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Czcionka:

Man kann daher auch noch zu Beginn des dritten Jahrtausends, im Sinn der längst „klassischen“ Definition von Maletzke (1963: 32)

Massenkommunikation als einen Prozess begreifen, bei dem Aussagen öffentlich (d. h. ohne begrenzten oder personell definierten Empfänger·innenkreis), indirekt (d. h. bei räumlicher oder zeitlicher oder raum-zeitlicher Distanz zwischen den Kommunikationspartner·innen) und (in der Regel) einseitig (d. h. ohne Rollenwechsel zwischen Kommunikator·in und Rezipient·in), durch technische Verbreitungsmittel (nämlich: Massenmedien) an ein disperses Publikum vermittelt werden.

Soweit die Klassifikation des Massenkommunikationsprozesses nach den beobachtbaren, mehr oder weniger formalen Kennzeichen des Kommunikationsgeschehens. Wie verhält es sich aber, wenn man die oben, handlungstheoretisch (im Anschluss an Max Weber) hergeleiteten Interessen und Ziele der in den Kommunikationsprozess involvierten Personen mitdenkt, wenn man also auch Massenkommunikation als eine Form sozialen Handelns begreift?

Massenkommunikation und soziales Handeln

Schon sehr früh wurde hervorgehoben, dass es sich beim Massenkommunikationsprozess um einen Vorgang handelt, „in dem spezielle soziale Gruppen technische Einrichtungen anwenden, um einer großen, heterogenen und weitverstreuten Zahl von Menschen symbolische Gehalte zu vermitteln“ (Janowitz/Schulze 1960: 1). Es erscheint somit durchaus angemessen, diese sozialen Gruppen bzw. deren Mitglieder als „Kommunikator·innen“ und deren Aktivitäten als „kommunikatives Handeln“ zu begreifen – ganz im Sinn des Begriffsverständnisses, wie es im Kap. 2 dieses Buches entwickelt worden ist.

Man kann freilich diese Angemessenheit grundsätzlich infrage stellen, wie das schon vor vielen Jahren z. B. der Soziologe Janpeter Kob prononciert getan hat, für den im Phänomen der „Massenpublizistik“ nur „sehr verkrampft […] eine Art von Kommunikation“ (Kob 1978: 393) zu erkennen war. Kob sprach in diesem Zusammenhang sogar von einem „Kommunikationsmythos“ (1979: 4973), der sich nicht zuletzt infolge der Bezeichnung „Massenkommunikation“ eingebürgert habe: In Wahrheit werde hier nämlich „nicht zwischen irgendwelchen Personen kommuniziert, sondern es werden – mit den unterschiedlichsten Intentionen – publizistische Produkte genutzt“ (ebd.: 4976).5 Schließlich sei auch die Merkmalsbestimmung „einseitige Kommunikation“ (als deren Folge sich erst das „disperse Publikum“ ergebe, weil man eben nicht wisse, mit wem man kommuniziere) eine typische Contradictio in adjecto: „Einseitig kann keine Kommunikation sein, selbst die schlichteste Vorstellung von ihr muss Wechselseitigkeit implizieren“ (ebd.) und deshalb handle es sich bei Massenkommunikation eben nicht um Kommunikation.

Hier übersieht Kob allerdings, dass Maletzke mit „einseitiger“ Kommunikation lediglich auf die Polarisierung der kommunikativen Rollen hinweisen wollte, wie sie z. B. auch im Rahmen einer Kommunikation via Brief oder auch während eines Vortrags stattfindet. Die von Kob (zu Recht) vertretene Ansicht von der unbedingten Wechselseitigkeit jeder Kommunikation bezieht sich dagegen auf das im vorliegenden Buch mit implizite Reziprozität bezeichnete Merkmal von Kommunikation. Danach kann erfolgreiche Bedeutungsvermittlung (also: gelungene Kommunikation bzw. Verständigung) nur dann zustande kommen, wenn einer Mitteilungs-Handlung seitens des·der Kommunikator·in auch eine Verstehens-Handlung seitens der Rezipient·innen entspricht. Dieses kommunikative Handeln auf beiden Seiten muss aber nicht unbedingt mit einem Rollenwechsel (bei Maletzke: mit gegenseitiger Kommunikation) verbunden sein.

