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Einleitung

Einleitung

Schrifttum:

Fincke, Das Verhältnis des Allgemeinen zum Besonderen Teil des Strafrechts, 1975; Arm. Kaufmann, „Objektive Zurechnung“ beim Vorsatzdelikt?, FS Jescheck 1985, I 251; Kubiciel, Die Wissenschaft vom Besonderen Teil des Strafrechts, 2013; Naucke, Der Aufbau des § 330c StGB. Zum Verhältnis zwischen Allgemeinem und Besonderem Teil des Strafrechts, FS Welzel 1974, 762; Philipsborn, Die Klassifikation der einzelnen strafbaren Handlungen, 1906; Schünemann, Methodische Prolegomena zur Rechtsfindung im Besonderen Teil des Strafrechts, FS Bockelmann 1979, 117; Schwinge, Teleologische Begriffsbildung im Strafrecht, 1934; Tiedemann, Zum Verhältnis von Allgemeinem und Besonderem Teil des Strafrechts, FS Baumann 1992, 7; Wach, Legislative Technik, VDA VI, 1; E. Wolf, Die Typen der Tatbestandsmäßigkeit, FS Pappenheim 1931, 379.

Einleitung › I. Das Wesen des Besonderen Teils des Strafrechts

I. Das Wesen des Besonderen Teils des Strafrechts

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1. Aufgabe einer Darstellung des Besonderen Teils ist die Beschreibung und Abgrenzung der einzelnen Deliktstypen des Strafgesetzbuchs. Der Besondere Teil ist damit im Wesentlichen die konkrete Ausgestaltung der Lehre von den Straftatbeständen. Diesem Anliegen gegenüber tritt die Erörterung der übrigen straftatkonstitutiven Merkmale zurück. Rechtswidrigkeit und Zurechenbarkeit sind weitaus abstrakter, allgemeiner als die in jedem Falle wechselnden Tatbestände. Bei der Konstruktion eines Tatbestandes, also bei der Charakterisierung einer solchen unwertigen Handlung, die Strafe nach sich ziehen soll, hat der Gesetzgeber einen gewissen Spielraum. Im Rahmen des Übermaßverbotes steht es bei ihm, ob er nur die vorsätzliche Bewirkung eines missbilligten Erfolges strafen, oder ob er auch dessen fahrlässige Verwirklichung einbeziehen will. Er kann eine Handlung auch ohne Beziehung auf einen Erfolg unter Strafe stellen, sei es als schlichtes Tätigkeits- oder als Gefährdungsdelikt, und ebenso kann er durch Schaffung echter Unterlassungsdelikte die Verletzung von Handlungsgeboten nach Belieben pönalisieren. Hierüber entscheiden Zweckmäßigkeit und Praktikabilität des Gesetzes, und angesichts der mannigfachen Angriffsmöglichkeiten gegen die verschiedensten Wertträger (Rechtsgüter) ist die Verwirklichung der „Lehre vom Tatbestand“ in den Strafdrohungen des Besonderen Teils eine umfassende Wesensschau der typisierten Unrechtssachverhalte.

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Rechtswidrigkeit und Zurechenbarkeit sind dieser Variation nicht fähig. Diese beiden Deliktsmerkmale sind im Wesentlichen in allen Tatbeständen konstant. Die Frage der Rechtfertigung an sich tatbestandsmäßiger Handlungen entscheidet sich ebenso wie die Frage der Zurechenbarkeit in ihren Stufen als Tatverantwortung und Schuld grundsätzlich nach den allgemeinen, für alle Strafdrohungen des Besonderen Teils geltenden Grundsätzen. Daher stehen diese Materien außerhalb des vorliegenden Aufgabenbereiches. Dies gilt aber nicht ohne Ausnahmen. Der Allgemeine Teil, dessen Aufgabe in der Typisierung bestimmter, bei den einzelnen Straftaten auftauchender Probleme besteht, ist der jüngere Bruder des Besonderen. Die von ihm generell geregelten Fragen mussten vorher ihre Belastungsprobe am einzelnen Delikt bestehen[1]. Und es liegt gerade an der Verschiedenheit der Tatbestände, dass sich nicht alle Fragen des Deliktsaufbaus im Allgemeinen Teil vor die Klammer ziehen lassen. Diese für den Allgemeinen Teil unverdaulichen Materien bleiben dem Besonderen Teil vorbehalten.

