Czytaj książkę: «Hitlers Vater», strona 5

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Alois war kein Innviertler, sondern kam aus dem Waldviertel. Das förderte manche Vorurteile. Zudem mag er aufbrausend und rechthaberisch gewesen sein – seine Briefe lassen das vermuten, aber auch Kollegen bestätigten das. Das Zeugnis eines Arbeitskollegen, des Zollobersekretärs Hebenstreit aus dem Jahr 1940, der 1881/82 in Simbach mit Hitler zusammengearbeitet hatte, ist nicht gerade freundlich: »Alois Hitler war uns allen unsympathisch. Er war sehr streng, genau, ja sogar Pedant im Dienst und ein sehr unzugänglicher Mensch. Außer Dienst verkehrten wir nicht mit ihm.«78 Sein auch für heutige Begriffe bewegtes Sexualleben hingegen dürfte im damaligen Innviertel nicht besonders aufgefallen sein oder gar Anstoß erregt haben. Was Alois, der als zugeknöpft und mürrisch beschrieben wurde, sich aber auch betont höflich, ja geradezu leutselig, gefällig und freundlich geben konnte, auf jeden Fall hatte, waren ein großer Bildungshunger und eine erstaunliche Gewandtheit in Wort und Schrift. Er fiel bereits in Braunau unter seinen Kollegen als extrem belesen auf, was auf die Mittel seiner Schwiegereltern und auf seine Wiener Verwandten zurückgeführt wurde.79 Auch Verwandte und Bekannte in der Weltstadt zu haben war prestigereich, auch wenn diese dort bloß Hauswarte oder Dienstleute waren.

Privat weiß man aus dieser Zeit nicht viel. Man berichtete von Militärmusik und Kegelbahn, Schlittenpartien und Gasselrennen – die typische Form der Innviertler Pferderennen. Der Freundeskreis scheint sich auf die Mitarbeiter beim Zoll und auf sonstige Beamte beschränkt zu haben. Zumindest im Dienst merkte man von nationalen Vorurteilen nichts. Ganz besonders freundete sich Alois mit dem Zollbeamten Karl Wessely an, einem Tschechen, der es beim Linzer Infanterieregiment Nr. 14 zum Musikfeldwebel gebracht hatte und dann in den Zolldienst gewechselt war. Einige Male taucht Alois bei besonderen Anlässen in Zeitungsmeldungen auf: Am 21. September 1874 war er einer der Trauzeugen bei der Hochzeit eines seiner Kollegen, des k.k. Finanzwache-Oberaufsehers Karl Fischer. Die Braut war Antonia Mayr, die als Dienstmädchen im Hitler-Glassl-Haushalt beschäftigt gewesen war.80 1882 finden wir Hitler zusammen mit Beamten und Honoratioren auf einer Spendenliste zugunsten der durch Überschwemmungen verunglückten Bewohner in Tirol und Kärnten mit der durchaus namhaften Summe von einem Gulden, neben dem Braunauer Bezirkshauptmann, der 5 fl gab, dem Bezirkstierarzt mit 1 fl und einer Reihe von Mitarbeitern der Braunauer Finanzbehörden, deren Beiträge sich im Kreuzer-Bereich bewegten.81 1889 spendete er für die Schulausspeisung, ein anderes Mal für die Opfer von Brandkatastrophen, dann wieder für Witwen und Waisen. Adolf wusste, was er seinem Stande schuldig war.

Ob Alois überhaupt Hobbys hatte? Wann genau die Imkerei zu seiner bevorzugten Freizeitbeschäftigung wurde, ist nicht fixierbar. Aber es war jedenfalls schon in der Braunauer Zeit. Er inserierte in der Neuen Warte am Inn und in der Linzer Tages-Post Bienenstöcke und Honig zum Verkauf. Alois begann sich auch für die Hundezüchtung zu interessieren. 1881 bot er einen Neufundländer-Hundemischling zum Verkauf an: »Zweijährig, groß und sehr schön (edel marderfärbig), vorzüglich dressiert und fehlerfrei, verkäuflich um 70 Mark bei Herrn Alois Hitler in Braunau am Inn.«82 Das verrät Erfahrung. Er war wohl schon länger Hundehalter. Und ist insofern nicht belanglos, als von Alois später wiederholt berichtet wurde, dass er gewohnt war, seine Kinder wie Hunde heranzupfeifen und mit schrillen Pfiffen und kurzen Befehlen zu dirigieren. Leondinger Schüler erzählten später: »Der alte Herr Alois forderte unbedingten Gehorsam. Oft führte er zwei Finger in den Mund, stieß einen scharfen Pfiff aus, und Adolf, wo immer er gewesen sein möge, lief sofort zu seinem Vater.«83

