Dann kam der Tag, wo das Schicksal ihn daran mahnte, dass er verfallen war. Es war ein Sommerabend in Ungarn, und ein breiter Wind hauchte über das Schilf, das am Ufer der still strömenden Theiß wuchs, sodass die schmalen Silberleiber sich drehten und nach den Weisen zu tanzen schienen, die um ein Feuer lagernde Zigeuner geigten. Er, Rußworm, saß mit ein paar Freunden in seinem Zelt und trank und spielte, als einige Offiziere näherkamen, unter denen ein Fremder war, der durch die ausgesuchte Eleganz, Keckheit und Anmut seiner Erscheinung auffiel. Rußworm erkannte sogleich, dass es weder ein Deutscher noch ein Italiener, noch ein Wallone war; es musste ein Franzose sein, und ein seltsames Frösteln überlief ihn, indem er das dachte. Unterdessen waren die Offiziere herangetreten und stellten den Fremden als den jungen Herrn Bassompierre vor, der im Gefolge des Prinzen von Joinville gekommen sei, um unter Rußworms Führung gegen die Türken zu kämpfen. Indem er sich verneigte, sagte der schöne junge Mann, Rußworm habe, so viel ihm bekannt sei, seine Laufbahn unter seinem Vater, dem alten Marschall Bassompierre begonnen; umso eher werde er jetzt dem Sohne gestatten, das Handwerk von ihm zu lernen. Rußworm gab eine nicht unhöfliche, aber kurze Antwort, während sein Herz bebte; es kam ihm vor, als sei die scheinbare Unbefangenheit des Franzosen erkünstelt und als spiele ein spöttisches Lächeln um seinen freundlichen Mund. Er wartete einen Augenblick ab, wo er mit Bassompierre allein war, um ihm zu sagen, er habe nichts gegen ihn und werde ihm nichts zuleide tun; aber sein Anblick sei ihm zuwider, und er solle ihn meiden, so viel das möglich sei. Dennoch sah er ihn oft, nicht nur im Felde, sondern auch in den Häusern des katholischen Adels in Prag, wo niemand so erfolgreich wie der junge Bassompierre den Damen den Hof zu machen wusste; und sowie er ihn erblickte, hörte Rußworm die süßen Geigentöne wieder, die die Zigeuner an jenem Abend an der Theiß gespielt hatten.
Nie war Rußworm so wild und übermütig, als wenn er Bassompierre in der Nähe wusste. Tolle Feste feierten sie auf dem Schlosse des Burggrafen von Karlstein, in dessen jüngste Tochter er, Rußworm, eben damals verliebt war. In den Sälen, wo man tanzte, roch es nach Wachs, Schweiß und Blumen; er hielt die Geliebte in den Armen und drückte zum Abschied auf eine ihrer Brüste, die aus dem seidenen Mieder quollen, einen langen Kuss, sodass eine rötliche Stelle sichtbar blieb und das Mädchen aufatmend davonlief, um sich frisch zu pudern. Dann ritt er mit Bassompierre in die alte Stadt und erzählte diesem, er wisse einen Gastwirt mit zwei hübschen Töchtern, die er ihnen für ein paar Dukaten verkuppeln würde. Der Wirt saß noch bei einem Lämpchen in der Gaststube zwischen den Töchtern, von denen die eine ihr gelöstes Haar kämmte, während die andere aus einem alten Kalender vorlas. Sie wurden eingelassen, und Rußworm setzte sich sofort zu der, die ihre Haare flocht und deren scheuer Blick seine Leidenschaft entzündet hatte. Er wollte keine Zeit verlieren, nannte sie Liebchen und umarmte sie, und als der entrüstete Vater ihn anpackte, drohte er diesem und behauptete, er habe schon Geld von ihm für seine Kinder angenommen. Dass Bassompierre ihn warnte und zu vermitteln suchte, reizte ihn nur mehr: er hielt das jammernde Mädchen in einem Arme fest und wehrte mit bewaffneter Hand den Vater ab; indessen hatte die andere Tochter ein Fenster geöffnet und schrie um Hilfe in die Nacht. Nun kamen von verschiedenen Seiten die Nachbarn, mit Knüppeln, Messern und Äxten bewaffnet; er versuchte eine Weile, sich zu wehren, musste aber doch endlich, am Arme verwundet, das Mädchen loslassen und, von der erbitterten Menge verfolgt, durch die engen und steilen Gassen flüchten.
