Czytaj książkę: «You Belong To Me», strona 2

Czcionka:

„Hi, mein Schatz. Wie war die Schule?“ Mit einem strahlendem Lächeln begrüßt sie mich und zieht mich für eine Umarmung an sich heran.

Anstatt zu antworten, zucke ich nur mit den Schultern. So verhalte ich mich immer, wenn sie mich danach fragt. Ein trauriger Ausdruck macht sich auf ihrem Gesicht breit. Sie nimmt meine Hand in ihre und geht mit mir zu unserem Geländewagen.

Mit sehnsüchtigem Blick drehe ich mich noch einmal um.

Mom scheint es nicht bemerkt zu haben, denn sie gibt keine Gefühlsregung preis und öffnet den Kofferraum, um die Schultasche hineinzustellen. Wortlos steige ich vorne in den Wagen und setze mich auf den Kindersitz. Sie steigt ebenfalls ein und startet den Motor. Ich beobachte sie dabei, wie sie sich in den Verkehr einfädelt und sie Straßen entlangfährt.

„Wer ist mein Vater?“, rutscht mir die Frage heraus, die mir seit Tagen nicht mehr aus dem Kopf geht.

Als sie ihr Gesicht zu mir dreht, bereue ich es sofort. Die Augen meiner Mutter sind so groß, dass ich für eine Sekunde Angst davor habe, dass sie mit mir schimpfen wird. Ich habe keine Ahnung, was sie gerade denkt.

Doch im nächsten Moment hat sie die Augen geschlossen. Als sie sie wieder öffnet, tut sie so, als hätte ich sie überhaupt nicht danach gefragt.

Erschrocken fahre ich hoch. Meine Atmung geht schwer und der Laptop rutscht von meinen Beinen. Bevor er jedoch auf den Boden fallen kann, greife ich nach ihm und legen ihn neben mir auf das Bett.

An das Gespräch, falls man es so nennen kann, habe ich seit Jahren nicht mehr gedacht. Ungefähr zu dem gleichen Zeitpunkt habe ich die Hoffnung aufgegeben, dass mein Vater sich für mich interessiert.

Es dauert ein paar Atemzüge, bis ich meine Gefühle so weit im Griff habe, dass ich einen klaren Gedanken fassen kann.

Kopfschüttelnd versuche ich, diese Erinnerung zu verbannen, und gebe das Passwort ein. Aber so sehr ich mich auch auf den Bildschirm vor mir konzentrieren will, ich schaffe es nicht.

Ich warte auf eine Nachricht von einem meiner Professoren, aber das, was ich jetzt zu sehen bekomme, sorgt dafür, dass jeder Gedanke ans Studium in den Hintergrund tritt. Der Betreff lautet:

Du siehst wunderschön aus, wenn du schläfst!

Mit zittrigen Fingern öffne ich sie. Es gibt keinen Text, nur einen Anhang, ein Bild. Kurz überlege ich, ob ich wirklich wissen will, was darauf zu sehen ist, aber meine Neugier ist größer als meine Sorge. Ich klicke auf Speichern und warte darauf, dass es heruntergeladen wird. Während mein Computer das Bild öffnet, versuche ich, den unregelmäßigen Rhythmus meines Herzens in den Griff zu bekommen.

Aber das ist vergebens, denn in der nächsten Sekunde ergreift die Panik wieder Besitz von mir.

Auf dem Bildschirm erscheine ich, wie ich mit geöffnetem Mund in meinem Bett liege und schlafe.

Mit großen Augen starre ich auf den PC und schlage mir die Hand vor das Gesicht.

Bitte, lass das nur einen Scherz sein, schießt es mir durch den Kopf. Obwohl der Absender nichts dazugeschrieben hat, ist mir klar, dass es sich hierbei um den Mann handelt, der mich bedroht hat.

Hektisch schaue ich mich um. Ich sehe sogar unter unseren Betten nach, doch hier ist niemand. Ich bin mir sicher, dass ich das Zimmer in den letzten Nächten immer abgeschlossen hatte. Meine Gedanken überschlagen sich, aber mir kommt nur eine Sache in den Kopf.

Ich ergreife die Flucht.

Im Gehen schnappe ich mir meine Tasche und meinen Schlüssel und verschwinde aus dem Zimmer.

