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D. Die allgemeinen Vorschriften über die Raumordnung

I. Geltungsbereich, Aufgabe und Leitvorstellung der Raumordnung (§ 1 ROG)

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Nach § 1 Abs. 1 S. 1 ROG sind der Gesamtraum der Bundesrepublik und seine Teilräume zu entwickeln, zu ordnen und zu sichern. Der räumliche Geltungsbereich des Raumordnungsgesetzes umfasst gem. § 1 Abs. 4 ROG nicht nur das Festland, sondern auch die Eigengewässer, die Küstengewässer und die deutsche ausschließliche Wirtschaftszone, also den Bereich zwischen dem Küstenmeer und der 200-Seemeilen-Grenze (Art. 55, 57 des UN-Seerechtsübereinkommens). Dies soll durch zusammenfassende, überörtliche und fachübergreifende Raumordnungspläne, durch raumordnerische Zusammenarbeit und durch Abstimmung raumbedeutsamer Planung und Maßnahmen geschehen. Damit zählt der Bundesgesetzgeber die wichtigsten Instrumente zur Bewältigung seiner raumordnerischen Aufgaben an erster Stelle auf[127]. Einerseits dienen die in § 1 Abs. 1 ROG aufgezählten Instrumente somit dem eingangs geschilderten Ausgleich der vielseitigen Interessen und ständig wachsenden Anforderungen an eine optimale Boden- und Raumnutzung. Sie begrenzen andererseits zugleich auch die Möglichkeiten zur Erfüllung der äußerst weiten Aufgabenbeschreibung der Raumordnung, da ihnen nur begrenzte Gestaltungsmöglichkeiten und Bindungswirkung zukommen[128].

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Inhaltlich wird die Erfüllung der Aufgaben aus § 1 Abs. 1 ROG durch die Leitvorstellung der nachhaltigen Raumentwicklung in § 1 Abs. 2 ROG bestimmt. Diese zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass die sozialen und wirtschaftlichen Ansprüche an den Raum mit seinen ökologischen Funktionen in Einklang gebracht werden sollen[129]. Ebenfalls Teil dieser Leitvorstellung ist die „Gewährleistung gleichwertiger Lebensverhältnisse in den Teilräumen“, welche Ausfluss des Sozialstaatsprinzip ist[130]. Diese Teilräume müssen sich dabei nicht auf die feststehenden administrativen Landesgebiete wie jene der Regierungspräsidien beziehen, sondern können auch den tatsächlichen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Verflechtungen Rechnung tragen, wie es in Berlin-Brandenburg z.B. ländergrenzen-übergreifend durch einen Staatsvertrag geschehen ist[131].

Teilweise wird vertreten, dass diese Leitvorstellung einer nachhaltigen Raumentwicklung nach § 1 Abs. 2 ROG mehr als nur eine Orientierungshilfe sei[132], da sie eine Handlungsmaxime für die Erfüllung der Aufgaben nach § 1 Abs. 1 ROG und eine Auslegungsmaxime für die Grundsätze der Raumordnung nach § 2 Abs. 2 ROG darstelle[133]. Jedoch ist die rechtliche Bedeutung dieser Maximen noch nicht gänzlich geklärt, weswegen ihre Umsetzung Schwierigkeiten bereitet[134]. Jedenfalls ist die Leitvorstellung einer nachhaltigen Raumentwicklung für die planerische Abwägung bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen gem. § 7 Abs. 2 S. 1 ROG maßgeblich[135]. Die anderen im ROG 1998 noch enthaltenen Leitvorstellungen sind nicht weggefallen, sondern vielmehr in die Grundsätze der Raumordnung (§ 2 ROG) überführt worden.

