Czytaj książkę: «Seewölfe - Piraten der Weltmeere 298»

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Impressum

© 1976/2017 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

ISBN: 978-3-95439-695-5

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

1.

Die Schlacht war noch nicht geschlagen – sie hatte gerade erst begonnen. Ein Verband von zehn französischen Kriegsgaleonen versperrte der „Hornet“ von Philip Hasard Killigrew und dem Schwarzen Segler von Thorfin Njal den Rückzug vom Pointe de Penmarch an der Küste der Bretagne zur offenen See.

Dröhnend entluden sich die Kanonen des Flaggschiffs. Der Kommandant des Verbandes hatte das Gefecht mit einer halben Breitseite begonnen. Ein Grollen wie von hundert Donnern begleitete das nun einsetzende Eisengewitter. Mündungsblitze zuckten, Pulverqualm breitete sich nach allen Seiten aus.

Der Weg in die Freiheit und heim nach England – eben noch offen – war abgeschnitten. Das Ende der „Hornet“ und von „Eiliger Drache über den Wassern“, wie das schwarze Schiff genannt wurde, schien unmittelbar bevorzustehen.

„Zur Hölle mit den Franzmännern!“ schrie Hasard und schwenkte auf dem Achterdeck seiner Galeone eine der drei Drehbassen herum. „Der Teufel soll sie holen!“ Er hielt die Lunte an den Zündkanal, die Glut sprang über und fraß sich durch das Zündkraut. Dann ruckte der Hinterlader in seiner drehbaren Gabellafette und spuckte seine Ladung zum Flaggschiff des Verbandes hinüber.

Die Kugel saß, sie rasierte dem Franzosen ein Stück des Schanzkleides auf dem Vordeck weg. Der Seewolf feuerte auch die beiden anderen Drehbassen ab – wieder mit Erfolg.

Aber dann begannen die Culverinen des Gegners erneut Tod und Verderben auszuspucken, und die ohnehin schon arg lädierte „Hornet“ erzitterte unter den Einschlägen der Siebzehnpfünder-Kugeln.

Hasard überließ das Nachladen der Drehbassen Old Donegal Daniel O’Flynn, der sich zu seiner Unterstützung auf dem Achterdeck befand. Er selbst hetzte an Pete Ballie, dem Rudergänger, und an Ben Brighton, seinem Ersten Offizier und Bootsmann, vorbei auf das Quarterdeck hinunter und von dort aus auf die Kuhl, wo die Männer der Crew schrien und fluchten.

Als er sah, welchen Schaden die Geschosse des Feindes auf seinem Schiff angerichtet hatten, stieß der Seewolf ebenfalls eine üble Verwünschung aus.

Lücken klafften in den Schanzkleidern auf beiden Seiten – auch von der anderen Seite her hatte der Verband sie jetzt angegriffen. Eine der zehn Culverinen, über die die „Hornet“ auf jeder Seite des Hauptdecks verfügte, hatte sich losgerissen. Ihre Brook war gebrochen, sie war quer über das Deck gerollt und hatte die Nagelbank des Großmastes zersplittert, ehe der Mast selbst ihren Lauf gebremst hatte.

Die Männer konnten noch von Glück reden, daß sie nicht selbst unter das schwere Geschütz geraten waren. Nur Matt Davies hockte in verkrümmter Haltung neben der Gräting und rieb sich mit der gesunden Hand das Bein, während er sich mit seinem Eisenhaken an dem Holzrost festkrallte.

Hasard sah das Blut, das aus der Wunde am Bein hervorrann, und er bemerkte auch sofort Matts gräßlich verzerrte Miene.

„Feuer!“ brüllte Edwin Carberry, der Profos.

Roger Brighton, Gary Andrews, Jack Finnegan, Blacky und die anderen Männer, die die Geschütze der Backbordseite bedienten, preßten die Enden der Luntenstöcke auf die Bodenstücke der Kanonen, es zischte und schwelte. Sie sprangen zur Seite, und die Geschütze entließen mit urweltlichem Dröhnen und Wummern ihre Kugeln, die von zukkenden Blitzen getrieben auf das Flaggschiff zurasten.

