Czytaj książkę: «VISIONEN & WIRKLICHKEIT», strona 2

Czcionka:

Rainer Eisfeld – Wichtige Buchveröffentlichungen

 PLURALISMUS ZWISCHEN LIBERALISMUS UND SOZIALISMUS. Stuttgart: Kohlhammer, 1972.

 SOZIALISTISCHER PLURALISMUS IN EUROPA. Ansätze und Scheitern am Beispiel Portugals. Köln: Wissenschaft und Politik, 1984.

 Als Herausgeber (mit Ingo Müller): GEGEN BARBAREI. Essays Robert M. W. Kempner zu Ehren. Frankfurt/Main: Athenäum, 1989.

 AUSGEBÜRGERT UND DOCH ANGEBRÄUNT. Deutsche Politikwissenschaft 1920–1945. Mit einer Würdigung des Autors Hubertus Buchstein. Baden-Baden: Nomos, 1991; 2., überarbeitete Auflage; Baden-Baden: Nomos, 2013.

 DIE UNMENSCHLICHE FABRIK. V2-Produktion und KZ Mittelbau-Dora. Herausgegeben von der Landeszentrale für politische Bildung, Erfurt: Fehldruck, 1993

 WILD BILL HICKOK. Westernmythos und Wirklichkeit. Reinbek: Rowohlt, 1994 (= rororo-Sachbuch 9575)

 POLITICAL SCIENCE AND REGIME CHANGE IN 20TH CENTURY GERMANY (mit Michael Th. Greven und Hans Karl Rupp). New York: Nova Science, 1996.

 MONDSÜCHTIG. Wernher von Braun und die Geburt der Raumfahrt aus dem Geist der Barbarei. Reinbek: Rowohlt, 1996. Neuausgabe mit neuem Vor- und Nachwort: Springe, zu Klampen, 2012.

 ALS TEENAGER TRÄUMTEN. Die magischen 50er Jahre. Baden-Baden: Nomos, 1999.

 MARSFIEBER. Aufbruch zum roten Planeten. Phantasie und Wirklichkeit (mit Wolfgang Jeschke). München: Droemer Knaus, 2003

 STREITBARE POLITIKWISSENSCHAFT. Studien zu Demokratisierung, politischer Kultur und wissenschaftlicher Verantwortung. Mit einer Einführung von Michael Th. Greven. Baden-Baden: Nomos, 2006

 Als Herausgeber: PLURALISM. Developments in the Theory and Practice of Democracy. Leverkusen-Opladen: Budrich, 2006 (= The World of Political Science. The Development of the Discipline Book Series, Band 4)

 DIE ZUKUNFT IN DER TASCHE. Science Fiction und SF-Fandom in der Bundesrepublik. Die Pionierjahre 1955–1960. Lüneburg: Dieter von Reeken, 2007. Durchgesehene Neuauflage 2012

 Als Herausgeber (mit Leslie A. Pal): POLITICAL SCIENCE IN CENTRAL-EAST EUROPE. Diversity and Convergence. Leverkusen-Opladen: Budrich, 2010.

 ABSCHIED VON WELTRAUMOPERN. Science Fiction als Zeitbild und Zeitkritik. Kommentare aus 25 Jahren. Mit einer Vorbemerkung von Wolfgang Jeschke und einem Beitrag von Jörg Weigand. Lüneburg: Dieter von Reeken, 2011.

 RADICAL APPROACHES TO POLITICAL SCIENCE. Roads Less Traveled. With an Introduction by Klaus von Beyme. Leverkusen-Opladen: Budrich, 2012.

 ZWISCHEN BARSOOM UND PEENEMÜNDE. Von den eingebildeten »Landschaften« des Mars bis zu den zerbröckelnden Mythen der V-2-Konstrukteure. Lüneburg: Dieter von Reeken, 2014.

 Als Herausgeber: MITGEMACHT: Theodor Eschenburgs Beteiligung an »Arisierungen« im Nationalsozialismus. Wiesbaden: Springer VS, 2016.

