Zu seinem Stellvertreter bei dem Reichstage, den das immer dringender werdende Geldbedürfnis notwendig machte, ernannte der Kaiser seinen Neffen Ferdinand von Steiermark, der ihm weniger anstößig war als seine Brüder. Den Protestanten war das unlieb, denn die Gewaltsamkeit, mit der Ferdinand in seinem Lande das evangelische Bekenntnis ausgerottet hatte, ohne Erbarmen mit dem Jammer der Betroffenen zu haben und selbst die Verödung seines Reiches nicht scheuend, hatte Misstrauen und Abneigung gegen ihn erregt. Ferdinand war vergnügt, eine so bedeutende Rolle spielen und weithin wahrnehmbares Gepränge entfalten zu können; andererseits gab er seine häusliche Bequemlichkeit ungern auf und dachte mit Unlust an die verwickelten Schwierigkeiten, die es zu lösen galt. Er hatte vor einigen Jahren seine Cousine, die Schwester des Herzogs Maximilian von Bayern, geheiratet, nachdem seine Mutter unter Aufbietung ihres Ansehens und ihrer Strenge ein untunliches Liebesverhältnis, das ihn beherrschte, abgeschafft hatte. Nach einiger Zeit verliebte er sich denn auch in die Base, obwohl sie unansehnlich, schwächlich und kränklich war, und fühlte sich in der Ehe vollkommen befriedigt. Zwar fehlte es seiner Frau nicht an beschränktem Eigensinn, aber er zeigte sich fast nur in der Religion, wo es ihm recht war; ihm und seiner Mutter gegenüber war sie ganz Opfer und Hingebung. Diese, deren nie geschonter Körper allmählich mürbe zu werden begann, gewöhnte sich, den Herrscher in ihrem Sohne zu sehen, seit er einen eigenen Hausstand hatte, und so fühlte er sich zu Hause weich gebettet und geborgen und wusste nichts anderes, als dass es ihm überall und jederzeit gelingen müsse.
Auf den Straßen nach Regensburg, wohin der Reichstag ausgeschrieben war, zogen Lastwagen die Vorräte für die Tafel der anwesenden Fürsten und Herren; von Gradisca kamen Austern, Thunfisch und Stockfisch, von Triest allerhand Südfrüchte, vom Breisgau Wein, von Linz gesalzener Hecht und Konfekt. Die Fuhrleute, die die Frachten begleiteten, waren sorglich in Schafpelze gewickelt; denn der Winter war kälter, als er seit Menschengedenken gewesen war. Der Schnee war hart gefroren und bog sich wie eiserne Stangen unter den Füßen; man erzählte sich, dass irgendwo der Wein im Keller erfroren wäre.
Die protestantischen Fürsten erschienen nicht selbst, sondern waren durch Gesandte vertreten, die einmütig darauf unterwiesen waren, nichts zu bewilligen, bis die Justizreform, welche die Evangelischen verlangten, an Hand genommen sei. Über den Vorverhandlungen, was zuerst beraten werden solle, ob die Türkensteuer oder die Justizreform, vergingen Wochen, die den Protestanten manches unliebsame Erlebnis brachten. Nach einem Gastmahl, welches von katholischer Seite veranstaltet war, wurde einer aus der kurpfälzischen Gesandtschaft so krank, dass er mitten in der Nacht einen Arzt rufen lassen musste. Dieser, ein Jude, untersuchte den Kranken, schüttelte den Kopf und fragte, was er gegessen und getrunken habe, ob er Feinde habe, die ihm etwas Giftiges beigebracht hätten? Nachdem er wiederhergestellt war, wurde er mit dem Arzt und seinen vertrauten Freunden einig, die Sache zu verschweigen, sich aber inskünftig vorzusehen. Andererseits war es bedenklich, Einladungen von der katholischen Partei auszuschlagen, da das als Misstrauen konnte gedeutet werden. Einem anderen wurde nach einer Purganz, die er aus der Apotheke hatte holen lassen, so übel, dass er mehrere Tage das Bett hüten musste. Wenn man nun aus der Apotheke für Heilmittel schädliches Gift erhielte, sagte man sich, wie sollte man denn in diesem Mordpfuhl sein Leben bewahren?