Über die politischen Ansichten und Betätigungen Alois Hitlers aus seiner Braunauer Zeit weiß man nichts. Braunau war damals eine der wenigen Stadtgemeinden, in der die Christlich-Konservativen die Stadtpolitik dominierten. Bei der Gemeinderatswahl 1882 schrieb die liberal-antiklerikale Linzer Tages-Post: »Hoffentlich wird durch die Bemühungen und zahlreichste Wahlbeteiligung aller rücksichtsvollen Bürger bei der kommenden Neuwahl der Stadt Braunau der traurige Ruhm erspart bleiben, in ganz Oberösterreich die einzige Stadt zu sein, welche eine reaktionär-klerikale Gemeindevertretung besitzt.«84 Die Hoffnungen der freisinnigen Zeitung wurden zwar enttäuscht. »Wenn man bedenkt«, schrieb die Tages-Post 1884, »dass die letzten Gemeinderatswahlen im eminent konservativen Sinne ausgefallen waren, so konnte man sich anlässlich der Landtagswahl mancher Zweifel nicht erwehren, obwohl man andererseits nicht übersehen durfte, dass sich seit beiläufig einem Jahre ein frischer Werdeprozess, ein nie geahnter günstiger Umschwung für die Fortschrittspartei ergeben hatte.«85 Aber ob Alois bereits damals liberal-antiklerikal zu denken begonnen hatte oder sogar in diesem Sinne politisch mitwirkte, ist nicht bekannt.

Schicksalsschläge und Ehestrategien

Ob die sorgenvollen Worte, die Alois, nunmehr Hitler, 1876 über den Gesundheitszustand seiner Frau Anna verfasste, von Herzen kamen, weiß man nicht. Jedenfalls schrieb er am 17. September 1876 an eine Verwandte über seine Frau: »Unglücklicher Weise leidet sie seit langer Zeit an einer Brustschwäche und braucht sehr viel Umsorgung. Gäbe es nicht das gute Klima hier in Braunau, würde es ihr nie gut gehen. Es ist nur meine Stellung, Gott sei Dank, die mir erlaubt, ihr Leben von Leiden frei zu machen.«86 Ob die Ehe damals schon schlecht ging oder sich erst in weiterer Folge zerrüttete, muss offen bleiben. Schon 1874, als das Dienstmädchen Antonia geheiratet hatte und man kurzfristig ein neues brauchte, war erstmals die junge Klara Pölzl aus Spital bei Weitra, eine Enkelin seines Ziehvaters Johann Nepomuk Hüttler, ins Blickfeld gekommen, die zur Unterstützung geholt worden war. Das tat der Ehe nicht gut. Anna wurde immer kränklicher und wohl auch immer missmutiger. Ab 1878 ging sie häufig auf Kur. Ob es eine einseitige oder eine beiderseitige Entfremdung war und wann sie genau einsetzte und wie sie sich konkret gestaltete, weiß man nicht. Am 7. November 1880 wurde die Ehe jedenfalls geschieden, richtiger gesagt, eine Trennung »von Tisch und Bett« ausgesprochen, wie es in der damaligen Rechtssprache hieß, weil eine Scheidung für Katholiken im österreichischen Teil der Habsburgermonarchie anders als im ungarischen gar nicht möglich war.