Der Schweiß trat ihm bei der Erinnerung auf die Stirne. Damals hatte es ihn nicht angefochten; nur ein paar Tage später ritt er nachts an der Spitze eines Maskenzuges, denn es war Fasching, durch die Stadt, er in der Tracht eines reichen Türken, mit einem perlenbehangenen Turban und einer scharlachroten Schärpe ausstaffiert. Am Tore der Altstadt wurden sie durch Wächter aufgehalten, die die Verordnung hatten, bei Nacht niemanden, wer es auch sei, passieren zu lassen. Rußworm, nicht willens zu gehorchen, trotzte und drohte mit seinem Namen und Ansehen; der Lärm führte den Hauptmann der Polizeiwache herbei, der, nachdem Rußworm sich zu erkennen gegeben hatte, die Gesellschaft vorbeiließ und zugleich die Wächter entschuldigte, die als arme Leute nur erhaltene Befehle ausgeführt hätten. Diese Demütigung genügte nicht, seinen Zorn zu besänftigen; vielmehr bewirkte er, dass die Wächter in hartes Gefängnis geworfen wurden und wochenlang dort schmachteten. Die Frauen der Männer warfen sich ihm zu Füßen und flehten sein Erbarmen an, ohne dass es ihn rührte; ihren Männern, sagte er, geschehe recht, der Übermut müsse gestraft werden, in Zukunft würden sie seinen Namen kennen. Erst als zwei von den Gefangenen vor Kälte und Hunger gestorben waren, ließ er die übrigen frei.
Was hatte ihn umgetrieben bei allem seinem Tun? Wohin war er geraten? Seine Blicke folgten den schwarzen Wolken, die unaufhaltsam vorüberfegten wie die Augenblicke seines grauenvollen, besinnungslos vergeudeten Daseins. Er hatte das Wiedereintreten des Jesuitenpaters überhört und wendete sich mit einem Schrei des Schreckens um, als dieser die Hand auf seinen Arm legte und ihn fragte, ob er bereit sei, das Abendmahl zu empfangen.
Rußworm schlug die Hände vor das Gesicht, stürzte auf die Knie und rief aus: »Ich bin der sündenvollste aller Sünder, nicht wert, dein Gewand, mein Vater, zu berühren! Wie sollte ich den Leib des Herrn empfangen?« Der Geistliche legte die Hand auf Rußworms Scheitel, sagte, dass Reue auch ein Übermaß von Sünde zu tilgen vermöge, und forderte ihn auf, zu beichten. Fast eine Stunde verging darüber, worauf der Jesuit dem Büßenden das Credo vorzusprechen begann. Als er die Worte aussprach: »Et incarnatus est«, erbebte Rußworm, wie wenn ein Posaunenstoß sie begleitet hätte. »Auch meine Seele«, rief er aus, »war ein unsterblicher Hauch Gottes, aber das Fleisch, in das sie einging, hat sie verschlungen. Die Edle ist eine Sklavin geworden, entstellt und besudelt, und ließ das Fleisch als einen grausamen Herodes über sich triumphieren. Es ist zu viel, zu viel«, stöhnte er, »meine Schuld ist zu groß für Gottes Gnade.« Die Tränen stürzten heftig aus seinen Augen, indem er die Knie des Paters umschlang. »Gottes Gnade ist unermesslich«, sagte dieser sanft. »Dass der Augenblick da wäre«, flüsterte Rußworm, »wo ich dies Fleisch opfern darf, das durch und durch voller Sünde ist! Aber ist das Buße, dass ein Schwert meinen Nacken durchschneidet? Ich möchte, dass jedes meiner Glieder einzeln zu Tode gemartert werden könnte. Langsam sollte das Feuer mich verzehren; vielleicht ließe Gott zu, dass, während mein Fleisch in Qualen schmölze, meine Seele verjüngt und gereinigt würde.«