Der Seewolf warf einen Blick zum Schwarzen Segler hinüber – nur ganz flüchtig, doch er konnte erkennen, wie auch die Mündungen in den Stückpforten seines Verbündeten Feuer und Rauch verbreiteten. Er hoffte inständig, daß Thorfin Njal, der Wikinger, sich besser gegen die Übermacht zu behaupten wußte.

Immerhin hatte „Eiliger Drache“ im Verlauf der Abenteuer vor Mordelles und bei Concarneau weniger gelitten als die „Hornet“, die zuletzt im Sturm ihren Fockmast eingebüßt hatte und auch sonst durch die jüngsten Kämpfe arg ramponiert worden war. Sie war nur noch begrenzt manövrierfähig, denn die Schäden hatten in der Eile, mit der ein Ereignis dem anderen folgte, nicht behoben werden können.

Träge lag sie am Wind und schien dem Feind ausgeliefert zu sein. Hasard wandte sich wieder der Kuhl und seinen Männern zu, dem schwarzen Schiff konnte er keine Aufmerksamkeit mehr schenken.

„Sir – aufpassen!“ schrie plötzlich jemand dicht neben ihm.

Hasard wußte, daß es Jerry Reeves war, der Kapitän der „Fidelity“, obwohl er ihn nicht richtig sehen konnte.

Reeves, Baxter, Stoker, Mulligan und Hoback, die letzten Männer der gesunkenen „Fidelity“, befanden sich jetzt an Bord der „Hornet“ und packten nach Kräften mit zu, um den so unverhofft aufgetauchten Gegner zurückzuschlagen und die Galeone durch geeignete Manöver besser an den Wind zu bringen. Nur wenn die „Hornet“ Distanz zwischen sich und den Zehnerverband legte, hatte sie eine Chance, dem drohenden Ende doch noch zu entgehen.

Reeves griff nach Hasards Arm und riß ihn zu sich heran. Sie strauchelten beide und stürzten auf die Planken. Dann sah der Seewolf über Reeves’ rechte Schulter hinweg die Culverine, die sich jetzt wieder vom Großmast gelöst hatte und zurück zum Schanzkleid rollte. Um ein Haar wäre Hasard mit dem Fuß unter ihre Lafette geraten – wenn Jerry Reeves ihn nicht gewarnt hätte.

„Ed!“ schrie Hasard.

Carberry fuhr herum, erfaßte die Situation mit einem Blick und brüllte so laut, daß er selbst im Donner der französischen Geschütze zu vernehmen war: „Los, ihr Schlappschwänze, kümmert euch um die verdammte Kanone!“

Shane, Batuti, Jeff Bowie und alle anderen, die an der Steuerbordseite der Kuhl kauerten, waren vollauf damit beschäftigt, dem Gegner die nächste Ladung zu verpassen – doch Roger, Gary, Jack, Blacky und ihre Kameraden wirbelten auf der Stelle herum, ließen die Geschütze an Backbord für einen Augenblick im Stich und jagten der Culverine nach, die jetzt immer mehr Fahrt gewann.

Der Grund dafür war, daß die „Hornet“ ihren Neigungswinkel von der einen zur anderen Seite verlegt hatte. Ben Brighton hatte auf Hasards Befehl hin eine Halse fahren lassen, um der nächsten Breitseite des Feindes zu entgehen.

Rumpelnd bewegte sich der Siebzehnpfünder auf das Schanzkleid zu. Die Männer warfen sich auf das Eisenrohr, auf die Lafette und die Reste der Brook und zerrten daran. Hasard und Jerry Reeves waren wieder auf den Beinen, eilten ihnen zu Hilfe und stemmten sich auf die Gefahr hin, doch überrollt zu werden, gegen die Mündung der Kanone.

Mit vereinten Kräften vermochten sie sie zu halten und festzuzurren. Aus verschwitzten Gesichtern blickten sie sich über den Lauf der Culverine an, und Roger Brighton rief: „Das war knapp! Beinah wäre uns das verdammte Ding mitten durchs Schanzkleid gerast!“

„Danke“, sagte Hasard zu Reeves.

„Wofür? Das war doch selbstverständlich, Sir.“

„Laß den Sir weg, ich heiße Hasard!“ schrie der Seewolf, und dann steuerte er auch schon auf Matt Davies zu, der immer noch vor der Gräting lag und sich das Bein hielt.