In der Weihnachtszeit kam ein Jesuitenpater aus Rom, der dem Erzherzog Segenswünsche des Papstes überbrachte und der von den Katholiken als ein Phönix der Gelehrsamkeit und der Beredsamkeit gepriesen wurde. Wenn er predigte, war die Kirche von den fürstlichen und anderen hohen Herrschaften, die in großer Pracht aufrückten, angefüllt. Dahin zu gehen, unternahmen die Protestanten zwar nicht, aber es wurde manches von dem, was er gesagt hatte, gerüchtweise umgetragen wie auch gedruckt, sodass es jedermann lesen konnte. Es sei nun die heilige Zeit, hatte er in einer Predigt gesagt, wo das teure Gottessöhnlein zur Welt geboren sei und auf unbegreiflich wunderbare Weise jedes Jahr wieder herabgesendet werde. »Ach, wie gut werden ihn die frommen Knechte und demütigen Seelen empfangen! Da ist ja kein Herodes mehr, kein Lasterkönig, den es gelüstet, sich im Unschuldsblute zu besaufen! Armes Kindlein, du meinest es wohl; aber da stehen schon die heuchlerischen Pharisäer, fletschen die Zähne und stellen dir Fallen, um dich seraphisches Häslein zu fangen! Sie schreien Mord! und Feuer!, nennen Christum den Antichrist und werfen Seile aus, um die heilige Kirche zu erwürgen. Und wie steht es unterdessen mit den christlichen Gläubigen, die das Kindlein warten und schützen sollen? Ja, den Glauben hätten sie wohl, aber am Mut des Glaubens fehlt es. Wie Pilatus, der Trottel, für den Gott das Fegefeuer eingesetzt hat, waschen sie die Hände, halten Maulaffen feil und tratschen, während Herodes seinen Blutrat über das Kindlein hält. Drauf! Drauf, ihr Lauen! Zieret euch nicht, brecht den Wölfen die Zähne aus, die das Kindlein zerreißen sollen!«
Allerdings wollten sich die Katholiken verantworten, als gingen solche Anspielungen auf die ungläubigen Heiden und die Gottlosen im Allgemeinen; aber was davon zu halten war, lag am Tage. Der Regensburger Rat gab das Versprechen, der Drucker solle vernommen und bestraft werden, richtete aber trotz vieler Worte nichts aus, um es mit den mächtigen katholischen Fürsten, die anwesend waren, nicht zu verderben.
Mit dem Erzherzog Matthias, der sich eine Zeit lang in Regensburg aufhielt, und seinem Abgesandten, dem Herrn von Starhemberg, waren die Evangelischen in leidlich gutem Einvernehmen, sehr zum Ärger Ferdinands, der mutmaßte, sein Oheim wolle mit den Glaubensfeinden paktieren, um sich ihres Beistandes zu rebellischen und gefährlichen Zwecken zu versichern. Eines Abends hatte der Erzherzog den pfälzischen Großhofmeister, Grafen Solms, und den Erzbischof Schweikhard von Mainz eingeladen, die etwa um Mitternacht zusammen aufbrachen. Der Erzbischof war ein stämmiger, aufrechter Herr, zwischen fünfzig und sechzig Jahren, mit rundem, fröhlichem Gesicht, der weder beim Zechen noch bei der Jagd oder im Gespräch ein Spielverderber war und weniger Anstoß an einem von dem seinigen abweichenden Glaubensbekenntnis nahm, als wenn einer seinen Lieblingswein verschmähte oder ein Rebhuhn nicht essen mochte, das er geschossen hatte. Seine Rede war, mit einem Biedermann könne man immer auskommen, einerlei ob er katholisch oder evangelisch sei, es sei töricht, sich das Leben mit Zwist und Hader zu verbittern, das ohnehin voll Ungebühr und Gefahren sei. Den Evangelischen gegenüber betonte er gern seine friedfertige, altdeutsche Gesinnung und stand in freundnachbarlichem Verkehr mit dem Kurfürsten von der Pfalz wie auch besonders mit dem gleichgesinnten, kaisertreuen Landgrafen von Hessen-Darmstadt.