Doch weit komme ich nicht. Kaum habe ich die ersten Schritte hinter mich gebracht, knalle ich gegen etwas Hartes. Ich komme ins Schwanken und meine Hände fahren nach vorne, um Halt zu suchen. Bevor ich auf den harten Fliesenboden falle, greifen zwei Hände nach mir und drücken mich gegen die Wand. Da ich noch immer das Gesicht des Mannes vor Augen habe, schlage ich aus Reflex wild um mich. Doch ich schaffe es nicht, mein Gegenüber zu treffen, denn er nimmt meine Hände in seine und drückt sie sanft nach unten.

Erst jetzt habe ich meinen Kopf und schaue in hellblaue Augen. Sie durchdringen mich. Ich habe das Gefühl, als könnten sie genau sehen, was gerade in mir sich geht.

„Alles klar bei dir?“, reißt mich eine Stimme aus meiner Erstattung.

Ich richte meine Aufmerksamkeit auf das restliche Gesicht und der nächste Schock überkommt mich. Der Typ, den ich heute Morgen aus der Ferne angestarrt habe, steht nun so dicht vor mir, dass ich seinen Atem in meinem Gesicht fühlen kann. Er lässt mich keine Sekunde aus den Augen, als würde er jede Reaktion in meinem Gesicht erkennen wollen.

„Sicher“, bringe ich stotternd hervor, als mir klar wird, dass ich ihm noch nicht geantwortet habe.

„Du solltest vorsichtiger sein.“ Seine Stimme ist so leise, dass ich nicht weiß, ob er überhaupt etwas gesagt hat.

Sein plötzliches Auftauchen verschlägt mir die Sprache, sodass ich nicht mehr als ein Nicken zustande bekomme.

Sein Geruch steigt mir in die Nase. Eine Mischung aus Aftershave, Testosteron und Duschgel. Er sorgt dafür, dass mein Körper sich das erste Mal seit Samstagabend entspannen will. Aber ich verbiete es mir selbst. Ich kenne ihn nicht und nach diesem Schock will ich nur von hier weg.

So unauffällig wie möglich rücke ich ein Stück zur Seite.

„Danke“, entgegne ich deutlich selbstbewusster.

„Ich hoffe, in dem Brief heute Morgen stand etwas Nettes.“ Sein freches Lächeln zieht sich über das ganze Gesicht und er lässt seine Augenbrauen kurz nach oben springen. Dabei sieht er so unwiderstehlich aus, dass ich nur mit Mühe ein Seufzen unterdrücken kann.

„Oh … ähm … ja“, stottere ich, da ich von seinem Themenwechsel überrascht bin.

„Schöne Post bekommt doch jeder gerne.“

Seine sanfte Stimme sorgt dafür, dass sich eine Gänsehaut auf meinem Körper bildet. Sie erreicht Stellen in mir, von denen ich bisher nur in Büchern und Filmen gehört habe. Sie berührt meine Seele und umschmeichelt sie. Sie setzt sich überall fest und sorgt dafür, dass ich nicht mehr weiß, wo oben und unten ist.

„Ich muss weiter. Meine Freundin wartet schon auf mich“, flüstere ich.

„Ich wünsche euch noch einen schönen Abend.“ Je länger er sich von meiner Nähe befindet, umso weniger klar kann ich denken.

Ich gehörte noch nie zu den Frauen, die keine Ahnung hatten, was sie sagen sollen, nur weil ein gut aussehender Mann vor ihnen steht. Aber in diesem Moment bin ich eine von ihnen. Und darauf bin ich nicht stolz.

„Dir auch.“ Mehr sage ich nicht, sondern dränge mich an ihm vorbei und gehe den Flur entlang. Seinen Blick spüre ich bei jedem Schritt in meinem Rücken. Erst, als ich ihm die Ecke biege, kann ich wieder befreiter atmen.

Was war das?

Ich bleibe stehen und lehne mich an die Wand, während andere Bewohner an mir vorbeigehen und sich unterhalten oder irgendwelche Nachrichten in ihr Handy eintippen. Sie beachten mich nicht, worüber ich froh bin. So habe ich ein paar Sekunden Zeit, damit ich meine Gedanken ordnen kann.

3

Die letzten Tage verliefen ruhig. Vorlesungen, Bücherei, Lernen. So sahen meine Tage von morgens bis abends aus. Am Anfang habe ich noch täglich an die beunruhigenden Ereignisse gedacht, aber als nichts weiter passiert ist, habe ich mich nach und nach beruhigt.

„Jonas hat mich heute gefragt, ob er uns morgen zur Party abholen soll“, offenbart Hannah mir, als ich am Freitag nach der letzten Vorlesung unser Zimmer betrete.