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Dies gilt vor allem für die Rechtswidrigkeit. Zunächst kennt das StGB Rechtfertigungsgründe, die nur für bestimmte Delikte gelten, so die Interessenwahrnehmung bei Beleidigung (§ 193) und die Indikationen zum Schwangerschaftsabbruch (§ 218a). Die des Verletzten ist zwar nur bei der Körperverletzung gesetzlich geregelt (§ 228), aber bei verzichtbaren Rechtsgütern grundsätzlich als Rechtfertigungsgrund anerkannt; sie hat jedoch im Besonderen Teil des StGB unterschiedliche Auswirkungen, denn vielfach beseitigt sie nicht erst die Rechtswidrigkeit, sondern schon den Tatbestand. Ferner gibt es Strafdrohungen, die, wie Nötigung und Erpressung, die Rechtswidrigkeitsmerkmale positiv bestimmen, sodass bei ihnen das herkömmliche Regel-Ausnahme-Verfahren (Ermittlung von Rechtfertigungsgründen) nicht ausreicht. Und endlich entwickeln die Rechtfertigungsgründe bei bestimmten Tatbeständen eine besondere Bedeutung. In allen diesen Fällen musste, um das Verbrechensbild plastisch hervortreten zu lassen, auch das Gebiet der Rechtswidrigkeit in die Darstellung einbezogen werden. Grundsätzlich das gleiche gilt für Verantwortungs- und Schuldausschlussgründe. Dort, wo ihr Brennpunkt liegt, sind auch sie zu erörtern.

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Die Kritik Finckes aaO 23 ff. an der hier vorgenommenen Wesensbestimmung des Besonderen Teils übersieht die Gesamtheit der entwickelten Kriterien und die weitgehende Einbeziehung der Konkretisierung von Instituten des Allgemeinen Teils gerade in dieser Darstellung (s.u. 2). Wichtig jedoch sein Hinweis auf die Bedeutung der Einordnung einer Vorschrift in den Allgemeinen oder Besonderen Teil.

Aufgrund der „Anziehungskraft vorgelagerter Gliederungselemente“ (Schroeder FS Roxin 2001, 33) versucht der Allgemeine Teil ständig, weitere Gegenstände des Besonderen Teils an sich zu ziehen. Dies gilt insbesondere für Roxins „Reichweite des Tatbestandes“ (AT § 11 Rn. 106). Arm. Kaufmann hat der Lehre von der objektiven Zurechnung entgegengehalten, dass die meisten der von ihr behandelten Probleme in den Besonderen Teil gehören (FS Jescheck 269 ff.).

Zwischen dem Allgemeinen und dem Besonderen Teil stehen die allgemeinen Lehren vom Besonderen Teil[2]. Hierher gehören insbesondere die vielen in mehreren Tatbeständen verwendeten Merkmale und die immer mehr zunehmenden gleichartigen Strafschärfungsgründe und Regelfälle für besonders schwere Fälle (Schroeder Gesetzgebungstechnik S. 381 ff., 408 ff.). Erstere werden hier nicht vor die Klammer gezogen, sondern bei dem Delikt behandelt, das am häufigsten vorkommt, so die „Waffe“ und das „gefährliche Werkzeug“ bei der Gefährlichen Körperverletzung (n. § 9 II 2). Für eine Einbeziehung der Straftheorie Kubiciel aaO 127 ff.