Wann sich Alois zusätzlich zu seiner Frau auch eine Geliebte zugelegt hatte, ob schon vor oder erst nach der Scheidung, ist nicht zu klären. Am 13. Jänner 1882 jedenfalls ging aus der Liaison mit der aus dem nicht weit von Braunau entfernten Weng stammenden Bauerntochter Franziska Matzelsberger, die im Braunauer Gasthof Streif als Magd oder Kellnerin arbeitete und wo auch das Ehepaar Hitler wohnhaft gewesen war, ein Kind hervor: Alois Matzelsberger. Die Entbindung erfolgte nicht in Braunau, sondern in Wien in der Wohnung des Ehepaars Johann und Johanna Prinz in der Löwengasse 28 im dritten Wiener Gemeindebezirk. Am 22. Jänner fand in der Wiener Pfarre St. Othmar (unter den Weißgerbern) die Taufe statt.87 Taufpaten waren Johanna und Johann Prinz. Man mag damit vielleicht Innviertler Tratschereien ausgewichen sein. Aber es gab gute Gründe für diese Wahl: Johann Prinz war jener aus dem Waldviertel stammende Verwandte, der Alois schon 1852 bei seinen ersten Wiener Schritten zur Seite gestanden sein dürfte; ein Sohn des Bauern Martin Prinz, den er schon von Spital her kannte, und ein Verwandter des Döllersheimer Lehrers Franz Prinz, welcher der Trauzeuge bei der Eheschließung von Johann Georg Hiedler mit Alois Hitlers Mutter gewesen war. Die Entbindung in Wien bot sich aber auch deswegen an, weil die Gattin Johanna Prinz eine ausgebildete Hebamme war.88

Erst nach dem am 6. April 1883 erfolgten Tod seiner von ihm getrennten Frau Anna Glassl-Hitler, Todesursache »Abzehrung«, konnte Alois die »wilde« Beziehung klären. Bereits ein paar Wochen später, am 22. Mai 1883, heiratete er die damals 22-jährige Franziska Matzelsberger, Tochter des Sebastian Matzelsberger, Bauer in Weng, und der Maria, geb. Weyrer. Nun war der Altersabstand in der anderen Richtung groß. Während Anna 14 Jahre älter als ihr Bräutigam gewesen war, war Franziska, genannt »Fanny«, 18 Jahre jünger. Trauzeugen waren Amtskollegen, der k.k. Zollamtsoffizial Ludwig Högl und der k.k. Zollamtsassistent Karl Wessely. Trauender Priester war Johann Neisser, der Pfarrer in Ranshofen. Das Heiratsgut der Braut war mit 1.000 fl um 100 fl höher als das damalige Jahreseinkommen des Bräutigams. Am 13. Juli 1883 wurde der gemeinsame Sohn Alois legitimiert und auf den Namen des Vaters, damals schon Hitler, umgeschrieben.

Zum Zeitpunkt der Hochzeit war Fanny bereits wieder hochschwanger. Am 28. Juli 1883 kam die Tochter Angela zur Welt. Entbunden wurde sie wiederum von der Hebamme Johanna Prinz in Wien und dort am 11. August auch getauft. Doch das junge Eheglück währte nicht lang. Weil Fanny bald nach der Hochzeit an Tuberkulose erkrankte, wollte sie in der guten Luft des Lachforsts Heilung suchen, wo sie bei einem Bauern, dem Lachtommerl, wohnte und dort am 10. August 1884 im Alter von 23 Jahren verstarb. Dass Alois den Sarg schon vor dem Tod bestellt habe, wird man wohl in die Reihe böser Unterstellungen einordnen dürfen. Aber zwei kleine Kinder waren zu versorgen, und Alois hatte offensichtlich längst eine neue Beziehung. Er musste schon wegen der Kleinkinder wieder heiraten und wusste auch schon wen: Die neue Auserwählte war Klara Pölzl, die Enkelin seines Ziehvaters Johann Nepomuk, die einen Dienstposten brauchte und bereits 1875/76 zur Entlastung von Anna Glassl in Hitlers Haushalt tätig gewesen war, dann aber den Hitlerschen Haushalt vorübergehend verlassen hatte. Als aber Hitlers Familie rasch größer und Franziska immer kränklicher geworden war, war Klara wieder zur Entlastung und bald auch als Zweitfrau zur Stelle. Klara war alles: Nichte, Mätresse, Dienstmädchen, Kindermädchen und Pflegehilfe.