Als Zwischenbilanz der Begriffserklärung von Massenkommunikation lässt sich somit festhalten:

Die mit Hilfe technischer Verbreitungsmittel vorgenommene Vermittlung von Aussagen an disperse Publika ist zweifellos ein kommunikatives – d. h. auf Verständigung hin angelegtes – Geschehen, das jedoch nicht generell a priori (also bevor es stattfindet) und auch nicht in jedem Fall ex post (nachdem es stattgefunden hat) als „Kommunikation“ begriffen werden kann und soll. Dennoch: Die Chance, dass eine – auf Basis der impliziten Reziprozität kommunikativer Handlungen angestrebte – Verständigung zwischen einem·einer Kommunikator·in und wenigstens einem Teil des dispersen Publikums tatsächlich zustande kommt, ist in der Regel vorhanden.

Der Prozess der Massenkommunikation kann somit sehr wohl als ein grundsätzlich kommunikatives Geschehen verstanden werden, in dem Kommunikation auch tatsächlich gelingen kann, aber nicht notwendigerweise gelingen muss.

Was nun die spezielle Intention kommunikativen Handelns (also: das Interesse des jeweils Handelnden) sowie das variable Ziel (die Realisierung seines jeweiligen Interesses) betrifft, so scheint hier eine weitere Besonderheit massenmedial verbreiteten kommunikativen Handelns vorzuliegen: Man kann eine Übergewichtung des „situationsbezogenen“ Interesses6 unterstellen. Ich würde sogar die These vertreten, dass bei (vielen) öffentlichen Aussagen das inhaltsbezogene Interesse von einem bestimmten situationsbezogenen Interesse überlagert, wenn nicht sogar dominiert wird.

Interesse an Publizität

Publizität meint (im Anschluss an Groth 1960) „die grundsätzliche Zugänglichkeit der Aussage für jedermann“ (Merten 1999: 147). Publizität ist die unumstößliche Konsequenz der Veröffentlichung einer Aussage via Massenkommunikation. Im Prinzip kann dann jeder von der vermittelten Botschaft wissen, niemand ist vom Empfang des Inhalts ausgeschlossen (Groth 1998: 49 ff.).7

Das bedeutet im Klartext: Diejenigen, deren kommunikatives Handeln infolge seiner massenmedialen Verbreitung öffentlichen Charakter gewinnt, schöpfen bereits aus dem Umstand, dass sie mit ihren Äußerungen öffentliche Präsenz gewinnen, eine zentrale Motivation zur Produktion von Aussagen. Damit soll keineswegs die Existenz eines „inhaltsbezogenen“ Interesses öffentlicher kommunikativer Handlungen geleugnet werden. Der Hinweis auf die Übergewichtung dieses speziellen „situationsbezogenen“ Interesses deutet vielmehr auf eine grundsätzlich neue Qualität kommunikativen Handelns hin, die dieses erst durch seinen öffentlichen Charakter gewinnt.

Dazu sei abermals auf Kob verwiesen, der in diesem Zusammenhang von der „Attraktion der Publizität“ (1978: 394) spricht. Publizität stellt für ihn nicht nur einen elementaren Anlass für öffentlich-kommunikatives Handeln dar, er sieht darin auch eine zentrale Motivation der Zuwendung seitens derer, die diese veröffentlichten Aussagen rezipieren. Für beide Seiten (Kommunikator·innen wie Rezipient·innen) sei es nämlich vorrangig diese Attraktion der Publizität, die sie zum Handeln bringt. Kob unterscheidet verschiedene Interessen, die hier im Spiel sind:

•Das Interesse an eigener Publizität.

Öffentliche Präsenz ist heute längst für alle möglichen Organisationen und Institutionen sowie diverse Personengruppen – ob aus Politik, Wirtschaft oder Kultur (Kunst, Wissenschaft) – existenznotwendig geworden.8 Publizität via Massenkommunikation ist nach wie vor ein probates Mittel, um öffentliche Aufmerksamkeit zu erlangen.

•Das Interesse zu publizieren.

Damit meint Kob das Interesse (z. B. von professionellen Journalist·innen), Tatbestände, Ereignisse, Personen, Ideen etc. (also: materielle und geistige Produkte) öffentlich – und damit potentiell jedermann – zugänglich zu machen.

•Das Interesse des Publikums am publik Gemachten.

