Czytaj książkę: «Slow Dancing In A Burning Room», strona 2

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2

„Wisst ihr was das Problem an diesem Shindig hier ist?“, lehnte Bobby sich an die Bar und deutete mit seinem Drink um sich. „Dass du mit Nicole hier bist?“, riet Lafayette und Barclay schnaubte in sein Glas. „Ja, genau. Jetzt wird sie mir das Messer an die Kehle setzen und mich dazu zwingen endlich ein Datum festzulegen.“ „Ihr geht ja auch nur schon fast sieben Jahre miteinander aus“, nippte Haydn an seiner Limonade und zwinkerte vielsagend. „Oh ja“, nickte Bobby gewichtig. „Und wenn sie noch weitere sieben Jahre mit mir ausgehen will, sollte sie keinen Trauschein beantragen.“

„Na, ihr seid ja vielleicht ein fröhlicher Haufen!“, schob Barclay die Hände in die Hosentaschen und kam über die Tanzfläche geschlendert. „Heyho, der Trauzeuge!“, hob Lafayette ihm sein Glas entgegen. „You do look pretty snazzy in this thing“, musterte Haydn mit einem süffisanten Grinsen Barclays Anzug mit Kummerbund und Fliege. „Very Rock’n’Roll.“ „Oh absolutely“, drehte Barclay sich einmal um die eigene Achse und zupfte an seinem Smoking. „But for the record: I’m only doing this for Ian, ’cause I’ve known him since kindergarten. I won’t do that for any of you guys.” „Not even if Cavendish got married?“, grinste Bobby mit einem leichten Zwinkern. „If Cavendish“, nahm Barclay sein Glas entgegen, „really got married, I would walk down the aisle n.a.k.e.d.” Dabei deutete er von einem zum anderen. „And you can quote me on that.“ Haydn sagte nichts. „Nun“, stieß Lafayette seinen besten Freund deshalb an, dem dadurch etwas Limonade aus der Nase sprudelte, „wenn das kein Anstoß ist…?“ „Das ist der beste Grund nicht zu heiraten“, tupfte Haydn sich die Limonade vom Kragen.

Das Brautpaar ließ auf sich warten und Barclay verabschiedete sich eilig, um nachzusehen was sie aufhielt. Obwohl alle vier sich denken konnten was sie aufhielt. Lafayette ließ das Eis in seinem Glas klingen und stützte seine Ellbogen auf die Bar. „Ich weiß ja, dass Myra zwei recht schlagende Argumente hat, aber wie hat Ian sich eigentlich zu all dem rosa Spitzenzeugs überreden lassen?“ „Das ist meine zweite Angst“, stöhnte Bobby und zog an seiner Krawatte, um sie zu lockern. „Dass Nicole sich hier Inspirationen holt.“ „Ha-ha“, grinste Haydn und checkte seine Haare in einem silbernen Tablett. „Ich seh dich schon in einem weißen Anzug mit Zylinder.“ „Ehrlich, Jungs“, seufzte Bobby. „Ich liebe Nicole. - Ihr wisst, dass ich sie liebe, oder?“ Beide Angesprochenen nickten gewichtig und verbissen sich jeglichen Kommentar. „Ich finde nur“, fuhr Bobby zufrieden fort, „dass man doch nicht gleich heiraten muss. Wieso nicht einfach nur so zusammen leben?“ Er sah zu Lafayette, der sein Glas geleert hatte und an einem Eiswürfel lutschte. „So wie du und Layla. Ich meine, Nicole weiß, dass ich ihr nicht immer ganz treu bin und ich hab geglaubt, dass sie kein Problem damit hat. Aber die ganze Ehesache ist doch nur ein Versuch, mich an sie zu binden.“ „Oh mein Gott, hast du dir gerade selbst zugehört?“, stellte Lafayette sein Glas energisch ab und sah Bobby fest in die Augen. „Du redest schon wie Haydn hier“, deutete er hinter sich. „Und willst du wirklich so enden wie er?“ Obwohl er versuchte, es scherzhaft klingen zu lassen, entging Haydn nicht der sarkastische Unterton und er nickte langsam über seinem Spiegelbild. „Lay hat Recht, Strachan“, richtete er sich dann auf. „Nicole ist ein fantastisches Mädchen, das den Boden anbetet auf dem du stehst. Sonst würde sie nicht ständig ertragen, dass du mit anderen Mädchen rummachst. Gib ihr den verdammten Ring und werd anständig. So wie Ian.“ „Kann jemand bitte zurückspulen und mir ein Aufnahmegerät geben?“, stutzte Bobby und musterte seinen Leadsänger argwöhnisch. „Hast du gerade ein Plädoyer für die Ehe gehalten? Bist du krank?“ „Ich glaube die ganzen Rüschen sind ihm ein bisschen zu Kopf gestiegen“, wollte Lafayette anhängen, aber Haydn lachte nicht. Und das war noch verstörender als seine kleine Rede. „This joke is really gettin’ old“, antwortete er stattdessen, machte auf dem Absatz kehrt und ging zur Bühne, um sein Mikrophon zu testen. Bobby sah ihm nach als hätte er gerade einen Geist gesehen und Lafayette schluckte. Sie alle, aber er am meisten, wussten, wieso Haydn an diesem, Ians, Hochzeitstag etwas gereizter war, als er es bei dem Thema sonst wurde.

