Czytaj książkę: «Die Rede von Jesus Christus als Glaubensaussage»
Die Rede von Jesus Christus als Glaubensaussage
Dialoge zwischen Bibelwissenschaft und Dogmatik
Jens Herzer / Anne Käfer / Jörg Frey
Mohr Siebeck GmbH & Co. KG
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Zur EinführungJens Herzer: Das Bekennen des Glaubens als Herausforderung an die Theologie. Eine EinführungAndreas Lindemann: »Wir glauben an Jesus Christus…«. Glaube und Bekenntnis im frühen Christentum zwischen Integration und AbgrenzungRochus Leonhardt: Die Bedeutung von Bekenntnissen in Theologie und Kirche zwischen Anspruch der Tradition und aktuellen Herausforderungen
I. »… und an Jesum Christum seinen einigen Sohn unsern Herrn« Karl-Wilhelm Niebuhr: Jesus, der Israelit. Die Menschlichkeit Jesu im Zusammenhang der paulinischen Christologie Martin Leiner: Der Glaube an einen persönlichen und universalen Christus Jesus Georg Neugebauer: Reflexionen und Impulse zur Diskussion
II. »… der empfangen ist vom heiligen Geist, geboren von der Jungfrauen Maria« Gudrun Holtz: »Kein Wort wird unwirksam sein, das von Gott kommt« (Lk1,37). Die Geburt Jesu aus der Jungfrau Maria als Erweis der schöpferischen Macht des Wortes Gottes Gregor Etzelmüller: Dogmatische Perspektiven auf Geist- und Jungfrauengeburt Lina Hildebrandt-Wackwitz: Reflexionen und Impulse zur Diskussion
III. »… gelitten unter Pontio Pilato, gekreuziget, gestorben und begraben« Roland Deines: Der Tod des Gottessohnes und das ewige Leben der Menschen Dirk Evers: Das Kreuz Jesu Christi als Wende. Hermeneutische Überlegungen zu Jesu Leiden und Sterben Alexander Dölecke: Reflexionen und Impulse zur Diskussion
IV. »… niedergefahren zur Höllen« / »… hinabgestiegen in das Reich des Todes« Marco Frenschkowski: Hinabgestiegen in das Reich der Toten. Jenseitsmythen, Christologie und der Weg der Seele Matthias D. Wüthrich: Eine systematisch-theologische Sinnsuche im Blick auf das Bekenntnis zum Descensus Jesu Christi Friederike Kunath: Reflexionen und Impulse zur Diskussion
V. »… am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren gen Himmel« Jörg Frey: Biblisch-theologische Reflexionen zum Bekenntnis zur Auferstehung Jesu Christi Anne Käfer: Erlebte Auferstehung. Systematisch-theologische Reflexionen zum Bekenntnis der Auferstehung Christi Nicole Oesterreich: Reflexionen und Impulse zur Diskussion
VI. »… sitzend zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters« Reinhard Feldmeier: Gottes Allmacht und die Ermächtigung des Menschen Martin Wendte: Allmächtige Herrschaft und die Freiheit der Christgläubigen. 14 Thesen Jakob Spaeth: Reflexionen und Impulse zur Diskussion
VII. »… von dannen er kommen wird, zu richten die Lebendigen und die Toten« Hermut Löhr: Der Messias als Richter. Zur Entstehung und Bedeutung einer Aussage im zweiten Artikel des Credos in den Anfängen des christlichen Glaubens Markus Mühling: Gericht, Rechtfertigung und Heiligung in systematisch-theologischer Perspektive Benjamin Schliesser: Reflexionen und Impulse zur Diskussion
SchlussreflexionJörg Frey/Anne Käfer: Chancen und Schwierigkeiten des Dialogs zwischen Exegese und Systematischer Theologie
Biogramme der Autorinnen und Autoren
Stellenregister1. Bibel2. Frühjüdische und rabbinische Texte (alphabetische Reihenfolge)3. Außerkanonische christliche Texte (alphabetische Reihenfolge)4. Nag Hammadi-Texte5. Pagane antike Literatur (alphabetische Reihenfolge)
Autorenregister
Sach- und Personenregister
[Zum Inhalt]
|V|Vorwort
Der vorliegende Band versammelt die Beiträge einer interdisziplinären Tagung, die von den Herausgebern und der Herausgeberin vom 19. bis 21. März 2015 in Leipzig veranstaltet wurde und den zweiten Artikel des Apostolischen Glaubensbekenntnisses zum Thema hatte. Anliegen und Ziel war es, zum christologischen Artikel ein interdisziplinäres Gespräch zwischen Bibelwissenschaft und Dogmatik zu initiieren. Darauf war das Format der Tagung abgestimmt: Jeder Topos des Bekenntnisartikels wurde mit je einem Beitrag aus exegetischer und systematisch-theologischer Perspektive erörtert und eine kritische Response führte in die gemeinsame Diskussion ein. Das Format hat sich bewährt: Der intensive Dialog war für beide Seiten eine fruchtbare Herausforderung, die nicht zuletzt auch die kontroversen Aspekte im Blick auf die zeitgemäße Bedeutung des alten christlichen Bekenntnisses vor Augen geführt hat, sowohl grundsätzlich als auch im Hinblick auf konkrete Inhalte.
