Czytaj książkę: «CHANGES»

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Dieser Reader ist die Selbstanalyse einer Institution und ihres Programms, und er ist gleichzeitig der Versuch, ästhetische und politische Ereignisse, wie Botho Strauß es nannte, zusammenzudenken. Im Brennglas eines Jahrzehnts werden Wandlungen in der Organisation von Festivals, Ausstellungen, Aufführungen und Diskursveranstaltungen entlang von fünf Leitbegriffen reflektiert: Formate, Digitalkultur, Identitätspolitik, Immersion und Nachhaltigkeit. Nach einer Bildstrecke zu ausgewählten Produktionen, Persönlichkeiten und Raumgestaltungen aus zehn Jahren Programm folgt der zweite Teil des Buches zur Geschichte der Berliner Festspiele und ihrem Widerhall in verschiedenen audiovisuellen Archivmaterialien.

Mit Texten und Gesprächsbeiträgen von Frédérique Aït-Touati, Ed Atkins, Sivan Ben Yishai, Jens Bisky, Emanuele Coccia, Brian Eno, Thilo Fischer, Naika Foroutan, Donna Haraway, Susanne Kennedy, William Kentridge, Signa Köstler, Bruno Latour, Robert Maharajh, Bonaventure Soh Bejeng Ndikung, Thomas Oberender, David OReilly, Diana Palm, Philippe Parreno, Stephanie Rosenthal, Alex Ross, Rebecca Saunders, Frank Schirrmacher, Stephan Schwingeler, Tino Sehgal, Markus Selg, Gereon Sievernich, Gabriele Stötzer, Lucien Strauch, Christina Tilmann, Jeroen Versteele, Gabriela Walde.

CHANGES

Formate Digitalkultur Identitätspolitik Immersion Nachhaltigkeit

Berliner Festspiele 2012–2021

Herausgegeben von

Thomas Oberender


Wir danken den Berliner Festspielen für die Zusammenarbeit bei dieser Publikation.

CHANGES

Berliner Festspiele 2012–2021

Herausgegeben von Thomas Oberender

© 2021 von Theater der Zeit

Texte und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich im Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmung und die Einspeisung und Verarbeitung in elektronischen Medien.

Das Redaktionsteam war in der Vorbereitung dieses Buches bemüht, alle Rechte an Bild, Text und geistigem Eigentum rechtzeitig zum Druckschluss einzuholen. Sollten dennoch Rechte Dritter verletzt worden sein, bitten wir um Mitteilung an intendant@berlinerfestspiele.de.

Verlag Theater der Zeit

Verlagsleiter: Harald Müller

Winsstraße 72, 10405 Berlin, Deutschland

www.theaterderzeit.de

Konzept: Thomas Oberender, Jeroen Versteele

Recherche und Redaktion: Tobias Kluge,

Nafi Mirzaii, Angela Rosenberg, Lucien Strauch, Jeroen Versteele

Lektorat: Thomas Irmer

Korrektorat: Sybill Schulte

Bildbearbeitung: Holger Herschel

Verträge und Rechte: Diana Palm, Raphaela Phannavong

Übersetzungen: Christoph Jelicka, Maren Kames, Philipp Sack (small-time), Julia Schell

Umschlaggestaltung und Textlayout: HIT

Gestaltung Bildstrecke: Nafi Mirzaii

Druck: Druckhaus Sportflieger, Berlin

Printed in Germany

ISBN 978-3-95749-398-9

eISBN 978-3-95749-402-3

Thomas Oberender

Ch-ch-ch-ch-changes

Themen

FORMATE

Thomas Oberender

Neue Formate – Formate des Neuen

Formate 2012–2021

Alex Ross

Die klanglichen Extreme des MaerzMusik-Festivals

Signa Köstler

36 Punkte zum maßlosen Schaffen unserer Werke

William Kentridge im Gespräch

„Erfolg ist immer ein Desaster“

Emanuele Coccia und Philippe Parreno im Gespräch

Die Ausstellung als Film ohne Kamera

Gereon Sievernich im Porträt

„Museen haben eine friedensstiftende Qualität“

Christina Tilmann

Zehn Jahre Editionen der Berliner Festspiele. Grenzgänge zwischen Kunst und Literatur

DIGITALKULTUR

Thomas Oberender

Kultur des Digitalen

Frank Schirrmacher

Unsichtbare Kräfte: Maschinen, Menschen, Utopien

Susanne Kennedy

Exorzismus

Stephan Schwingeler

System Everything

David OReilly

The Art of Realtime

IDENTITÄTSPOLITIK

Thomas Oberender

Gegenstimmen. Fünf Felder der Identitätspolitik in zehn Jahren Festspielprogramm

Donna Haraway

Decolonizing Time

Naika Foroutan

Heimat ist nicht immer die Antwort. Was haben Migrant*innen und Ostdeutsche gemeinsam?