Wie bereits erwähnt, ist auch für die Rezipient·innen der „publizistische Charakter“ solcher öffentlichen (genauer: veröffentlichten) Produkte vielfach der eigentliche Anlass, sich den Medien zuzuwenden. Man nimmt „Erscheinungen wahr, von denen man weiß, dass gewichtige soziale Institutionen sie für allgemein relevant halten und dass gleichzeitig eine Unzahl anderer Menschen in der weiteren und näheren Umwelt ebenfalls auf sie aufmerksam sind. Der publizistische Charakter dieser Produkte hebt sie für den Rezipienten eben über den Bedeutungshorizont beliebiger sonstiger menschlicher Äußerungen hinaus, denen er alltäglich begegnet, denn damit signalisieren sie ihm gesellschaftlich sehr generelle Aufmerksamkeitsschwerpunkte“ (Kob ebd.: 395).

Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass „Publizität als Vermittlung von Politik und Moral“ (Habermas 1990: 178) bereits im Jahre 1796 von niemand Geringerem als dem deutschen Aufklärungsphilosophen Immanuel Kant (1724–1804) eingeführt wurde. Nach Kants Auffassung sollte das Prinzip der Publizität den·die Gesetzgeber·in sowohl beim Prozess der Gesetzgebung, als auch bei „der nachträglichen Beurteilung der Rechtmäßigkeit politischer Entscheidungen“ (Rühl 1999: 126) leiten. In den Worten Kants: „Alle auf das Recht anderer Menschen bezogene Handlungen, deren Maxime9 sich nicht mit der Publizität verträgt, sind unrecht“ (Kant 1968: B 98–99; zit. n. Rühl: ebd.).

Erstes Fazit: Massenkommunikation ist öffentlich – und potenziell auch Kommunikation

Als Ergebnis der hier diskutierten Begriffsbestimmung lässt sich nun formulieren:

Massenkommunikation ist ein via Massenmedien organisierter öffentlicher, indirekter (in der Regel) einseitiger aber dennoch grundsätzlich kommunikativer Prozess, in dem die Chance auf gelingende Kommunikation (wie sie in diesem Buch definiert worden ist) durchaus besteht.

Abseits inhaltlicher Zielsetzungen sind die kommunikativen Handlungen (sowohl auf der Kommunikator·innen- als auch auf der Rezipient·innenseite) zudem von einem speziellen Interesse her motiviert: von der Attraktivität der Publizität.

5.2 Massenkommunikation, Öffentlichkeit und Internet

Diese Publizität zu erzeugen, ist eine fundamentale Leistung der publizistischen Medien10. Publizistik11 „stellt Öffentlichkeit für Personen und Sachverhalte her und macht diese bekannt“ (Saxer 2002: 3). Gegen den (älteren) Begriff Publizität, der ursprünglich mit der (im Rahmen der Französischen Revolution) erkämpften Presse- und Meinungsfreiheit im nachabsolutistischen Staat verbunden war, hat sich nach und nach der modernere Begriff der Öffentlichkeit durchgesetzt (vgl. Rühl 1999: 125 ff.). Kommunikation, die in der Öffentlichkeit stattfindet, ist daher auch ein zentraler Fokus der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Was versteht man aber genau unter Öffentlichkeit, wofür ist sie wichtig und wie entsteht sie heute? Der Terminus öffentlich wird im deutschen Sprachraum in der Regel als Gegensatz zu privat verwendet. Diese Unterscheidung ist tief im abendländischen Denken verankert (Peters 1994, Weintraub 1997) und gilt als „fundamental für moderne, liberale politische und rechtliche Ordnungen“ (Peters 1994: 43). Nicht zufällig wird privat auch mit Etikettierungen wie vertraulich und geheim verbunden, denn es geht um eine soziale „Grenzziehung im Bereich von Kommunikation und Wissen“ (ebd.).

Mit Privatheit ist derjenige Bereich gemeint, in dem Menschen ihren natürlichen Affekten (v. a. innerhalb der familiären Intimsphäre) „und ihren privaten Geschäften (Markt) nachgehen“ (Imhof 2003: 193). Private, vertrauliche oder geheime Aktivitäten geschehen abgeschirmt „gegenüber Beobachtung oder Kenntnis von Unbefugten“ (Peters 1994: 44) und gelten als legitim (wie z. B. das Brief- oder das Geschäftsgeheimnis). Sogar in modernen Demokratien, die vielfach auf Transparenz setzen, werden Ausnahmen (wie Staatsgeheimnisse oder Beratungen hinter verschlossenen Türen) weithin anerkannt (ebd.).