„Aye, aye, Sir!“ brüllte Jerry Reeves Hasard nach. Er grinste wild, wandte sich um und stürzte zu Baxter, der bereits mit hastigen Bewegungen an der geborgenen Kanone hantierte und sie nachlud.

Hasard war bei Matt angelangt und schrie: „Kutscher! Wo, zum Teufel, steckst du?“

Eine Antwort erhielt er nicht, und der Kutscher tauchte auch nirgends auf. Schon fühlte sich Hasard von einem neuen Schreck durchzuckt. Sollte seinem ersten Koch und Feldscher etwas zugestoßen sein?

„Beim Henker“, keuchte Matt Davies. „Ich brauche keine Hilfe, Sir. Das ist nur ein kleiner Kratzer. Hilf mir auf, und ich bin wieder voll im Einsatz.“

„Na klar“, sagte der Seewolf grimmig, während er versuchte, den Stoff von Matts Hose um die Blessur herum aufzutrennen. „Und dann haust du die Franzmänner ganz allein zusammen, nicht wahr?“

Matt entgegnete nichts darauf. Er biß die Zähne aufeinander und preßte die Lippen zusammen, denn der Schmerz in seinem Bein drohte ihm das Bewußtsein zu rauben.

Plötzlich erschien wie durch einen Zauber McPellew neben ihnen.

„Hier bin ich“, sagte er heiser. „Hat mich jemand gerufen?“

„Sieh dir mal die Wunde hier an!“ rief ihm Hasard im Krachen der Kanonen zu.

„Nein!“ schrie Matt Davies. „Mac Pellew, dich Satansbraten lasse ich an mein schönes Bein nicht ran!“

„Stell dich nicht an wie eine Jungfer!“ brüllte MacPellew zurück, und schon hatte er mit erstaunlichem Geschick das Beinkleid aufgeschlitzt und die Verletzung, die immer noch heftig blutete, freigelegt.

„Wo steckt der Kutscher?“ fragte Hasard.

„Unten im Vordeck, ein Leck abdichten“, sagte MacPellew. „Die Zwillinge helfen ihm dabei. Das Wasser strömt schon rein wie ein Bach, und wir wollen doch nicht absaufen, oder? Aber vielleicht gehen wir ja doch gleich auf Grund.“ Sein Gesicht verzog sich zu der üblichen sauertöpfischen Miene. Aller Jammer der Welt schien sich in seiner Person zu vereinen.

„Schneid bloß nicht so ein blödes Gesicht!“ brüllte Matt Davies ihn an. „Und red keinen Mist, du Plattfisch, sonst reiß ich dir die Kiemen auf!“

„Halt die Luft an!“ rief MacPellew, dessen Stimme jetzt kaum noch in dem Inferno zu vernehmen war. „Du buddelst ja selbst gleich ab, Mann!“

„Dir glaub ich kein Wort! Und das Bein lasse ich mir von dir schon gar nicht abschnippeln!“

„Das werden wir ja sehen!“ brüllte MacPellew.

Eine Kugel raste über ihre Köpfe, sie duckten sich gleichzeitig.

„Wie schlimm ist die Wunde wirklich?“ fragte der Seewolf MacPellew, ohne daß Matt es verstehen konnte.

„Der Knochen ist nicht verletzt“, erwiderte der Koch und Feldscher, der einst auf der „Marygold“ seinen Dienst versehen hatte. „Eigentlich ist es wirklich nur ein größerer Kratzer, der ihm weiter keine Schwierigkeiten bereiten wird, sofern die Blutung zum Stillstand gebracht wird.“

„Was tuschelst du, Mister Pellew?“ schrie Matt Davies. „Ich kenne dich, du Hund, du heckst was gegen mich aus!“

„Abtransportieren!“ befahl Hasard. „Ab ins Vordeck, in die Kombüse! Los, Mac, faß an, ich helfe dir.“ Er drehte sich zu Matt Davies um und fuhr ihn an: „Und du hältst die Klappe, verstanden?“

„Aye, Sir!“ rief Matt. Dann biß er wieder die Zähne zusammen, denn es verursachte ihm größte Schmerzen, wie sie ihn hochhoben und zur Kombüse schafften.

Hasard öffnete das Schott, und sie halfen Matt dabei, auf seinem unversehrten Bein in die Kombüse zu hüpfen. Matt mußte sich auf dem Krankenlager ausstrecken, MacPellew blieb bei ihm.