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Ein weiterer traditioneller Bestandteil des deutschen Raumordnungsrechts ist das Gegenstromprinzip – legal definiert in § 1 Abs. 3 ROG. Man könnte es als „föderales raumordnungsrechtliches Berücksichtigungsgebot“ bezeichnen, das wechselseitig Länder und Bund zur Rücksichtnahme verpflichtet[136]. Es prägt das Grundverständnis des mehrstufigen Raumplanungssystems, in dem zwar die rechtlichen Bindungswirkungen von oben nach unten verlaufen, die Planung an sich jedoch im Rahmen der materiell-rechtlichen Abwägung die „Gegebenheiten und Erfordernisse seiner Teilräume berücksichtigt“[137]. In seinen Ausformungen ist das Gegenstromprinzip aber auch stark prozedural geprägt, weswegen es auch als Gegenstromverfahren bezeichnet wird[138]. Die von dem Gegenstromprinzip geforderte strukturelle und funktionale Harmonie kann nämlich nur durch Kooperation aller am Raumordnungsverfahren Beteiligten erzielt werden. Insoweit stärken etwa § 14 ROG (Zusammenarbeit der Planungsträger mit den öffentlichen Stellen, Personen des Privatrechts, NGOs und der Wirtschaft), aber auch die Pflicht zur Beteiligung der Öffentlichkeit und der in ihren Belangen berührten öffentlichen Stellen bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen gem. § 9 ROG[139] das Gegenstromprinzip.

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Auf Landesebene werden die Leitvorstellungen teilweise detaillierter entfaltet, so etwa in Rheinland-Pfalz in § 1 LPlG[140].

Das ROG definiert des Weiteren seine zentralen Begriffe in § 3 Abs. 1 ROG. Hierzu gehören insbesondere die Erfordernisse der Raumordnung – zu denen die Ziele der Raumordnung, die Grundsätze der Raumordnung und sonstige Erfordernisse der Raumordnung zählen – sowie die Raumordnungspläne.

II. Grundsätze der Raumordnung (§ 2 ROG)

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Unter den Grundsätzen der Raumordnung sind gem. § 3 Abs. 1 Nr. 3 ROG allgemeine Aussagen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums als Vorgaben für nachfolgende Abwägungs- oder Ermessensentscheidungen zu verstehen, welche auch im Rahmen der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe oder der Ausübung möglicher Beurteilungsspielräume beachtlich sein können[141]. Entscheidend kommt es darauf an, dass eine abschließende Abwägung noch nicht stattgefunden hat, weswegen auch konkretere Vorgaben noch als „Grundsätze“ i.S.d. Raumordnungsgesetzes darstellen können, solange sie noch weiterer Konkretisierung bedürfen und weiterhin mit anderen Grundsätzen abzuwägen sind[142]. Sie sind z.B. im Rahmen der in § 4 Abs. 1 S. 1 ROG aufgezählten Maßnahmen für öffentliche Stellen i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 5 ROG zu berücksichtigen. Sie können gem. § 3 Abs. 1 Nr. 3 Hs. 2 ROG auch in Raumordnungsplänen oder Gesetzen – auch Landesgesetzen – aufgestellt werden[143] und sind auf Grund ihres Charakters als Abwägungsdirektiven[144] und bloßen Planungsleitlinien[145] grundsätzlich im Rahmen einer Abwägung überwindbar[146].

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Eine nicht abschließende Aufzählung von acht – zuvor noch 15 – solcher Grundsätze befindet sich in § 2 Abs. 2 ROG. So sollen allgemein nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 S. 1, 3 ROG im Gesamtraum und den jeweiligen Teilräumen – in Ballungs- und ländlichen Räumen, sowie strukturschwachen und starken Regionen gleichermaßen – ausgeglichene soziale, infrastrukturelle, wirtschaftliche, ökologische und kulturelle Verhältnisse angestrebt werden. Zugleich sollen gem. §§ 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1, Nr. 4 S. 6, und Nr. 5 S. 2 ROG die prägende Vielfalt gesichert, die ländlichen Räume unter Berücksichtigung ihrer unterschiedlichen wirtschaftlichen und natürlichen Entwicklungspotenziale und die Kulturlandschaften samt ihrer historischen Prägung erhalten und entwickelt werden. Von hoher praktischer Relevanz ist auch § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 4 ROG, auf Grund dessen Siedlungstätigkeiten räumlich zu konzentrieren und vorrangig auf bereits vorhandene Siedlungen mit ausreichender Infrastruktur sowie auf „Zentrale Orte“ auszurichten sind. Letztere werden nach § 13 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 lit. b ROG durch die Raumordnungspläne der Länder festgelegt. Somit wird schließlich auch die Bekämpfung gesellschaftlicher, sozialer und wirtschaftlicher Probleme zutreffend als Aufgabe der Raumordnung verstanden. Durch die Erhaltung und Entwicklung der ländlichen Räume als Lebens- und Wirtschaftsräume und durch die Stärkung strukturschwacher Räume gem. § 2 Abs. 2 Nr. 4 S. 3 ROG muss z.B. versucht werden, die negativen Folgen des demografischen Wandels[147] und des Trends zur Abwanderung in Großstädte wie auch den Mangel an Ärzten in ländlichen Gegenden zumindest abzufedern. Die Neustrukturierung der Grundsätze diente mithin der Bekämpfung sich in Zukunft abzeichnender gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Probleme, indem sie entsprechend dieser sich ändernden sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen wie z.B. durch den Klimawandel oder den sich verschärfenden europäischen Wettbewerb[148] auch neue Schwerpunkte des Raumordnungsauftrags ausformulieren[149].