Sie sitzt mit einer Trainingshose und einem Pulli bekleidet auf dem Bett und hat ihren Laptop vor sich stehen. Ich werfe meine Taschen neben meinen Schreibtisch und ziehe mir die Schuhe aus. Als ich mich ebenfalls hingesetzt habe, drehe ich meinen Kopf in ihre Richtung und bemerke ihren bohrenden Blick. Bei der Erwähnung der Party wird mir schlecht. Die Angst und Verzweiflung brechen wieder über mich herein. Aber ich entscheide mich dazu, dass ich mich nicht davon beeinflussen lassen werde.

„Ich werde mit meinem Wagen fahren. Wenn du willst, nehme ich dich mit“, entgegne ich und hoffe, dass sie nicht nach dem Grund fragt.

„Mit deinem? Dann kannst du aber nichts trinken“, gibt sie zu bedenken.

„Ich weiß, aber ich habe keine Lust wieder zu laufen.“

„Ist irgendetwas passiert?“, fragt sie mich.

„Ich war nur müde und mir taten danach die Füße weh“, antworte ich ihr nach einer Weile und zucke dabei mit den Schultern. Obwohl schon eine Woche verstrichen ist, habe ich ihr noch immer nichts von meiner Begegnung mit diesem Typen gesagt. Ich habe auch keine Lust das ausgerechnet jetzt nachzuholen. Sie würde mir nur Vorwürfe machen, wieso ich ihr die Geschichte nicht eher erzählt habe.

„Du hast recht. Dafür werde ich Jonas noch in den Hintern treten. Er hätte danach ja wieder zur Party fahren können.“

Hannah klingt sauer, sodass ich ein schlechtes Gewissen bekomme. Ich will nicht dafür verantwortlich sein, dass die beiden sich streiten. Zumal ich der Meinung bin, dass sie sich eh zu oft in den Haaren haben.

„Nicht schlimm. Mir ist ja nichts passiert“, versichere ich ihr und bete, dass das Thema damit erledigt ist. Bei dem letzten Satz bekomme ich ein wenig Magenschmerzen, schiebe es aber darauf, dass ich heute noch nichts gegessen habe.

„Na gut, wir fahren morgen mit deinem Wagen, aber …“, fängt sie an, doch weiter kommt sie nicht, weil in dem Moment ihr Handy klingelt. Entschuldigend schaut sie mich an und dreht das Telefon so, dass ich das Bild auf dem Display sehen kann.

Jonas.

Während sie das Gespräch annimmt, zwinkere ich ihr zu und beobachte sie, wie sie das Zimmer verlässt. Jedes Mal, wenn die beiden telefonieren, läuft es so. Mittlerweile weiß ich, dass Hannah sich in dem Lagerraum am Ende des Flures versteckt und kann mir deshalb vorstellen, dass ihre Unterhaltung alles andere als jugendfrei sind.

„Seit ihr schon fertig?“, frage ich, als es fünf Minuten später an der Tür klopft. Seufzend stehe ich auf, doch als ich öffne, steht nicht Hannah vor mir, sondern der Typ, in den schon am Anfang der Woche hineingerannt bin.

„Hi“, begrüßt er mich mit einem strahlenden Lächeln. Mein Blick klebt an seinen Lippen, doch schnell reiße ich mich zusammen und sehe in seine Augen.

„Hi.“ Meine Stimme ist nicht mehr als ein leises Quietschen. Schnell räuspere ich mich und wiederhole mich, trotzdem höre ich mich nicht besser an.

Reiße dich zusammen, Sofia!

„Hast du jemanden erwartet?“

„Ich dachte, dass meine Mitbewohnerin mal wieder ihren Schlüssel vergessen hat“, antworte ich ihm und versuche dabei, meine Stimme so normal wie möglich klingen zu lassen. So ganz will es mir nicht gelingen. „Kann ich dir irgendwie helfen?“

„Ich habe erst vor zwei Wochen das College gewechselt, deswegen wollte ich e in paar Leute kennenlernen und hoffe, dass welche dabei sind, die das gleiche Hauptdach haben wie ich. Und ich dachte, dass es vielleicht am einfachsten wäre, wenn ich mit meinen Zimmernachbarn anfange.“

Kurz schaut er mich unsicher an, aber dann lächelt er wieder. Mein Herz schlägt Purzelbäume und ich danke im Stillen Jonas, dass er genau im richtigen Moment angerufen hat.