Hasard spielte mit dem Gedanken, zum Kutscher und zu Philip und Hasard, seinen Söhnen, hinunterzusteigen. Doch seine Anwesenheit an Deck war wichtiger. Schließlich war er der Kapitän. Der Kutscher und die Zwillinge würden mit dem Leck, von dem MacPellew gesprochen hatte, auch allein fertig werden.

Kaum hatte er das Kombüsenschott wieder geöffnet, brandete ihm der Gefechtslärm als tosendes Höllenkonzert entgegen. Er stürzte zu seinen Männern und dachte: Herrgott, es wird nicht bei dem einen Verwundeten bleiben. Sie schießen uns zusammen und richten ein Massaker an, wenn wir diesen verfluchten Zangengriff nicht aufbrechen.

Thorfin Njal stand mitten zwischen seinen Männern auf dem Hauptdeck des Schwarzen Seglers und hob das Schwert, das er liebevoll sein „Messerchen“ nannte.

„Brandpfeile!“ brüllte er mit seiner gewaltigen Stimme. „Bei Odin, ich zieh euch Hunden die Ohrläppchen lang, wenn ihr nicht wie die Teufel kämpft! Setzt ihre Kähne in Brand! Heizt ihnen ein, daß sie sich die Ärsche verbrennen! Schießt sie bis nach Grönland hinauf!“

„Bis nach Grönland hinauf!“ wiederholte der Stör, der mit Eike, Arne und Olig in den Wanten aufenterte.

Wie die Affen hingen sie in den Webeleinen, überbrückten den letzten Abstand, der sich noch von den Marsen trennte, kletterten dann auf die Plattformen und schürten die Glut in den bereitstehenden Kupferbecken.

„Du kannst von Glück sagen, daß Thorfin dich nicht gehört hat“, sagte Olig, der mit dem Stör zusammen den Vormars eingenommen hatte. „Du weißt doch, daß er es nicht leiden kann, wenn du ihm alles nachkaust.“

„Es waren meine eigenen Worte“, behauptete der Stör würdevoll und steckte die beiden ersten Pfeile in die rot aufglühende Holzkohle.

Die mit pechgetränkten Lappen umwickelten Spitzen fingen sofort Feuer. Olig und der Stör legten die Pfeile an die Sehnen, spannten die Bogen und schickten die Pfeile zu der französischen Galeone hinüber, die sich an das schwarze Schiff herangeschoben hatte und ihm durch massiven Beschuß zusetzte.

Arne und Eike ließen indessen ihre Pfeile vom Großmars aus zu dem Gegner hinübersirren, und bald deckte ein Hagel von Feuerzungen die Takelage des Franzosen ein.

Die Flammen griffen auf das gelohte Tuch über, der Brand ließ sich trotz der wütenden Befehle, die der Kapitän der Galeone seiner Mannschaft zurief, nicht mehr aufhalten. Knisternd stieg das Feuer bis zu den Masttoppen hoch.

Die Besatzung brüllte und fluchte, es wurden Versuche angestellt, die Flammen zu löschen, doch so schnell konnte keiner mit Pützen und Kübeln voll Wasser rechtzeitig genug bis zu den Marssegeln aufentern, die als erste entfacht worden waren.

„Gut so!“ schrie Thorfin Njal, der sein „Messerchen“ inzwischen wieder hatte sinken lassen. „Steuerbordbreitseite – Feueeerr!“

An den Geschützen der Steuerbordseite hatte der Boston-Mann das Kommando. Er senkte als erster die Lunte auf das Bodenstück seines Geschützes. Die anderen folgten seinem Beispiel.

Gustave Le Testu grinste Jean Ribault zu, Montbars stieß einen leisen Fluch aus, Albert blickte aus schmalen Augen zu der Galeone hinüber.

„So tief sind wir gesunken“, sagte Jean Ribault. „Auf die eigenen Landsleute feuern wir.“

„Das sind nicht unsere Landsleute!“ rief Gustave Le Testu. „Sie sind die Handlanger der Bourbonen, die Schergen der Spanier! Zur Hölle mit ihnen! Es lebe das freie Frankreich!“

Die Kanonen dröhnten und rollten zurück. Albert hielt sich die Ohren zu. Die Geschütze wurden durch die Brooktaue in ihrem Rückwärtslauf gestoppt. Die Männer sprangen mit Kratzern und Wischern vor und reinigten die Rohre.