Allen Beteiligten ist daher für ihren Beitrag zu dieser Tagung auch an dieser Stelle noch einmal zu danken: Den Vortragenden dafür, dass sie sich auf dieses Format eingelassen haben, den Respondierenden, die zum Zeitpunkt der Tagung alle wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren, dass sie sich zu kritischen Impulsen haben herausfordern lassen, sowie den Studierenden, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Leipzig, die mit enormen Engagement bei Organisation und Durchführung geholfen haben. Die Finanzierung der Tagung haben dankenswerterweise die Universität Zürich, die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens sowie die Theologische Fakultät der Universität Leipzig und ihr Förderverein sichergestellt. Ein besonderer Dank gilt schließlich Frau Nicole Oesterreich für die Herstellung der Satzvorlage, Frau Eva Maria Dietz und Herrn Manuel Nägele für die Erstellung der Register und Frau Sylvia Kolbe für das Lesen der Korrekturen. Den verantwortlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Verlages Mohr Siebeck danken wir für die professionelle Zusammenarbeit.
Leipzig, Münster, Zürich, im September 2017
Jens Herzer
Anne Käfer
Jörg Frey
[Zum Inhalt]
|1|Zur Einführung
|3|Das Bekennen des Glaubens als Herausforderung an die Theologie
Eine Einführung
Jens Herzer
Credo – »Ich glaube« – mit dieser sehr persönlichen Formulierung beginnt jenes Glaubensbekenntnis, das in der Tradition der Kirchen das apostolische genannt wird. Anders als im »Wir« des Nizäno-Konstantinopolitanums oder etwa auch in den Nachdichtungen des Bekenntnisses 1524 durch Martin Luther (EG 183) bzw. 1937 durch Rudolf Alexander Schröder (EG 184) hebt die erste Person Singular des Apostolikums nicht zuerst auf die Glaubens- und Bekenntnisgemeinschaft ab, in der sich der oder die Einzelne in seinem oder ihrem Glauben integriert und getragen weiß. Die explizit individuelle Form ist vielmehr eine Herausforderung. Sie ist eine Herausforderung zur Stellungnahme, zum Sich-Verhalten gegenüber einem Anspruch, der die persönliche Überzeugung betrifft. Aus dem mehr oder weniger anonymen »Wir« des gemeinsamen Bekenntnisses heraus muss das »Ich« sich nennen und bekennen. Darin liegt nicht nur die Chance der selbstbewussten Behauptung einer eigenen religiösen Identität; der oder die Bekennende macht sich auch angreifbar. Die Worte des apostolischen Bekenntnisses zu sprechen bzw. mitzusprechen setzt dabei noch mehr als ein inklusives credimus[1] die individuelle Identifikation mit den Inhalten des Bekenntnisses voraus. Das kann ein Problem sein. Gleichzeitig aber eröffnet diese persönliche Grammatik des Credos einen Raum der Freiheit zum Sich-Verstehen vor bzw. in den konkreten Formulierungen. Ein »Wir« des Bekenntnisses impliziert, dass man sich einem gemeinsamen Verständnis des gemeinsam Bekannten verpflichtet weiß. Demgegenüber bietet die individuelle |4|Form die Möglichkeit, sich seines eigenen Verständnisses des Bekenntnisses zu vergewissern, und zwar unabhängig davon, ob die anderen Mitglieder der Bekenntnisgemeinschaft dasselbe Verständnis mit den alten und durch die Tradition geprägten Worten verbinden, die im Gottesdienst zwar alle gleichzeitig, aber doch jeder bzw. jede für sich sprechen und mit Bedeutung füllen.