Bei dem Klang seiner Stimme entspannt sich mein Körper langsam. Da ich nicht weiß, was ich mit meinen Händen machen soll, streiche ich mir eine Strähne aus dem Gesicht und schiebe die Hand in die Tasche meiner Jeans.

„Wenn das so ist, herzlich willkommen. Von welcher Uni kommst du denn?“

„Los Angeles.“ Seine einfache Antwort versetzt mir einen Stich ins Herz. Als Kind habe ich dort gewohnt. Das war, bevor meine Mutter der Meinung war, dass wir unbedingt nach Dallas ziehen müssen. Ich habe keine Erinnerungen mehr an diese Stadt, aber auf merkwürdige Art und Weise fühle ich mich Los Angeles verbundener als Dallas.

Wegen der emotionalen Reaktion schwanke ich, sodass ich schnell nach der Tür greife, um mich festzuhalten.

„Wieso hast du gewechselt?“, frage ich ihn, damit er es nicht mitbekommt.

„Ich hatte das Gefühl, als würde ich mal etwas anderes sehen müssen“, erklärt er und zieht dabei die Schultern in die Höhe, um sie in der nächsten Sekunde wieder sinken zu lassen.

„Ich bin dort geboren“, flüstere ich, mehr zu mir selbst, als zu ihm.

„Ehrlich?“ Nun schaut er mich interessiert an.

„Aufgewachsen bin ich aber hier und seitdem war ich auch nicht mehr dort.“ Noch bevor ich es verhindern kann, nimmt meine Stimme einen traurigen Unterton an. Ich wende den Blick ab, um mich zu sammeln.

„Wieso hast du dich für Dallas entschieden, um zu studieren?“

„Das ist eine lange Geschichte.“ Und keine, die ich gerade erzählen will.

„Ich bin Aiden.“ Er reicht mir seine Hand und lächelt mich freundlich an.

„Sofia.“

Als ich sie ergreife, durchfährt mich ein elektrischer Schlag. Plötzlich knistert die Luft zwischen uns und scheint von Spannung geladen zu sein. Aiden räuspert sich und schaut unbeholfen auf den Boden. Seine Reaktion lässt in mir die Vermutung aufkommen, dass auch er die Spannung bemerkt hat.

„Es freut mich, dich kennenzulernen“, flüstert er, während er mich nicht aus den Augen lässt.

„Was ist dein Hauptfach? Vielleicht kann ich dir sagen, wo du Gleichgesinnte findest.“

„Biologie.“

Ich muss mich verhört haben. Ungläubig stehe ich vor ihm und starre ihn an. Kurz schießt mir der Gedanke durch den Kopf, dass es ein Scherz war. „Ich bin im letzten Jahr“, fügt er noch hinzu, als ich auch nach endlosen Sekunden kein Wort sage.

„Entschuldige. Ich habe …“

Ja, was habe ich eigentlich? Mich zum Affen gemacht?

Keine Ahnung, aber ich weiß, dass ich mich schnell wieder in den Griff bekommen muss.

„Ich studiere auch Biologie … im zweiten Jahr“, stottere ich und spüre, wie mir das Blut ins Gesicht schießt. Schon lange nicht mehr war mir etwas so peinlich, wie meine Reaktion auf ihn.

„Zwei Leute aus Los Angeles treffen sich in Dallas und studieren sogar das Gleiche. Das nenne ich mal einen Zufall.“ Als er mich Anblick erscheint ein freches Grinsen auf seinem Gesicht. Es sorgt dafür, dass mein Herz schneller schlägt und mein Verstand aussetzt.

Das ist wirklich ein Zufall.

Als ich etwas antworten will, bemerke ich aus dem Augenwinkel, wie jemand auf uns zustürmt. Automatisch spanne ich mich an, was auch Aiden nicht entgeht. Er schaut mich fragend an, aber ich gehe nicht darauf ein. Obwohl ich nicht leugnen kann, dass ich mich in seiner Gegenwart wohlfühle und es so ist, als würden wir uns schon seit einer Ewigkeit kennen.

Sobald ich Hannah erkenne, entspanne ich mich wieder.

„Wie geht es Jonas?“

Ich schaue in Aidens Richtung und erkenne das freche Grinsen, das er mir schenkt. Um mich von all den Empfindungen abzulenken, die er in mir weckt, konzentriere ich mich auf Hannah, die in diesem Moment antwortet.