Ein gehöriges Stück Unmoralität schwingt da schon mit: »Die Moralität im Innviertel ist äußerst schlecht«, hatte schon 1819 der Linzer Bischof Sigismund Ernst von Hohenwart an Kaiser Franz I. berichtet: »Fast in allen Taufbüchern der visitierten Pfarren fand ich eine Menge der unehelichen Kinder.« Er führte dafür auch eine Reihe von Gründen an: die Kriege, die Tanzunterhaltungen und »leider, das muss ich mit traurigem Herzen sagen, die nicht gar erbaulichen Beispiele mancher Seelsorger«.89 Als besondere Untreue ist daher auch Hitlers Ménage-à-trois – oder gar à-quatre mit Anna, Franziska und Klara – im Innviertel offenbar nie wahrgenommen und gewertet worden. Als Alois noch mit Anna verheiratet war, soll die aus dem Waldviertel geholte Klara schon Anlass zu Ehezwist geliefert haben, musste aber dann doch gegenüber Franziska zurückstehen. Und auch als Franziska krank wurde und die Beziehungen mit Klara wieder auflebten oder weitergingen, scheint das niemanden gestört zu haben, weil Klara regelmäßig von Braunau nach Ranshofen hinauskam, um Franziska abwechselnd mit deren Mutter zu pflegen. Ziemlich zeitgleich mit dem Tod Franziskas war Klara schon schwanger geworden. Doch für eine Heirat gab es ein nicht vorhergesehenes Hindernis, nämlich die im Jahr 1876 erfolgte Legitimierung und Namensänderung des Alois Schicklgruber auf Alois Hitler. Denn damit war Klara Pölzl als Enkelin des Johann Nepomuk Hüttler juridisch zu einer nahen Verwandten des nunmehrigen Bräutigams Alois Hitler geworden.

Es liegt ein erotisch aufgeladener Schleier über Alois Hitlers Ehestrategien und Sexualleben. Erstens die sehr ungleichen Körper, die aufeinander trafen: junger Mann und alte Frau und hernach alter Mann und junge Frauen. Zweitens die vorehelichen und außerehelichen Beziehungen, die eine merkwürdig große Rolle spielen. Und drittens die Inzestsituation, die bei seiner dritten Frau Klara gegeben war, und das nicht nur bei ihrer eigenen Heirat, sondern auch schon bei der Eheschließung ihrer Eltern.

Die Heiratsstrategien des Alois Hitler waren durchaus ungewöhnlich. Während dort, wo es Gewerbeberechtigungen oder Bauernhäuser zu vererben gab, die Heirat junger Handwerksgesellen oder ausgesteuerter Bauernsöhne mit älteren Witwen, die ein solches Haus oder Gewerbe besaßen, als Aufstiegsstrategie häufig war, ebenso wie die Heirat verwitweter Bauern oder Gewerbetreibender mit sehr viel jüngeren Frauen, war dies bei Lohnabhängigen – sowohl bei Industriearbeitern als auch bei Beamten – eher ungewöhnlich. Voreheliche Beziehungen und eheliche Seitensprünge waren zwar häufig, obwohl sie als sündhaft gebrandmarkt wurden. Aber es gab sie vornehmlich als eine Art Probeehe, die mehr oder weniger rasch in eine Ehe mündete, oder als das Resultat fehlender Heiratschancen im Falle hausrechtlicher Abhängigkeit oder ungenügender Einkommen. Beides traf bei Beamten nicht zu. Uneheliche Kinder waren daher im Beamtenmilieu eher auffällig und stießen dort auch viel häufiger auf Kritik. Inzestsituationen hingegen waren dort am häufigsten, wo die Vermögen in der Familie gehalten werden sollten oder die Heiratskreise sehr eng waren: im hohen Adel, aber auch im vermögenden Judentum oder in abgeschiedenen dörflich-bäuerlichen Situationen, wie es in Spital bei Weitra der Fall war. Auch diesbezüglich gab Hitler Anlass für Tratsch, weil seine Stellung eine ganz andere war und es für inzestuöse Heiratsstrategien keinerlei logische Gründe gab.

Dass Alois Hitler neben seinen drei Ehen auch mehrere uneheliche Kinder zugeschrieben wurden, im Waldviertel, in Wien oder auch in Schwarzenberg im obersten Mühlviertel, wo er sicher nie war, gehört zur Mythenbildung, die sich in den 1930er Jahren entfaltete, als sein Sohn Adolf berühmt geworden war. Im Jahr 1867/68 soll es eine Affäre mit einer gewissen Thekla Penz, geboren am 24. September 1844 in Arbesbach, Bezirk Zwettl, gegeben haben, aus der eine Tochter namens Theresia hervorgegangen sei.90 Diese habe später in Schwertberg einen Johann Ramer geheiratet und mindestens sechs Kinder zur Welt gebracht, also Cousins und Cousinen Adolf Hitlers aus einem Seitensprung des Vaters.91 Eines dieser Kinder namens Fritz hätte mit Adolf Hitler eine derartige Ähnlichkeit gehabt, dass Jetzinger zu ihm in den 1950er Jahren gesagt haben will: »Wenn Sie sich weiter diese Hitler-Frisur machen, nehmen Sie die Amerikaner noch als vermeintlichen Adolf hopp!« und man diesem laut Jetzinger schon sieben Jahre früher im Sippenamt bedeutet haben soll: »Sie braucht man bloß anzusehen, dann weiß man, dass Sie vom alten Hitler stammen.«92 Ähnlich verhält es sich mit einem Cousin in Schwarzenberg, der noch mehr ein Phantom ist als Theresia Penz.93 Auch in Wien munkelte man über uneheliche bzw. außereheliche Kinder. Da könnte man aber auch an eine Verwechslung mit der Patenschaft denken. Und alle diese Geschichten tauchten erst in den 1930er Jahren auf.