Öffentlich nennen wir dagegen Plätze, Häuser oder „Veranstaltungen, wenn sie, im Gegensatz zu geschlossenen Gesellschaften, allen zugänglich sind“ (Habermas 1990: 54). Diese Zugänglichkeit impliziert Situationen, in denen man auch mit „der grundsätzlichen Beobachtbarkeit von allem durch alle“ (Merten 1999: 217) rechnen muss – eben „im Sinne von nicht mehr geheim“ (ebd.: 219). Als öffentlich gilt schon seit jeher das, was „der Wahrnehmung jedes Menschen zugänglich“ (Pöttker 2010: 110) ist.

Aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive kann man unter Öffentlichkeit „ein offenes Kommunikationsforum für alle, die etwas sagen oder das, was andere sagen, hören wollen“ (Neidhardt 1994: 7) verstehen. Im deutschen Sprachraum ist die Bedeutung des Begriffs Öffentlichkeit eng mit der Rede-, Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit verbunden, wie sie vom liberalen Bürgertum des 18. Jahrhunderts als Prinzip gegenüber dem absolutistischen Staat angestrebt wurde (Donges/Jarren 2017: 75). In einer Zeit, als das (vom jeweiligen Monarchen) zu gewährende Druck-Privileg und die Zensur repressive Instrumente absolutistischer Kommunikationspolitik waren (ausführlich dazu: Duchkowitsch 2014)12.

Öffentlichkeit „lässt sich am ehesten als ein Netzwerk für die Kommunikation von Inhalten und Stellungnahmen“ (Habermas 1992: 436) beschreiben, deren politische Funktion darin besteht, „gesamtgesellschaftliche Probleme wahrzunehmen und zu thematisieren“(ebd.: 441). Kennzeichnend für die politische Öffentlichkeit in modernen, demokratisch organisierten Gesellschaften ist eine Vielzahl an Kommunikationsforen mit prinzipiell offenem Zugang (d. h. ohne Bedingungen einer Mitgliedschaft), in denen sich verschiedene Akteure vor einem breiten Publikum zu verschiedenen politischen Themen äußern können (Gerhards 2002: 694).

Formal betrachtet, entsteht Öffentlichkeit „dort, wo ein Sprecher vor einem Publikum kommuniziert, dessen Grenzen er nicht bestimmen kann“ (Neidhardt 1994: 10). In den modernen Mediengesellschaften (Saxer 2012a) gilt dies in erster Linie für die Kommunikation via Massenmedien, die gleichsam einen allgemein zugänglichen (virtuellen) öffentlichen Raum herstellen, in dem sich verschiedene Gruppen um die Aufmerksamkeit der Bürger bemühen. Mit Blick auf Politik und Wirtschaft geht es freilich auch um die Beeinflussung des Wahl- sowie des Kaufverhaltens.

Der Soziologe Friedhelm Neidhardt (1994) hat gegen Ende des 20. Jhdts. eine vielzitierte Definition formuliert, die etwas später im Team (zwecks empirischer Umsetzung) zwar elaborierter, aber dennoch um wesentliche Aspekte verkürzt, publiziert worden ist (Gerhards/Neidhardt/Rucht 1998). Deshalb seien hier beide Versionen wiedergegeben:

Version1:

Moderne Öffentlichkeit ist ein relativ frei zugängliches Kommunikationsfeld, in dem ‚Sprecher’ mit bestimmten Thematisierungs- und Überzeugungstechniken versuchen, über die Vermittlung von ‚Kommunikateuren’ bei einem ‚Publikum’ Aufmerksamkeit und Zustimmung für bestimmte Themen und Meinungen zu finden“ (Neidhardt 1994:7).

Version 2:

Öffentlichkeit ist ein im Prinzip frei zugängliches Kommunikationsforum, für alle, die etwas mitteilen, oder das, was andere mitteilen, wahrnehmen wollen. In den Arenen dieses Forums befinden sich die Öffentlichkeitsakteure, die zu bestimmten Themen Meinungen von sich geben oder weitertragen: einerseits das Ensemble der Sprecher (z. B. Politiker, Experten, Intellektuelle, der ‚Mann auf der Straße‘ als ‚Augenzeuge‘), andererseits die Medien (also vor allem die Journalist·innen). Auf der Galerie des Öffentlichkeitsforums versammelt sich eine mehr oder weniger große Zahl von Beobachtern: das Publikum (Zuschauer, Hörer, Leser)“ (Gerhards/Neidhardt/Rucht 1998: 38).