Indem nun der Erzbischof in seinen Wagen steigen wollte, der an der Tür auf ihn wartete, bemerkte er, dass Graf Solms und sein Begleiter Camerarius keinen hatten, und lud sie ein, zu ihm einzusteigen, er wolle sie nach Hause fahren. Sie wären fremd hier, es gäbe allerhand Gesindel und Raufbolde in einer großen Stadt, sie hätten selbst pokuliert und wären nicht so fest auf den Füßen wie sonst, sie könnten in den engen Gassen einen Schrecken davontragen. Graf Solms dankte, sie hätten nicht weit zur Herberge und wollten ihn nicht belästigen, noch viel weniger seine Nachtruhe verkürzen. Ob sie ihn für einen alten Mann ansähen? fragte der Erzbischof lachend; so wolle er ihnen etwas Besseres zeigen. Wollten sie nicht mit ihm fahren, so wolle er mit ihnen gehen, der Wagen könne langsam hinterdreinfahren. Es war weit und breit still, man hörte nichts als das leise Singen des Schnees unter den Füßen. Hinter den Fenstern war nirgends mehr Licht, die Sterne glitzerten fern und frostig, und die Lichter in den Laternen, die die Diener trugen, hüpften wie die Augen einer wilden Katze über den Boden. Wie sie über den Platz bei der Emmeranskirche gingen, schien es ihnen, als ob sich am Chore etwas bewege, und indem sie sich umsahen, kam zwischen den Bäumen, die dort standen, ein verhüllter Mann hervor, trat schnell an des Grafen Seite und bat dringend um ein Almosen. Während der Diener, dem der Graf einen Wink gab, mit zitternder Hand in der Tasche nach einer Münze suchte, schob der Erzbischof seine Pelzkapuze zurück, trat dicht vor den Mann und sagte mit laut schallender Stimme: »Mitternacht ist keine Zeit, um Almosen zu bitten; wenn du in Not bist, so melde dich morgen bei mir, dem Erzbischof von Mainz«, worauf der Verhüllte augenblicklich zurückwich und in eiliger Flucht hinter der Kirche verschwand. Schweikhard triumphierte, er hätte es vorausgesagt, es sei jetzt ein großer Zulauf von abenteuerndem Gesindel in Regensburg, wäre er nicht zur Stelle gewesen, hätte der Wegelagerer ihnen noch ein Stück Geld abgeängstigt. Die Herren ließen es dabei, hielten aber dafür, der Mann sei ein Jesuit oder von Jesuiten gedungen gewesen und hätte es auf einen Mord abgesehen gehabt. Würde ein Bettler, dachten sie, sich in diesen kalten Nächten, wo die Vögel erfroren, auf die menschenleere Gasse stellen? Wer konnte sagen, ob der Erzbischof nicht von dem schwarzen Anschlag Wind bekommen und ihn aus löblichem Antrieb seines Herzens zunichte gemacht hatte?
Dem Stellvertreter des Kaisers, Ferdinand, wurde seine Bürde desto lästiger, je weniger ein Ende abzusehen war. Kam er vergnügt von einer Jagd oder Prozession zurück, so konnte er sicher sein, dass ihn eine unbequeme Nachricht von den Geschäften erwartete. Die Ketzer seien nun einmal halsstarrige Esel, sagte er, vergeblich traktiere man sie mit Hü und Hott, guten und bösen Worten, die Bestie sei nicht von der Stelle zu bringen. Inzwischen wurde ihm die Mutter krank, sorgte sich die Frau um ihn und um die Kranke, verlangte der Bube nach seinem Vater; er hätte den ganzen Kram zusammenschmeißen mögen. Da ereignete sich ein Zwischenfall, der ihn von ganz anderer Seite in die größte Bestürzung und Drangsal versetzte. Zufälligerweise nämlich geriet die Korrespondenz, welche von dem im Jahre 1606 zwischen den Gliedern der habsburgischen Familie abgeschlossenen Vertrage handelte, in die Hände eines kaiserlichen Beamten, und die sorgfältig geheimgehaltene Abmachung, ja gleichsam Verschwörung wurde dadurch dem Kaiser bekannt. Der Zorn desselben, der sein Misstrauen gerechtfertigt sah, stieg aufs höchste und wendete sich hauptsächlich gegen Ferdinand, den er für anhänglich und weniger gefährlich als seine Brüder gehalten hatte. Das Herz sank dem Erzherzoge, als