 POLITICAL SCIENCE: Reflecting on Concepts, Demystifying Legends. With an Introduction by John Trent. Leverkusen-Opladen: Budrich, 2016

 HUNDERT JAHRE DEUTSCHE WESTERNMYTHEN. Von Armand bis Astor: »Alles authentisch«. Lüneburg: Dieter von Reeken, 2019

 EMPOWERING CITIZENS. Engaging the Public: Political Science for the 21sth Century. London: Palgrave Macmillan, 2019.

Bernd Schuh: Die Würde des Menschen

Die gezähmten Wölfe schlugen an. Das Geräusch erzeugte verhaltene Unruhe am Kabinettstisch.

»Das muss nichts bedeuten.« Chief Leader Lindehard murmelte mehr als er sprach. »Das machen die manchmal auch einfach so.«

»Beim letzten Mal hat uns ein Haufen Demokraten Handgranaten aufs Gelände geschmissen.« Der Energieminister, einziges Regierungsmitglied ohne Parteiausweis. Vielleicht traute er sich deshalb manchmal was. Aber auch er grummelte nur kaum verständlich.

CL Lindehard straffte sich. »Lassen Sie uns weiter machen mit der Kabinettsvorlage des Wirtschaftsministers! Wenn ich das richtig verstehe, wollen Sie den Sondersoli für die Unterstützung der Usa drastisch erhöhen, Kollege Soldi.«

Man sprach vom transatlantischen Partner immer als Usa, nicht mehr wie früher üblich als USA. Eine bewusste Kleinschreibung, die der gegenwärtigen Bedeutung der einstigen Weltmacht besser gerecht wurde.

»Sie wissen, welche Zustände seit den Wellen dort herrschen. Und darunter leiden auch unsere eigenen Leute! Es gibt so viele Vernünftige in diesem Land!« Wirtschaftsminister Soldi redete sich in Rage. »So viele Menschen, die bedingungslos hinter CL Trompöl stehen. Aber ohne die entsprechenden Mittel werden sie die geheimen Machtzentren in Langley und …«

Wieder hörte man die gezähmten Wölfe heulen. Darunter mischten sich einzelne Schüsse.

Justizminister Kenmich sprang auf. Wut und Entschlossenheit im Gesicht, einen smaragdgrünen Heilstein in der Hand. »Da haben wir’s! Wenn das wieder diese scheißliberalen Sciencefreaks sind, werde ich sofort ein neues Gesetz vorlegen. Es reicht nicht, diesen Diskursaffen ihre Medien und Gesprächszirkel zu nehmen. Die gehören alle hinter Gitter! In Beugehaft!«

»In Rechtsbeugehaft«, murmelte der Energieminister. Diesmal hatten es alle gehört und schauten ihn empört an.

Die W20 war tolerant. Seit sich die Partei während der Wellen gebildet hatte, war sie ein Sammelbecken für Theoretiker und Ideologen geworden, die ihre eigene Überzeugung für den jeweils besten Beweis hielten. Aber auch Toleranz hatte Grenzen.

»Recht ist, was im Gesetz steht«, erinnerte ihn der CL.

»Und das Gesetz sind wir«, assistierte Kenmich.

Draußen war es kurz still.

»Also lassen Sie uns weiter machen! Seit dem letzten Mal haben wir den Sicherheitsdienst verdreifacht. Der hat jetzt alles im Griff.« Der CL, wegen der sommerlichen Temperaturen leger gekleidet, ließ dabei seinen tätowierten Bizeps unter dem kurzärmeligen Poloshirt spielen.

»Sollten wir nicht langsam die Armee einschalten?« Der Finanzminister war für seine Zaghaftigkeit bekannt. Er war auch mit Abstand der älteste in der Runde. Vielleicht deswegen.

»Ach was!«, ging der Wirtschaftsminister dazwischen. »Das sind doch alles nur Sektierer. Das Volk steht hinter uns …«

»Das ist ja das Schlimme«, murmelte der Energieminister, »da kann man es nicht sehen.«

Soldi tat, als hätte er nichts gehört. »… und die W20 hat einen überwältigenden Wahlsieg errungen. Unsere Wähler würde der Einsatz der Truppe nur irritieren.«

»Außerdem ist zu bedenken«, ließ sich der CL nun doch auf das Thema ein, »dass unser Durchgriff auf die Strukturen des Militärs noch nicht ganz befriedigend ist.«

»Erstaunlicherweise!«, fügte Verteidigungsministerin Minender zustimmend hinzu und schüttete sich ein paar Globuli in die linke Hand.