Ian und Myra hatten Bobby, Lafayette und Haydn gebeten, einen Teil der Unterhaltung zu bestreiten und es war das Mindeste, was die drei für ihren Flötisten/Violonisten tun konnten. Die ganzen Feierlichkeiten trugen auf eine schmerzvoll auffallende Weise Myras Handschrift. Im tiefsten Inneren war sie immer noch ein kleines Mädchen das es nicht fassen konnte, dass sie sich einen echten Rockstar geangelt hatte und die Kirche und der Festsaal waren ganz in weiß und rosa gehalten und so gar nicht das, was die Jungs von Ian erwartet hatten. Aber wenigstens hatte sie die Musikauswahl ihrem künftigen Ehemann überlassen und diese bildete genügend Kontrast zu all dem Mädchenkram, um die Party wieder etwas männerfreundlicher zu gestalten, ohne die Integrität der Veranstaltung zu gefährden. Lafayette übernahm größtenteils den Gesang und Haydn saß am Klavier, um die Motown-Klassiker zu begleiten für die Lafayettes einfach besser geeignet war. Es machte ihnen wie immer Spaß zwischen den Songs ein bisschen herumzualbern und ihren Bandkollegen in Verlegenheit zu bringen. So wie auf Tour eben, nur mit etwas feineren Klamotten und ein paar zusätzlichen Rüschen.

„Na, kotzt ihr schon?“, kam der Bräutigam auf die Bühne, wo Barclay den drei Jungs dabei half, ihre Sachen abzubauen. „Nun ja“, schraubte Bobby eine Hi-Hat ab. „Es ist sehr pink.“ Ian lachte. „Whatever makes Myra happy subsequently makes me happy“, zuckte er dann die Schultern. „Aber ich werde bestimmt noch eine Woche lang rosarote Alpträume haben – mit Tüll.“ „Solange sie nicht auch noch die Gestaltung eurer neuen Wohnung übernimmt…“ „Oh Gott“, fasste Ian sich an den Kopf und leerte sein Glas in einem Zug bei dem Gedanken daran, für den Rest seines Lebens auf eine rosa Toilette gehen zu müssen. „Zu spät, Baby“, tätschelte Haydn ihm mitleidig die Schulter und die anderen lachten über ihren Bandkollegen, der für wenige Sekunden äußerst blass geworden war.