Wie kaum ein anderer Text stellt das Credo neben den persönlichen Implikationen auch eine Herausforderung an die Theologie dar. Ein alter überkommener Text aus Zeiten, die nicht die unseren sind, mit gefügten Worten, die ebenfalls nicht die unseren sind, mit Aussagen, die theologische und dogmatische Auseinandersetzungen spiegeln, um die kaum noch weiß, wer heute das Bekenntnis aus welchen Gründen auch immer im Gottesdienst mitspricht. Das betrifft den zweiten Artikel und somit die Christologie in besonderer Weise. Die christologischen Aussagen des Bekenntnisses und damit nicht zuletzt die Frage nach dem Verhältnis zwischen Göttlichkeit und Menschlichkeit Christi, der göttlichen und menschlichen Natur unter dem Vorzeichen der altkirchlichen Zwei-Naturen-Lehre ist und bleibt eine Herausforderung, an der sich die Geister scheiden. Das Apostolikum benennt in seinem zweiten Artikel diesen Aspekt der Christologie nicht ausdrücklich (wie etwa das Nizänum), setzt ihn aber doch implizit voraus, was die Sache nicht weniger kompliziert macht, weil damit das Zentrum des christlichen Glaubens schlechthin thematisiert ist. Während der erste und dritte Artikel gerade angesichts aktueller interkultureller bzw. interreligiöser Diskurse anschlussfähiger erscheinen, ist nicht nur das Ringen um die Bedeutung der Christologie, sondern auch um deren angemessene sachliche und sprachliche Entfaltung unter den Bedingungen der heutigen Zeit umso dringlicher.
Angesichts der aktuellen politisch-religiösen Problemlandschaft läge es nur scheinbar näher, den ersten und dritten Artikel zu priorisieren, weil diese anschlussfähiger seien an die Diskurse unserer Zeit über Religion und Gesellschaft, über Menschenwürde und Menschenbild, und damit auch für das, was auch an theologischen Fakultäten durch den »Segen« der Studienreform unter dem Stichwort »Interkulturelle Theologie« immer stärker in den Vordergrund tritt. Für den interkulturellen Dialog der Theologien, den zu stärken der Wissenschaftsrat 2010 mit den »Empfehlungen zur Weiterentwicklung von Theologien und religionsbezogenen Wissenschaften an |5|deutschen Hochschulen« ausdrücklich gefordert hat,[2] ist der zweite Artikel gelinde gesagt etwas »sperrig«, wie man das heute so gern nennt. Doch genau diese »Sperrigkeit« interessiert uns: Was ist eigentlich heute in Zeiten vielfach beschworener Toleranz, Weltoffenheit und religiöser Indifferenz einerseits und grober religiös motivierter Gewalt andererseits das spezifisch Christliche, das wir in die gesellschaftlichen Diskurse einbringen? Wie zeitgemäß ist eigentlich ein solches Bekenntnis zu einem Christus, an dessen exklusivem Anspruch und dessen Bedeutung für eine spezifisch christliche Identität sich die Geister scheiden? Wie kann schließlich ein solcher Glaube unter den Bedingungen unserer Zeit zur Sprache gebracht werden? Und nicht zuletzt: Welche Funktion hat unter den heutigen Bedingungen die Bindung an Bekenntnisse für Theologie und Kirche, wenn es denn stimmt, dass die (akademische) Theologie eine der Kirche und ihren dogmatischen Traditionen gegenüber kritische Funktion habe? Die Konfessionsklauseln in deutschen Studien- und Prüfungsordnungen staatlicher Hochschulen werden immer wieder infrage gestellt, zuletzt durch ein viel beachtetes Papier des Studierendenrates Evangelische Theologie von 2013,[3] dem etwa die bereits 2002 beschlossene und im Tenor durchaus anders gelagerte Stellungnahme der Gemischten Kommission I zur »staatskirchenrechtlichen Notwendigkeit der Konfessionsklausel« gegenübersteht.[4] Wie lässt sich begründen, dass nicht nur die Kirchen, sondern auch die Theologischen Fakultäten an dieser Klausel festhalten, und zwar auch für diejenigen Abschlüsse, die nicht zum kirchlichen Dienst in Lehramt oder Pfarramt führen? Stammen nicht deren staatskirchenrechtliche Grundlagen aus einer längst vergangenen Zeit? Was ist unter Bekenntnisbindung überhaupt zu verstehen? Wie bindend können Bekenntnisse eigentlich sein angesichts der Tatsache, dass sie unter ganz bestimmten historischen Umständen entstehen und damit keineswegs selbstverständlich eine zeitlose Gültigkeit beanspruchen können, zumal reformatorisch gesehen »allein die Schrift« die normierende Norm des Glaubens darstellt?