Die dritte Heirat

Als Alois Hitler 1885 zum dritten Mal heiraten wollte, diesmal Klara Pölzl, ein Enkelkind von Johann Nepomuk Hüttler, ergaben sich aus seiner vorausgegangenen Legitimierung ernste Schwierigkeiten: Denn die auserwählte Braut Klara Pölzl war damit zu einer Großcousine und die formelle Verwandtschaft zu einem Ehehindernis geworden, für das eine päpstliche Inzestdispens erforderlich war. Und hätte sich Johann Nepomuk, der Großvater der Braut, 1876 als Vater von Alois deklariert, wäre eine Dispensierung gesetzlich überhaupt nicht möglich gewesen.

Was Alois zu der Heirat bewog, ob er sich einer inzestuösen Schuld bewusst war, wen er selbst für seinen Vater hielt und ob die Entscheidung aus Liebe, finanziellen Gründen oder schlicht aus dem Zwang erfolgte, rasch wieder eine Hausfrau und Mutter für die Kinder zu finden, muss offen bleiben. Nach Franziskas Krankheit und ihrem frühen Tod brauchte er jedenfalls möglichst sofort eine Hausfrau und Betreuerin für die Kinder. Wenn 1876 bei der Legitimierung die Aussicht auf einen Anteil an Johann Nepomuks zu erwartendem Erbe tatsächlich eine Rolle gespielt haben sollte, so war dies erst durch die Heirat mit dessen Enkelin wirklich in greifbare Nähe gerückt. Und erst als 1888 dessen Tod tatsächlich eintrat, konnte Alois an dem Erbteil, der Klara vielleicht zustand, als ihr Gatte partizipieren.

Vorerst war ein Ansuchen an den Bischof zu stellen, das dieser gar nicht selbst entscheiden durfte, sondern in lateinischer Übersetzung an den Papst nach Rom weiterleiten musste: »Die in tiefster Ehrfurcht Gefertigten sind entschlossen, sich zu ehelichen. Es steht aber denselben laut beiliegendem Stammbuch das kanonische Hindernis der Seitenverwandtschaft im dritten Grad berührend den zweiten entgegen. Deshalb stellen dieselben die demütige Bitte, das Hochwürdige Ordinariat wolle ihnen gnädigst die Dispens erwirken.« 94 Als Gründe wurden angeführt, dass Alois seit 10. August verwitwet sei und für zwei unmündige Kinder zu sorgen habe, für welche er notwendig einer Pflegerin bedürfe, da er als Zollbeamter den ganzen Tag, oft auch nachts, vom Hause abwesend sei und daher die Erziehung der Kinder nur wenig überwachen könne. Dass die Braut die Pflege der Kinder bereits nach dem Tod der Mutter übernommen habe und diese ihr sehr zugetan seien, erlaube ferner den Schluss, dass die Erziehung derselben gedeihen und die Ehe eine glückliche werden würde. Überdies habe die Braut kein Vermögen und es dürfte ihr daher nicht so leicht eine andere Gelegenheit zu einer anständigen Verehelichung geboten werden, wurde noch recht materialistisch hinzugefügt.

Für den kirchlichen Amtsweg überraschend schnell kam aus Rom die positive Erledigung. Unmittelbar darauf fand am 7. Jänner 1885 die Trauung statt. Trauzeuge war wieder der Amtskollege Ludwig Högl. Die Braut war hochschwanger und die Hochzeit wenig feierlich. »Um 6 Uhr früh haben wir in der Stadtpfarrkirche von Braunau geheiratet, und um 7 Uhr ging mein Mann schon wieder in den Dienst«, soll Klara später erzählt haben.95 Die Küchenhilfe Rosalia Schichtl bereitete ein Hochzeitsfrühstück, an dem auch die Trauzeugen teilnahmen. Für ausgedehnte Feierlichkeiten, wie sie in der bäuerlichen und auch bürgerlichen Umgebung damals üblich waren, fehlten Geld und Zeit. Ein Hochzeitsurlaub oder auch nur ein freier Tag waren zur damaligen Zeit für Beamte ohnehin nicht vorgesehen, wie auch andere Zollbeamte noch Jahrzehnte später erleben mussten.