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2. Beschreibung und Abgrenzung der einzelnen Straftaten knüpfen nicht nur an die im Allgemeinen Teil entwickelte Tatbestandslehre an, sondern müssen vor allen Dingen die Werte erkennen, um deren strafrechtlichen Schutz es geht. Erstere ist weitgehend eine Frage der juristischen Konstruktion und Technik; so wird eine Darstellung des Besonderen Teils im Endergebnis durch die Meinungsverschiedenheiten über den Begriff der Handlung, die Bestandteile des Tatbestandes, die Eingliederung der Schuld in den Verbrechensaufbau nicht entscheidend berührt: die Erörterung des Diebstahls ist letztlich davon unabhängig, ob man die Zueignungsabsicht zum subjektiven Tatbestand, das Wissen um die Fremdheit der Sache aber zur Schuld rechnet (so die frühere Lehre), oder ob man sämtliche Willensrichtungen des Täters dem subjektiven Tatbestand einordnet und innerhalb der Schuld nur die Erheblichkeit des Willens für die Strafhaftung des Täters prüft (vgl. u. b). Damit soll freilich nicht in Abrede gestellt werden, dass die Einordnung im Allgemeinen Teil wichtige Folgen für die Auslegung der jeweiligen Merkmale haben kann[3]. Jedoch ist die Erkenntnis der vom Strafrecht geschützten Werte, ihres Inhalts, ihrer Rangordnung, ihres Verhältnisses zueinander die weitaus wesentlichste Voraussetzung einer Befassung mit dem Besonderen Teil. Sie steht daher unbedingt im Vordergrund der Erörterung, und zwar nicht nur bei Auslegung des geltenden Rechts, sondern auch in der Schau der Geschichte: die in diesem Lehrbuch gegebenen historischen Rückblicke dienen in erster Linie dazu, den heutigen Stand der Wertvorstellungen zu fixieren. Erst im Anschluss daran darf die praktische Ausgestaltung des Schutzes, d.h. die Typisierung der Rechtsgutsangriffe in den einzelnen „tatbestandsmäßigen Handlungen“, zur Analyse kommen, und erst in dritter Linie rangieren die Fragen der Strafbarkeit.

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Für eine systematische Darstellung ergibt sich damit eine feste Reihenfolge:

a) Die am Rechtsgut orientierte Zusammenfassung bestimmter Deliktsgruppen; die Einordnung dieser Gruppen in eine umfassende Legal- oder Rechtsgüterordnung; s. näher u. II.

b) Die Behandlung der einzelnen Tatbestände innerhalb der Deliktsgruppen. Nach zwei Richtungen hin strahlt die Tatbestandswirkung aus (näher AT § 19 III). Der Tatbestand grenzt die absolut straffreie Sphäre von der Zone des strafbaren Verhaltens ab, und er scheidet die eine Deliktsform von der anderen. Die Erneuerung des Verbots der strafbegründenden Analogie (AT § 10 II) und die Einschränkung der wahldeutigen Tatfeststellung (AT § 10 III) haben beiden Funktionen des Tatbestandes ihre frühere zentrale Bedeutung wiedergegeben. Der Aufbau der Tatbestände ist zwar, wie wir sahen, Sache des Gesetzgebers. Bei ihrer Analyse sind aber Lehre und Praxis unabhängig. Die Verschiedenheit der Theorien über den Aufbau der Straftat wirkt sich auch auf die Wertfüllung des Begriffes Tatbestand aus. Entsprechend der heute h.L. wird der Tatbestand hier nicht nur als äußeres Geschehen („rein objektiv“), sondern komplex, unter Einbeziehung der Willensrichtungen und Tendenzen des Täters begriffen. Demgemäß gliedert sich die vorsätzliche Tat stets in einen objektiven und einen subjektiven Tatbestandsteil, während der Letztere bei fahrlässigen Taten verkümmern oder gänzlich fehlen kann. Der Bedeutung des Vorsatzes entsprechend gliedert sich auch der Irrtum: der Tatbestandsirrtum, der die Kongruenz der vorsätzlichen Delikte vernichtet und entweder eine selbstständig wertbare fahrlässige Tat oder ein strafrechtlich unerhebliches Restbild übrig lässt, gehört in die Materie des Besonderen Teils, während der Verbotsirrtum als eine nur die Zurechenbarkeit interessierende grundsätzliche Frage außerhalb des Zusammenhanges bleibt und nur dank seiner Typizität bei einzelnen Straftaten (z.B. §§ 123, 240, 253, 356) Erörterung findet.

c) Primär nach der Schutzwirkung, sekundär nach der durch Kürzungs- und Vereinfachungsstreben bestimmten Gesetzestechnik entscheidet sich die Beurteilung der sog. abgewandelten Tatbestände, die entweder als eigenständige Straftaten (delicta sui generis) oder als unselbstständige tatbestandliche Abwandlungen eines Grunddeliktes auftreten, und zwar in beiden Fällen mit qualifizierender oder privilegierender Wirkung oder auch als Subsidiärtatbestand (Auffangtatbestand) konstruiert. Die Bedeutung dieser Probleme hat die Diskussion um den Aufbau der vorsätzlichen Tötungsdelikte gezeigt. In Zweifelsfällen wird hier für Unselbstständigkeit der Abwandlung und gegen Sonderdelikt zu entscheiden sein. Dies folgt aus der Konstantheit des geschützten Rechtsgutes, während die technische Formulierung der verschiedenen Tatbestände meist durch das Bestreben veranlasst ist, allen Angriffsarten gegen das (gleichbleibende) Rechtsgut zu begegnen[4].