Der Pater suchte den leidenschaftlich Schluchzenden zu beruhigen. »Ergib deinen Willen in Gott«, sagte er zu ihm, »auch darin, dass du nicht mehr opfern willst, als er von dir verlangt. Bringe dich ihm willig dar, wenn die Stunde kommt, und harre demütig, wie er mit dir schalten will.«
Nach dieser gewaltsamen Aufregung kam eine wohltätige Ruhe und tiefer Schlaf über den Verurteilten. Er wurde durch die Schritte und Reden verschiedener Männer geweckt, die sein Zimmer betraten und unter denen er die vermummte Gestalt des Henkers erkannte. Ob es schon Zeit sei? fragte er; man hätte ihn länger schlafen lassen können. Es sei sechs Uhr, wurde ihm geantwortet, um sieben müsse alles vorbei sein. Der Jesuitenpater, der ein Kruzifix trug, nickte ihm zu und schien ihm etwas sagen zu wollen; allein er beachtete es nicht, plötzlich von einem durchdringenden Widerwillen und Zorn erfasst. Auf seine laute Frage, ob des Kaisers Majestät davon unterrichtet sei, dass jetzt sein Haupt fallen solle, antwortete einer der anwesenden Richter, es geschehe alles auf Befehl des Kaisers. Rußworm stutzte; es drängte ihn, das Fenster aufzureißen und die Vorübergehenden um Rettung anzurufen, der Kaiser werde sie dafür belohnen. Nicht möglich schien es ihm, nicht möglich, dass der Kaiser ihn verließe!
Draußen war es noch dunkel, in das Zimmer fielen rote Lichter von den Fackeln, die die Wächter hielten. Das Gefühl, es beobachteten ihn höhnende Blicke und weideten sich an seiner Todesfurcht, ließ ihn sich fassen; er richtete sich stolz auf und bat die Anwesenden, seinen Abschiedsworten Gehör zu schenken.
Der Tod sei ihm erwünscht, sagte er ruhig, durch den er die zahlreichen Sünden seines Lebens büße. Wolle der Henker ihm die befleckte Hand abhauen, bevor er ihm das Haupt vom Rumpfe trennte, so werde er es ihm danken. Nicht als ob er am Tode des Herzogs von Mercoeur schuldig sei; auch den Belgiojoso habe er nicht getötet, vielmehr habe der ihm nachgestellt und sei in die Grube gestürzt, die er ihm zum Falle gegraben habe.
Er wurde lebhafter und sprach schneller und lauter. Noch weniger, fuhr er fort, habe er sich jemals gegen das Haupt des Römischen Reiches, den Kaiser, verfehlt. Ja, er sei neidisch und rachsüchtig gewesen, habe wüst mit Weibern gewirtschaftet; aber den Kaiser habe er verehrt wie einen Vater und Herrn, der Traum seiner Jugend wie das Ziel seiner Manneskraft sei gewesen, sein Leben auf dem Schlachtfeld für den Kaiser zu wagen. Er habe die Feinde nie gefürchtet, die von außen die Macht des Kaisers angegriffen hätten, noch die im Innern des Reiches sein Diensteifer gereizt hätte. Heilig über alles sei ihm der Kaiser gewesen, Huld und Lohn hätte er von ihm verdient; anstatt dessen gebe er ihn dem Henker preis. Zu spät werde er ihn zurückwünschen, er werde keinen finden, der ihm so ergeben sei wie er. Niemand werde ihn vor den Verrätern schützen, die ihn umringten, verlassen werde er sterben, arm und einsam wie ein heimatloser Bettler.