|6|Aus alldem wird deutlich, dass die Beschäftigung mit dem christologischen Artikel des Bekenntnisses nur ein interdisziplinäres Unternehmen »zwischen Bibelwissenschaft und Dogmatik« sein kann. Ohne den innertheologisch-interdisziplinären Diskurs kommen wir in den wichtigen Fragen hinsichtlich der Plausibilisierung christologischer Topoi als prägende Aspekte einer christlichen Glaubensidentität unter den Bedingungen und Herausforderungen unserer Zeit nicht weiter. Dass damit nur ein Anfang gemacht ist, der Diskurs fortgeführt und andere Disziplinen und Perspektiven als die biblisch- und systematisch-theologischen involviert werden müssen, versteht sich von selbst. Doch es ist immerhin ein Anfang, der ein wichtiges Thema wieder in einem weiteren Horizont zur Diskussion stellt.
Die wechselseitigen Perspektiven je eines neutestamentlichen und eines systematisch-theologischen Beitrags sind in der Abfolge an den einzelnen Aussagen des zweiten Artikels des apostolischen Glaubensbekenntnisses orientiert. Jedes Vortragspaar wird durch einen kurzen Text aus der Sicht der Herausgeber und der Herausgeberin eingeführt, der zur Einstimmung zentrale Aspekte und Fragen zur jeweiligen Aussage des Bekenntnisses thematisiert. Unter der Überschrift »Reflexionen und Impulse zur Diskussion« benennt jeweils eine kritische Response auf die Beiträge erkennbare Problemschwerpunkte des interdisziplinären Diskurses und weist auf notwendige Präzisierungen hin. In der folgenden kurzen Präsentation der Beiträge wird auf die Responses bewusst nicht eingegangen, um den Leserinnen und Lesern nicht die Spannung an der Auseinandersetzung zu nehmen. Im Konzept des UTB-Bandes bringen (formuliert durch die Herausgebenden) einige weiterführende Fragen als Abschluss der einzelnen Teilbereiche eine didaktische Komponente ein, womit in Korrespondenz zu den einführenden Texten insbesondere Studierenden Anregungen für die Erschließung der jeweiligen Problematik gegeben werden sollen. Am Ende des Bandes setzen sich Anne Käfer und Jörg Frey noch einmal explizit mit den »Chancen und Schwierigkeiten des Dialogs zwischen Exegese und Systematischer Theologie« auseinander.
Den Auftakt in diesem Band machen zwei Beiträge mit übergreifender Perspektive. Andreas Lindemann thematisiert den grundlegenden Zusammenhang von Glaube und Bekenntnis im ältesten Christentum unter der besonderen Verhältnisbestimmung von Integration und Abgrenzung. Lindemann geht von den Formen des Bekenntnisses und der Bekenntnisbildung im zeitgenössischen Horizont der neutestamentlichen Autoren aus und untersucht insbesondere die in |7|den Paulusbriefen überlieferten ältesten Bekenntnisaussagen. Neben einem Überblick über die Vielfalt der Bekenntnisse im Kontext des Gottesdienstes und seiner rituellen Vollzüge sowie in der Außenrelation der Gemeinden wird dabei vor allem deutlich, dass und inwiefern von Anfang an die Frage nach der Bedeutung Jesu von Nazareth als Christus des Glaubens im Zentrum der Bekenntnisbildung stand.