„Send us a card from Hawaii, will you?“, steckte Lafayette das Mikro in den kleinen Koffer. „If you find the time…“ „Aber natürlich“, nickte Ian, der seine Fassung wieder gewonnen hatte. „Und ich bin auch bestimmt rechtzeitig zurück, um diese Interviews für die DVD aufzunehmen.“ „Oh, lass dir Zeit“, winkte Haydn ab. „Ich drehe einen Werbspot in LA und wie ich die Agentur kenne überschreiten wir wieder mal maßlos den zeitlichen Rahmen. Dann krieg ich wenigstens nicht allein den Anschiss dafür, dass ich zu spät zum Beginn der Aufnahmen komme.“ „Cav, du kannst nicht schon wieder zu spät kommen!“, protestierte Bobby. „We too have a life, you know? And you’re keeping us away from it!” „It’s not like I don’t have one“, setzte Haydn sich zur Wehr und begann die Kabel aufzurollen. Roadies hin oder her, manchmal musste die Band doch selbst anpacken. „What about a dance, my dear?“, unterbrach Ian. „I thought, my love“, atmete Haydn auf, „you’d never ask!“

Es mochte sein, dass manche der Gäste – auf der Seite der Braut – etwas verblüfft darauf reagierten, dass die beiden jungen Männer den Tanzboden betraten, doch Ians Freunde kannten die Geschichte. Haydn und Ian trafen aufeinander, als Lafayette seinen besten Freund das erste Mal mit auf die Uni brachte. Wie Ian offen zugab, hatte er – wie viele andere vor und nach ihm - zuerst gedacht, der Besuch wäre ein Mädchen und obwohl oder - wie er später gestand – weil er eines Besseren belehrt wurde, war er von dem Jungen fasziniert und als Haydn schließlich in die Band aufgenommen wurde, begannen die beiden eine Affäre – am Anfang immer in dem Wissen, dass es nur ein Experiment war und Ian letztendlich wieder mit Mädchen ausgehen würde. Kam nicht ganz so. Irgendwann waren sie verliebt und Haydn – der eigentlich nicht vorgehabt hatte, sich je wieder auf jemanden einzulassen und noch zu genau wusste, wie das Experiment mit Lafayette ausgegangen war – gab auf und entgegen aller Warnungen von ihren Freunden redeten sie bald von Hochzeit und davon, Briony zu sich zu holen. Natürlich hatte es nicht sollen sein, Haydn hatte es in seinem tiefsten Inneren immer besser gewusst. Myra wurde für die Garderobe angestellt und Ian verliebte sich zu offensichtlich am ersten Tag. Haydn ließ ihn gehen, aber nicht ohne seine geistige Gesundheit aufs Spiel zu setzen. Trotzdem waren sie enge Freunde geblieben – oder besser geworden. Schon allein der Band wegen.

„Ich sollte das ja wirklich nicht laut sagen“, murmelte Ian an Haydns Ohr, „aber ich finde, du hast in einem Brautkleid besser ausgesehen als Myra.“ „Oi!“, trat Haydn ihm auf den Fuß. „Das darfst du nicht einmal leise denken!“ Ian kannte den Tonfall und grinste nur. Immerhin war er vor Haydn auf die Knie gefallen, als er ihn damals im Studio abgeholt hatte – der junge Mann ganz züchtig im weißen Kleid mit Hochsteckfrisur, die junge Frau neben ihm im Frack mit zurückgegeltem Haar. „Tut mir leid, aber das hab ich mir schon den ganzen Tag gedacht. Ich hab es irgendwem sagen müssen und du bist wohl der Einzige, der mich nicht umbringt dafür.“ „Ha, man sollte meinen, ich wäre der Einzige, der dich dafür umbringt. Immerhin hätte das hier unser Hochzeitstanz sein können.“ „Ha…“, konnte Ian da nur sagen, aber er drückte seinen Freund etwas enger an sich. Er führte, Haydn war besser darin die Frau zu spielen – war in ihrer Beziehung immer so gewesen. „Ich hoffe aber, dass du glücklich bist“, flüsterte Haydn und Ian nickte. „Ja.“ „Gut.“ „Ich wäre mit dir auch glücklich gewesen, Maus.“ „Oh, fiddlesticks!“, wehrte Haydn ab und rückte wieder in einen anständigen Abstand. „Das hier ist besser!“ Aber irgendwie tat es gut, das zu hören, auch wenn er es nicht hören wollte.