Während einige von Rußworms Rede erschüttert waren, machte der Vorsitzende des Gerichtes Miene, seine Lästerungen gegen die kaiserliche Majestät zu unterbrechen; indessen legte der Jesuit die Hand auf seinen Arm und hielt ihm mit traurigem Blick das Kruzifix entgegen. In Rußworms Zügen ging eine jähe und schreckliche Veränderung vor; er riss das Kreuz dem Geistlichen aus der Hand, drückte es an die Lippen und an das Herz und rief aus, indem er sich auf die Knie warf: »Mein Heiland Jesus Christus, vergib mir; ich sterbe gern als ein Sünder zu deinen Füßen.« In dieser Stellung verharrte er schweigend, bis der Streich fiel, der ihn mit eins tötete.
Dieselbe Nacht war dem Kaiser unruhig verlaufen. Abends hatte er mit Philipp Lang, ein paar Malern und Frauen beim Weine gesessen, bis er plötzlich müde wurde und zu Bett verlangte. Er wachte aber nach kurzem Schlaf wieder auf und wurde, je länger er sich schlaflos hin und her warf, desto aufgeregter. Philipp Lang, den er zu sich rufen ließ, durchschaute, dass er gern von Rußworm gesprochen hätte, aber nicht selbst anfangen mochte, und erzählte scheinbar beiläufig, der Verurteilte habe seine Schuld eingesehen und sich reumütig auf den Tod vorbereitet.
»Er ist ein trotziger Mensch«, sagte der Kaiser. »Warum hat er meine Gnade nicht angerufen, da ich ihm doch immer ein milder Herr gewesen bin?« Er sei sich wohl bewusst gewesen, dass er sie nicht verdient habe, meinte Lang; auch habe er niemand außer sich selbst geachtet.
Er sei auch tüchtig gewesen, sagte der Kaiser. Ja er habe ihm Glück gebracht. Jetzt sei er von Verrätern umgeben und wisse nicht, wem er trauen solle.
Lang nannte diesen und jenen, der Rußworm weit überlegen sei, und führte Beispiele von dem verwahrlosten Zustande an, in den das Heer unter ihm geraten sei. Er habe nur den Vorzug plumper Tapferkeit besessen; der verstorbene Schwarzenberg habe stets an ihm getadelt, dass er alles besser wissen wolle als die anderen, dass aber seine Pläne unausführbar seien.
»Einer beneidet den anderen, und einer misstraut dem anderen«, sagte Rudolf. »Sie haben es im Grunde alle nur auf mein Geld abgesehen.«
Wenn der Kaiser wollte Gnade walten lassen, sagte Lang vorsichtig, so könne niemand ihn an der Ausübung dieses göttlichen Rechtes hindern, wenn es hie und da auch böses Blut machen werde.
»Ich habe niemand als dich«, sagte Rudolf klagend, »diejenigen, die mich ehren und lieben sollten, trachten nach meinem Leben. Mag der Rußworm übrigens sein, wie er will, er war mir ergeben und war deshalb meinem Bruder Matthias im Wege, der ihn verleumdete. Sie haben es darauf abgesehen, dass ich in ihm mich selbst opfere.« Er stand vom Bett auf und ging, auf Lang gestützt, im Zimmer auf und ab, das ein trübes Nachtlämpchen erhellte. Indessen kroch der Morgen an das Fenster; mit fiebrigen Augen sah der Kaiser zu, wie sich unten die Dächer und Türme spitz und fröstelnd in das kahle Zwielicht zu bohren begannen.
Wäre Rußworm der kaiserlichen Majestät so ergeben gewesen, sagte Lang, so hätte er nicht dermaßen frevelhafte Reden über sie führen sollen, wie viele gehört hätten; freilich sei er ja noch jung, und im Rausche könne man die Worte nicht wägen, Gnade sei immer wohl angewandt; wenn der Kaiser es wolle, so werde er schleunig einen Boten mit der Begnadigung auf das Rathaus schicken. Eile tue jetzt not, fuhr er fort, da Rudolf, sichtlich erleichtert, doch noch ein wenig zauderte, mit Tagesanbruch solle ja die Hinrichtung vollzogen werden; worauf er geschäftig die nötigen Anordnungen traf und dem Boten einschärfte, zu laufen, so schnell ihn seine Beine trügen. Als derselbe vor dem Rathause ankam, wurde eben der in schwarze Tücher gewickelte Körper des Gerichteten auf einen Wagen geladen, um aus der Stadt geschafft zu werden.