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Die Grundsätze der Raumordnung können auch gem. § 4 Abs. 1 S. 2 ROG für Personen des Privatrechts gelten, sofern sie raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen in Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben durchführen und entweder


öffentliche Stellen i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 5 ROG mehrheitlich an der Person des Privatrechts beteiligt sind, oder
die Planungen und Maßnahmen überwiegend mit öffentlichen Mitteln finanziert wurden,

wobei sich die Bindungswirkung der Grundsätze auch hier in einer Berücksichtigungspflicht erschöpft.[150] Greifen die aufgezählten Voraussetzungen bei einer Entscheidung öffentlicher Stellen über die Zulässigkeit raumbedeutsamer Planungen und Maßnahmen von Personen des Privatrechts nicht, da z.B. über eine nicht überwiegend mit öffentlichen Mitteln finanzierte Maßnahme eines privaten Unternehmens entschieden wird, an dem öffentliche Stellen nicht mehrheitlich beteiligt sind, ist für solche „sonstige Entscheidungen“ der Auffangtatbestand des § 4 Abs. 2 ROG anwendbar. Die Erfordernisse der Raumordnung – zu denen die Grundsätze der Raumordnung gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ROG gehören – gelten demnach nur nach den für diese Entscheidung geltenden Vorschriften der Fachgesetze. Regelt ein solches Fachgesetz wie z.B. § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB oder § 47 Abs. 3 S. 2 BImSchG die rechtliche Bindungswirkung von Zielen der Raumordnung, spricht man von so genannten Raumordnungsklauseln. Die Grundsätze der Raumordnung müssen schließlich auch gem. § 4 Abs. 3 ROG im Rahmen des Genehmigungsverfahrens für die Errichtung und den Betrieb von öffentlich zugänglichen Abfallbeseitigungsanlagen von privaten Personen nach dem BImSchG beachtet werden.

III. Ziele der Raumordnung (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG)

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Die Ziele der Raumordnung sind wegen ihrer weitreichenden rechtlichen Bindungswirkung aus § 4 ROG und den fachgesetzlichen Vorschriften (Raumordnungsklauseln) von hoher Bedeutung. Der Begriff ist in § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts[151] als „verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und sachlich bestimmten oder bestimmbaren, vom Träger der Raumordnung abschließend abgewogenen (§ 7 Abs. 2 ROG) textlichen oder zeichnerischen Festlegungen in Raumordnungsplänen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums“ definiert. Die Ziele sind generell-abstrakte Rechtsnormen und entfalten Außenwirkung[152]: Somit unterscheiden sie sich kategorisch von den Grundsätzen der Raumordnung, da für die Ziele der Raumordnung eine unmittelbare, strikte Pflicht zur Beachtung bei Planungen, Maßnahmen und Entscheidungen öffentlicher Stellen gem. § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 3 ROG gilt. Für die Träger dieser Planungen und Maßnahmen gilt des Weiteren eine mittelbare Beachtungspflicht, da von der Einhaltung die Zulassung ihrer Vorhaben abhängt[153]. Sofern die öffentliche Stelle handelt, ist das festgesetzte Ziel somit einzuhalten[154], ohne dass diese Pflicht zur Beachtung der Ziele der Raumordnung in den jeweiligen raumrelevanten Fachgesetzen erneut statuiert werden müsste, wie es teilweise deklaratorisch erfolgt ist (z.B. in § 82 Abs. 1 S. 2 HS. 1 WHG). Weitere Pflichten zur Beachtung und Berücksichtigung der Ziele der Raumordnung ergeben sich aus § 4 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, Abs. 3 ROG. Aus § 4 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 ROG folgt schließlich die grundsätzliche Zulässigkeit von Raumordnungsklauseln in Fachgesetzen, die über die Bindungswirkung des § 4 ROG hinausgehen, so z.B. § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB, § 48 Abs. 2 BBergG oder § 47 Abs. 3 S. 2 BImSchG[155].