Gabriele Stötzer im Gespräch

„Ich wollte das Bild ändern“

Sivan Ben Yishai

Das Chaos der Selbstrevolte

Bonaventure Soh Bejeng Ndikung

Klangliche Kompassnadeln in schlechten Zeiten! Was kann der Jazz tun? oder Wenn der Jazz in Berlin gestorben ist, könnte Berlin auch ein Ort seiner Wiederbelebung sein

Robert Maharajh

Kein einzelnes Wesen sein: Otobong Nkanga und Theaster Gates

Stephanie Rosenthal

Making Kin – Verwandtschaften schaffen

Jens Bisky

Angekommen im Niemandsland

IMMERSION

Lucien Strauch

„Alle Botschaften meinten auch immer mich“

Thomas Oberender im Gespräch

Welten ohne Außen. Immersion 2016–2021

Markus Selg

Mind in the Cave

Ed Atkins und Rebecca Saunders im Gespräch

Eine mögliche Wunde aufreißen

Brian Eno im Gespräch

Unendliche Musik

NACHHALTIGKEIT

Diana Palm

Maßnahmen für die Mitwelt. Nachhaltigkeit bei den Berliner Festspielen

Tino Sehgal im Gespräch

Frédérique Aït-Touati und Bruno Latour im Gespräch Staging Gaia. Bühne, Klima und Bewusstseinswandel

Bilder aus zehn Jahren Berliner Festspiele

Geschichte

Biografie einer Institution

Thilo Fischer, Jeroen Versteele Everything Is Just for a While. 70 Jahre Festspielgeschichte neu betrachtet

70 Jahre Berliner Festspiele. Filme aus privaten und öffentlichen Archiven

Chronik 2012–2021

Publikationen der Berliner Festspiele

Mitarbeiter*innen 2021


CH-CH-CH-CH-CHANGES

Thomas Oberender

Die Berliner Festspiele waren von Beginn an Berlins Hauptanlaufstelle für zu Kompliziertes, zu Großes, zu Teures, zu Nischenhaftes, zu Waghalsiges und zu Nervenauf-reibendes. Sie konnten mit ihren Festivals, Ausstellungen, Programmreihen und Wettbewerben im Tagesgeschäft bedeutsame Maßstäbe setzen und manch eine Weltkarriere ebnen bzw. Bruchlandung überstehen. Nahezu alle Kunst- und Kultursparten bedienend, erforschend, gleichermaßen repräsentativ und eigenwillig denkend, entging den Berliner Festwochen und den Folgeformaten der Berliner Festspiele kaum eine international bedeutsame Veranstaltung. Hervorgegangen aus der Tradition verschiedener Sommerfestspiele, aber auch aus der kulturpolitischen Konkurrenz zu sozialistischen Institutionen und Gruppierungen, die ebenfalls 1951 die „Weltfestspiele“ nach Ostberlin holten und 26.000 Jugendliche aus aller Welt einluden, dauerte es nicht lange, bis die Berliner Festwochen mit ihren sich bald verselbstständigenden Theater-, Musik- und Ausstellungsprogrammen ein ganzes Kalenderjahr füllten.

Nicht alles ist Ausnahme im Jahresprogramm von heute – vieles ist im Gegenteil eine Form von intelligenter Wiederkehr: Da sind die großen, internationalen Orchester mit ihrem spezifischen Klang und Programm im jährlichen Musikfest Berlin, die freien und festen Ensembles der deutschsprachigen Theaterwelt beim Theatertreffen. Die zyklischen Formate der Berliner Festspiele sind wiederkehrende Inseln einer vertieften Auseinandersetzung mit bestimmten Fragestellungen – der Bedeutung der Zeit in der Musik, der Rolle des Orchesters als eines Apparats oder Instruments in der Geschichte sich wandelnder Erfahrungsräume von Klang und Gemeinschaft. Nicht alles ist Disruption in diesem hektischen Geschäft der ständigen Produktion von Neuem und Bedeutung, die den Kulturbetrieb prägen. Festspiele schaffen auch Schutzräume für unterschiedliche Formen des Widerstands: Er kann sich in Langsamkeit genauso ausdrücken wie im Drängen der Avantgarde. Was ist Jazz? Das Verlassen des Skripts. Das kann Neue Musik genauso sein wie improvisierte Poesie.