Dieser Misserfolg erschütterte den Kaiser im ersten Augenblick nicht sonderlich; denn er hatte sich inzwischen vorgestellt, was für unbequeme Folgen sein Eingriff nach sich ziehen könnte und wie Rußworm vielleicht über seine Schwäche prahlen und ihn heimlich auslachen würde. Schon am selben Abend jedoch kam die Beängstigung wieder, und es gewann den Anschein, als sollte die Melancholie, die man schon überwunden glaubte, sich des Kaisers von Neuem bemächtigen.
1 fremdländisch, besonders romanisch, südländisch <<<
Der junge Maximilian von Bayern war zäh, schlau und herrschsüchtig, verstieg sich in seinen Plänen aber nie zu hoch, sondern zügelte sie mit Geduld und Vorsicht und wusste seinen Hochmut sehr wohl mit einer scheinbaren Unterordnung unter die Jesuiten zu vereinen, die jedoch bald merkten, dass ihre Macht über ihn nicht weiter ging, als sein Vorteil zuließ oder etwa als ihr Verstand es über den seinigen davontrug. Das Äußere betreffend, war er gut gewachsen und hatte ein hübsches, regelmäßiges Gesicht, das freilich die Weichheit der Jugend früh verlor; seine Sinnlichkeit war feurig, und es konnte nicht fehlen, dass er in Liebesangelegenheiten geriet, denen er sich mit Leidenschaft hingab. Sein Beichtvater, dem bei den häufigen Gesprächen, die er mit Maximilian führte, diese Vorgänge nicht verborgen blieben, beschränkte sich zuerst auf die Warnung, der Prinz solle Meister seiner Gefühle zu bleiben suchen. Nach einer Weile ließ er sich häufiger darüber aus, was für Pflichten ein katholischer Regent in Bezug auf die Weiber, insbesondere seine Ehefrau habe; er sei nämlich für ihr Betragen verantwortlich und müsse sie so ziehen und halten, dass sie zu keinem Tadel, vielmehr zum Lobe Anlass gebe. Vor allen Dingen dürfe er ihr keinen Einfluss auf die Regierungshandlungen gestatten, denn für diese müsse hauptsächlich der Wille Gottes und das Wohl der Kirche, teils aber auch die sogenannte raison d’état oder Staatsvernunft maßgebend sei. Es sei deshalb notwendig, dass kein weiblicher Einfluss, wie er im Ehebett sich allzu leicht geltend mache, sich eines Fürsten bemächtige und dass in seinen Verhältnissen zu den Weibern die Neigung zurücktrete. Die fleischlichen Triebe, die der Natur des Menschen anhafteten, dürften wohl befriedigt werden, aber es dürfe kein Verhältnis daraus erwachsen, das sein Fühlen und Denken dauernd in Anspruch nähme.