»Vielleicht sind wir denen zu chaotisch.« Der Energieminister konnte es nicht lassen. Diesmal fing er sich derart strenge Blicke ein, dass er beschämt den Kopf senkte und auf die Koransynopse starrte, die er auf seinem Klapphandy geöffnet hatte.

Der CL schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. Das harte Klacken seines Daumenrings schreckte alle auf. »Also zurück zur Vorlage des Wirtschaftsministers!«

»Ja. Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, wenn wir eine Weltmacht wie die CIA stürzen wollen, müssen wir richtig viel Geld in die Hand nehmen. Und wie es in den Kassen unseres Freunds Trompöl aussieht, wissen wir ja …«

»Woher soll das Geld denn kommen?« Die W20-Vorsitzende Weyerberg schaltete sich ein. Als Familienministerin sorgte sie sich um die staatliche Unterstützung für berufstätige Männer, deren Frauen arbeiten gingen und die Familie vernachlässigten.

»Kollege Soldi hat es doch schon gesagt! Eine Erhöhung des Sondersoli Usa!« Der Justizminister war leicht erregbar. Und nicht nur heute.

»Das werden die Leute nicht schlucken, fürchte ich.« Nun meinte auch die Sektenbeauftragte Kentner, etwas sagen zu müssen. »Es gibt schon so viele Solis: Soli Ost, Soli Süd, Kirchensoli, Verteidigungsoli, Seuchensoli, Sektensoli, Antiimpfsoli, Soli Staatsfeindunterbringung, Soli …«

»Bitte! Bitte! Das wissen wir doch alle«, mischte sich Chief Leader Lindehard wieder ein. »Ich bitte um konstruktive Vorschläge. Wo bleibt das Positive, Frau Kentner?« Gelegentlich spielte der CL nicht nur mit seinen Muskeln, sondern auch mit seiner Bildung.

»Wir könnten das Personal in den staatlichen Pflegeeinrichtungen weiter ausdünnen …«

»Und die Gehälter noch ein bisschen senken«, assistierte ihre Kollegin aus dem Verteidigungsressort. Frauensolidarität am Kabinettstisch. »Ganz im Sinne der Doktrin Palmer. Deren konsequente Umsetzung wir den Wählern ja auch versprochen haben.«

Die Unruhe draußen war keineswegs abgeebbt. Sie schien sich im Gegenteil dem Regierungspalais zu nähern. Stimmen, Schüsse, das Jaulen der Wölfe und nun auch das Geräusch sich nähernder Turbodrohnen. Zwei oder drei Kabinettsmitglieder waren schon ans Fenster getreten.

Der CL wollte sie gerade zur Ordnung rufen, als die Tür aufgerissen wurde. Einer der Bodyguards stürmte in den Raum: »Roter Alarm! Wir müssen evakuieren. Keine Zeit für Erklärungen. Alles raus hier, schnell!«

Alle stürzten zu den beiden Türen des Saals. Eine war verschlossen. Kein Ausgang. Diese Tür nur Zutritt verkündete ein Hinweisschild. Offenbar stammte es noch aus der grauen Vorzeit der Wellen. An der Ausgangstür gab es ein Gerangel. Der Energieminister wollte der Sektenbeauftragten den Vortritt lassen, da drängte sich der CL dazwischen. »Arschloch!«, entfuhr es dem Energieminister, und diesmal nicht in gedämpfter Lautstärke. Der CL boxte ihn dafür im Rauseilen in den Magen. Der Bodyguard zog ihn weg. Soldi quetschte sich an Minender vorbei und Kenmich schimpfte die ganz Zeit lauthals: »Diese Scheißliberalen, diese Scheißkanaken, diese Scheißvirologen, diese Scheißfridays, lasst mich vorbei, ihr Scheißignoranten …«

Als der Finanzminister als Letzter durch die Tür ging, explodierte die erste Bombe. Sie fetzte das Dachgeschoss weg. Die zweite Selbstmörderdrohne zündete im Zentrum des Gebäudes und brachte das Palais vollends zum Einsturz. Niemand entkam den Flammen, die kurz danach aufloderten.