Montbars hieb Albert mit der Hand auf die Schulter und schrie: „Laß das sein! Halt dir nicht die Ohren zu!“

„Aber – mir brummt jetzt schon der Schädel!“

„Gewöhn dich an den Lärm, sonst wirst du nie damit fertig!“ rief Montbars. Als er bemerkte, wie verblüfft der „Bucklige“ von Quimper ihn anschaute, mußte er unwillkürlich grinsen – was er höchst selten tat.

Bis vor kurzer Zeit war er Albert bei jeder Gelegenheit gleich an die Kehle gesprungen und hatte gedroht, ihn abzumurksen. Aber irgendwie hatten sie sich doch zusammengerauft und kamen jetzt miteinander aus. Albert hatte begriffen, in welcher Gefahr sich Frankreich befand. Die Spanier wollten es heimlich vereinnahmen und zum Vasallen erniedrigen.

Heinrich von Bourbon, der als Heinrich IV. der nächste König Frankreichs sein würde, war Philipp II. von Spanien untertan und würde diesen in dem Versuch unterstützen, auch England zu erobern.

Yves Grammont war ein Narr gewesen, daß er den spanischen Spionen geholfen hatte, das wußte Albert jetzt. Grammont war nur aufs Geld aus gewesen, doch es gab für einen Mann, der nicht vollends zum Galgenstrick werden wollte, auch noch etwas mehr als nur das Geld. Der Mensch hatte seinen Stolz.

Er, Albert, wollte den Spaniern nicht die Stiefel lecken, und er duldete auch nicht, daß sie sich eines Tages in Quimper und der ganzen Bretagne ausbreiteten und das große Wort führten. Er hatte den Patrioten in sich selbst entdeckt und kämpfte daher mit Ribault, Le Testu und Montbars zusammen für eine gemeinsame Sache.

Die Kugeln und Brandpfeile des Schwarzen Seglers hatten die französische Galeone in Bedrängnis gebracht. Eine Wende schien sich abzuzeichnen. Fast widerstandslos war die Galeone dem „Eiligen Drachen“ jetzt ausgeliefert.

Thorfin Njal brach plötzlich in ein entsetzliches Gebrüll aus, das selbst seinen eigenen Männern einen Schreck einjagte. Der Stör fiel fast vom Vormars und mußte sich mit einer Hand an der Verkleidung festhalten.

„Der Wind!“ brüllte der Wikinger. „Er hat gedreht! Er weht ablandig, ihr Höllenbraten! Wißt ihr, was das bedeutet?“

„Was das wohl bedeutet!“ rief der Stör.

„Was faselt der Kerl?“ brüllte Thorfin Njal.

„Daß wir die Luvposition gewinnen!“ rief Olig geistesgegenwärtig zurück.

„Jawohl, bei Thor und allen Göttern!“ Der Wikinger fuhr zu Jan Ranse herum, der am Ruder stand. „Leg Hartruder, Jan, wir gehen hoch an den Wind und halten genau auf diesen Bastard zu!“

„Aye, Sir!“

Der Viermaster luvte an und nahm Kurs auf die brennende französische Galeone, die genau zwischen ihm und der „Hornet“ lag. Hatte Thorfin Njal diesen Gegner erst „untergemangelt“, wie er sagte, so war der Weg zur „Hornet“ frei, und er konnte ihr den erforderlichen Beistand leisten, den sie bitter nötig hatte.

Zwei andere Galeonen schickten sich an, dem brennenden Schiff zu Hilfe zu eilen, doch Thorfin Njal grinste nur verwegen, als er ihre Manöver beobachtete. Dann brach er sogar in wildes Gelächter aus, das direkt aus den eisigen, unwirtlichen Fjorden des hohen Nordens zu kommen schien.

2.

Gerard Colyer, der Befehlshaber des Verbandes von französischen Kriegsgaleonen, verfolgte die Entwicklung, die die Dinge nahmen, mit wachsender Unruhe und Besorgnis. Er hatte alles ganz anders geplant und sich ein leichtes Spiel in dem Kampf gegen die Engländer erhofft, doch jetzt mußte er einsehen, daß er sich verkalkuliert hatte.