3

Der Nachmittag wurde Abend und der Abend wurde Nacht. Ian und Myra kuschelten auf der Tanzfläche und Bobby und Nicole knutschten wild hinter der Bühne. Barclay hatte es geschafft, eine betrunkene Brautjungfer von seinem Charme zu überzeugen und Lafayette und Layla waren dazu übergegangen, Shots zu trinken. Lucienne sah fürchterlich gequält aus, als sie die Drinks vor Haydn auf den Tisch stellte. „Nur fürs Protokoll: Wie lange muss ich noch so tun, als würde ich mich in diesen Sachen wohlfühlen?“ Sie nahm eine Zigarette aus ihrem Silberetui, das Haydn ihr als Bestechung geschenkt hatte, damit sie ihn begleitete und machte einen tiefen Zug. „Du siehst sehr hübsch und elegant aus und du weißt das“, strich Haydn ihr eine Strähne hinters Ohr. Ihr langes Haar war nach oben frisiert und im Fünfzigerjahre-Stil um ihren Kopf gewickelt. Sie trug ein schwarzes Kleid das Haydn designed hatte und so gegenteilig war zu allem was sie sonst trug, dass Lafayette sie zuerst gar nicht erkannt hatte. „Es ist trotzdem das letzte Mal, dass ich dir einen Gefallen tue“, steckte sie sich die Cocktailkirsche in den Mund und nahm einen großen Schluck. „Als würdest du es nicht genießen“, grinste er und legte seinen Arm um sie. Lucienne sah ihm eine Weile in die Augen, dann blinzelte sie. „D’accord. – Aber ich habe ein paar Leute mit kleinen Zaubern belegt.“ „Natürlich hast du“, streichelte er ihren Nacken und so saßen sie eine Weile und sahen den betrunkenen Gästen zu, die es spätestens dann bereuen würden, wenn sie die Fotos sahen.

„Und ich habe jedem erzählt, dass ich deine Verlobte bin.“ „Du hast was?“ Sie lachte in seine entsetzten blauen Augen. „Na irgendetwas musste ich ihnen doch erzählen. Ich bin nicht eines deiner Püppchen, die man sonst an deinem Arm sieht.“ „Deshalb habe ich dich ja auch mitgebracht.“ „Du weißt, dass ich solche feinen Affären hasse.“ Er lachte. „Ich auch. Deshalb warst du die perfekte Begleitung.“ „Du hättest Sebastian bringen können, das hätte die Sache ein bisschen aufgelockert. Er liebt es, sich in Szene zu setzen. So ein bisschen Vorspiel auf der Tanzfläche hätte bestimmt die Stimmung aufgelockert.“ Haydn nickte etwas gedankenverloren, dann nahm er einen Schluck aus seinem Glas. „Tatsächlich gab es in letzter Zeit äußerst wenig Vorspiel zwischen Jan und mir.“ Lucienne drehte den Kopf zur Seite und musterte das Gesicht ihrer Begleitung. „Irgendwas nicht in Ordnung mit euch beiden?“ Er stellte das Glas wieder ab und schüttelte den Kopf. „Wann war schon jemals alles in Ordnung mit uns?“ „Nun, das ist eine Frage, die nur du beantworten kannst.“ „Hmm…“ „Ich bin im Allgemeinen überrascht darüber, dass du mich eingeladen hast“, stellte Lucienne daraufhin fest. „Ich dachte, wir beide…“ „Ich habe das Gefühl, dass meine Jugend mir langsam entgleitet, egal wie fest ich mich daran klammere.“ „Ach, deshalb klammerst du dich an mich?“ „Du hättest ablehnen können.“ „Hey, ich bin immer noch deine Freundin. Und wir beide sind nie auf irgendwelche Parties gegangen, als wir noch zusammen waren. Ich hab mir nur gedacht, du hättest doch bestimmt bessere Angebote…“ „Ich hatte einfach das Bedürfnis, dich zu sehen, okay?“ Er seufzte. „Ich bin im Moment einfach ein bisschen sentimental, wie mir scheint.“ Luc kannte die Geschichte von Haydns letzter echter Beziehung, aber sie war vielleicht die Letzte die darüber urteilen sollte, dass Ian begriffen hatte, dass er und Haydn keine Zukunft hatten. Sie waren fabelhafte Freunde und so viel besser dran. Genau wie Haydn und sie. „Nun, du bist auch nicht mehr der Jüngste“, lächelte sie und zupfte seine Fliege zurecht. „Zeit für eine kleine Rückschau.“ „Vielen Dank“, sah er ihr in die Augen und sie zuckte die Schultern. „Du weißt, dass ich glaube, dass alles aus einem bestimmten Grund passiert. Und wenn nicht, dann ist es Hexerei.“ „Und was ist der Grund?“ „Das wirst du schon noch herausfinden.“