das Missgeschick offenbar wurde und keine Möglichkeit blieb, das Geschehene abzuleugnen. Zwar wurden sofort Briefe an den Kaiser abgeschickt mit Versicherungen, der Vertrag sei keineswegs gegen seine Hoheit gemeint, sondern hätte nur für den etwaigen, hochzubeklagenden Fall seines Todes Vorsorge treffen sollen; allein sie verfingen nicht, und es galt nun, einen entschiedenen Standpunkt einzunehmen. Am liebsten hätte Ferdinand sich der Gnade des Kaisers anvertraut und Matthias verleugnet, da der Kaiser nun einmal das rechtmäßige Oberhaupt war und zunächst den sichersten Schutz bot; inzwischen hatte Matthias aber Fortschritte in Ungarn gemacht, und man musste darauf gefasst sein, dass er den rebellischen Protestanten in Böhmen die Hand bot und mit dem Kaiser abfuhr: wo blieben dann diejenigen, die es mit dem Abgedankten gehalten hatten? Im vertrauten Kreise schimpfte Ferdinand auf Matthias, der an allem schuld sei; hätte er voraussehen können, dass der desperate Mensch in solcher Furie gegen den eigenen Bruder losziehen würde? Die Suppe hätte ihnen der Khlesl eingebrockt, der mehr als der Gottseibeiuns zu fürchten sei; der hätte dem Matthias, der ein guter, frommer Mensch gewesen sei, so lange den Wolfspelz umgehängt, bis er ein Wolf geworden sei. Seine Mutter, die Erzherzogin Maria, die sich in den verschiedenen Klöstern, denen sie angehörte, mit Andachtsübungen auf den Tod vorbereitete, stimmte eifrig ein und riet zu vorsichtiger Zurückhaltung, um es weder mit Rudolf noch mit Matthias zu verderben; auch ihr Bruder, der alte Herzog von Bayern, Ferdinands Schwiegervater, sei der Meinung, da Ferdinand nun einmal in dieser Klemme stecke, müsse er ein wenig dissimulieren, um Zeit zu gewinnen, inzwischen könne dies oder das geschehen und die Lage sich ändern.
Einen Trost gewährte das Anerbieten Schweikhards von Mainz, er wolle nach Prag reisen und Frieden stiften. Die kaiserliche Majestät sei zwar ein wenig spanisch und besonders, im Grunde aber gut und fromm, man müsse ihn nur zu nehmen wissen. In den jetzigen gefährlichen Läuften dürfe nicht noch ein Familienstreit zu den vielen im Reiche obschwebenden Zwistigkeiten kommen; auch Matthias meine es ja nicht böse, bei allseitigem gutem Willen werde sich die Sache wohl wieder einrenken lassen.
Der Reichstag hatte inzwischen keine guten Früchte gezeitigt. Im Februar wurden die württembergischen Gesandten wegen des durch einen Schlagfluss herbeigeführten jähen Todes des Herzogs Friedrich zurückgerufen, worauf auch die übrigen Evangelischen einer nach dem anderen abreisten.
Der Kaiser hatte in ohnmächtiger Wut zusehen müssen, wie Matthias sich zum Herrn von Ungarn machte, und erfuhr nun auch von seinen geheimen Verhandlungen mit den unzufriedenen böhmischen Ständen, sodass er sich nicht mehr verhehlen konnte, wie nahe er daran war, auch die böhmische Krone zu verlieren. Der zuverlässigste unter seinen Räten, Hannewald, wie auch der ihm unbedingt ergebene katholische Kanzler, Popel von Lobkowitz, rieten ihm beide, einen Landtag einzuberufen, auf welchem die Stände ihre Forderungen vortragen könnten; dies sei das einzige Mittel, das Vertrauen wieder herzustellen. Hannewald war ein kluger, arbeitskräftiger Mann, der einzig den Vorteil des Kaisers im Auge hatte, alle Menschen außer sich selbst verachtete und durch nichts aus dem Geleise zu bringen war. Zuweilen betrank er sich so, dass er für einige Tage aussetzen musste; aber das einmal gesteckte Ziel behielt er trotzdem im Auge. Er beredete den Kaiser sogar dazu, den Landtag in Person zu eröffnen, denn im Volk sei das Gerede im Schwange, der echte Kaiser Rudolf sei lange tot, man halte einen im Schloss verborgen, der ihm ähnlich sehe, darum müsse er sich einmal öffentlich zeigen.
