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Über dieses Buch

Dieses Buch wirft eine alte Frage auf, und doch ist alles anders, alles neu. Da ist Anton Praetorius, der im 16. Jahrhundert einen vehementen Kampf gegen die Hexenverfolgungen führt. Doch ist er nicht selbst ein Opfer von Hexerei und Magie? Welche Erkenntnisse nimmt er mit ins Grab? Hat er sich geirrt? Und die Hexen unserer heutigen Zeit? Wir lernen Regina kennen, der die eigenen magischen Kräfte nicht geheuer sind. Ist sie verantwortlich für Unheil, Krankheit und Tod ihrer Mitmenschen? Oder sind die seltsamen Geschehnisse um sie herum nur Schicksal?

Roswitha Koert

Die Hexen von Kamen

© 2014


2. Auflage Januar 2011

©2014 OCM GmbH, Dortmund

Gestaltung, Satz und Herstellung: OCM GmbH, Dortmund

Verlag:

OCM GmbH, Dortmund, www.ocm-verlag.de

Printed in Germany

ISBN 978-3-942672-00-9 (Print)

ISBN 978-3-942672-31-3 (eBook)

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

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Inhalt

Lebensdaten von Anton Praetorius

Lebensdaten von Regina Mohl

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27


Lebensdaten von Anton Praetorius


1560 wird er im westfälischen Lippstadt geboren.
1573 erlebt er in Lippstadt einen Hexenprozeß.
1581 wird er in den Schuldienst in Lippstadt berufen.
1585 kommt sein Sohn Johannes in Kamen zur Welt.
1586 wird er Rektor der Latein­schule in Kamen.
1587 bis 1596 Diakon in Worms, Pfarrer in Dittelsheim und Isenburg
1596 stirbt seine Frau Maria. Seine zweite Frau verstirbt 12 Tage nach der Hochzeit, die dritte 3 Tage nach der Verlobung.
1597 heiratet er Sibylle, die Tochter eines Pfarrers.
1597 wird er Zeuge eines Hexen-prozesses gegen vier Frauen.
1598 wird er Pfarrer in Laudenbach in der Kurpfalz.
1598 veröffentlicht er unter dem Pseudonym seines Sohnes sein erstes Buch gegen die Hexenverfolgungen.
1613 stirbt sein Sohn Johannes mit 28 Jahren.
1613 stirbt Anton Praetorius am 6. Dezember im Alter von 53 Jahren.


Lebensdaten von Regina Mohl


1951 kommt sie in Kamen zur Welt.
1957 bekommt sie ihr erstes Schulzeugnis.
1972 heiratet sie ihren Freund aus der Kinder- und Jugendzeit.
1976 wird ihr Sohn Torsten geboren.
1986 Scheidung. Regina trifft ihre große Liebe Dirk und zieht an die Nordsee.
1995 erstes Treffen mit Helga, der Hexe aus der Eifel.
1995 Regina trifft Martin und verliebt sich erneut.
2000 Regina beschließt, mit Helga zusammenzuleben.
2004 Regina begegnet Thomas Bergental, eine neue Liebe beginnt.
2008 Thomas trennt sich von Regina. Kurz darauf stirbt er …

Kapitel 1

Der Verdacht, dass ich Menschen umbringe, wurde an einem regnerischen Vormittag im März des Jahres 2008 zur Gewissheit.

Ich schlug die Zeitung auf, überflog die Schlagzeilen und den politischen Teil um dann, eine Angewohnheit, die ich von meiner Mutter übernommen hatte, die Seite mit den Todesanzeigen aufzuschlagen.

Und da stand sie, Tommis Todesanzeige:


Ich wusste nicht, woran Tommi gestorben war, ob er einen Unfall gehabt hatte, ob es ein Herzinfarkt war oder eine Krebserkrankung. Manchmal ging so etwas ja ganz schnell, innerhalb weniger Tage …

Nur eins wusste ich ganz genau: Ich hatte damit zu tun, ganz sicher!

Irgendwie hatten mich diese Zufälle mein ganzes Leben lang begleitet.