„Es gibt ein Problem wegen morgen.“ Ihre Stimme klingt unsicher. Ihr Blick hebt sich von ihrem Handy und bleibt an dem Mann hängen, der vor mir steht. Als sie mich wieder anschaut, sehe ich die Fragezeichen in ihren Augen.

„Das ist Aiden. Er studiert ebenfalls Biologie. Aiden, das ist meine beste Freundin Hannah.“

Ich versuche meine Stimme so neutral wie möglich zu halten, was mir aber nicht gelingen will. Man müsste schon taub sein, um den aufgeregten Unterton nicht zu erkennen.

„Hi“, begrüßt sie ihn, während sie ihren Blick neugierig über seinen Körper wandern lässt.

Aiden lässt sie nicht aus den Augen. Dass sie ihn wie ein Sonderangebot anstarrt, scheint ihn nicht zu stören.

„Freut mich“, erwidert Aiden. Obwohl er sie anlächelt, ist es nicht so wie bei mir. Seine Augen strahlen nicht und auch seine Körperhaltung ist eine andere, als bei mir. Er wirkt angespannter.

„Sofia, ich warte drinnen auf dich.“ Mit diesen Worten schaut sie mich noch ein letztes Mal prüfend an und verschwindet in unserem Zimmer.

Ich habe überhaupt nicht gemerkt, dass ich mich in den letzten Minuten in den Flur bewegt habe, sodass meine Freundin die Tür hinter sich schließen kann.

„Du scheinst ihr wichtig zu sein.“

„Wie kommst du darauf?“, erkundige ich mich.

„Sie hat mich von oben bis unten begutachtet. Für mich sah es so aus, als würde sie sichergehen wollen, dass ich dir nicht gefährlich werde.“

Bei seinen Worten bekomme ich große Augen, weil ich nicht damit gerechnet habe, dass er es so direkt ausspricht. Es dauert ein paar Sekunden, bis mir klar wird, wie blöd ich aussehen muss.

„Tut mir leid.“

„Das braucht es nicht. Es ist doch schön, wenn man jemanden hat, der sich um einen sorgt. Ich will euch nicht weiter stören. Vielleicht sieht man sich ja mal, Sofia.“ Er zwinkert mir zu und verschwindet. Ich schaue Aiden nach, wie er den Flur ein Stück hinunterläuft und drei Türen weiter in einem Zimmer verschwindet.

Als er aus meiner Sichtweite verschwunden ist, setze ich mich in Bewegung und kehre in mein Zimmer zurück.

„Der ist aber süß.“ Hannah schaut in meine Richtung, während ich die Tür hinter mir schließe.

„Schon, aber …“ Bevor ich den Satz beenden kann, presse ich die Lippen aufeinander.

„Aber was?“

„Aber ich weiß nicht, ob ich mich zurzeit überhaupt in eine Beziehung stürzen möchte“, erkläre ich seufzend und lasse mich auf ihr Bett sinken.

„Er scheint dich zu mögen und ein wenig Abwechslung von der ganzen Lernerei wird dir nicht schaden. Davon mal abgesehen, kannst du mit ihm schlafen, ohne dich auf irgendwas Festes einzulassen.“

Da Hannah ebenso gut wie ich weiß, dass ich nicht so bin, entschließe ich mich dazu, den letzten Satz unkommentiert zu lassen.

„Und nach deiner Körperhaltung zu urteilen, scheinst du ihn auch anziehend zu finden.“

„Wir haben vorhin das erste Mal miteinander gesprochen. Ich glaube nicht, dass man schon sagen kann, dass wir uns mögen.“ Von dem Morgen, an dem ich ihn vor dem Wohnheim gesehen habe, erzähle ich nichts. Genauso wenig, dass ich am selben Tag in ihn hineingelaufen bin.

„Du bist alt genug und ich werde dir sicherlich nicht vorschreiben, mit wem du schlafen sollst und mit wem nicht“, klärt sie mich auf.

„Nun erzähle mir von dem Problem mit Jonas“, entgegne ich und wechsle so das Thema.

„Er kommt morgen nicht, sondern fährt übers Wochenende zu seinen Eltern.“

„Oh, davon hat er bei unserem Kurs heute Morgen gar nichts gesagt. Es hatte sich eher so angehört, dass er sich auf die Party freut.“

„Sein Vater hat ihn vorhin angerufen und ihm mitgeteilt, dass sein jüngerer Bruder im Krankenhaus liegt. Er hat mich gefragt, ob ich ihn begleiten möchte.“ Unsicher schaut sie zu mir.