d) Die objektiven Bedingungen der Strafbarkeit (z.B. die Zahlungseinstellung in § 283 Abs. 6, die Nichterweislichkeit der Tatsache bei der üblen Nachrede in § 186) stehen zwar außerhalb des Tatbestandes, sind aber Deliktselemente. Die Abhängigkeit ihrer Struktur vom Charakter der Tat, deren Strafbarkeit sie begründen, verlangt ihre Einbeziehung in das System des Besonderen Teils.

e) Die Prozessvoraussetzung des Strafantrags gilt nur für einzelne Tatbestände und wird insoweit im Besonderen Teil erörtert.

f) Das gleiche gilt für die Strafausschließungs- und -milderungsgründe (eingehend AT § 35 V B), von denen der Besondere Teil des StGB eine erhebliche Anzahl aufweist, so den notstandsähnlichen Sonderfall des § 157, die Retorsion des § 199 und die Straflosigkeit der Schwangeren nach den §§ 218 Abs. 4 S. 2, 218b Abs. 1 S. 3. Immer mehr nehmen die Möglichkeiten des Absehens von Strafe zu[5].

g) Auch die Strafaufhebungsgründe sind im Allgemeinen Teil nicht erschöpfend geregelt. Weitergehend als in § 24 lässt der Besondere Teil einen strafbefreienden Rücktritt auch nach vollendeter Tat zu, so bei Hochverrat (§ 83a), bei unterlassener Verbrechensanzeige (§ 139), bei den Aussagedelikten (§ 158) und bei Brandstiftung (§ 306e).

h) Bei der Regelung des Strafensystems gibt der Allgemeine Teil nur Vorschriften über das Wesen der Strafen (Höchst- und Mindestmaß; Vollzugsgrundsätze) und eine, zudem nicht erschöpfende, Übersicht der verfügbaren Nebenstrafen und Nebenfolgen besonderen Charakters. Dem Besonderen Teil vorbehalten bleibt dagegen die Darlegung der auf das einzelne Delikt abgestimmten Strafrahmen sowie der Nebenstrafen und -folgen, über die der Allgemeine Teil schweigt, z.B. die Urteilsbekanntmachung (§§ 165, 200). Von den Maßregeln der Besserung und Sicherung ist nur die Führungsaufsicht bei bestimmten Tatbeständen besonders vorgesehen (u.a. §§ 245, 256, 262, 263 Abs. 6), ohne dass damit freilich ihre Anwendung auf diese Tatbestände beschränkt wäre (vgl. § 68 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2); auch bei anderen Maßregeln liegt aber das Schwergewicht der Anwendung bei bestimmten Tatbeständen oder jedenfalls Tatbestandsgruppen (z.B. § 69: Taten bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers).

i) Die Behandlung der Konkurrenzen, grundsätzlich ein Anliegen des Allgemeinen Teils (eingehend AT §§ 54 ff.), kann gleichwohl in ihrer praktischen Auswirkung nicht vom Besonderen Teil getrennt werden. Denn für die Praktikabilität entscheidet der Gesichtspunkt, den wir als vordringlichste Aufgabe des Besonderen Teils erkannt hatten: die Lehre vom konkreten Rechtsgut als Voraussetzung einer Systematik des Strafschutzes.

Anmerkungen

[1]

In der Peinlichen Gerichtsordnung Karls V. (Carolina) von 1532 waren am Ende der Vorschriften über das materielle Strafrecht die Sicherungshaft bei Gefährlichkeit, die Teilnahme, der Versuch, die Schuldunfähigkeit und die Gefangenenbefreiung geregelt (Art. 176–180). Notwehr, Notwehrhilfe, Notwehrexzess und Tötung bei einer rechtmäßigen Festnahme waren dagegen im Rahmen der Tötungsdelikte geregelt (Art. 138–150).

[2]

Wolf aaO; Tiedemann aaO.

[3]

Naucke FS Welzel 770 ff.

[4]

Eingehend Nagler ZAkDR 40, 365; Maurach MatStrRReform I 249.