Was an diesen Definitionen bzw. an diesem Verständnis von Öffentlichkeit wichtig ist:

•Zunächst, dass reale Öffentlichkeit nur als relativ frei oder als im Prinzip frei zugänglicher Kommunikationsraum begriffen werden kann. Abseits der idealtypischen normativen Vorstellung von Öffentlichkeit (vgl. Peters 1994) als einer für alle zugänglichen Sphäre, verfügen in konkreten Situationen aus verschiedenen (materiellen, physischen, psychischen, sozialen oder temporären) Gründen naturgemäß niemals wirklich „alle Individuen“ (auch nicht alle, die vom jeweiligen Thema betroffen sind) über die gleichen Teilnahmechancen. Heute wird mit dem Begriff „Öffentlichkeit“ daher in der Regel ein bestimmter Kreis von Personen gemeint, „die Zugang zu Informationen haben, über die sie ohne (oder nur unter geringen) Beschränkungen miteinander kommunizieren können“ (Pöttker 2013: 252).

•Außerdem wird deutlich, dass Öffentlichkeit in der Regel nicht zufällig, sondern anlassbezogen entsteht. Sie wird vielfach unter „Konkurrenzdruck“ (Neidhardt 1994: 17) von verschiedenen Akteuren regelrecht hergestellt. Diese Akteure verfolgen jeweils spezifische Interessen: Sie wollen Aufmerksamkeit für ihre Themen erzeugen, eventuell auch Zustimmung für ihre Meinungen finden und versuchen daher, ihre Beiträge an ein großes Publikum zu vermitteln (vgl. ebd.).

•Sodann weist die Definition darauf hin, dass sich im Kommunikationssystem Öffentlichkeit unterschiedliche Akteursgruppen herausbilden. Es kommt demnach zu einer Rollenverteilung:13 sogenannte Sprecher·innen und Hörer·innen (in ihrer Vielzahl: das Publikum) sowie – gleichsam als Bindeglied zwischen Sprecher·innen und Publikum – die Vermittler (Kommunikateure) in Gestalt von professionellen Journalist·innen, die in den Redaktionen von Massenmedien arbeiten.

Sprecher·innen können in verschiedenen Rollen auftreten (Donges/Jarren, 2017: 86 ff., Peters 1994: 57 ff., Pfetsch/Bossert 2013): Als Repräsentant·innen sozialer Gruppierungen (Interessenverbände, politische Parteien oder andere Organisationen sowie Betroffene/Involvierte), als Expert·innen (Spezialist·innen aus diversen Professionen oder Wissenschaften), als Advokat·innen (die anstelle von Betroffenen deren Situation artikulieren) als öffentliche Intellektuelle (wie Literat·innen, Künstler·innen oder Wissenschaftler·innen), die sich kraft ihrer Reputation als „Zeitdeuter“ (Peters 1994: 58) äußern oder auch als Kommentator·innen (z. B. Journalist·innen, die nicht bloß berichten, sondern auch Meinungen äußern).

Der schon seinerzeit diagnostizierte Trend in der Politik, wonach „die etablierten Sprecher ihre ‚Public Relations’ professionalisieren und damit zu eigenständigen Öffentlichkeitsgrößen werden“ (Neidhardt 1994: 36) hat sich inzwischen im Rahmen einer umfassenden Kommunifizierung (Langenbucher 1983, Plasser 1985, Vowe/Opitz 2006) und Medialisierung (Donges 2008, Marcinkowski/Steiner 2010, Saxer 2012a: 25 ff., Schulz 2011: 30 ff.)14 nicht nur der Politik, sondern in praktisch allen Bereichen unserer Gesellschaft weitgehend etabliert.15

Als Vermittler·innen oder Kommunikateur·innen gelten sodann Journalist·innen, die innerhalb professioneller Medienorganisationen „auf Basis eines redaktionellen und publizistischen Programms“ (Donges/Jarren 2017: 87) tätig sind. Sie haben Kontakt zu den jeweiligen Sprecher·innen, holen Informationen ein, greifen Themen auf und kommentieren diese.