Die dem außerordentlichen Ereignis vorausgehenden Tage war Rudolf unruhig mit den Vorbereitungen zu seinem Aufputz beschäftigt; er wollte einen schönen und majestätischen Eindruck hervorbringen. Als er mit niedergeschlagenen Augen, von dem Kanzler und einigen Räten geleitet, in den hohen und weiten Versammlungssaal trat, zitterten seine Knie vor ängstlicher Erregung; er hatte das Gefühl, als starrten ihm die Blicke der anwesenden Stände wie Lanzenspitzen entgegen. Dem war jedoch nicht so: die schwarzgekleidete, ein wenig gebeugte Gestalt des Kaisers, der feine Silberschimmer, der über seinen Haaren lag, der Ausdruck des Leidens auf seinem bleichen Gesicht erregte Mitleid und Rührung in den Gemütern und schlug für den Augenblick die feindliche Leidenschaft nieder. Diese gesänftigte Stimmung, die er mit einem verstohlen auf die Versammelten geworfenen Blick erhaschte, erleichterte es ihm, die wenigen Worte, die er zu sprechen hatte, in würdevoller Haltung und mit dem Schein edler Gelassenheit vorzutragen.
Als die Sitzung vorüber war und er sich von der ungewohnten Anstrengung erholt hatte, ließ er auftischen und nahm mit Frauen und Zechgenossen eine Mahlzeit ein. In heiterer Laune machte er sich über die trotzigen Stände lustig, die er am Narrenseil springen ließe; nichts, nichts würde er von ihren Forderungen bewilligen, sie möchten sitzen und beraten und Paragrafen schreiben, solange es sie gelüstete, zuletzt schickte er sie mit langer Nase heim. Es trug zu seinem Wohlbefinden bei, dass Lang auf einer Reise abwesend war; denn dessen Fall war, seit die Sache mit Matthias zum Ausbruch gekommen war, beschlossen. Bei seiner Rückkehr wurde er verhaftet, vor ein Gericht gestellt, und auf sein Vermögen wurde Beschlag gelegt. Einen Teil davon erhielten die vielen Herren, die nun Klagen einreichten, sie hätten Lang große Summen ausgezahlt, damit er ihre Anliegen, Beförderungen und andere Gnadenakte beim Kaiser betreibe, aber keinen Erfolg gesehen; das übrige fiel dem Kaiser zu. Viele wünschten, den hochmütigen und habgierigen Mann am Galgen oder auf dem Scheiterhaufen enden zu sehen; allein das Gericht fand eine solche Schärfe dem ehemaligen Liebling des Kaisers gegenüber nicht angezeigt, zumal da ihm weder in hochverräterischen Handlungen noch in Zauberei etwas Eigentliches nachzuweisen war, und ließ es bei Verlust des Vermögens und der Freiheit auf Lebenszeit bewenden.
Matthias hatte sich die künftige Größe mehr Mühe und Arbeit kosten lassen, als von seiner Natur zu erwarten war, nur in einem wichtigen Punkte blieb er hartnäckig, nämlich in dem einer standesgemäßen Heirat. Hätte er einen ehelichen Nachfolger gehabt, so hätte er weit mehr Aussicht auf allgemeine Anerkennung gehabt, als jetzt der Fall war, und er selbst wie die Verfechter seiner Sache hätten viel ruhiger in die Zukunft blicken können. Die Schwierigkeit bestand aber darin, dass er seit Jahren mit einer Frau namens Susanna Wachter zufrieden und bequem lebte, von der er sich durchaus nicht trennen wollte. Diese hatte einen feurigen und herrschsüchtigen Charakter, weswegen die Menschen im Allgemeinen nicht mit ihr anzubinden liebten; ihn jedoch, der ihr vollkommen ergeben war, versorgte sie mütterlich, und ihre genaue Bekanntschaft mit seinen Gewohnheiten und Bedürfnissen ermöglichte es ihr, ihm das tägliche Leben glatt eingehen zu lassen.