In den letzten Tagen ist Hannah immer da gewesen. Indem sie auf ihrem Bett gesessen oder abends mit mir einen Film geschaut hat, hat sie dafür gesorgt, dass ich ruhiger wurde. Mein inneres Gleichgewicht wurde wiederhergestellt.

Bei dem Gedanken daran, dass ich das ganze Wochenende allein in dem Zimmer sein soll, bildet sich eine Gänsehaut auf meinem Körper. Um sie zu überspielen, lächle ich und nicke zustimmend.

„Fahr ruhig. Ich komme hier schon klar“, ermutige ich sie, obwohl sich alles in mir dagegen wehrt.

„Sicher?“

„Suchst du etwas nach einer Ausrede, um seine Eltern nicht treffen zu müssen?“

„Nein … ja. Ich kenne sie nur aus seinen Erzählungen und es fühlt sich so an, als würden wir damit den nächsten Schritt einleiten. Keine Ahnung, ob ich schon so weit bin.“ Die sonst so selbstbewusste Hannah schaut mich ängstlich an. Ein kleines Grinsen erscheint auf meinem Gesicht, obwohl ich mich bemühe, es zu verbergen.

„Deswegen brauchst du dir doch keine Gedanken zu machen. Ich glaube nicht, dass sie Zeit haben werden, um sich mit dir zu beschäftigen. Schließlich liegt sein Bruder im Krankenhaus“, erinnere ich sie an den Grund des Besuches. „Was hat er eigentlich?“

„Jonas sagte irgendetwas von einer Schlägerei. Du willst mich aber nur loswerden, damit du dich in Ruhe mit dem heißen Typen treffen kannst.“

„Welcher heiße Typ?“ Nachdem ich die Frage ausgesprochen habe, lasse ich meinen Blick über die Zimmerdecke wandern und pfeife ein paar Töne.

„Aiden.“

Hannah zwinkert mir zu und ich spüre, wie ich die Farbe einer überreifen Tomate annehme. Doch ich sage nichts dazu, es würde auch nichts bringen. Stattdessen verdrehe ich die Augen und werfe mich auf mein Bett, um die restlichen Aufgaben für heute zu erledigen. Hannah zieht ihre Reisetasche aus dem Schrank und fängt an, allerhand Sachen hineinzuwerfen. Mehrmals muss ich ihr versichern, dass seine Eltern sie sicherlich nicht köpfen werden, bevor sie sich von mir verabschiedet.

„Falls etwas ist, rufe mich an. Aber ich bin ja am Sonntag wieder hier.“

„Mache ich. Ich denke an dich“, verspreche ich und schließe sie dabei in meine Arme. Bevor sie verschwindet, lächelt sie mich noch einmal zu.

Die nächsten zwei Stunden versuche ich, mich auf die Bücher vor mir zu konzentrieren. So sehr ich es auch möchte, ich kann mir keines der Wörter merken, die darin stehen.

„Verdammt nochmal“, fluche ich vor mich hin und knalle sie zu. Da meine Gedanken sich nur darum drehen, wie ich die nächsten Tage alleine hinter mich bringen soll, schaffe ich es nicht, weiter über den Notizen zu hängen.

Als sich auch noch Aiden in meine Gedanken schiebt, verdrehe ich die Augen und lasse mich in die dicken Kissen sinken. Sein Lächeln erscheint in meinen Erinnerungen. Mein Herz beginnt sofort zu rasen und die Schmetterlinge in meinem Bauch werden wach.

Ich starte meinen Laptop und lege eine DVD in das Laufwerk, aber selbst meine Lieblingskomödie bringt mich nicht auf andere Gedanken.

Auf dem Flur wird es immer ruhiger. Die meisten machen sich fertig, um heute Abend auf eine Party zu gehen, oder sie packen ihre Sachen, weil sie das Wochenende mit ihren Eltern oder Freunden verbringen. So ist es immer.

Ein Klopfen an der Tür reißt mich aus meinen Gedanken. Ich hoffe, dass Aiden davorsteht, weil ihm genauso langweilig ist wie mir.

Vergiss es, Sofia. Der wird wahrscheinlich auf einer Party sein, um mehr neue Leute kennenzulernen.

Doch kaum habe ich den Gedanken beendet, schleicht sich ein anderer in meinen Kopf. Der gefällt mir nicht und sorgt dafür, dass mir mein Essen hochkommen will.