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Die Abgrenzung der in den Raumordnungsplänen festgelegten Ziele der Raumordnung zu den Grundsätzen der Raumordnung, die gem. §§ 3 Abs. 1 Nr. 3, 7 Abs. 1 ROG ebenfalls in Raumordnungsplänen zusätzlich zu den gesetzlich statuierten Grundsätzen festgelegt wurden, gestaltet sich dabei schwierig. Zwar sind Ziele und Grundsätze gem. § 7 Abs. 1 S. 4 ROG als solche in den Raumordnungsplänen zu kennzeichnen. Dieser Kennzeichnung kommt aber keine konstitutive Wirkung zu[156]. Abzustellen ist daher insbesondere auf das Merkmal der „abschließenden Abwägung“, da die Grundsätze der Raumordnung nur Vorgaben für Abwägungs- und Ermessensentscheidungen bilden. Die bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen (§ 7 ff. ROG) festzulegenden Ziele der Raumordnung konkretisieren dagegen diese allgemeinen Aussagen der Grundsätze im Rahmen der planerischen Abwägung nach § 7 Abs. 2 ROG, wobei die Festlegungen auch Gebiete bezeichnen können. Umgekehrt beeinflussen jedoch auch die öffentlichen und privatrechtlichen Akteure (§ 9 ROG) wiederum gem. § 7 Abs. 2 S. 2 ROG den Inhalt der Pläne (Gegenstandsbezogenes Gegenstromprinzip)[157]. Die Ziele der Raumordnung sind somit ihrer Natur nach „Letztentscheidungen“ und auf Grund der bereits erfolgten gesamträumlichen Abwägung konfliktfrei[158]. Im Einzelfall bleiben Abgrenzungen zwischen Grundsätze und Ziele der Raumordnung jedoch problematisch[159]. Dies gilt z.B. für die in § 7 Abs. 3 ROG näher bezeichneten Gebietsfestlegungen. Während die „Vorranggebiete“ nach § 7 Abs. 3 Nr. 1 ROG als Ziele der Raumordnung angesehen werden[160], werden Vorbehaltsgebiete nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 ROG mehrheitlich als Grundsätze der Raumordnung betrachtet[161]. Auf Landesebene fällt auf, dass die Landesplanungsgesetze häufig keine Eignungsgebiete kennen, obwohl solche in § 7 Abs. 3 Nr. 3 ROG für Landesraumordnungspläne allgemein vorgesehen sind. Da es sich jedoch um eine Kannregelung handelt, ist dies unschädlich.

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Im Verhältnis zur Bauleitplanung sind die Ziele der Raumordnung allgemein der gemeindlichen Abwägung vorgelagert[162]. Deshalb müssen sie für den Adressaten (§ 1 Abs. 4 BauGB) bestimmt genug sein, also konkrete raumordnerische Entscheidungen für einen bestimmten Raum treffen. Dabei sind die Ziele der Raumordnung zwar lediglich Grundentscheidungen, die „tendenziell (…) auf weitere Konkretisierung angelegt“ sind[163]. Sie können jedoch nicht im Wege der Abwägung erneut überwunden werden. Materiell kann eine Vorgabe aber die Qualifikation zu einem Ziel der Raumordnung wegen Fehlens der weiteren Tatbestände des § 3 Abs. 1 verfehlen[164]. Insbesondere muss in sachlicher Hinsicht klar erkennbar sein, zu welchem konkreten Zweck oder für welche konkrete Maßnahme das Ziel aufgestellt wurde. Dies ist z.B. dann nicht mehr gegeben, wenn die Zielfestlegung in ihrem Regelungsgehalt nicht über den des § 35 Abs. 2, 3 BauGB hinausgeht, da die Zielfestlegung „funktionsscharf“ genug sein muss, um gem. § 35 Abs. 3 S. 2, 3 BauGB der „unmittelbaren Rechtsanwendung im Einzelfall zugänglich“ zu sein[165].