Es fing in der Schule an, vielleicht sogar schon im Kindergarten, aber daran konnte ich mich nicht mehr so ganz genau erinnern.

Aber an das erste Zeugnis umso besser.

In der Größe eines Schulheftes, mit einer gelben Kunststoffschutzhülle, gespendet von der Sparkasse der Stadt Kamen. Mein Herz klopfte laut, als es vor mir auf dem Tisch lag.


Lesen konnte ich damals noch nicht. Nach dem ersten Halbjahr in der Schule war das auch nicht üblich. „Kurz muss das Wort sein“, hatte meine Mutter gesagt, „dann ist es gut.“

„Kurz muss das Wort sein“, hatte meine Mutter gesagt, „dann ist es gut.“

Das Wort war nicht kurz, im Gegenteil, es war so lang, dass die gestrichelte Linie gar nicht ausreichte. Das Wort war oberhalb der Linie noch weiter geschrieben worden.

Als ich meine Mutter am Zaun des Schulhofes erblickte, brach ich in Tränen aus. Heulend drückte ich ihr das gelbe Heft in die Hand. Sie las und schüttelte den Kopf. Da wusste ich, dass ich eine Versagerin war.

Erst zu Hause las Mutti mir den Satz vor.

Meine Welt brach zusammen. Dass ich nur einen teilweise guten, überwiegend aber wohl nur einen befriedigenden Anfang gemacht haben sollte, war eine Katastrophe. Ich hasste Inge Goll, meine Banknachbarin. Die Angeberin hatte mir das kurze Wort in ihrem Zeugnisheft gezeigt. Die Welt war ungerecht, denn ich war viel fleißiger als die doofe Inge, passte besser auf, meldete mich öfter.

Mein Kummer war auch nach den Kartoffelferien noch da. So schnell konnte ich ein Unrecht nicht vergessen.

Wer nicht mehr da war, war Inge Goll, meine Nachbarin.

„Inge ist krank“, verkündigte Frau Meisig. „Sie wird wohl lange Zeit nicht in die Schule kommen können, deshalb setzt sich Annegret nun mal nach vorne neben Regina.“

Mir war es recht. Annegret hatte auch einen befriedigenden Anfang gemacht, fand das aber nicht so schlimm.

Inge sah ich erst viel später wieder. Sie hatte Tuberkulose bekommen, Monate in einer Klinik verbracht und musste das erste Schuljahr wiederholen. Ich habe nie wieder mit ihr gesprochen.

Kapitel 2

Anton Praetorius erhob sich, als es zu später Stunde an seine Tür klopfte.

„Wer dort?“, rief er verärgert durch den Türspalt, den er vorsorglich mit seinem rechten Fuß verschlossen hielt. Die Zeiten waren im Jahre 1586 nicht so, dass man jedermann hereinlassen sollte.

„Mach die Tür auf, Praetorius. Ich bin’s, Johann Bodde!“

Anton ließ den Richter herein und bat ihn, auf dem Holzschemel Platz zu nehmen. Er wollte sich seinen Ärger über die späte Störung nicht anmerken lassen, denn schließlich war Bodde einer der 14 Bürger der Stadt Kamen, die eine Stiftung für die Errichtung einer Lateinschule begründet hatten. Praetorius sollte Rektor dieser Schule werden und „45 Taler pro anno“ bekommen.

„Sollte Kamen durch die Obrigkeit oder von selbst zum leidigen Papsttum und dessen verführerischer abgöttischer Lehre zurückkehren, so sollen die Spender oder deren Erben alles zurücknehmen können“ stand in der Stiftungsschrift, die Praetorius erst vor zwei Tagen unterzeichnet hatte.

„Was willst du von mir?“, eröffnete Anton das Gespräch, nachdem der Richter keine Anstalten gemacht hatte, den Grund seines Besuches zu nennen.

„Meine Frau hat schon wieder ihr Kind verloren, Praetorius.“

Aus Richter Boddes Stimme klang mehr Wut als Trauer.