Der Anschlag war der Auftakt zu einem Putsch, der innerhalb weniger Tage zu einem radikalen Politikwechsel führte. Das Volk war daran ja schon gewöhnt. Beziehungsweise unterstützte ihn in gewohnter Launenhaftigkeit. Der neue Innenminister der Notstandsregierung ließ es sich nicht nehmen, die Aufräumarbeiten am Anschlagsort als Kulisse für eine Rede an die Nation zu nehmen. In kräftigen, wütenden Stößen bugsierte er seinen Rollstuhl durch die kalte Asche ins Zentrum der Verwüstung. Als die Kameras rot blinkten, begann er seine kurze Ansprache: »Die wehrhafte Demokratie hat letztlich gesiegt. Und der Vernunft zur Wiederkehr verholfen. Schon jetzt zeichnet sich in den Meinungsumfragen eine radikale und längst überfällige Abkehr von den Populisten der W20 ab. Wir werden diese Entwicklung weiter fördern und beizeiten Neuwahlen ausschreiben. Und zu der Kritik an unserem entschiedenen Vorgehen nur so viel: Wenn ich höre, alles andere habe vor dem Schutz von Leben zurückzutreten, dann muss ich sagen: Das ist in dieser Absolutheit nicht richtig.«


Rainer Eisfeld (links), Heinz Zwack und Jörg Weigand auf dem OldieCon 2013. Foto: Robert Christ

Hans-Dieter Furrer: COEURL und die Folgen

Im Jahre 1957, ich war fünfzehn und im letzten Schuljahr, fuhr ich oft mit meinem Fahrrad auf der Seestrasse von Feldbach nach Rapperswil. Mein Ziel war ein kleines Geschäft für Zigarren und Zeitschriften in der Kluggasse. Ich parkierte meinen Stahlesel wie immer an der Hauswand. Es war das alte Rad meines Vaters, mit einer Dreigangschaltung von »Sturmey-Archer« und nicht sehr wirksamen Trommelbremsen. Ich kann mich noch erinnern, dass ich auf dem Lenker einen Tacho montiert hatte, der die Geschwindigkeit anhand des Fahrtwindes maß, was vermutlich nicht sehr präzise war.

Ich betrat den kleinen Laden, in dem es immer nach Pfeifentabak und Zigarren roch. Links vom Eingang waren stets die neuesten Romanhefte aufgelegt. Damals las ich am liebsten die »Fliegergeschichten« aus dem Moewig-Verlag. Eben wollte ich zum neusten Band greifen, der zwei Stukas Junkers Ju 87 im Sturzflug zeigte, als mein Blick auf den UTOPIA-Grossband Nr. 50 aus dem Erich Pabel Verlag fiel: »Unternehmen Milchstraße« von A. E. van Vogt. Unter einem gelbrot schimmernden Sternennebel hing ein Raumfahrer kopfunter im Weltall, nur an einer dünnen Leine mit seinem pfeilförmigen Raumschiff verbunden.

Auf der zweiten Umschlagseite war ein Schwarz-Weiß-Foto mit drei Männern und folgendem Text: »Zur Verwirklichung der Raumfahrtpläne tragen diese drei Männer bei, deren Namen eines Tages das Symbol einer raumfahrenden Rasse sein werden. Im Studio von Walt Disney unterhalten sich Dr. Heinz Haber, der bekannte Raummediziner, Wernher von Braun und Willy Ley. Ihre Aufgabe ist es, die fantastischen Ideen der utopischen Literatur durch harte Arbeit und geniales Können zu verwirklichen.«

Zu meiner Lieblingslektüre gehörte in den Fünfzigerjahren auch »hobby – das Magazin der Technik« mit seinen technischen Zukunftsvisionen. Und so faszinierte mich auch dieses Schwarz-Weiß-Foto.

Fast vierzig Jahre später, im Jahre 1996, würde ein Buch von Rainer Eisfeld erscheinen, das die Schatten dunkler Vergangenheit durchleuchten und mir den Konstrukteur der Saturn-Rakete in einem ganz anderen Licht zeigen würde: »MONDSÜCHTIG – Wernher von Braun und die Geburt der Raumfahrt aus dem Geist der Barbarei«.