[5]

Dazu Schroeder Das Strafgesetzbuch als Straffreistellungsgesetzbuch, FS Eser, 2005, 181 ff.; Schroeder Absehen von der Strafe und Absehen von der Strafverfolgung, FS Fezer, 2008, 543 ff.

Einleitung › II. Die Systematik des Besonderen Teils

II. Die Systematik des Besonderen Teils

Schrifttum:

Abegg, Beiträge zur Lehre von der systematischen Anordnung des besondern Theils des deutschen Strafrechts, Archiv des Criminalrecht, NF., 1835, 367; Doerr, Die Systematik des besonderen Teils des Strafrechts, GA 64, 29; Maurach, Die Systematik des Besonderen Teils eines neuen Strafgesetzbuches, MatStrRReform I 1954, 231; Oehler, Wurzel, Wandel und Wert der strafrechtlichen Legalordnung, 1950; Schneidewin, Die Systematik des Besonderen Teils eines neuen Strafgesetzbuches, MatStrRReform I 1954, 173; F.-C. Schroeder, Systematische Stellung und Rechtsgut der Sexualstraftaten nach dem 4. StrRG, FS Welzel 1974, 859; v. Weber, Der Dekalog als Grundlage der Verbrechenssystematik, FS Sauer 1949, 44; Würtenberger, Das System der Rechtsgüterordnung in der deutschen Strafgesetzgebung seit 1532, StrAbh. 326, 1933, Neudr. 1973.

1. Die Legalordnung als Rechtsgüterordnung

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Unter einer Legalordnung verstehen wir die durch ein Gesetz vorgenommene Anordnung seiner Strafdrohungen in einer bestimmten Reihenfolge und nach bestimmten Gruppen. Wenn diese Gruppierung an sich auch nach mehreren Gesichtspunkten möglich ist (z.B. nach der Person des Täters, nach dem Mittel des Angriffes), so überwiegt in der Gesetzgebung doch die Einteilung nach der Angriffsrichtung, also dem zu schützenden Rechtsgut, so stark, dass es möglich ist, die Legalordnung als gleichbedeutend mit der vom Gesetz befohlenen Rechtsgüterordnung zu betrachten.

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Legalordnungen können ihrem Wesen nach nur in Kodifikationen des Strafrechts zum Ausdruck kommen; einzelne Gelegenheitsgesetze reichen hierzu nicht aus. Darüber hinaus verlangt das Zustandekommen einer Legalordnung eine bereits fortgeschrittene Systematisierungstechnik des Gesetzgebers, die ihrerseits auf einem klaren Erfassen der zu schützenden Werte beruhen muss. Denn einerseits ist das Rechtsgut nicht gleichbedeutend mit dem konkreten Angriffsobjekt, andererseits darf es nicht zu einem unbestimmten Begriff zerfließen. Beide Fehlauffassungen haben vor allem die Herausbildung der modernen Staatsverbrechen erheblich gehemmt[1].

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Die deutschen Rechtsaufzeichnungen des Mittelalters lassen noch jede Rechtsgüterordnung vermissen. Der Dekalog des Alten Testaments mit seiner, schon in zwei Tafeln sichtbar werdenden, Einteilung und Rangordnung der Werte (Angriffe auf Gott; Angriffe auf das Menschengeschlecht und die staatliche Ordnung; Angriffe auf den Einzelnen Menschen mit den Abstufungen: Leib und Leben; Familie; Eigentum; Ehre) strahlte noch nicht auf das weltliche Recht aus (v. Weber 46). Die Legalordnung der PGO, des ersten Gesetzes, das eine solche deutlich werden lässt, ist durchaus eigenständig. Bemerkenswert und aus der vorhumanistischen Periode ihrer Entstehung erklärlich (Oehler 68) ist eine noch unscharfe Abgrenzung der gegen den einzelnen gerichteten Straftaten von den Delikten gegen Gemeinschaftswerte; dass sie Schwarzenberg vorgeschwebt hat, lässt der Aufbau des Gesetzes dennoch erkennen. Den Anfang bilden die Religionsdelikte; die Majestätsverbrechen, in der Bambergensis eingehend geregelt, sind aus der PGO herausgenommen. Es folgen Strafdrohungen gegen Fälschung, gegen Angriffe auf die geschlechtliche Sittlichkeit und auf den öffentlichen Frieden; in den Schlusskapiteln (Tötung und Diebstahl) werden vorwiegend gegen den Einzelnen gerichtete Taten erfasst (Textausgabe bei Reclam Bd. 18064).