Der Wind hatte gedreht und wehte jetzt aus Ostnordost. Der Verband geriet in die Leeposition. Die „Hornet“ und das schwarze Schiff gewannen eine günstigere Lage, weil sie unter Land lagen und den Wind voll von Luv nahmen.

Zornig stieß Colyer seine Befehle aus und brachte sein Flaggschiff an den Wind, damit er der „Hornet“ eine neue Breitseite verabreichen konnte. Voll Entsetzen sah er zu dem brennenden Schiff. Daß der Gegner auch nur einen Treffer landete und sogar mit Brandpfeilen um sich schoß, damit hatte er nicht gerechnet.

Der Verband kam aus Le Havre und hatte in Brest gelegen, als die berittenen Boten von Concarneau eingetroffen waren und um Hilfe gebeten hatten. Sofort hatte Colyer erkannt, daß er auf der richtigen Spur war, denn die Beschreibungen, die die Boten von den Schiffen der „englischen Freibeuter und Bastarde“ gegeben hatten, die allem Anschein nach in Concarneau eingelaufen und das Feuer eröffnet hatten, stimmten zumindest teilweise mit den Meldungen überein, die er in Le Havre erhalten hatte.

Colyer hatte von den Bourbonen den offiziellen Auftrag erhalten, nach diesen Engländern zu fahnden, die schon seit einigen Tagen die Küste der Bretagne verunsicherten. Jetzt hatte er sie gefunden. Zwar gab es da einige Widersprüche – die von dem Stadtkommandanten René Douglas aus Concarneau geschickten Boten beispielsweise hatten von drei, nicht von zwei Schiffen gesprochen. Hier nun hatte er es mit nur zwei Seglern zu tun, von denen der eine keine Galeone, sondern ein höchst merkwürdiger Viermaster unbekannter Bauart war. Nie zuvor hatte Colyer ein solches Fahrzeug auf dem Meer gesehen. Die düstere Farbe des Schiffes schien nichts als Unheil zu verkünden, und auch das Gebrüll, das von den Decks herüberschallte, klang geradezu schaurig.

Die „Hornet“ – so hieß die Galeone, die laut Angaben von Douglas von vierzig Soldaten unter der Leitung eines Lieutenants befehligt wurde – befand sich wieder in der Hand des Feindes. Man hatte die Soldaten von Bord gejagt. Kaum hatte der Zehnerverband den Pointe de Penmarch erreicht, da hatte der Lieutenant vom Ufer aus auch schon Signale gegeben, aus denen Colyer alles für ihn Wichtige hatte entnehmen können.

Der englische „Oberschnapphahn“ hatte auf der „Hornet“ wieder das Kommando. Colyer wußte nicht, wie er hieß, doch es war ihm bekannt, daß dieser Mann schwarzhaarig, blauäugig und hochgewachsen war.

Auf diesen Mann hatte Colyer es abgesehen, er hatte ihn sofort von dem Achterdeck der „Hornet“ wegschießen wollen. Doch so ganz hatte es mit der Blitzaktion nicht geklappt. Obwohl die Galeone des Engländers arg in Bedrängnis geraten war, hatten sich die Kerle sozusagen mit Krallen und Zähnen gewehrt. Sie schlugen um sich, daß Gerard Colyer nicht anders konnte, als über so viel Verwegenheit zu staunen.

Um keinen Preis jedoch wollte Colyer den Gegner aus der Umklammerung entlassen, in der er ihn gefangen hatte. Der Feind mußte vernichtet werden. England hatte nicht das Recht, Frankreich so hinterhältig zu überfallen, wie es in Concarneau der Fall gewesen war.

Der französische Kommandant wußte nicht, wie sehr er sich irrte und wie groß auch das Mißverständnis war, dem Douglas erlegen war – daß es nicht die Engländer gewesen waren, die in der Bretagne Unfrieden und Terror gestiftet hatten, sondern der Freibeuter Yves Grammont mit seiner Bande.

Grammont war tot. Auch Easton Terry, der ehemalige Verbündete des Seewolfs, war gefallen und hatte somit für seinen Verrat bezahlt, den er an seinen Landsleuten begangen hatte, als er zu Grammont übergelaufen war.