Doch vieles war in den letzten Jahren eben auch ein Schritt zur Seite: Marathon-vorstellungen mit traditioneller Shanghai-Oper, eine queere Geschichte Amerikas im Feiern und Ernstnehmen der Gegenstimmen aus 100 Jahren Popmusik, die griechische Antike als Exzess einer Performance über 24 Stunden mit tanzenden, schreienden, singenden und schlafenden Performer*innen auf der Bühne des Hauses der Berliner Festspiele, und, mitten im Lockdown: die lebendige Zeitansage echter Menschen im Live-Stream oder Life-Stream. Festspiele waren der losgelassene Jazz von Anthony Braxton, Weltstars wie Ai Weiwei oder Yayoi Kusama und ihre bewusstseinserweiternden Entgrenzungs-Installationen im Gropius Bau und auch eine gemalte Neuschaffung der Welt im No-Limit-Nationaltheater Reinickendorf von Vegard Vinge und Ida Müller. Es war japanisches Nō-Theater in Hans Scharouns Philharmonie, Teodor Currentzis mit seinem ätherischen MusicAeterna-Chor und die neuen Kompositionen von Rebecca Saunders und ihren Zeremonien der menschlichen Stimme. Es waren die nächtlichen Erlebnisse von Minimal Music auf Feldbetten im Kraftwerk Berlin, eine aus praktischer Sicht eigentlich unmögliche, aber doch umgesetzte Wiederaufnahme von Frank Castorfs Faust beim Theatertreffen und das in der Planung nicht minder aufwendige Film- und Communityprojekt mit dem Titel DAU, das in einem komplizierten Gefüge zwischen Veranstalter*innen, Behörden und Berliner Feuilletons letztlich nicht umgesetzt werden konnte. Die Berliner Festspiele waren Open-Air-Tanzprojekte mit Choreografien aus 100 Jahren vor dem sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park und, im Dunkeln verborgen, William Kentridges Sonderausstellung unter der Bühne des Hauses der Berliner Festspiele. Festspiele – das war Kunst mit Objekten, Pflanzen, Puppen und Avataren, das waren internationale Ausstellungen und eine kluge Liebe zu den vergessenen Unvergessenen wie Germaine Krull oder Wenzel Hablik und den namenlosen Schöpfer*innen historischer Artefakte der archäologischen Ausstellungen von Matthias Wemhoff.

Die Berliner Festspiele sind eine der bekanntesten und zugleich eine hinter der Vielfalt ihrer Formate und Projekte verborgene Kulturinstitution. Berliner Festspiele sind immer – angesichts ihrer Festivalformate, Jugendwettbewerbe, Ausstellungsprojekte, Symposien oder Publikationen bleiben sie als Veranstalter im Hintergrund, obgleich der Gropius Bau und das Haus der Berliner Festspiele längst bekannte Adressen im Kulturleben der Stadt geworden sind. Doch nur wenige unserer Gäste wissen, dass die Berliner Festspiele Teil der Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin (KBB) GmbH sind, zu der auch das Haus der Kulturen der Welt, die Internationalen Filmfestspiele Berlin (Berlinale) und eine zentrale Verwaltung mit eigenem Standort am Schöneberger Ufer zählen. Seit 2003 finden die Berliner Festspiele das ganze Jahr über statt und sind eine Modellinstitution des Bundes, die einzige, die Theater, Musik und Ausstellungen verbindet. Aber was verbindet die Berliner Festspiele mit den anderen Kulturbetrieben des Bundes?

Kunst, Markt, Diskurs

In den letzten Jahren wurde die Arbeit der drei Geschäftsbereiche im Grunde durch die unterschiedliche Gewichtung von drei Komponenten geprägt: Kunst, Markt und Diskurs. Der Hauptakzent auf dem Diskurs lag unter der Leitung von Bernd Scherer beim Haus der Kulturen der Welt, der des Marktes bei der Berlinale mit ihrem Europäischen Filmmarkt unter der Leitung von Dieter Kosslick und später von Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek und der auf der Kunst bei den Berliner Festspielen, wobei natürlich Anteile aller Komponenten in jedem Geschäftsbereich zu finden sind. Der Bund hat sich mit dieser Firma ein kostbares Instrument geschaffen, in dem keine Sammlung und keine Ensembles beherbergt werden, sondern flexible Infrastrukturen, die in der Lage sind, verschiedenste Themen und Formate zu realisieren, deren Struktur dem Inhalt folgt und sich den jeweiligen Bedürfnissen anschmiegt, statt diese auf die eigenen Routinen herunterbrechen zu müssen.