•Was schließlich die Hörer·innen und somit das Publikum als Adressaten der Botschaften betrifft, so hat man es hier vorwiegend mit Laien zu tun, bei denen für die meisten Themen sowohl die Aufmerksamkeit, als auch das Interesse zunächst einmal zu wecken ist. Die Sprecher·innen benötigen daher Thematisierungsstrategien, „um Aufmerksamkeit für bestimmte Themen zu erzielen und damit ein Publikum für diese Themen überhaupt erst zu konstituieren“ (Neidhardt 1994: 18) und sie benötigen Überzeugungsstrategien, „um Meinungen zu den Themen durchzusetzen, die auf der Agenda der Öffentlichkeit verhandelt werden“ (ebd.).

•Gut brauchbar scheint auch noch das Bild von der Arena (Hilgartner/Bosk 1988) zu sein. Auf den Plätzen für die Zuschauer·innen (sowie auf der Galerie) befinden sich (mehr oder weniger entfernt) die Beobachter·innen, d. h. das Publikum, um dessen Aufmerksamkeit (und Beeinflussung) die Akteure in der Arena buhlen. Man spricht heute allerdings von verschiedenen Arenen (z. B. von der parlamentarischen, administrativen, öffentlichen Arena), die jeweils „über bestimmte Problembearbeitungskapazitäten“ (Donges/Jarren 2017: 160) verfügen. Da kein direkter Kontakt zwischen (politischen) Akteuren und Zuschauer·innen stattfindet, die Beobachter·innen außerdem das Geschehen aus verschiedenen Distanzen und auch nur teilweise interessiert verfolgen, sind die (politischen) Akteure in der modernen Arena auf die Medien angewiesen. „Der Weg zu den Bürgern führt via Medien zum Medienpublikum. Und weil dem so ist, agieren politische Akteure in dieser Arena anders als in jenen Arenen, in denen Problemlösungen, die zumeist auf sachlichen Überlegungen basieren, ausgehandelt werden (müssen)“ (ebd.: 161).

Doch die Medienöffentlichkeit ist gleichsam die „Spitze des Eisbergs“ möglicher Öffentlichkeiten. Öffentliche Räume entstehen auch im Rahmen interpersonaler Kommunikationsprozesse (näher dazu: Wimmer 2007: 44 ff.). Habermas (1992) spricht von episodischen Kneipen-, Kaffeehaus- oder Straßenöffentlichkeiten, von veranstalteten Präsenzöffentlichkeiten (z. B. Theateraufführungen, Elternabenden, Rockkonzerten, Parteiversammlungen oder Kirchentagen) sowie von „der abstrakten, über Massenmedien hergestellten Öffentlichkeit von vereinzelten und global verstreuten Lesern, Zuhörern und Zuschauern“ (ebd.: 452).

In Anlehnung an Habermas unterscheiden Gerhards und Neidhardt (Gerhards/ Neidhardt 1990: 20, Neidhardt 1994) jeweils nach der Menge der Teilnehmer·innen und dem Grad der Strukturierung bzw. Rollendifferenzierung drei Ebenen von Öffentlichkeit: Eine Encounter-, eine Themen- oder Versammlungsöffentlichkeit und eine Medienöffentlichkeit. Zur Verdeutlichung eignet sich die Visualisierung in Form einer Pyramide.


Abb. 14: Ebenen der Öffentlichkeit (Donges/Jarren 2017: 86, eigene Darstellung)

–Die Basis der Pyramide stellt die Encounter-Ebene16 dar. Dabei geht es um mehr oder weniger spontane Zusammenkünfte (auf der Straße, am Arbeitsplatz oder im Wohnbereich) mit sehr geringer oder gar keiner Rollenverteilung: Jede·r Teilnehmer·in kann zugleich Sprecher·in und Teil des Publikums sein, die Rolle eines·einer Vermittler·in gibt es auf dieser Ebene noch nicht.

–Auf der zweiten, mittleren Ebene sind die Themen- oder Versammlungsöffentlichkeiten anzusiedeln. Dabei trifft man bereits auf „thematisch zentrierte Interaktions- und Handlungssysteme“ (Donges/Jarren 2017: 85) in Form von Demonstrationen und Veranstaltungen, die zwar auch noch spontan entstehen können, aber bereits eine (wenn auch noch flexible) Rollendifferenzierung (Sprecher·in, Vermittler·in, Publikum) aufweisen.