Der eigentliche Verantwortliche für alles, der Spion und Scharfmacher, war auf der „Hornet“ gefangen. Er hieß Lucio do Velho und war ein alter Feind der Seewölfe, der immer wieder versucht hatte, sie zu besiegen. Wieder war es ihm mißlungen, auch sein Schicksal war nun besiegelt. Er war ein für allemal gescheitert und würde nie wieder ein Kommandounternehmen für die spanische Krone durchführen.

Das alles sollte Gerard Colyer erst sehr viel später erfahren. Überhaupt hatte er zu irgendwelchen Überlegungen, ganz gleich, welcher Art, vorerst keine Gelegenheit, denn jetzt rauschte das schwarze Schiff heran.

Kaum lag es auf gleicher Höhe mit der in Brand geschossenen Galeone, entließen seine Kanonenrohre eine volle Breitseite, die das Hauptdeck des französischen Dreimasters wie mit einem Höllenbesen leerkehrte. Colyer stöhnte auf und verfolgte fassungslos, was weiter geschah. Er wollte dem Kapitän der Galeone zubrüllen, wie er sich zu verhalten hatte, doch jede Hilfe erfolgte zu spät.

Gellendes Geschrei klang von der Galeone herüber. Die Mannschaft hatte genug mit sich selbst zu tun und konnte das Feuer des Schwarzen Seglers nicht erwidern. Die Toten und Verletzten mußten geborgen, die Flammen bekämpft werden, alles das erforderte den vollen Einsatz der Überlebenden.

Und die Flammen griffen weiter um sich. Sie hatten das Großsegel, die Fock und das Kreuzsegel der Galeone erreicht, sprangen auf dem Weg über die Wanten bis zu den Rüsten hinunter, leckten an den Schanzkleidern hoch und belegten alles mit einem lodernden Teppich.

Der schwarze Viermaster war an seinem Gegner vorbei, jagte den beiden Galeonen, die ihn verfolgten, ein paar Schüsse vor den Bug und nahm direkten Kurs auf das Flaggschiff.

Colyer begann zu toben und gab drei von seinen Begleitschiffen das Zeichen, diesem „verrücktgewordenen Hund“ einzuheizen. Sofort drehten die Segler und steuerten auf den Viermaster zu, während das Flaggschiff und die drei restlichen Galeonen erneut die „Hornet“ mit ihren Kugeln eindeckten.

Plötzlich aber befanden sich auch auf der „Hornet“ zwei Kerle oben in den Wanten und kletterten über die Umrandung des Großmarses. Colyer konnte genau beobachten, wie sie mit Pfeilen und Bogen hantierten. Er stand auf einem Platz des Achterdecks, den die Rauchschwaden noch nicht vollends eingehüllt hatten.

Colyer sprang selbst an eine der Drehbassen seines Schiffes, bewegte das Rohr in der Gabellafette und versuchte, auf einen dieser Kerle, einen graubärtigen Riesen, zu zielen. Der andere war ein Schwarzer, er schien direkt dem Dschungel Afrikas entsprungen zu sein. Beide waren die reinsten Teufel in Menschengestalt, wie Colyer gleich feststellen sollte.

Er feuerte die Drehbasse ab, doch die Kugel ging um ein paar Handspannen am Großmars der „Hornet“ vorbei und riß lediglich ein Loch in das Großmarssegel. Dann verlor sie sich irgendwo in der Luft, Colyer vermochte ihren weiteren Flug nicht zu verfolgen.

Big Old Shanes Lachen, das den ersten Brandpfeil begleitete, tönte zum Flaggschiff der Franzosen hinüber. Der Pfeil bohrte sich zischend in das Großsegel. Colyer fluchte, als er die Flamme sah, die sich wie eine Schlange an dem Tuch hochwand. Er eilte zur nächsten Drehbasse und brachte sie ebenfalls in Anschlag auf den graubärtigen Riesen, doch der kümmerte sich nicht darum.

Die Kanonen der Franzosen brüllten, die Kugeln rasten auf die „Hornet“ und das schwarze Schiff zu, doch beide Besatzungen warfen sich mit Todesverachtung in das Gefecht.

Shane und Batuti sandten jetzt Pfeil um Pfeil in die Takelage des Flaggschiffs. Hasard hatte das Hauptdeck verlassen und stand auf dem Quarterdeck bei Ferris Tucker, der die Höllenflaschen ausgepackt hatte und bereithielt.