Doch damals im Jahre 1957 war ich völlig fasziniert von UTOPIA-Großband Nr. 50.

»Der vorliegende Roman wurde vom Science Fiction Club Deutschland mit dem Clubsiegel ausgezeichnet und somit als echter Science-Fiction-Roman empfohlen.« Nur schon der Begriff Science-Fiction klang irgendwie geheimnisvoll. Und es existierte sogar ein Science-Fiction-Club!

Ich begann zu lesen: »Weiter und immer weiter wanderte Coeurl. Die schwarze, mondlose, beinahe sternenlose Nacht wich widerwillig vor einer unfreundlichen rötlichen Dämmerung zurück, die zu seiner Linken heraufgekrochen kam. Es war ein vages Licht, welches nicht die geringste Vorahnung kommender Wärme enthielt. Zögernd enthüllte es eine Alptraum-Landschaft.« (Übersetzung: Jesco von Puttkamer)

Was für ein Einstieg! Wer war dieser Coeurl? Wo befand ich mich? Rückblickend muss ich gestehen, dass mich die erste Lektüre von »Unternehmen Milchstraße« damals etwas überforderte. Alles war so fremdartig, so neu für mich. Doch die Faszination hielt an und führte nach weiteren UTOPIA-Großbänden dazu, dass ich 1958 dem SFCD, Landesgruppe Schweiz, beitrat und im August 1959 meinen ersten Con besuchte, den 1. Europakonvent (Eurocon) des Science Fiction Club Europa (vormals SFCD) im Hotel »Weisser Wind« in Zürich. Damals könnten Rainer Eisfeld und ich uns zum ersten Mal begegnet sein. Sein Name tauchte ja im Programm auf:

»14 h 40: Willkommen der Auslandsdelegationen und Verlesung von Grussbotschaften durch Rainer Eisfeld«.

Doch ich saß wohl bei meinem ersten Con-Besuch als stiller Beobachter irgendwo im Hintergrund. Damals wusste ich nicht, dass Rainer genauso fasziniert von Van Vogt war. Er las die Meisterwerke der Vierziger- und Fünfzigerjahre natürlich im Original. Und er übersetzte in jener Zeit bereits »Welt der Null-A« und »Kosmischer Schachzug«, die als Leihbücher im Balowa-Verlag erschienen. Aus dem Amerikanischen übersetzt von einem gewissen Armin von Eichenberg. Ich hatte keine Ahnung, dass sich hinter diesem Pseudonym Rainer Eisfeld verbarg.

Autogramme von W. D. Rohr und K. H. Scheer waren die einzigen Trophäen, die ich nach Hause trug. Immerhin knüpfte ich auf dem Europakonvent in Zürich auch einen ersten »internationalen« Fankontakt mit Manfred Knorr aus Nürnberg, dem heutigen Chefredaktor und Herausgeber der Zeitschrift MOVIESTAR. 1972 erschien die erste Nummer von VAMPIR mit einem Bericht vom Filmfestival Triest, das in jenem Jahr zeitgleich mit dem ersten echten Eurocon stattfand. Ein Jahrzehnt lang besuchte ich in der Folge Jahr für Jahr die einschlägigen Festivals des Phantastischen Films in Triest, Paris und München. Bereits 1966 hatte ich sieben Monate in Paris verbracht und neben Sprachschule und Beruf die auf SF- und Horrorfilme spezialisierten Kinos der Großstadt besucht.

Und dann kam der 20. Juli 1969. Die ersten Menschen landeten auf dem Mond. Und ich saß bis zum Morgengrauen vor einem Schwarz-Weiß-Fernseher und verfolgte gebannt die unscharfen Bilder und die knackenden Funkverbindungen. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass auch Rainer Eisfeld in dieser Nacht vor einem Fernsehgerät saß. Und natürlich tauchte in den folgenden Tagen in Zeitungsberichten auch der Name Wernher von Braun wieder auf.