–An der Spitze der Pyramide befindet sich schließlich die Medienöffentlichkeit. Die Differenzierung in Akteurs- und Publikumsrollen ist hier stark ausgeprägt, das Publikum ist mehr oder weniger dauerhaft vorhanden und es bilden sich außerdem (überregionale) „Leitmedien“ (Jarren/Vogel 2011) heraus, die „eine führende Stellung einnehmen und Anschlusskommunikation ermöglichen“ (Donges/Jarren 2017: 86).

Die verschiedenen Öffentlichkeitsebenen markieren außerdem Stufen der Selektion, was das Themenspektrum betrifft: Auf der Encounter-Ebene ist noch eine Vielzahl an Themen vorhanden, nur ein Teil davon gelangt in die Themen- und Versammlungsöffentlichkeit. Auf der Ebene der Medienöffentlichkeit ist die ursprüngliche Zahl der Themen bereits sehr stark selektiert bzw. reduziert und damit am niedrigsten. Bereits an dieser Stelle wird deutlich, dass eine (strukturelle) Differenz zwischen Realität und Medienrealität besteht (grundlegend dazu: Bentele 2008, Merten 2015 sowie Schulz 1989a).

Normative Ansprüche an politische Öffentlichkeit

Mit Neidhardt (1994) kann man Öffentlichkeit als ein Kommunikationssystem begreifen, „in dem Themen und Meinungen (A) gesammelt (Input), (B) verarbeitet (Throughput) und (C) weitergegeben (Output) werden (ebd.: 8). Mit Blick auf diese Prozessstufen lassen sich dann „normative Ansprüche auf drei Prinzipien und Funktionen politischer Öffentlichkeit“ (Neidhardt 1994: 8 f.; vgl. auch Donges/Jarren 2017: 77 ff., Pfetsch/Bossert 2013) unterscheiden:


Abb. 15: Politische Öffentlichkeit nach Neidhardt (eigene Darstellung)

•Das Prinzip Offenheit setzt beim erwähnten gesellschaftlichen Zugang zur öffentlichen Kommunikation an: Grundsätzlich darf es keine Zugangsbeschränkungen geben und alle Themen und Meinungen, die von kollektiver Bedeutung sind, sollen gesammelt und auch artikuliert werden können. Je offener dieses Kommunikationssystem ist, desto eher kann die daraus folgende Transparenzfunktion von Öffentlichkeit erfüllt werden. Für Habermas (1990) ist die „prinzipielle Unabgeschlossenheit des Publikums“ (ebd.: 98) und damit der für alle Bürger·innen offene Zugang zum Kommunikationssystem überhaupt eine conditio sine qua non: „Eine Öffentlichkeit, von der angebbare Gruppen eo ipso ausgeschlossen wären, ist nicht etwa nur unvollständig, sie ist vielmehr gar keine Öffentlichkeit“ (ebd. 156). Neidhardt warnt allerdings vor dem Anspruch einer Maximierung der Transparenzleistung: „Für gutes Regieren ergibt sich […] auch ein gewisser Bedarf nach Intransparenz“ (Neidhardt 2006: 50)17.

•Das Prinzip Diskursivität bezieht sich auf die Verarbeitung dieser gesammelten Inputs, es geht also um die Qualität der Auseinandersetzung mit den jeweiligen Themen und Meinungen: Standpunkte sollen angemessen begründet, also mit starken (lat.: validen) Argumenten abgesichert werden. Nur wenn dies beachtet wird, kann öffentliche Kommunikation ihre Validierungsfunktion erfüllen. Nach den (hehren) Ansprüchen von Habermas (1981: 385) ist sie allerdings erst dann erfüllt, „wenn die Handlungspläne der beteiligten Aktoren nicht über egozentrische Erfolgskalküle, sondern über Akte der Verständigung koordiniert werden.“

•Das Prinzip Überzeugung knüpft schließlich an der diskursiven Qualität der öffentlichen Kommunikation unmittelbar an: Jetzt geht es darum, dass die Mitglieder des Publikums mit den vermittelten Informationen auch etwas anfangen können. Gut begründete Standpunkte, so die Idee, können das Publikum überzeugen und zur Meinungsbildung beitragen. Dadurch leistet öffentliche Kommunikation ihre demokratisch notwendige Orientierungsfunktion.18

Insgesamt skizzieren diese Ansprüche freilich „ein idealisiertes normatives Modell von Öffentlichkeit“ (Peters 1994: 49).