Strukturell unterstehen die Berliner Festspiele dem*der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien (BKM), derzeit Staatsministerin Monika Grütters, unter deren Leitung in den letzten Jahren wesentliche Schritte für die Konsolidierung der Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin (KBB) GmbH eingeleitet wurden. Waren die Berliner Festspiele vor 2001 eine Einrichtung ohne eigene Häuser, so änderte sich das mit dem Ende der Intendanz von Ulrich Eckhardt grundlegend. Der Bund übernahm das ehemalige „Theater der Freien Volksbühne“ und den Martin-Gropius-Bau zu 100 Prozent, und die legendären Berliner Festwochen wurden von Joachim Sartorius zugunsten einer ganzjährigen Bespielung des neuen „Hauses der Berliner Festspiele“ in spezialisierte Festivals zerlegt, die in ihrer Struktur bis heute existieren und zu denen die ältesten Formate der Berliner Festspiele zählen – das Theatertreffen, das Jazzfest Berlin, das Theatertreffen der Jugend und die später hinzugekommenen Festivals MaerzMusik und Musikfest Berlin sowie die drei Jugendwettbewerbe für Tanz, Musik und Literatur, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und von den Berliner Festspielen gestaltet werden.

Für eine Zuwendung seitens des Bundes von 20 Millionen Euro im Jahr, was ungefähr dem Etat des Deutschen Theaters Berlin entspricht, sollten die Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin mit dem Haus der Kulturen der Welt im Tiergarten, dem Haus der Berliner Festspiele in der Schaperstraße und dem Martin-Gropius-Bau in der Niederkirchnerstraße drei große Spielstätten Berlins ganzjährig betreiben. Um dieser Erwartung und dem innerstädtischen Wettbewerb mit anderen Institutionen gerecht zu werden, haben die unterschiedlichen Geschäftsbereiche inzwischen ein operatives Budget, inklusive Einnahmen und Drittmittel, von rund 60 Millionen Euro erreicht, das seinen institutionell vorgesehenen Kern bei Weitem übersteigt. Projekt- und Sponsor*innen-mittel bei der Berlinale ermöglichen einen essenziellen Teil der betrieblichen Arbeit und bestimmen damit untergründig eine Veränderung der institutionellen Arbeitsweise, die in den letzten Jahren immer stärker von großen Projektanträgen wie „Anthropozän“ im Haus der Kulturen der Welt und „Immersion“ bei den Berliner Festspielen abhingen. So sind es vor allem diese mehrjährigen Themenprojekte, die einen Großteil der institutionellen Innovationskraft und Weiterentwicklung unserer Arbeit ermöglicht haben. Ohne Projektmittel keine großen Eigenproduktionen oder Gastspiele im Bereich von Theater, Tanz und Ausstellungen und auch keine temporären Produktionsbüros, Publikationen und Vermittlungsprojekte. Ohne Hauptstadtkulturfonds oder die Kulturstiftung des Bundes, ohne die Bundeszentrale für politische Bildung/bpb und private Sponsor*innen gäbe es keine Berliner Festspiele, wie wir sie heute kennen. Aber natürlich auch nicht ohne die finanzielle Basisausstattung, die – dank vielfältigster Bemühungen der Geschäftsführung, des BKM und vor allem eines Beschlusses des Parlaments erstmals seit der Gründung der KBB – angehoben wurde und in den nächsten Jahren durch den*die Staatsminister*in für Kultur und Medien in jährlichen Schritten glücklicherweise weiter erhöht werden kann.

Die mit der Zuwendungssituation verbundene Projektkultur hat unsere Festival-angebote grundlegend verändert, aber auch unsere Verwaltung und unser Planungsverhalten. Die nachfolgend in diesem Buch abgebildete Fülle von Formaten resultiert nicht nur aus einer inhaltlichen Neugier und dem Wunsch, auf ästhetische und gesellschaftliche Veränderungen mit neuen Produktions- und Präsentationsformen zu reagieren, sondern auch aus dem politischen Brauch, dass neues Geld nur für neue Ideen zu finden ist und kaum mehr für den eigentlichen Regelbetrieb der traditionellen Festivals und Programmarbeit im Ausstellungshaus. Der ständig aktivierte und monetär belohnte Ideenstrom der Programmerfinder*innen führt also zu einer nervösen Zeitgenoss*innenschaft, die sehr wachsam nach Themen, Trends und Namen sucht, mit der Kehrseite einer immer kurzfristigeren Planungs- und Beschäftigungszeit und einem Auseinanderdriften der Repräsentanz von temporären Arbeitskräften und den Interessen der Stammbeschäftigten.