1996 entdeckte ich das Buch MONDSÜCHTIG und las zum ersten Mal die wahre Geschichte der V2-Konstrukteure von Peenemünde. Rainer Eisfeld sei Dank für diesen eindrücklichen Geschichtsunterricht. In der Schule sind wir in Geschichte nie bis zum Zweiten Weltkrieg gekommen. Wir liebten unseren Lehrer für seinen bildhaften und spannenden Unterricht, aber er hielt sich viel zu lange bei den Pfahlbauern auf, und später bei Wilhelm Tell, bei den alten Eidgenossen und der Schlacht bei Morgarten. Für die Schrecken des Zweiten Weltkriegs blieb dann keine Zeit mehr. Rainers Buch hatte zur Folge, dass ich auch die heldenhaften »Fliegergeschichten« kritischer sah, die mich in den Fünfzigerjahren so begeistert hatten.

Rainer Eisfeld ist es zu verdanken, dass die großen »Klassiker« von A. E. van Vogt in ungekürzten Neuübersetzungen in der »Bibliothek der Science-Fiction-Literatur« im Heyne-Verlag erschienen sind, jeweils ergänzt durch kenntnisreiche Vor- und Nachworte. 1986 erschien NULL-A, 1989 ISHER und 1992 mit Band 83 auch DIE EXPEDITION DER SPACE BEAGLE. Und ich erfuhr, dass Van Vogts Roman aus vier früheren Erzählungen ergänzt und zusammengefügt worden war. Die Geschichte mit Coeurl, die den Anfang macht, erschien bereits 1939 und hieß »Black Destroyer« (Schwarzer Verheerer). Und wieder begann ich fasziniert, zu lesen:

»Weiter und immer weiter streifte Coeurl. Die schwarze, mondlose, fast sternenlose Nacht wich zögernd einer unheilverkündenden rötlichen Dämmerung, die zu seiner Linken heraufkroch. Ein trübes, unbestimmtes Licht, das kein Vorgefühl nahender Wärme vermittelte, kein Behagen, nichts als matte, kalte Helligkeit, die langsam eine Alptraumlandschaft enthüllte.« (Übersetzung: Rainer Eisfeld)

Natürlich fiel mir sofort auf, dass sich der erste Satz geändert hatte. Coeurl wanderte nicht mehr weiter und weiter. Bei Rainer Eisfeld streifte er durch die Albtraumlandschaft, was genauer dem Originaltext entspricht:

»On and on Coeurl prowled. The black, moonless, almost starless night yielded reluctantly before a grim reddish dawn that crept up from his left. It was a vague light that gave no sense of approaching warmth. It slowly revealed a nightmare landscape.«

Dass der Alptraum noch immer mit P geschrieben wurde, störte wohl nur uns Schweizer Leser, denn eine Alp ist hierzulande das, was man in Deutschland als Alm bezeichnet, und Alpträume somit die Träume von Sennen und Sennerinnen. In der überarbeiteten Neuausgabe von 2018 ist übrigens aus der Alptraumlandschaft eine Albtraumlandschaft geworden.

Durch Science-Fiction habe ich im Laufe der Zeit viele interessante und liebenswerte Menschen kennengelernt. Begegnungen mit Autoren, Filmregisseuren und Kunstschaffenden bleiben in guter Erinnerung. Und eigentlich habe ich das alles Coeurl zu verdanken, der in »Unternehmen Milchstraße« von A. E. van Vogt auftauchte. Ohne ihn hätte ich 1965 nicht den Weltcon in London besucht, oder 1970 den Weltcon in Heidelberg und 1990 jenen in Den Haag. Und heute, wo wir alle ein bisschen älter geworden sind, treffe ich Rainer Eisfeld, den »Coeurl-Kenner«, auf Oldie-Cons in Unterwössen und Wetzlar wieder. Science-Fiction ist die einzige Literaturgattung, die ein so weltumspannendes Fandom mit Fanzines und Conventions geschaffen hat, um Gleichgesinnte zusammenzubringen.


Im Vordergrund v. l. n. r.: Waldemar Kumming (sitzend), Dieter Braeg, Franz Rottensteiner, Rainer Eisfeld; aufgenommen auf dem OldieCon 2007 in Unterwössen. Foto. Gustav R. Gaisbauer.

Darmowy fragment się skończył.

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