Zum ersten Male bemerkte der Beichtvater, dass sein sonst so williger Schüler ihm schweigend widerstrebte, weshalb er sich entschloss, die Gefahr, die sich hier entwickeln konnte, nachdrücklich zu bekämpfen. Er sprach eingehend über die Beschaffenheit des Weibes, die es wohl tauglich mache, ein Gefäß des Mannes, aber nicht würdig, seine Gefährtin zu sein. Viele Kirchenlehrer seien im Zweifel, ob das Weib fähig sei, in den Himmel, das heißt in die unmittelbare Nähe Gottes zu gelangen als höchstens mittelbar durch den Mann, da es keine persönliche Seele habe und des Eigenlebens bar sei, insofern etwa mit den Tieren auf einer Stufe. Geschaffen sei die Frau, ebenso wie das Tier, damit der Mann sich seiner nach Bedarf bediene, und sei deshalb seiner fleischlichen Natur entsprechend und auf sie wirkend gemacht, als derjenigen Seite seines Wesens, mit der er selbst verwerflich und vergänglich sei. Nur eine Frau habe auf Erden gelebt, die rein und von der Gebrechlichkeit der Weiber frei sei, die Heilige Jungfrau, und es sei die Meinung einiger gelehrter Väter des Ordens Jesu, dass das weibliche Geschlecht durch sie erlöst werden könne, während andere glaubten, dass Maria gewissermaßen die Darstellerin dieses niederen Geschlechtes sei und dasselbe in ihr Anteil an Gott habe, ohne selbst über seine kurze tierische Existenz hinauszukommen. Dieses alles bedenkend, könne ein Fürst der Weiber sich wohl bedienen, wenn es nötig sei, solle sich aber nicht zu ihrem Knecht machen, vor ihnen scharwenzeln und kniebeugen, sie etwa gar vergöttern, wie manche heidnischer- und schamloserweise täten. Die Königin des Himmels, die von Engeln Getragene, die unbefleckt empfangen habe, der solle er sein Herz weihen. Sie, die makellos Schöne, die unverwelkliche, nie sich entblätternde Rose, die wolkenlos Strahlende, die Holdselige, Gnadenreiche, Allverzeihende, sei die einzige Dame, der ein Fürst sich anbetend hingeben könne, ohne sich zu erniedrigen. Wer ihr hienieden niewankende Ergebenheit bewiese, den würde ihre Lilienhand am Tore des Himmels empfangen, um ihn in der Ewigkeit für die kurze Spanne irdischer Entsagung zu entschädigen.
Solche Worte fachten allmählich Liebe zu der Himmelsjungfrau im Herzen des Prinzen an, freilich nicht ohne Kämpfe und Rückfälle. Um die Entwicklung zu befördern, legte der Beichtvater seinem Zögling allerlei geistliche Übungen auf, Versenkung in vorgeschriebene Betrachtungen, vielstündige Gebete und zwischendurch Geißelungen und Kasteiungen. In dem dadurch hervorgerufenen Zustande von Erregung erblickte der Prinz zufällig ein von dem Maler Rottmann verfertigtes Bild der Jungfrau Maria in einer von zahllosen Blumen durchsprossten Landschaft, von lachenden Engelskindern wie von einem Frühlingskranze umgeben, den Beschauer mit frauenhafter Güte und Lieblichkeit anlächelnd. Hingerissen von der Schönheit der unerreichbar Schwebenden, gelobte er ihr das reine Feuer seines Herzens und den Dienst seines ganzen Lebens, sodass er alle seine Taten in ihrem Namen und zu ihrer Verherrlichung tun wolle. Bald reiften ihm auch die Früchte seines Entschlusses, indem das Bewusstsein, der himmlischen Frau anzugehören, insgeheim mit ihr, der über allen irdischen Weibern, ja über allen Menschen Thronenden inbrünstig und auf ewig verbunden zu sein, ihn in erhabener Höhe unerschütterlich feststellte. Er begann die Frauen, die er mit der Vollkommenheit seiner Herrin verglich, geringzuschätzen und ungerührt an ihnen vorüberzugehen, während sie durch seine strenge Zurückhaltung doppelt angezogen wurden. Es wäre ihm nicht schwer geworden, unvermählt zu bleiben; aber da er für einen Nachfolger zu sorgen hatte, heiratete er seine Base Elisabeth Renate von Lothringen, übrigens ohne dass der Zweck der Verbindung erreicht wurde. Die Alleinherrschaft der Jungfrau Maria im Herzen Maximilians wurde durch die Ehe nicht angetastet, gründete sich vielmehr mit den Jahren immer fester und sicherer. Die oft langwierigen Regierungsgeschäfte erhielten eine gewisse Süßigkeit durch die Vorstellung, dass es sich um ihr Land und ihr Volk handle, welches er, als der Statthalter der angebeteten Königin, um sie zufriedenzustellen, in einen möglichst heiligmäßigen Zustand zu versetzen habe.