Ohne die diversen Fonds und Stiftungen und die Förderprojekte des Parlaments wären die Programme der großen Akteur*innen unseres Kultursystems wahrscheinlich um ein Viertel kleiner, so auch bei den Berliner Festspielen in ihren beiden Häusern. Intendant*innen werden in der Öffentlichkeit vor allem mit den inhaltlichen Profilen verbunden, sie sind zugleich aber, gemeinsam mit ihrem Programmteam, im alten Wortsinn die „Besorger*innen“ der ökonomischen Ressourcen. Meist wird über diese Tatsache eher kein weiteres Aufheben gemacht, weil sie so normal geworden ist, oft aber auch, weil sie so unnormal ist. Erfreulicherweise kam es 2020 neben der Anhebung der institutionellen Zuwendungen an die KBB auch zu substanziellen Sachinvestitionen in den Bereichen einer digitalen Infrastruktur und baulichen Instandsetzung des Hauses der Berliner Festspiele und auch des Gropius Baus. Mussten die Berliner Festspiele 2012 noch sämtliche Programmmittel für die Produktion oder Koproduktion von Ausstellungen im Martin-Gropius-Bau durch Eintrittserlöse und Drittmittel einspielen, gelang es seit 2018 durch Monika Grütters’ Unterstützung erstmals, einen Grundstock an Eigenmitteln für das Ausstellungsprogramm zu bilden. Der Bund wurde zudem 2014 Eigentümer des Martin-Gropius-Baus und des Hauses der Berliner Festspiele, und seither sind die Berliner Festspiele mit ihren beiden Häusern Mieter bei der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA).

Mit der voranschreitenden Bündelung diverser Arbeitsbereiche unter dem Dach der zentralen Verwaltung in der Schöneberger Straße entstand in den letzten zehn Jahren innerhalb unserer Firma eine Meta-Administration. Sie steuert nicht nur Finanzbuchhaltung, Budgetkontrolle, Lohnbuchhaltung, Personalleitung, Ausschreibungs-, Vergabe- und Gebäudemanagement, sondern hat nun auch die technischen Abteilungen aller Geschäftsbereiche der Kulturveranstaltungen des Bundes und die Leitung und Kontrolle der IT und des Ticketing von Berlinale, Haus der Kulturen der Welt und Berliner Festspielen mit dem Martin-Gropius-Bau inne.

Am Ende dieses Prozesses sind die produzierenden Bereiche der KBB, und unter ihnen vor allem die Berliner Festspiele, in allen Gewerken und Bereichen geprägt von den Vorgaben der zentralen Verwaltung. Diese wurde 2001 gegründet, um Spareffekte innerhalb der Verwaltung der Berliner Festspiele (damals noch mit der Berlinale) und dem Haus der Kulturen der Welt zu erzielen. Von diesem Ursprung her erfolgte in den vergangenen zehn Jahren die Zentralisierung aller produktionsrelevanten Arbeitsbereiche unter der Leitung der kaufmännischen Geschäftsführung.

Ich habe mir als Dramaturg, Schauspieldirektor in Salzburg und Intendant in Berlin stets gewünscht, in einer Struktur zu arbeiten, in der zu ermöglichen ist, was anderswo unmöglich ist. Die Berliner Festspiele sollten produzieren können, was andernorts als zu spezifisch, aufwendig, extrem oder inopportun galt. Über weite Teile ist uns das gelungen – nicht nur in großen Sonderprojekten, sondern auch in unseren zyklischen Formaten. Angesichts der ganz „normalen“ Deregulierung künstlerischer Prozesse wird es wahrscheinlich auch in den nächsten zehn Jahren keinen pflegeleichten Einladungsbetrieb bei den Berliner Festspielen geben. Und zugleich, man braucht sich nur die filmischen Installationen von Thilo Fischer zur Geschichte der Festspielarbeit anzuschauen, sind staatliche Kulturinstitutionen mit ihren beschränkten Ressourcen und Ankaufetats schon seit Längerem kaum mehr in der Lage, so übergroße und überbordende Formate zu kreieren wie die Metamusik-Festivals von Walter Bachauer oder das Zirkusprogramm von 1978. Dafür konnten wir andere Türen öffnen.

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