Als systematischer Theologe erörtert Rochus Leonhardt die »Bedeutung von Bekenntnissen in Theologie und Kirche« und zwar unter jener Fragestellung, die auch am Beginn des Projektes der Tagung stand. Die Kirche(n) und die ihr (bzw. ihnen) in kritischer Funktion gegenüber oder besser: zur Seite stehende akademische Theologie sind mit der Herausforderung konfrontiert, Tradition und Bekenntnis unter den jeweiligen zeitgenössischen Bedingungen zu explizieren und zu plausibilisieren, wenn die Verkündigung des Evangeliums nicht zu einer unerheblichen und gesellschaftlich irrelevanten Veranstaltung werden soll. Unter der Voraussetzung theologiegeschichtlicher Aspekte protestantischer Bekenntnisbildung und der Frage nach der Verbindlichkeit von Bekenntnissen im Protestantismus – nicht zuletzt vor dem Hintergrund des aktuellen Reformationsjubiläums – betont Leonhardt vor allem den Aspekt der Freiheit. Dieser habe die reformatorische Theologie maßgeblich geprägt, sei aber zugleich auch insofern ambivalent, als die Betonung der »religiösen Freiheit eines Christenmenschen als ein Leitbegriff der Reformation« im Laufe der dogmatischen Ausformulierungen lutherischen Bekenntnisses »zu einer besonderen […] Intensität der Bindung der gläubigen Gewissen an den Wortlaut der Bekenntnisse« geführt habe. Nach weiteren Blicken in die theologiegeschichtliche Entwicklung bis Schleiermacher thematisiert Leonhardt die zunehmende Problematisierung des Bekenntnisses anhand des sog. Apostolikumstreites im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jh. Dieser Streit hat jedoch letztlich eher zu einem konservativen Pragmatismus im Umgang mit den alten Bekenntnissen beigetragen als zu einer inhaltlichen Lösung des Problems bzw. »neuen (und vermeintlich unanstößigen) Bekenntnisaussagen«, »deren Formulierung Harnack vorgeschwebt« habe (82). Die Tatsache, dass insbesondere der christologische Artikel im Zentrum der Auseinandersetzung um das Apostolikum stand, ist einmal mehr Grund für eine aktuelle theologische Beschäftigung mit diesem Artikel.
Mit dem Überblick über die Vielfalt und Pragmatik frühchristlicher Bekenntnisbildung einerseits und der dogmengeschichtlichen Einsicht in die Notwendigkeit, die »Differenz zwischen dem |8|christlichen Glauben selbst und seiner in den kirchlichen Bekenntnissen fixierten symbolischen Form festzuhalten« (82) andererseits sind zwei wichtige Vorzeichen für die inhaltliche Bearbeitung der christologischen Einzelaussagen des Apostolikums gesetzt. Mit der ersten Zeile unter der Frageperspektive »Jesus Christus als Person der Trinität und als Mensch unter Menschen« beschäftigen sich Karl-Wilhelm Niebuhr und Martin Leiner. Niebuhr fokussiert die Frage nach dem Menschsein Jesu als des Christus bzw. des Messias Israels auf dessen Identität als Israelit und problematisiert damit vor allem die »Israel-Vergessenheit« des Bekenntnisses; diese »muss und kann […] mit Hilfe von Grundaussagen der paulinischen Theologie und Christologie biblisch-theologisch aufgebrochen werden« (86). Dabei kommt für Niebuhr der jüdischen Herkunft Jesu eine entscheidende hermeneutische Funktion zu. Das »Wissen darum, dass Jesus als Jude und im Verstehensrahmen des jüdischen Glaubens gewirkt hat«, gehöre »zu den fundamentalen Voraussetzungen der nachösterlichen Bekenntnisbildung« (93). Unter dogmatischen Gesichtspunkten unterstreicht Martin Leiner diese Auslegung Niebuhrs, indem er auf »wichtige hermeneutische Klärungen« hinweist, »die zwischen Neuem Testament und Systematik vorangebracht werden müssen« (106). Dennoch bleibt Leiner skeptisch im Blick auf die nur »partikulare« Konzentration auf Jesus als Israelit. Grundsätzlich gehe es dabei vor allem um die Frage nach der Gewichtung von Texten bzw. Überlieferungen und ihrer Verhältnisbestimmung zu dogmatischen Aussagen, die in ihrer konkreten Gestalt nicht im Neuen Testament zu finden seien, aber doch deshalb nicht ohne Berechtigung Glaubensinhalte formulieren.