Schnell lasse ich den Blick durch mein Zimmer schweifen, auf der Suche nach etwas, das ich als Waffe verwenden kann. Aber das Einzige, was ich entdecken kann, ist das Deo von Hannah, das sie auf ihrem Schreibtisch hat stehen lassen.

Mit entschlossenen Schritten überbrücke ich den Abstand und greife danach. Auf Zehenspitzen schleiche ich zur Tür. Bevor ich sie erreiche, ertönt noch einmal das kräftige Klopfen. Ich halte inne und verfluche die Architekten des Wohnheims dafür, dass es keine Spione in dem Holz gibt.

„Wer ist da?“, rufe ich laut genug, dass ich mir sicher sein kann, die Person auf der anderen Seite hat mich gehört. Niemand antwortet. Ich lausche in die Stille hinein, kann aber auch keine Schritte hören, die sich entfernen.

Nichts.

Als es abermals klopft, erschrecke ich mich so sehr, dass ich fast die Dose in meiner Hand fallen lasse. Ich brauche ein paar Sekunden, um mich zu fragen, doch gehe ich den letzten Schritt auf die Tür zu.

„Aiden? Bist du das?“ Obwohl ich nicht glauben kann, dass er nichts sagen würde, klammert sich mein Innerstes doch an diese Hoffnung.

Im nächsten Moment knallt etwas gegen das Holz und lässt es erzittern. Aus einem Reflex heraus weiche ich zurück. Wie sich herausstellt, genau im richtigen Moment, denn es kracht erneut und die Tür gibt nach. Sie schwingt auf und fliegt gegen die Wand dahinter. Der Anblick, der sich mir bietet, sorgt dafür, dass ich erstarre.

Vor mir steht der Mann, der mich vor einer Woche bedroht hat. Seine Narbe an der Stirn und die kalten Augen würde ich überall erkennen.

„Hier ist nicht Aiden“, presst er zwischen den Zähnen hervor.

„Was wollen Sie von mir?“

Meine Stimme klingt panisch, aber das ist mir egal. Ich bin froh, dass ich überhaupt einen Ton herausbekomme.

„Du hast keine Ahnung, wer du bist, oder?“

Da ich nicht weiß was all das zu bedeuten hat, schüttle ich nur den Kopf. Eine Weile ist es ruhig im Zimmer. Er betrachtet mich aufmerksam, während meine Sinne Flucht schreien. Doch er versperrt mir den Weg, sodass es mir nicht möglich ist, das Zimmer zu verlassen.

Langsam kommt er näher und grinst mich dabei hinterhältig an.

„Ich werde es dir gerne erklären. Sobald du es weißt, wirst du auch verstehen, wieso ich so lange gewartet habe.“ Er macht einen weiteren Schritt auf mich zu. Seine Gestalt ragt düster über mir empor.

Als er nach mir greifen will, nutze ich den wenigen Platz, den er mir lässt, und weiche ihm aus.

„Du willst also spielen?“ Seine Stimme ist scharf wie ein Messer. Sie hinterlässt unsichtbare Spuren in meinem Inneren und lässt mich erschaudern.

„Ich will, dass Sie mich in Ruhe lassen!“, schreie ich ihn an.

Sein Lachen ist heiser.

Die angespannte Körperhaltung zeigt mir, dass es nur darauf wartet, dass ich mich ein weiteres Mal bewege. Er beobachtet mich wie ein Raubtier.

„Hilfe!“, rufe ich so laut, wie es meine zittrige Stimme zulässt.

„Das hättest du besser nicht gemacht“, raunt er und wirft mir einen wütenden Blick zu.

Kaum hat er seinen Satz beendet, schmeißt er sich auf mich, sodass ich keine Zeit habe zu reagieren. Unsanft lande ich auf dem Boden und schlage mir dabei meinen Kopf an dem Bett von Hannah an. Es fällt mir schwer bei Bewusstsein zu bleiben, aber ich will es ihm nicht so einfach machen. Ich will wenigstens die Chance haben, mich zu verteidigen.

Schreiend trete und schlage ich blind um mich. Ein paarmal treffe ich ihn, allerdings nicht hart genug, damit er von mir ablässt. Sein Knurren klingt gefährlich, sodass mein Wille, ihm zu entkommen, noch stärker wird. Ich werde mich von ihm nicht einschüchtern lassen. Immer wieder treffe ich ihn. Trotzdem lockert sich sein Griff an meiner Hüfte nicht.