„Und sie ist schuld. Sie hat ihr den Besen in den Weg gestellt, so dass Gesine zu Boden stürzen musste.“

„Redest du von eurer Magd, der Agnes?“

„Sprich ihren Namen nicht aus, Anton. Schon das kann auch für uns den Tod bedeuten. Sie ist eine Hexe, bestimmt, ich weiß es. Ich habe sie gesehen auf dem Werver Feld vor dem Unwetter. Sie hat dort getanzt und seltsame Verrenkungen gemacht. Am Hals hat sie ein scheußliches Feuermal und dünn ist sie wie eine Bohnenstange. Sie hat meine Frau verhext, hat ihren Leib unfruchtbar gemacht.“

„Das redest du dir ein, Johann. Deine Frau hat einen schwachen Unterleib. Das ist der Grund, warum sie keins eurer Kinder austragen kann.“

„Du hast gut lachen. Gerade hat deine Frau dir einen Sohn geschenkt und sicher kommt bald der nächste und noch eine Tochter und so weiter, und so weiter.“

„Versündige dich nicht, Johann. Du weißt genau, dass unser Sohn kränkelnd ist und meine Frau sich gar nicht recht erholen will von den Strapazen der Geburt. Du brauchst auf uns nicht neidisch zu sein.“

„Hast ja Recht, Praetorius. Aber dieser Hexe muss das Handwerk gelegt werden. Als Pfarrer hast du doch Einfluss auf die Kirche, Anton. Sie muss Klage erheben.“

„Du bist doch selbst Richter, Johann. Für eine Anklage brauchst du die Kirche nicht. Oder möchtest du deine Hände in Unschuld waschen? Soll niemand wissen, dass du hinter der Sache steckst? Weil deine Frau ihre Magd so sehr liebt, Johann? Ist es so?“

Anton Praetorius hatte sich ereifert und beugte sich drohend über den zusammengesunkenen Richter.

„Ich habe sie brennen sehen, Johann. Halbe Kinder noch, unschuldig wie ein Lamm. Gefoltert mit Daumenschrauben, Peitschen und Stöcken, eingetaucht in eiskaltes Wasser, verbrannt mit in Schwefel getauchten Federn, gebadet in siedendem Kalkwasser haben sie schließlich alles gestanden, was man ihnen vorwarf. Besonders gnädige Richter bewilligten diesen armseligen Kreaturen die Erdrosselung vor dem Tod auf dem Scheiterhaufen. Ich war dabei, Johann.“

Richter Bodde erhob sich. „Also gut, Anton. Du willst mir nicht helfen. Wenn du dabei bleibst, wird Kamen einen anderen Rektor an seiner Lateinschule bekommen. Dafür werde ich sorgen.“

Ohne Gruß verließ Johann Bodde die Behausung des Pfarrers.

Kapitel 3

Die kleine Leichenhalle von Prüm war bis auf den letzten Platz besetzt. Auch draußen, vor der Halle, standen noch viele Trauergäste und lauschten den Worten des Pfarrers. Thomas Bergental war ein guter Mensch gewesen, hatte sich aufgeopfert für seine Familie und seine Freunde. Er hatte Gottes Gebote geachtet, war konfirmiert worden, hatte sich kirchlich trauen und seine Kinder taufen lassen. Er war klug und besonnen, hilfsbereit und großmütig gewesen. Eine Mischung aus Albert Einstein und Mutter Teresa.

An manchen Stellen der Trauerrede hätte ich beinahe laut aufgelacht.

Der Sarg war mit blauen Iris und weißen Gerbera geschmückt.

Die Zusammenstellung gefiel mir und ich starrte fasziniert auf das riesige Sarggesteck. „Er hat Blumen so geliebt“, flüsterte mir meine Banknachbarin zu, die sich als „Cousine des Verstorbenen“ vorgestellt hatte. Einen Moment lang dachte ich, dass ich vielleicht auf der falschen Beerdigung sei. Da ich aber Marion und ihre Kinder in der ersten Reihe sitzen sah, hielt ich das für sehr unwahrscheinlich.

Endlich beendete der Pastor seine Rede und erhob die Arme, um den Segen zu spenden.

„Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen!“

Die Sargträger eilten herbei, hoben den schweren Sarg mit dem noch schwereren Thomas auf eine Art überdimensionalen Servierwagen und rollten ihn hinaus. Brav in Zweierreihen trottete die Trauergemeinde hinterher bis zur letzten Ruhestätte des lieben Verstorbenen.

Der Pastor ließ es sich nicht nehmen, auch hier am offenen Grab noch einige passende Worte zu verkünden.

„Asche zu Asche, Staub zu Staub“ hallte es über den Friedhof und ich dachte darüber nach, wie viel Zeit wohl noch vergehen würde, bis ich zu Staub und Asche verfallen würde.

Ich warf die weißen Röschen ins Grab, gab Marion und den Kindern die Hand und lächelte höflich, als Marion mir zuraunte: „Du kommst doch auch zum Kaffeetrinken in den Dorfkrug?!“

Ich hatte keine Kaffeekarte, nicht einmal einen Totenbrief bekommen, sondern gehörte zu dem Personenkreis, „der aus Versehen keine Benachrichtigung erhalten hatte“ und von der Todesanzeige in der Zeitung in Kenntnis gesetzt worden war.

Ich hasste Beerdigungskaffeetrinken. Und Thomas hatte ich auch gehasst.

Kapitel 4

Thomas war an einer Fischgräte erstickt.

Ich erfuhr es von Helga, die es von einer Freundin gehört hatte.

Dass Thomas Fisch liebte, wusste ich nur zu gut.

Ich lächelte, als ich den holprigen Friedhofsweg zurück zum Parkplatz ging.

Damals, als wir auf Sylt waren, aß Tommi jeden Tag Fisch.

„Nirgends ist er so frisch wie hier“, schwärmte er und versuchte wieder einmal, mich ebenfalls zu einer „Scholle Finkenwerder Art“ zu überreden.

Ich war stur geblieben und bestellte ein Rumpsteak medium.

Eigentlich hätte ich gern die Scholle oder etwas anderes aus dem Meer probiert, aber schon der Gedanke an Thomas Reaktion „Siehst du, habe ich dir doch gleich gesagt!“, weckte meinen Trotz.

Ich wollte ich bleiben, kein „Tommi-Wackel-Dackel-Hündchen“ werden, das gab es schon.

Wir wohnten damals in einem kleinen Hotel in Westerland, schön zentral gelegen, nicht ganz so vornehm, denn das hasste ich. Wir waren zum Biikebrennen hergekommen, einem Spektakel, das jedes Jahr im Februar auf Sylt stattfand.

Am Morgen des 21. Februars machten wir eine lange Wanderung um den Ellenbogen. Es nieselte etwas, aber wir waren warm angezogen, dicke Pullover und darüber Regenjacken, meine in rot, Tommis in grün.

„Du musst es ihr endlich sagen.“

Tommi nickte, aber ich kannte dieses Nicken. Wütend stapfte ich weiter, sammelte ein paar Muscheln auf und einen Stein, den ich für einen Bernstein hielt. Mit Thomas sprach ich nicht mehr.

Erst am Abend, als wir uns in alten Jacken auf dem Weg zum Feuer machten, hielt ich das Schweigen nicht mehr aus.

„Heute Abend musst du Grünkohl mit Schweinebacke essen, das ist Tradition beim Biikefeuer.“

„Ja, ja, ich weiß, der Gott Wotan soll gnädig gestimmt werden und den Winter vertreiben. Gut, dass ich nicht Wotan bin. Mit Grünkohl könntest du mich nämlich vertreiben, aber nicht gnädig stimmen. Willst du mich vertreiben?“

Thomas zog mich an sich und versuchte, mich zu küssen.

„Nein, das will ich nicht. Aber wenn du nicht machst, was ich sage, stoße ich dich ins Biikefeuer und lass dich verbrennen.“

„Du, Hexe!“, schrie Tommi, fasste mich grob beim Nacken und drückte meinen Kopf herunter.

In dieser Haltung liefen wir kreischend weiter, immer in Richtung des Feuers, das bereits hoch in den Himmel loderte und ringsum Rauch und Funken versprühte.