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In der Folge wirken, einander ablösend, zwei getrennte Gedankenreihen auf die Legalordnungen ein: das Normensystem des Dekalog, das insbesondere die kursächsischen Konstitutionen (1572) und die preußischen Landrechte von 1620 und 1721 beeinflusste, und die Wertordnung des Naturrechts. Versuche, eine Synthese beider herzustellen (Pufendorf, Grotius), bleiben ohne Auswirkungen; im Laufe des 18. Jhdts. räumt die Systematik des Dekalog durchweg das Feld; an ihre Stelle tritt die Herrschaft einer säkularisiert-naturrechtlichen Wertung.

Allerdings eilt die naturrechtliche Lehre der praktischen Gesetzgebung weit voraus. Die großen landesrechtlichen Kodifikationen des 18. Jhdts. lösen sich noch nicht von der hergebrachten Rechtsgüterordnung; so die Theresiana (1768) mit ihrer Wertstufenordnung: Straftaten gegen Gott und die Religion; Straftaten wider den Landesfürsten, die Hoheitsrechte, das Regiment und die Landesverfassung; Straftaten wider die guten Sitten; Straftaten wider den Einzelnen. Ausgesprochen naturrechtlich beeinflusst ist dagegen der an sich ältere Codex juris bavarici criminalis Kreittmayrs (1751). Er eröffnet die Reihenfolge mit Diebstahl, Raub und Tötung als den Delikten gegen den Einzelnen. Es folgen die Straftaten gegen die überstaatlichen Werte, Sittlichkeit, Ehe und Religion, und erst dann die Staatsverbrechen, zu denen auch die Fälschungsstraftaten, als gegen die staatlich geschützte fides publica verstoßend, zu zählen sind (Würtenberger 130). Die abstrahierend-verallgemeinernde Wirkung des Naturrechts äußert sich auch darin, dass der Codex als erste deutsche Rechtsquelle einen den einzelnen Verbrechen vorangestellten Allgemeinen Teil enthält.

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Eine volle Durchdringung der Gesetzgebung durch die Forderungen des Naturrechts verhinderte im Übrigen schon die Maßlosigkeit der Letzteren. Die angebliche Errechenbarkeit jedes Rechtssatzes und der Gesetzesautomatismus, beides die Folge einer Verzerrung des säkularisierten Naturrechtes zu einem reinen Vernunftrecht, waren für die Praxis unannehmbar. Das galt sowohl für die „mathematische“ Methode des Aufbaues und der Ableitung von Gesetzen nach Chr. Wolff (1730) als auch für die Anmaßung Benthams, Gesetzbücher aus den Schlüssen der Logik mit universaler Wirkung, unvorbelastet durch Erfahrung und Geschichte, auszuarbeiten. Gegen diese Auswüchse wandte sich das Naturrecht der späteren Aufklärungszeit selbst. Es begann, die praktischen Grenzen seines Vermögens zu erkennen und begnügte sich mit der Lösung des Individuums aus den Verbänden der mittelalterlichen Anschauung sowie mit der Umwandlung des früher absoluten Religionsschutzes in einen solchen der staatlichen Friedensordnung. Freilich war damit der Ansatzpunkt zur Preisgabe der überstaatlichen Gemeinschaftswerte überhaupt gewonnen; die Dreiteilung der Delikte verwandelte sich in eine Zweiteilung (gegen den Staat und gegen den Einzelnen), wie sie in der Legalordnung des preuß. ALR (1794) zutage tritt: zu den Staatsverbrechen gehören auch die Religionsdelikte als Friedensstörungen; die Staatsverbrechen gehen den Angriffen gegen den Einzelnen voran.

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Immerhin waren im ALR die Spuren geschichtlichen Wachsens der Legalordnung nicht ausgetilgt. Ganz anders dagegen das vollrationalisierte bayerische StGB Feuerbachs (1813). Aus dem geschichtlichen Zusammenhang gelöst, teilt es die Delikte zunächst ohne Rücksicht auf deren Richtung ausschließlich nach den angedrohten Strafen in Verbrechen (I. Buch) und Vergehen (II. Buch) ein. Erst innerhalb dieser Klassifikation wird nach Rechtsgütern gruppiert, wobei sowohl Verbrechen als auch Vergehen in Privatdelikte (gegen den Einzelnen) und öffentliche Delikte (gegen den Staat) zerfallen. Alles in allem ein künstliches, traditionsfremdes System, das (bis auf das StGB von Holstein/Oldenburg von 1814 und das 1951 aufgehobene StGB Griechenlands von 1834) ohne Nachahmung blieb.