Die ersten Versuche Khlesls, diesen heiklen Gegenstand anzurühren, ließ Matthias abgleiten, als ob er ihn nicht verstehe; dann wehrte er sich, indem er die Heirat auf die Zeit verschieben wollte, wo er sein Ziel erreicht hätte. Das gehe nicht an, sagte Khlesl, man müsse einmal zugeben, dass seine Jugend ohnehin verrauscht sei, wolle er noch Nachkommenschaft erzielen, so müsse er sich dazuhalten. Seinem früheren Stande hätte es hingehen mögen, dass er sich eine Beischläferin genommen habe, jetzt müsse er als ein Mann und Christ den Pflichten seines hohen Amtes nachkommen. In seiner Verblendung bilde er sich ein, dass von der Susanna Wachter seine Seligkeit abhänge; wenn er aber einmal eine andere koste, werde er merken, dass der eine Teig gewälzt und gebacken sei wie der andere und dass dieselbe Ware auf jedem Markte feil sei. Um ihn davon zu überzeugen, führte ihm Khlesl bei Gelegenheit eines Reichstages eine hübsche Person zu, die sich bereit erklärte, wenn es so der Wille Gottes sei, dem Erzherzog entgegenzukommen; aber schon nach kurzer Zeit wurde Matthias ihrer überdrüssig und verlangte mit verdoppelter Sehnsucht Susanna Wachter zurück. Dieser Umstand legte die Vermutung nahe, dass Matthias von der Wachter behext und unfähig gemacht sei, Kinder zu erzeugen oder überhaupt sich mit anderen Frauen einzulassen. Mit Vorstellungen, welche Gefahr er an der Seite dieses Weibes laufe, brachte Khlesl es allmählich dahin, Matthias ein wenig ängstlich und misstrauisch zu machen und ihn wenigstens zum Anhören seiner Vorschläge zu bewegen.
Es war die jüngste Schwester des Herzogs von Bayern, Magdalena, die Khlesl ins Auge gefasst hatte, um damit seinem Schützling den Beistand dieses tatkräftigen und glaubensstrengen Herzogs zu sichern, und Matthias ließ es endlich zu, dass der Bischof nach München reiste und insgeheim anklopfte, wie die Werbung des Erzherzogs am dortigen Hofe aufgenommen werden würde. Da Magdalena bisher noch keine Bewerber gehabt hatte, die ernstlich in Betracht gekommen wären, begann die Frage ihrer Versorgung dem alten Herzog, ihrem Vater, ernste Gedanken zu machen, und die Aussicht auf diese Heirat versetzte ihn in nicht geringe Aufregung. Allerlei Bedenken standen freilich entgegen: erstens das Alter des Matthias, der damals fünfzig Jahre alt war, ferner sein wunderliches Verhältnis zu Rudolf und sein verwegenes Scharmutzieren in Ungarn und Böhmen, womit er noch alles verspielen könne. Hiergegen führte Khlesl an, wie lästerlich und schändlich es in Prag zugehe, dass Gottes Beistand dem Matthias nicht fehlen könne und dass er ja auch nichts Unbrüderliches gegen Rudolf vorhabe, sondern auf dem Wege der Billigkeit bleiben wolle. Anders ließ sich die Erzherzogin Maria, Wilhelms Schwester, vernehmen: er solle sich doch den stinkenden Matthias vom Leibe halten, schrieb sie ihrem Bruder; nach außen scheine er vielleicht noch ein wenig, aber innen sei alles verfault, und der Teufel werde über kurz oder lang damit davonfahren. Ob Wilhelm nicht wisse, dass seine Hure, die Wächter, ihm die Manneskraft abgehext habe? Das wäre ein gottloser Handel, wenn er seine Tochter einem solchen Manne gäbe, von dem sie keine Kinder gewinnen und auch sonst wenig Ehre davontragen könnte.
Diese Warnungen machten nur geringen Eindruck auf den alten Herzog und noch weniger auf Magdalena selbst; ihre Tante sei neidisch, sagte sie, und fürchte, dass Matthias von ihr Kinder bekomme und dadurch für ihren Ferdinand die Aussicht, Kaiser zu werden, dahinschwinde. Maximilian erinnerte sie neckend daran, wie sie, als ihre Schwester Maria Anna den Ferdinand genommen habe, spöttisch gesagt habe, sie möchte keinen von den buckeligen Österreichern zum Manne; worauf Magdalena errötend entgegnete, der Ferdinand sei allerdings ein alberner Löffel und wackelig in den Gelenken wie ein Hampelmann, mit Matthias sei es etwas anderes, er sei bei Jahren, habe Vernunft und Erfahrung, solle gar nicht so übel sein. Übrigens, sagte sie, müsse ein jeder sein Glück versuchen, sie wolle es auch, die Susanna Wachter wolle sie ihm schon austreiben, und das uneheliche Klosterleben sage ihr vollends nicht zu, so sei doch etwas bei der Heirat gewonnen.