Der Schwarze Segler war heran und griff das Flaggschiff an. Thorfin Njal schrie und fluchte wie Odin höchstpersönlich. Die Geschütze krachten, beide Batterien schleuderten ihre Ladungen über die See hinaus. Colyer sah noch, wie einer seiner Galeonen, die dem unheimlichen Schiff Paroli zu bieten versuchte, das halbe Vorschiff weggerissen wurde. Dann erreichten die Kugeln auch das Flaggschiff. Sie bohrten sich in die Bordwand, fetzten Teile des Schanzkleides an der Backbordseite weg und versetzten dem Besanmast ein paar üble Schläge, die ihn zum Erbeben brachten.

„Feuer!“ schrie Colyer, aber seine Männer standen längst an den frisch nachgeladenen Culverinen und senkten die Luntenstöcke auf das Zündkraut. Es krachte und donnerte, heulte und dröhnte, und wieder war der Teufel los.

Die Segel des Flaggschiffes brannten lichterloh, dann flog die erste Flaschenbombe von der „Hornet“ zu den Franzosen herüber. Als sie explodierte, erkannte Gerard Colyer zu seinem hellen Entsetzen, daß jetzt er um sein Leben kämpfen mußte.

„Arwenack!“ schrien die Seewölfe und heizten sich mit ihrem alten Kampfruf gegenseitig an. Mit fliegenden Fingern luden sie die Kanonen nach und feuerten auf den Gegner, der sie mit vier Schiffen umzingelte. Old O’Flynn bediente die achteren Drehbassen, Al Conroy hatte die vorderen drei Hinterlader übernommen. Big Old Shane und Batuti veranstalteten hoch über den Köpfen der Crew vom Großmars aus ein Wettschießen auf die Segel der Gegner.

Hasard stand nach wie vor auf dem Quarterdeck, nahm Ferris Tucker die Flaschenbomben ab und schleuderte sie zum Flaggschiff des Verbandes hinüber. Immer, wenn drüben eine Wurfgranate explodierte und heillose Verwirrung stiftete, hatte der rothaarige Riese bereits die Lunte einer weiteren entfacht und reichte sie mit wildem Grinsen an den Seewolf weiter.

„Arwenack!“ wehte der Ruf auch vom Schwarzen Segler herüber. Thorfin Njal setzte ebenfalls dem Flaggschiff zu und hielt den Seewölfen außerdem diejenigen Schiffe vom Leib, die von der Nordseite her aufsegelten und einen Keil zwischen die „Hornet“ und „Eiliger Drache“ zu treiben versuchten.

Beide Schiffe hatten sich in feuerspuckende Ungetüme verwandelt, es wurden sämtliche Register gezogen, die sowohl Hasard als auch dem Wikinger in einem Gefecht wie diesem zur Verfügung standen. Sie waren alte Kampfgefährten und ergänzten sich großartig – und mit all dem hatten die Franzosen bei der Eröffnung ihrer Offensive nicht im entferntesten gerechnet.

Die Fetzen flogen, die Franzosen waren verwirrt. Auf mehreren Schiffen herrschte jetzt bereits Wuhling, überall mußten die Feuer in der Takelung gelöscht werden. Gleichzeitig wurden die abgefeuerten Kanonen gereinigt und nachgeladen und dann wieder gezündet, doch es fehlte dem Beschuß der Franzosen etwas von der Heftigkeit, die zu Beginn den Angriff bestimmt hatte.

Erschüttert verfolgte Colyer das Aufschlagen und Detonieren der Flaschenbomben auf den Decks seines Schiffes, fassungslos sah er seine Männer zusammensinken und sterben, sah ihre Gestalten durch die Luft wirbeln. Für einen Moment schloß er die Augen. Warum hatte ihn niemand vor der Tollkühnheit und besessenen Kampfeswut dieses Gegners gewarnt?

Er selbst hätte gewarnt sein müssen – nach allem, was er über die Vorfälle in Concarneau vernommen hatte. Auch hatten die Boten anklingen lassen, daß vor der Insel Mordelles ein Gefecht stattgefunden hatte, aus dem die Engländer als Sieger hervorgegangen waren. Daß es Grammont gewesen war, gegen den diese Himmelhunde dort gekämpft hatten, sollte Colyer auch erst später in Erfahrung bringen.

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