Der zweite Hauptteil widmet sich der das Christusbekenntnis explizierenden Aussage über die Empfängnis Jesu durch den Heiligen Geist und dem damit verbundenen Topos der »Jungfräulichkeit« Marias. Mit dieser Aussage ist insbesondere eine schöpfungstheologische Perspektive vorgegeben, die die Erörterungen der beiden Beiträge prägt. Gudrun Holtz sieht in der Aussage von der Geburt Jesu durch die Jungfrau Maria einen »Erweis der schöpferischen Macht des Wortes Gottes« (123). Holtz konzentriert sich dabei auf die lukanische Version, weil hier die Dimension des Schöpferwortes über die auch bei Matthäus enthaltenen Aspekte hinaus gleichsam als hermeneutische Kategorie einbezogen werde. Aus der am Gesamtbefund relevanter neutestamentlicher Aussagen gewonnenen Einsicht, »dass die Kategorien des Historischen und Biologischen der Erzählung nicht gerecht werden« (128), leitet Holtz die Notwendigkeit |9|der theologischen Interpretation ab, die sie mit religionsgeschichtlichen Aspekten verbindet und begründet. Dabei kommen erstaunlich materielle Vorstellungen in Bezug auf das Wirken des Geistes bzw. des Schöpferwortes Gottes zum Tragen. Die worttheologische Linie sei zudem auch bei Paulus aufgenommen. Das in der Geburt Jesu als Verheißung realisierte Schöpferwort sei dasselbe, das auch im Evangelium wirksam wird. Vor diesem Hintergrund lasse sich der zweite Artikel als Interpretation des ersten sowie als Vorausgriff auf die Aussage über die Erwartung der allgemeinen Auferstehung verstehen. Aus systematisch-theologischer Perspektive geht Gregor Etzelmüller die Problematik unter dem Aspekt der »wahren Menschheit« Jesu an: »Kein wahrer Mensch ohne Geburt« (153). Das korrespondiert mit der historisch-kritischen Analyse der Texte und nimmt diese ernst. Dem entsprechend wird das im eigentlichen Sinn theologische Problem der Vorstellung von der »Jungfrauengeburt« auf das Verhältnis von Schöpfung und Neuschöpfung sowie auf die Funktion und kreative Wirkung des Geistes im Prozess der Schöpfung zugespitzt. Die Aussage von der »Geburt Christi aus dem Geist Gottes« lasse sich unter diesen pneumatologischen Voraussetzungen »durchaus auch mit der Vorstellung einer natürlichen Zeugung verbinden« (158). Ähnlich wie andernorts über die Auferstehung Jesu argumentiert wurde, kann Etzelmüller festhalten: »Würde die übernatürliche Erzeugung Jesu aus dem Geist eine gewöhnliche Zeugung ausschließen, dann könnten wir, die wir gewöhnlich gezeugt worden sind, nicht auf unsere Wiedergeburt hoffen« (159). Er nimmt damit einen wichtigen Aspekt johanneischer Theologie auf und betont zugleich und zu Recht die Ambivalenz der biblischen Genealogien bei Matthäus und Lukas. Nicht zuletzt setzt er sich auch auf originelle Weise mit dem Vorwurf auseinander, Jesus sei als ein »Bastard« geboren. Das Bekenntnis zur Jungfrauengeburt erweist sich damit zwar nicht als notwendig für die Christologie, »es (erschließt) aber eine Wahrheit […], die nicht verloren gehen sollte« (162).