So war die Angelegenheit schon auf einen Punkt gegenseitiger Verständigung gekommen, als sie durch etwas Unvorhergesehenes durchkreuzt wurde, nämlich durch die Werbung des Kaisers um Magdalena. Als das Gerücht von der geplanten Heirat des Matthias nach Prag kam, wurden in der Umgebung des Kaisers höhnische Bemerkungen gemacht, wie sie seinen Beifall haben mussten. Wenn die Magdalena ein Kind bekäme, hieß es, hätte sie es wohl eher vom Teufel als von Matthias. Aufziehen möchte er die Braut schon, wenn es aber dann zum Tanz käme, wie er bestehen sollte? Wenn die Hochzeit auch vollzogen würde, sagte Rhutsky, würde die Wachter doch nicht leiden, dass er den Fuß auf das Ehebett setzte; es sei ja bekannt, dass sie in einem gewissen Kloster ein Lämplein brennen habe, womit sie ihm das Lebenslicht ausblasen könne.
Der Kaiser hörte wohlgefällig zu, war einige Tage nachdenklich und kam dann damit heraus, dass er die Magdalena selbst heiraten wolle. Er wolle dem Matthias seine falschen Karten verschlagen, ohnehin sei es jetzt Zeit für ihn, sich zu vermählen. Zwar gefalle ihm auch eine florentinische Prinzessin gut, deren Bild er kürzlich gesehen habe, aber er wolle es nun zuerst auf die bayrische abstellen. Er müsse lachen, sagte er, wenn er sich den Schrecken und die Enttäuschung unter seinen habgierigen Brüdern ausmale.
Rudolfs Räte schüttelten den Kopf, hielten es aber für klüger, ihr Erstaunen nicht zu äußern, und so ging denn eine vertrauliche Gesandtschaft nach München ab, um unvorgreiflich über die Sache zu reden. Der alte Herzog verlor einigermaßen die Fassung, denn diesen Bewerber auszuschlagen schien ganz und gar unmöglich, und doch wäre ihm Matthias, als der künftige Kaiser, bei Weitem lieber gewesen. Auch Magdalena wollte von Rudolf nichts wissen; vor Matthias grause ihr weniger, weil er nicht gar so alt und auch sonst nicht so unflätig sei wie der Kaiser.
In ihrem Widerstande wurde Magdalena durch die Bekanntschaft mit ihrem Vetter Leopold bestärkt, Ferdinands jüngerem Bruder, der sich in sie verliebte und eine heftige Zuneigung in ihr erweckte. Der nun zwanzigjährige Bischof von Passau ging mit dem Gedanken um, sich nach dem Tode der Mutter des geistliehen Wesens, zu dem er niemals Lust gehabt hatte, zu entäußern und ein fröhliches Fürstenleben anzufangen, wie es andere seinesgleichen führten. Er fühlte sich fähig, ein Held zu sein, sowohl im Krieg wie im Regiment und in der Liebe, und womöglich den Dämel, seinen Bruder Ferdinand, den er für einen Duckmäuser ansah, aus dem Sattel zu heben. Da er an jenem gehässigen Familienvertrage vom Jahre 1606 nicht beteiligt gewesen war, hatte der Kaiser eine Vorliebe für ihn gefasst und ihm Hoffnung gemacht, er werde ihn etwa noch zu seinem Sohn und Nachfolger erheben. Die Erlaubnis, das geistliche Kleid abzulegen, würde ihm der Herzog von Bayern, glaubte er, leicht in Rom erwirken können.
Von dieser Leidenschaft ergriffen, sträubte sich Magdalena nunmehr ebensowohl gegen Matthias wie gegen Rudolf und erklärte, sie wolle als Nonne in ein Kloster gehen, wenn man sie zwingen wolle, einen anderen Mann als Leopold zu heiraten. Diesen liebe sie und werde nie einen anderen lieben, und ebenso ungestüm gebärdete sich Leopold zur großen Verlegenheit des alten Herzogs.