„Ihr müsst zusammen über das Feuer springen“, riet uns ein vorbeilaufender Seebär, „das schweißt für immer zusammen.“

„Dann wähle ich doch lieber den Feuertod“, rief Tommi und ich lachte eine Spur zu laut.

Und dann, in unmittelbarer Nähe des Feuers, spürte ich wieder diese seltsame Aura, ein Gefühl von Angst und Schmerz, das ich kannte. Kannte aus einer anderen, fernen Zeit. Zitternd hielt ich mich an Thomas fest.

Einige Tage nach unserer Reise rief Thomas mich an und sagte mit fremder Stimme, dass er es für besser hielte, wenn wir uns eine Weile nicht bla, bla, bla, bla …

Da bereute ich zum ersten Mal, ihn nicht ins Biikefeuer gestoßen zu haben.

Kapitel 5

Anton Praetorius stieg mit kräftigen Schritten die schmalen Stufen zum Glockenturm hinauf. Hin und wieder stieß er schnaubend die Luft aus seinem Mund. Nicht wegen der Anstrengung, die ihm das Treppensteigen bereitete, sondern wegen der Wut, die in seiner Brust rumorte. Warum waren sie alle so verbohrt? Richter Bodde war ein ehrenwerter Mann, ein überzeugter Protestant, klug und belesen. Wieso glaubte auch er, wie viele andere Kamener Bürger, an Hexen und Zauberer?

Für alles wurden diese bedauernswerten Geschöpfe verantwortlich gemacht: für schlechte Ernten, Unwetter, Feuersbrünste, Epidemien und so weiter, und so weiter …

Praetorius wusste, dass selbst Luther und Calvin an die Macht von Hexen geglaubt hatten.

„Die Zauberinnen sollst du nicht am Leben lassen!“

So zitierten sie das 2. Buch Moses im Alten Testament.

„Aber ihr irrt Euch!“, schrie Anton Praetorius laut herunter vom Glockenturm der Pauluskirche zu Kamen. Ein paar Tauben flogen erschrocken davon und Praetorius begann wütend an den Glockensträngen zu ziehen. Hexerei und Zauberei waren Werke des Teufels, nur Gott konnte dies strafen, nicht die Menschen.

Gleich würden sie hineinströmen, in die Kirche, würden beten und singen und sich gegenseitig in ihrer Grausamkeit bestärken.

Sie würden die Kälte bejammern, die immer mehr zunahm, die das Korn verfaulen ließ, in die Häuser kroch, sie feucht und muffig machte, so dass kein Feuer ihrer Herr wurde.

„Merkt ihr nicht, dass die Kälte aus euren Herzen kommt?“ Praetorius schrie sich immer mehr in Wut. Die richtige Stimmung für die Predigt, die er gleich halten würde. Er würde ihnen einheizen, den braven Bürgern Kamens, allesamt grausame Folterknechte, Mörder. Kein Blatt würde er vor den Mund nehmen, auch wenn er nicht Rektor der Lateinschule werden würde, wenn sie ihn verjagen würden aus Kamen.

Er würde ihnen den Hexenwahn austreiben und wenn es ihm nicht gelang, würde er weiter ziehen. In einen anderen Ort, wo die Menschen vernünftiger waren, klüger, wo man die Bibel richtig verstand.

Während er die Stufen wieder hinab stapfte, tauchte ein Bild aus seiner Kindheit vor seinen Augen auf.

Ein niedergebrannter Holzhaufen, aus dem immer noch leichter Rauch aufstieg. In der Mitte ein verkohlter Pfahl, an dem ein unförmiger Klumpen hing, schwarz, stinkend. Erst in der Kontur erkannte man schwach so etwas wie einen Kopf, verkohlt, aufgeplatzt, ein weit aufgerissenes Maul, gelbe Zähne einer Totenfratze. Er hatte sie gekannt, ein Mädchen aus der Nachbarschaft. Mit lustigen roten Zöpfen, das gern hüpfend durch die Gassen sprang. Das Essen war knapp in ihrem Elternhaus, so war sie leicht gewesen wie eine Feder oder … dünn wie eine Hexe.

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