Mit dem gleichsam historischen Teil des Bekenntnisses – Leiden, Tod und Begräbnis Jesu unter Pilatus – beschäftigen sich die Beiträge von Roland Deines und Dirk Evers. In einem facettenreichen und immer wieder auch systematisch-theologische Aspekte aufgreifenden Beitrag betont Deines zunächst, dass eine Hoffnung auf ewiges Leben kein christliches Spezifikum sei und sich daher die Frage ergebe, wie »sich die Perspektive auf das ewige Leben verändert mit dem Tod dessen, der unter Pontius Pilatus am Kreuz gelitten hat, gestorben |10|ist und begraben wurde« (192). Dabei spiele der Tod Jesu in seiner sündentilgenden Funktion eine entscheidende Rolle: Nur so könne der Tod des Einen Auswirkungen auf die irdische (in Bezug auf die Vergebung der Sünden) und ewige (in Bezug auf die Auferstehung und das ewige Leben) Existenz der an ihn Glaubenden haben. Jesu Wirken und Tod seien dabei gleichermaßen als »epistemologische Zugangsweisen« zu verstehen, welche die Schriftgemäßheit des Heilsereignisses einsichtig machen, wobei im Neuen Testament nicht schon Jesu Sendung selbst, sondern erst seinem Tod sündenvergebende Wirkung zugeschrieben werde. Dirk Evers stellt sich der Herausforderung dieser systematisch-theologisch eher sperrigen Thematik, zumal in der von Deines vorgegebenen Zuspitzung. Ausgehend von grundlegenden Beobachtungen zu modernen Wahrnehmungsweisen in der Interpretation des Todes Jesu unternimmt es Evers, das historische Ereignis des Todes Jesu »nicht als ontologisches Geschehen oder im Sinne einer sekundären religiösen Deutung« zu verstehen, »sondern als in einem umfassenden Sinne effektiv-kommunikatives Ereignis« (211). Wichtig dabei sei, dass die Geschichte Jesu keine mythische Geschichte ist, sondern auch das Bekenntnis die historische Verortung »unter Pontius Pilatus« festhalte. Das Kreuz Jesu entfalte daher – im Licht der Auferstehung – ein mythenkritisches Potenzial, mit dem nicht nur aufgrund der innerweltlichen Verortung die Menschen selbst mit ihrem von der Sünde bestimmten Leben und Tod betroffen sind, sondern in Bezug darauf letztlich auch das Gottesverständnis theologisch produktiv auf neue Weise differenziert werde. Die dadurch infrage gestellte Beziehung von »Faktum und Bedeutung« (215) sei die eigentliche theologische Herausforderung der Neuzeit, und zwar insbesondere im Hinblick auf das Geschichtsverständnis. Dabei gehe es vor allem um die Frage, ob bzw. inwiefern die Bedeutungszuschreibung zum historischen Faktum objektive Geltung beanspruchen könne oder nicht lediglich eine subjektive Illusion sei. Demgegenüber bringt Evers in seinem Ansatz den kommunikativen Charakter der Selbstmitteilung Gottes in der Geschichte Jesu zum Ausdruck »als der, der er auch außerhalb dieses historischen Ereignisses ist, und darin neue Möglichkeiten menschlicher Existenz eröffnet« (222). Dass dabei auch entwicklungsbiologische und -psychologische Aspekte hinsichtlich der Entwicklung des Ich-Bewusstseins zum Tragen kommen, macht Evers’ systematischen Entwurf interdisziplinär auch im Blick auf Disziplinen außerhalb der Theologie in besonderer Weise interessant.
|11|Vom Historisch-Faktischen wechselt die Perspektive in den Bereich der Mythologie, wenn es um die Aussage »hinabgestiegen in das Reich des Todes« geht. Marco Frenschkowski präsentiert zunächst in eindrücklicher Fülle die Vielfalt der altkirchlichen Descensusvorstellungen, um von diesen konkreten Ausprägungen her nach dem Gehalt der eher randständigen Aussage im Neuen Testament zu fragen. Hier treten insbesondere 1 Petr 3,19 und 4,6, aber auch andere Texte wie z.B. Phil 2,5–11 in den Blick. Frenschkowski hebt dabei die imaginative Kraft mythologischer Vorstellungen hervor, wie sie sich dann – ausgehend von den neutestamentlichen Motiven – in den altkirchlichen Ausprägungen dokumentiert. Auch werden interessante Einblicke in außerbiblische Katabasisliteratur und »Jenseitsimaginarien« geboten. In Anknüpfung an die bekannte Mythos-Definition des Sallust versteht Frenschkowski den Abstieg Jesu in die Unterwelt als mythische Rede, was bedeute, »dass hier anschaulich-mythisch von etwas Realem gesprochen wird, wovon sich in theologischer Begriffssprache nur verkürzt sprechen lässt« (283). Der Weg Jesu sei insofern in Analogie zur platonischen Vorstellung des Weges der Seele »von ganz oben nach ganz unten« zu verstehen. Matthias D. Wüthrich begibt sich seinerseits auf eine »systematisch-theologische Sinnsuche im Blick auf das Bekenntnis zum Descensus Jesu Christi« (287) und thematisiert zunächst das Befremden der Moderne mit dieser Vorstellung vor dem Hintergrund der im 20. Jh. geführten Entmythologisierungsdebatten. Unter den Stichworten »Siegesmotiv«, »Leidensmotiv« und »Predigtmotiv« entfaltet er traditionelle Vorstellungen und befragt sie auf ihr Sinnpotential hin. Wichtig ist dabei die Wahrnehmung des Bösen (bzw. mit Karl Barth: des Nichtigen), seiner bestimmenden Realität und den Möglichkeiten seiner Überwindung. Bemerkenswert sind nicht zuletzt die auf die (inneren und äußeren) Leiden Christi bezogenen, existentialen (und darin durchaus modern anmutenden) Deutungen bei Luther und Calvin. Im Ergebnis beeindruckt, dass Wüthrich dezidiert nicht dafür plädiert, diesen Topos bzw. Mythos aufzugeben, sondern konstruktiv – durchaus entsprechend zu Frenschkowskis religionsgeschichtlicher Perspektive – dessen »Mehrwert« herausarbeitet, der in der Veranschaulichung des endgültigen Sieges über das Nichtige bestehe.