4

Agneta saß in der Küche und blätterte in einer Zeitschrift, als Linnea müde und erschöpft nach Hause kam. Obwohl sie einen Bürojob hatte, fand sie es zunehmend anstrengend, ihn auszuüben. „Hej, Linn.“ „Hej, Mamma.“ Sie zog einen Stuhl zurück und ließ sich ächzend darauf fallen. „Wie hast du es geschafft, einen ganzen Arbeitstag zu überstehen, als du schwanger warst?“ „Ich hatte damals keinen Job.“ „Oh…“ Das hatte sie nicht gewusst. „Möchtest du was zu trinken?“, erhob Agneta sich und ging zum Kühlschrank. Linnea nickte. „Ja, danke. – Wo ist Erik?“ Kaum dass sie es gesagt hatte, hätte sie sich dafür ohrfeigen können. Ihre Mutter sah etwas nachdenklich aus, vielleicht hatten sich die beiden getrennt. Nicht, dass es Linnea besonders überraschen würde, aber keiner hatte sich so lange gehalten wie Erik und sie hatte sich irgendwie an ihn gewöhnt. „Er ist zu Hause“, nahm Agneta jedoch eine Packung Apfelsaft aus dem Kühlschrank und stellte sie neben der Spüle ab, um Gläser aus dem Schrank zu holen. „Wir sehen uns nicht jeden Tag, wir haben unsere eigenen Leben.“ Sie füllte die Gläser und kam dann zu ihrer Tochter zurück. „Natürlich“, nickte diese. „Ich wollte nicht…“ „Wie geht es Albin?“, kam die zu erwartende Gegenfrage und Linnea nippte an ihrem Saft. „Erm… Gut. Sehr gut, danke.“ „Er kommt doch am Wochenende vorbei, oder? Erik bräuchte jemanden, der ihm im Garten hilft. Die Hecke hält dem Schnee nicht mehr lange Stand.“ Linnea nickte langsam. „Ja, er kommt Freitag gleich nach der Arbeit.“ „Gut dass du das sagst“, nickte Agneta, „dann können wir noch einkaufen gehen. Erik hatte noch keine Zeit.“ „Morgen Nachmittag, wenn ich aus dem Büro komme?“ „Perfekt.“ Sie stand auf und ging zur Spüle zurück, um ihr Glas aufzufüllen, das noch fast voll war. Etwas beschäftigte sie sichtlich und Linnea kam nicht umhin sich zu sagen, dass es zu früh gewesen war, ihr das von Albin und sich zu erzählen.

