus ihrem Mund hören. Allerdings macht sie keine Anstalten, mehr dazu zu sagen.

„Ich bin Aiden“, stelle ich mich schließlich vor und reiche ihr meine Hand.

„Sofia.“

Ich bemerke die Elektrizität, die zwischen uns fließt, als wir uns berühren. Um ihr zu zeigen, dass es mir auch nicht entgangen ist, räuspere ich mich und schaue unbeholfen auf den Boden. Dabei bin ich das überhaupt nicht. Doch gerade kommt es mir so vor, als würde ich ihr so ein wenig die Nervosität nehmen können.

„Es freut mich, dich kennenzulernen“, flüstere ich, während ich sie nicht aus den Augen lassen.

„Was ist dein Hauptfach? Vielleicht kann ich dir sagen, wo du Gleichgesinnte findest.“

„Biologie.“

Die Wahrheit ist, dass ich nichts damit am Hut habe. Ich weiß, wie Kinder entstehen, doch da hört mein Wissen auch schon wieder auf. Doch ich weiß, dass es ihr Hauptfach ist. Daher will ich so eine Brücke zwischen uns schlagen.

„Ich bin im letzten Jahr“, füge ich noch hinzu, als sie auch nach einer Ewigkeit nichts gesagt hat.

„Entschuldige, ich habe …“

Eine Zeitlang ist es ruhig zwischen uns. Es sieht so aus, als würde sie darüber nachdenken, was sie als nächstes von sich geben soll.

„Ich studiere auch Biologie … im zweiten Jahr“, stottert sie dann und wird ein wenig rot.

„Zwei Leute aus Los Angeles treffen sich in Dallas und studieren sogar das Gleiche. Das nenne ich mal einen Zufall.“

Ich grinse sie frech an. Dabei kann ich förmlich erkennen, wie ihr Herz anfängt schneller zu schlagen.

Ich sehe ihr an, dass sie etwas sagen will. Doch dann sieht sie an mir vorbei.

„Wie geht es Jonas?“, erkundigt sie sich.

„Es gibt ein Problem wegen morgen“, ertönt sofort eine weitere weibliche Stimme direkt neben mir. Als ich mich in die entsprechende Richtung drehe, erkenne ich ihre Mitbewohnerin.

Es dauert einen Moment, doch schließlich sieht sie von ihrem Handy auf, wobei ich die Fragezeichen in ihrem Gesicht erkennen kann.

„Das ist Aiden. Er studiert ebenfalls Biologie. Aiden, das ist meine beste Freundin Hannah.“

Ah, sie sind also nicht nur Mitbewohnerinnen, sondern Freundinnen, denke ich und beschließe, dass ich sie auch nach Möglichkeit im Auge behalten werde. Sollte Sofia wirklich in Gefahr sein, wird sie es vielleicht auch sein.

„Hi“, begrüßt sie mich schließlich.

„Freut mich“, erwidere ich. Ich lächle sie ebenfalls an, allerdings nicht so, wie ich es bei Sofia getan habe.

Und das hat nichts damit zu tun, dass sie ihre Freundin ist und mich nun wahrscheinlich im Auge behalten wird. Auf jeden Fall nicht nur. Auf diese Weise will ich Sofia zeigen, dass ich etwas für sie empfinde. Und zwar schon immer, doch das kann ich ihr noch nicht unter die Nase halten.

„Sofia, ich warte drinnen auf dich.“

Mit diesen Worten geht sie an mir vorbei und verschwindet in dem Zimmer, nachdem sie ein letztes Mal in meine Richtung gesehen hat.

„Du scheinst ihr wichtig zu sein“, stelle ich fest.

„Wie kommst du darauf?“

„Sie hat mich von oben bis unten begutachtet. Für mich sah es so aus, als würde sie sichergehen wollen, dass ich dir nicht gefährlich werde.“

Andere Männer wären vielleicht gekränkt, doch ich bin froh darüber, dass sie eine Freundin hat, der sie so viel bedeutet. Sofia bekommt große Augen, während sie versucht zu verarbeiten, was ich gerade gesagt habe.

„Tut mir leid.“

„Das braucht es nicht. Es ist doch schön, wenn man jemanden hat, der sich um einen sorgt. Ich will euch nicht weiter stören. Vielleicht sieht man sich ja mal, Sofia.“

Ich zwinkere ihr zu und gehe dann wieder zu meinem Zimmer. Mir ist bewusst, dass sie mir nachsieht, bis ich die Tür hinter mir geschlossen habe.

Ein lautes Krachen dringt mitten in der Nacht an meine Ohren und reißt mich aus meinem ohnehin schon leichten Schlaf. Ruckartig richte ich mich sofort auf.

Für gewöhnlich kann ich mich auf mein Bauchgefühl verlassen. Und gerade sagt es mir, dass etwas nicht stimmt. Daher stehe ich schnell auf und betrete den Flur.

Einige Meter von mir entfernt kann ich erkennen, dass eine Tür aufsteht und Licht dahinter scheint. Doch das ist nicht das, was mir nicht gefällt. Es ist viel eher die Tatsache, dass es sich hierbei um das Zimmer von Sofia handelt und schon wieder ein lauter Knall an meine Ohren dringt.