Eher das Gegenteil ist der Fall. Je mehr ich mich wehre, umso fester umschließt er mich. Meine Verzweiflung wächst mit jeder Sekunde, in der meine Kraft verschwindet. Ich könnte mir selber in den Hintern treten, weil ich Hannah nicht öfter in das Sportstudio begleitet habe.

„Mom, hilf mir“, flüstere ich leise, als ich der Tatsache, dass er mich umbringen wird, nicht mehr ausweichen kann.

Das Gesicht meiner Mutter taucht vor meinen Augen auf. Ich höre, wie sie mir immer wieder sagt, dass ich weiterkämpfen soll, aber ich habe keine Kraft mehr, um mich ihm noch länger zu widersetzen.

Rittlings setzt er sich auf mich und schlägt mir ins Gesicht. Mein Kopf fliegt zur Seite und ich sehe Sterne vor mir.

Als der Typ nach meinem Hals greifen will, wird er nach hinten und von mir weggezogen, während ich daliege und nach Luft schnappe. Mein Körper arbeitet gegen die Ohnmacht an, die mich überfallen will. Es dauert ein paar Sekunden, bis ich die Kraft aufbringen kann, um mich aufzurichten. Die Kopfschmerzen sorgen dafür, dass ich nur verschwommen sehen kann. Trotzdem erkenne ich, wie ein zweiter Mann meinen Angreifer gegen die Wand drückt. Seinen Arm drückt er gegen den Hals des Mannes, der mich umbringen wollte.

Kurz habe ich die Hoffnung, dass der Typ in der Falle sitzt, doch er schafft es, sich zu befreien. Bevor der Neuankömmling reagieren kann, sprintet er aus dem Zimmer. Es geht alles so schnell, dass ich es gar nicht verarbeiten kann. Unter mir gibt mein Arm nach, sodass ich zurück auf den Boden sinke.

„Sofia! Ist alles klar bei dir?“

Es dauert ein paar Sekunden, bis ich die Stimme zuordnen kann. Aiden. Er blickt mich besorgt an, als er mit großen Schritten auf mich zukommt. Vorsichtig hebt er mich auf seine Arme und geht auf das Bett von Hannah zu. Nachdem er mich auf die weiche Matratze gesetzt hat, schließe ich meine Augen, wobei mir ein leises Stöhnen entfährt.

„Mir tut jeder Knochen weh. Sogar die, von denen ich nicht einmal wusste, dass ich sie habe. Und mein Kopf fühlt sich an, als wäre gerade ein Zug über ihn hinweg gefahren. Aber soweit ich es beurteilen kann, ist nichts gebrochen“, antworte ich, nachdem ich eine Bestandsaufnahme meines Körpers durchgeführt habe.

Langsam sinkt Augen vor mir auf die Knie. Seine rechte Hand umklammert meine Finger, während er mit der linken vorsichtig über meine Arme und meinen Hals fährt. Schließlich bleibt sie auf meiner Wange liegen. Genau auf der Stelle, die von dem Schlag noch immer brennt. Sanft streicht er darüber, während seine Augen meinen Körper abtasten.

„Kanntest du ihn?“, unterbricht er die Stille, die sich nach dem Chaos über das Zimmer gelegt hat. Er spricht so friedlich, dass sich meine angeschlagenen Nerven ein wenig beruhigen, denn ich zittere am ganzen Körper und kann nichts dagegen tun.

„Nein … Ja … Ach, ich weiß es selbst nicht“, flüstere ich seufzend und lasse meinen Kopf dabei in den Nacken fallen, um die verspannten Muskeln zu lösen. Als ich meinen Blick wieder zu Aiden senke, erkenne ich den fragenden Ausdruck in seinen Augen. Bevor ich es verhindern kann, erzähle ich ihm alles. Es fühlt sich komisch an, ausgerechnet ihn ins Vertrauen zu ziehen, aber genauso befreiend. Endlich kann ich jemandem von dieser Geschichte berichten.

Ohne mich zu unterbrechen, hört er mir zu, bis ich schließlich zum Schluss komme. Jetzt, wo endlich alles heraus ist, kann ich besser atmen und bin ruhiger.

Aiden lässt mich keine Sekunde aus den Augen, während er vor mir hockt. Seine Hände halte meine fest umklammert. So zeigt er mir, dass ich nicht alleine bin. In der Hoffnung, dass ich erfahre, was in seinem Kopf vor sich geht, betrachte ich den Ausdruck in seinem Gesicht, aber ich kann nicht erkennen, was er denkt.

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