„Wo wir gerade von Albin sprechen“, drehte Agneta sich dann ruckartig wieder um und Linnea sah auf. „Ich habe ehrlich versucht, mich nicht einzumischen, aber es geht nicht.“ Sie kam zurück zum Tisch, schlug eine Seite in dem Magazin auf und schob es ihrer Tochter hin. Es war eine Werbekampagne für Dior Homme Parfüm und Haydn Cavendish zeigte sich darauf in äußerst provozierender Pose mit einer halbnackten Frau auf seinem Schoß. Linnea schluckte schwer. Verdammt, sah er heiß aus. Aber sie wusste, dass es hier nicht darum ging. Sie hatte es immer gefürchtet und doch immer gewusst, dass es unvermeidlich war. Agneta hatte damals fast augenblicklich wieder das Haus verlassen und seither war dieser Tag über ihnen geschwebt und hatte nur darauf gewartet, aufgeklärt zu werden. Keine Mutter der Welt hätte das Geschehene einfach so hinnehmen können.

„Wieso war Haydn Cavendish in meiner Küche?“ Linnea wusste, was sie eigentlich fragen wollte, war ihr aber dankbar, dass sie es nicht aussprach. Es hätte ihr die Antwort um so vieles erschwert. „Mamma, ich glaube nicht, dass ich dir das wirklich erklären kann“, seufzte sie und nahm einen großen Schluck, um den Kloß in ihrem Hals hinunterzuschlucken. Aber er blieb. „Versuch es“, erwiderte Agneta. „Denn ich fürchte, das übersteigt alles was ich an Vorstellungskraft habe.“ „Mamma…“ „Das war keine einmalige Sache, habe ich Recht?“ Linnea schluckte erneut und seufzte kopfschüttelnd. „Wir treffen uns gelegentlich.“ Wo war Haydn wohl gerade? Im Studio? Vor der Kamera? In einem Schlafzimmer? Er war jedenfalls nicht hier und konnte ihr nicht helfen, aus dieser Situation herauszukommen, an der er genauso Schuld hatte wie Linnea.

„Was heißt das?“, war Agneta wenig zufrieden mit Linneas Antwort. „Du triffst dich mit ihm? Um Sex zu haben? – Linn, Kind, sagst du mir gerade, dass du eine seiner Frauen bist, die er über den ganzen Erdball verstreut hat?“ Ihre Stimme war aufgebracht und Linnea wurde auf ihrem Stuhl etwas kleiner. Was sollte sie denn sagen? Konnte sie jetzt auch lügen? Konnte sie in wenigen Sekunden eine Lüge aus dem Ärmel schütteln, die Agneta zufrieden stellen würde? „Wie kannst du nur, Linn?“, schüttelte Agneta den Kopf als keine Antwort kam. „Wie kannst du dich so billig verkaufen?“ All die Aufregung darüber, dass sie ihre Tochter mit einem Star angetroffen hatte war mit der Zeit abgeklungen und in Unverständnis übergegangen. Immerhin war es nicht irgendein Star gewesen, sondern Haydn Cavendish, dessen kleines schwarzes Telefonbuch dicker war als die Bibel. „Hast du das wirklich nötig?“, stieß sie hervor und deutete auf das Foto in der Zeitschrift. Es war fast als würde es sich über alles lustig machen, was Linnea ihrer Mutter über ihn klarmachen wollte. „Mamma…“ Es tat weh! Aber Agneta würde es nie verstehen. Sie war nicht dabei, wenn er ihr die Welt versprach. Wenn er sie im Arm hielt, sie küsste, ihr Baby in den Schlaf summte… Und die Tatsache, dass ihre Mutter sie gerade als eine Hure bezeichnet hatte, machte die Sache so überhaupt nicht besser.