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Unmittelbares Vorbild der Legalordnung des geltenden Rechts ist die des preuß. StGB 1851. Die Anordnung der Straftaten verrät in ihrer Grundhaltung den starken Einfluss der Lehren Hegels und Fr. Jul. Stahls, verschließt sich aber auch nicht liberalen Gedankengängen. Nach wie vor ist der Staat Ausgangspunkt des Strafschutzes, und zwar nicht, wie von der Aufklärung gefordert und z.T. verwirklicht, als Gewähr der bürgerlichen Freiheit überhaupt, sondern als konkrete Verfassung und – noch davor rangierend – als Person des Königs[2]. Die Gewaltenteilungslehre des Liberalismus äußert sich im weiteren Aufbau. Auf die eigentlichen Staatsverbrechen folgen entsprechend der klassischen Dreiteilung die Angriffe auf die gesetzgebende Gewalt, die vollziehende und die richterliche Gewalt. Zwischen den Straftaten gegen den Staat und den Straftaten gegen den Einzelnen stehen die Delikte wider Religion, Familie und Sittlichkeit. Die Straftaten gegen den Einzelnen beginnen mit den Delikten gegen die Ehre. Daran schließen sich die Straftaten wider Leben und Leib, wider die persönliche Freiheit, das Eigentum und das Vermögen, innerhalb deren die Fälschungsdelikte eingeordnet sind. Den Schluss bilden die gemeingefährlichen Straftaten, die Amtsverbrechen und der Übertretungsteil, der mit dieser Stellung schon damals von dem eigentlichen Kriminalstrafrecht abgehoben werden sollte.

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Das geltende StGB hat an dieser Reihenfolge der Werte nichts geändert; aber als Kind der liberalen Epoche verschiebt es die Rangordnung der Güter unter der Hand durch Änderung der Strafdrohungen, in denen der Schutz des Lebens in den Vordergrund gerückt, die Strafwürdigkeit der Verbrechen gegen den Bestand des Staates abgewertet wird. Mit Recht spricht Oehler (186) daher von einem „Januskopf“ des geltenden StGB. Das 4. StrRG hat die „Verbrechen und Vergehen wider die Sittlichkeit“ als „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ den Straftaten gegen den Einzelnen zugeschlagen. Diese gewichtige Änderung war in der Systematik des geltenden StGB ohne weitere Umstellungen unterzubringen, da schon die bisherige Einordnung die Nähe zu den Straftaten gegen den Einzelnen zum Ausdruck bringen sollte[3]. Das 2. StrRG hat die Straftaten gegen den persönlichen Lebens- und Geheimnisbereich wegen ihrer gestiegenen Bedeutung in einem eigenen, dem durch die Aufhebung des Zweikampfs freigewordenen 15., Abschnitt zusammengefasst und den letzten Abschnitt aufgehoben; die bisherigen Übertretungen sind überwiegend zu Ordnungswidrigkeiten herabgestuft, in Einzelnen Fällen (z.B. Mundraub, jetzt § 248a StGB) aber auch zu Vergehen hochgestuft, wobei eine Auflockerung des Verfolgungszwanges Härten vermeiden soll (§§ 153, 153a StPO). Weitere Änderungsgesetze haben die „Verkehrsunfallflucht“ (§ 142, s. Tlbd. 2) zu einer Straftat gegen den Einzelnen und zahlreiche Amtsdelikte zu bloßen Qualifikationen von Straftaten gegen den einzelnen gemacht[4]. Das 18. StrÄndG hat die Straftaten gegen die Umwelt in das StGB eingefügt, und zwar im Anschluss an die gemeingefährlichen Straftaten; die Straftaten im Amt wurden um einen Abschnitt nach hinten verschoben. Das Korruptionsbekämpfungsgesetz von 1997 hat einen neuen 27. Abschnitt (Straftaten gegen den Wettbewerb) eingefügt und die folgenden Abschnitte entsprechend verschoben.