Der Altersunterschied zwischen den beiden Eheleuten war mit 23 Jahren diesmal noch größer als bei der zweiten Heirat: Alois war 48 Jahre alt, Klara 25. All das war nicht ohne erotische Reize: Nicht nur die große Altersdifferenz und die bereits sichtbare Schwangerschaft, sondern auch die nicht ganz klaren verwandtschaftlichen Verhältnisse gaben Anlass für Tratschereien: Klara sprach ihren Ehemann noch lange Zeit weiter als Onkel an. Für sie war es tatsächlich die große Chance, im Haushalt des Beamten Alois Hitler nicht nur eine finanzielle Absicherung, sondern auch einen Statusgewinn zu finden.

Das Dienstmädchen Rosalia Schichtl, das bei den Hitlers gearbeitet hatte, schied aus dem Haushalt, weil man sie nicht mehr brauchte und sie im Sommer 1889 den Kaufmann und Hausbesitzer Georg Hörl heiratete. Ihren früheren Dienstgeber beschrieb Hörl, allerdings im Jahr 1940, einerseits als »ausgesprochen pflichtbewusst, arbeitsfreudig und strebsam, der ganz in seinem Dienst aufging«, anderseits als »gemütlich und sehr rücksichtsvoll«. »Er war kein Schuft«, sagte sie.96

Für die Heirat mit seiner Großcousine Klara Pölzl war eine päpstliche Inzestdispens erforderlich: Abschrift des Schreibens an den Bischof.

War bei ihrer Trauung mit Alois Hitler bereits hochschwanger: Klara Hitler, um 1885. Die nicht ganz klaren Verhältnisse gaben schon damals Anlass 68 zu Tratschereien.

Alois Hitler wohnte damals bereits in dem später so bekannt gewordenen »Hitler-Haus«, damals »Gasthof zum Braunen Hirschen«. Noch vor der Eheschließung war das Paar von der Adresse »Außer der Stadt 291«, wo Hitler während der Ehe mit Matzelsberger gewohnt hatte, in den Gasthof Dafner, später bekannt als Gasthof Pommer, Vorstadt 219, übersiedelt. Bereits vier Monate nach der Hochzeit, am 17. Mai 1885, kam das erste Kind: Gustav Hitler, und am 25. September 1886 bereits ein weiteres: Ida. Aber das Schicksal meinte es nicht gut: Gustav verstarb als Zweieinhalbjähriger am 8. Dezember 1887 kurz nach Idas Geburt an Diphtherie und er hatte vorher auch noch Ida angesteckt, die ihm am 2. Jänner 1888 in den Tod nachfolgte. Ob es mit diesen geballten Schicksalsschlägen zusammenhing, dass Alois in Briefen sehr viel später von einer schweren psychischen Krise sprach, die er damals durchgemacht hatte, und fünf Tage nach dem Begräbnis am 7. Jänner 1888 ein sehr merkwürdiges Inserat in der Neuen Warte am Inn platzierte? »Elegante Wohnung, 1. Stock, 4 Zimmer, Küche, Keller, Boden, größerer Obst- und Gemüsegarten nebst Stallung zu beziehen. Mietzins sehr mäßig. Näheres bei Herrn Alois Hitler.«97 Was hinter diesem Inserat steckt, bleibt im Dunkeln. Wollte die Familie, die innerhalb eines Monats zwei Kinder verloren hatte, die zu große Wohnung abgeben? Dachte Alois an eine Übersiedlung, vielleicht ins Waldviertel? Wollte er vorzeitig in Pension gehen? Dachte er, keine Kinder mehr zu haben? Man muss das Inserat als Ausdruck tiefer Verzweiflung und Resignation interpretieren: Die Hitlersche Familienplanung schien gescheitert. Dass aus dem Wohnungswechsel dann doch nichts wurde, hat der Weltgeschichte eine tragische Wendung beschert.

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