„Linn“, legte Agneta ihre Hand auf Linneas in dem Versuch sie zu beschwichtigen. „Ich weiß ich habe selbst oft genug gesagt, dass ich ihn nicht von der Bettkante stoßen würde, aber meine Tochter ist eine viel zu anständige junge Frau, um sich auf sein Niveau herab zu lassen.“ „Du weißt doch gar nicht wovon du redest, Mamma!“, zog Linnea ihre Hand zurück. „Er ist nicht so ein Arsch wie du denkst!“ „Dass du so denkst, sagt doch schon…“ „Ich kenne ihn, Mamma!“, schnitt sie ihr harsch das Wort ab. „Ich kenne ihn.“ Sie kannte ihn und sie kannte ihn gleichzeitig überhaupt nicht und deswegen war es so schwer, ihn zu verteidigen. „Er ist vielleicht ein bisschen kompliziert, aber er ist auch liebevoll und zärtlich und…!“ Als sie den Blick ihrer Mutter sah, brach sie plötzlich ab. Für den Bruchteil einer Sekunde war Agneta überrascht, dann gewann sie ihre Fassung zurück. „Wie lange kennst du ihn denn, um so etwas sagen zu können?“, fragte sie kopfschüttelnd. Das arme Kind war doch übergeschnappt. „Fast fünf Jahre!“, schnaubte Linnea zurück. War es tatsächlich schon so lange her? Damals war er ja tatsächlich fast noch ein Kind gewesen, das unzählige Dummheiten im Kopf hatte. Und sie war eine junge Frau mit Komplexen und einem Freund gewesen, die Angst davor gehabt hatte, sich jemals wirklich binden zu müssen. Und nun saß sie vor ihrer Mutter und versuchte zu rechtfertigen, dass sie sich jeden Tag psychisch quälen ließ, weil sie ihn nicht aus dem Kopf bekam und er das so gar nicht teilte.

„Oh, Linn, du willst doch nicht sagen, dass du ihn in einem Interview wirklich kennen gelernt hast?“, schüttelte Agneta den Kopf. „Das ist ewig her und jeder weiß, dass er es mit der Wahrheit nicht besonders genau hält.“ Dieses eine Mal angeblich doch mehr als jeder zu wissen glaubte. „Mamma, wir kennen uns seit fünf Jahren“, gab Linnea auf. Es hatte keinen Sinn eine Lüge schön zu reden. Jetzt nicht mehr. „Und das zwischen uns geht seit vier Jahren. Ich kenne ihn besser als du dir vorstellen willst.“ Die Knotenpunkte in Agnetas Gehirn begannen zu rechnen und ihre Augen wurden immer größer, je näher sie der Wahrheit kam. Der Wahrheit die da war, dass ihre Tochter eine Affäre gehabt hatte, während sie mit ihrem Freund unter einem Dach gewohnt hatte. Die Wahrheit die besagte, dass ihre eigene Tochter sie jahrelang belogen hatte. Die einzige Wahrheit die ihr noch entging war jene, dass Linnea ihren Freund erneut betrog. Denselben Freund. Und zwar mit ihrem Ehemann. Nur das wusste Agneta noch nicht und Linnea würde lieber sterben, als ihr das zu gestehen.

„Ja genau“, sprang Linnea dann plötzlich auf, die nicht mehr die Geduld hatte zu warten, bis Agneta zu den richtigen Schlüssen gekommen war. Warum sollte sie? Es war alles wahr und sie schämte sich nicht im Geringsten dafür. „Ich bin eine billige Hure, die dem falschen Charme eines Casanovas erlegen ist, für den Frauen Einwegprodukte sind! Ich habe meinen Freund betrogen und lasse mir Flüge bezahlen, um mich durchficken zu lassen!“ Endlich, endlich, endlich! Verdammt, es tat so gut, das alles endlich zu sagen. Auszusprechen. Loszuwerden. „Aber du, du hast dich jahrelang durch die Betten von Männern geschlafen, die meine Brüder hätten sein können – meine kleinen Brüder. Und ich habe nie etwas gesagt!“ „Du hattest auch nichts zu sagen. Das war meine Angelegenheit.“ „Und das hier ist meine! – Du solltest doch eigentlich stolz auf mich sein: Ich habe mir einen jüngeren Mann geangelt, der Geld hat – und den du anhimmelst.“ „Du hast dir überhaupt niemanden geangelt, du hast dich angeln lassen. – Das ist der Unterschied zwischen uns beiden.“ „Nein, der einzige Unterschied ist, dass du dich nie von einem von den Jungs hast schwängern lassen!“

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Objętość:
232 str. 4 ilustracje
ISBN:
9783754184462
Wydawca:
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