Jörg Frey und Anne Käfer interpretieren die Aussage von der Auferstehung Jesu. Frey zeichnet diesen Aspekt zunächst innerhalb des neutestamentlichen Kontextes in den apokalyptischen Vorstellungshorizont jüdischer Zukunftserwartung ein, vor dem dieser spezifische |12|Bekenntnisinhalt von der Auferstehung eines Einzelnen als »Spezialfall der allgemeinen Totenauferweckung« (331) in der Geschichte entfaltet wurde. Dabei tritt die berechtigte Frage hervor, warum die Alte Kirche in ihrem Bekenntnis den leiblichen Aspekt festgehalten und nicht gleichsam spiritualisierend die unter Umständen »anschlussfähigere« Vorstellung einer Apotheose, einer unsterblichen Seele o.ä. eingetragen habe, obwohl die Auferstehung Jesu neutestamentlich explizit als Erhöhung bzw. Inthronisation des Gekreuzigten »zur Rechten Gottes« interpretiert wird. Damit deutet sich bereits an, dass der Glaubensinhalt einer »Auferstehung des Fleisches« mit der Vorstellung der Inkarnation, der »Fleischwerdung« des Logos in dem von Gott auferweckten Christus korrespondiert. Dabei ist nach Frey der Glaube an die Auferstehung Jesu nicht einfach eine mythologische Vorstellung, aber auch die Kategorie »historisches Ereignis« (W. Pannenberg) stelle eine »fatale Unterbestimmung« (336) dar. Vielmehr gehe es um die Wahrnehmung einer geschichtlich festzumachenden, authentischen Erfahrung, die zur Überzeugung vom schöpferischen Handeln Gottes am Gekreuzigten geführt habe. Dieses göttliche Handeln werde mit der Kategorie der Auferweckung zur Sprache gebracht und vor diesem Hintergrund – das ist das Entscheidende – die Bedeutung seines (Kreuzes-)Todes reflektiert. Anne Käfer nimmt den inkarnationstheologischen Faden auf und spitzt diesen mit Luther und Schleiermacher zu, indem sie die »Pointe des Menschgewordenseins Gottes« als »Erweis der Liebe des Schöpfers« versteht. Das Kreuz als Voraussetzung der Auferstehung des Menschgewordenen mache deutlich, »[d]ass diese Liebe unbedingt und uneingeschränkt ist« (356). Das ganze Ausmaß der Liebe Gottes werde aber erst durch die Auferweckung Jesu sichtbar. Hermeneutisch wichtig ist die Einsicht, dass die Gewissheit, die aus diesem Geschehen erwachse, nämlich die Gewissheit der Überwindung des Todes durch Gottes Liebe, nicht der historischen Vergewisserung bedarf. Vielmehr gelte es, den »auferstandenen Inkarnierten im Leben der Kirche« neu zur Geltung zu bringen, wobei den Sakramenten als Mittel und als Orten der Vergegenwärtigung eine entscheidende Bedeutung zukomme. Die Wahrheit des »Glaubens an Jesu Auferstehung von den Toten« lasse sich nicht historisch beweisen, sondern muss sich im Glaubensleben jedes und jeder Einzelnen als Wahrheit erweisen.