Peters hat selbst (ebd.) ausführlich und systematisch dargestellt, welchen Einschränkungen Verständigung im Kontext massenmedialer Öffentlichkeit unterliegt: Dazu zählen „ungleiche Beteiligungschancen, Kapazitätsgrenzen, die zur Konzentration auf wenige Themen zwingen, die Diskontinuität der Berichterstattung und nichtdiskursive Kommunikationsstrategien“ (Neuberger 2007b: 156). Letztere sind nach Neuberger das Produkt einer speziellen Akteurskonstellation, in der Sprecher·innen eigentlich nicht miteinander kommunizieren, d. h. weniger auf die vorgebrachten Argumente eingehen, sondern eher „zum Fenster hinaus“ reden (ebd.), weil sie um die Gunst des Publikums wetteifern.

Gerade deshalb braucht es Journalist·innen, die sich als Diskursanwält·innen verstehen, die Argumente aufgreifen, Antworten kritisch hinterfragen und so der fehlenden Diskursivität entgegenwirken (vgl. dazu das Modell des diskursiven Journalismus – Kap. 8.5.6).

Dennoch sieht Peters (1994) in diesem normativen Öffentlichkeitsmodell ein „wichtiges Element der symbolischen Verfassung moderner Gesellschaften“ (ebd.: 49). Es fungiert als eine (demokratisch) wünschenswerte Zielorientierung und erlaubt dadurch, „einschneidende Beschränkungen“ (ebd.: 50) auf dem Weg dorthin aufzuspüren.19 Damit erfüllt es eine operative Funktion, die nicht unterschätzt werden sollte.

Öffentlichkeit und Publizität

Mit Ulrich Saxer (2002, 2012a) kann man Gesellschaft (aus einer systemtheoretischen Perspektive) als eine Organisation aus Elementen begreifen, die aufeinander einwirken. Gesellschaft ist ein Großsystem, das aus unzähligen Teilsystemen besteht und „für seine Existenz auf ebenso zahllose Leistungen, Funktionen, dieser Teilsysteme angewiesen ist“ (Saxer 2002: 1). Die moderne Gesellschaft ist nach Saxer v. a. durch drei besonders wichtige und daher auch entsprechend große Teil- bzw. Funktionssysteme charakterisierbar, nämlich durch Politik, Wirtschaft und Kultur – mit jeweils unterschiedlichen funktionalen Zuständigkeiten:

•Im politischen System steht die Ausübung von Macht zur Steuerung der Gesellschaft im Mittelpunkt. Dazu bedarf es der Durchsetzung allgemein verbindlicher Entscheidungen.

•Das wirtschaftliche System reguliert die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen. Dazu sind Marktgesetze und Wettbewerbsregeln nötig. Es geht um die Definition von Berufen, um die Festlegung von Warenmerkmalen sowie um „den Umgang mit Geld“ (Saxer 2012a: 68).

•Das kulturelle System ist schließlich mit den Institutionen Erziehung, Kunst und Religion für die gesellschaftliche Bereitstellung von Sinn zuständig.


Abb. 16: Welt-(Medien-)Gesellschaft als System (nach Saxer 2002 und 2012a: 67); eigene, leicht modifizierte Darstellung

Bei der Wahrnehmung dieser funktionalen Zuständigkeiten bedürfen die Funktionssysteme allerdings „der Publizität, die das Mediensystem zuteilt“ (Saxer 2012a: 67). Das Objekt des Mediensystems ist daher die Publizität, sie „begründet die gesellschaftliche Funktionalität von Medienkommunikation am unmittelbarsten, generiert Öffentlichkeit in großem Stil“ (Saxer 2012a: 255).

Saxer sieht diese Systeme eingebettet in eine Mediengesellschaft und meint damit Gesellschaften, in denen die „über technische Hilfsmittel realisierte Bedeutungsvermittlung“ (Saxer 1998: 53) zu einem „sozialen Totalphänomen“ (ebd.) geworden ist, das in vielen Teilen der Erde praktisch alle Sphären gesellschaftlicher Existenz durchdrungen hat. Deshalb gerät auch die Weltgesellschaft in den Blick, weil mit der Ausbreitung von Mediengesellschaften die „Beteiligung aller an einer gemeinsamen Realität“ (Luhmann 1981: 320) – oder besser: die „Erzeugung einer solchen Unterstellung“ (ebd.) – in greifbare Nähe rückt.20