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Mangels Qualität einer Letztentscheidung und abschließender Abwägung ist den Anforderungen an die Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit einer Zielfestlegung (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG) auch nicht mit schlichten Soll- oder In-der-Regel-Formulierungen genüge getan[166]. Zwar können gem. § 6 Abs. 1 ROG von den Zielen der Raumordnung im Raumordnungsplan Ausnahmen festgelegt werden. Im Hinblick auf die Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit der Ziele müssen sich diese Ausnahmetatbestände jedoch zumindest auf Basis der Begründung des Ziels oder weiterer Auslegungen herleiten lassen[167]. Eine weitere Abweichungsmöglichkeit besteht unter relativ engen Voraussetzungen in dem Zielabweichungsverfahren nach § 6 Abs. 2 ROG[168]. Für die Raumordnungspläne des Bundes, auf die noch näher einzugehen sein wird, gelten bezüglich der Zielabweichung und der Bindungswirkung der Ziele die Sonderregelungen der §§ 5, 19 ROG.

IV. Sonstige Erfordernisse der Raumordnung

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Nach der Begriffsbestimmung des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ROG werden die soeben dargestellten Grundsätze und Ziele der Raumordnung unter den Oberbegriff der Erfordernisse der Raumordnung zusammengefasst. Zu diesen gehören auch die sonstigen Erfordernisse der Raumordnung gem. § 3 Abs. 1 Nr. 4 ROG, die weder Grundsätze noch Ziele der Raumordnung sind, namentlich


die noch in Aufstellung befindlichen Ziele der Raumordnung,
die Ergebnisse förmlicher landesplanerischer Verfahren wie des noch ausführlich zu behandelnden Raumordnungsverfahrens, und
landesplanerische Stellungnahmen z.B. von Behörden im Rahmen von Planungsverfahren.

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Die erste Variante entspricht im Wesentlichen dem in Aufstellung befindlichen Bebauungsplan nach § 33 BauGB. Wie weit das Aufstellungsverfahren bereits vorangekommen sein muss, ist im Einzelnen umstritten. Alleine die Absicht, einen Raumordnungsplan aufstellen, ändern oder erweitern zu wollen, reicht jedenfalls nicht aus[169]. Die rechtliche Bindungswirkung der sonstigen Erfordernisse richtet sich ebenfalls nach § 4 ROG und entspricht jener der Grundsätze der Raumordnung. Zu beachten ist, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein sich noch in Aufstellung befindliches Raumordnungsziel zwar kein beachtliches Ziel der Raumordnung i.S.d. § 35 Abs. 3 S. 2 BauGB, jedoch ein sonstiger unbenannter öffentlicher Belang i.S.d. § 35 Abs. 2, 3 BauGB sein kann[170].

E. Die Raumordnungspläne nach dem ROG

I. Raumordnung auf Bundesebene (§ 17 ROG)

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Wie bereits dargestellt fällt die Aufgabe der Ordnung, Entwicklung und Sicherung des Raums insbesondere durch Raumordnungspläne grundsätzlich in den Zuständigkeitsbereich der Länder. Trotz der zum Teil weitergehenden Ansätze im sog Baurechtsgutachten des Bundesverfassungsgerichts hat der Bund von möglichen Kompetenzen, den Gesamtraum der Bundesrepublik Deutschland und seine Teilräume durch zusammenfassende, überörtliche und fachübergreifende Raumordnungspläne zu entwickeln, zu ordnen und zu sichern, nur zurückhaltend Gebrauch gemacht.

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Gem. § 17 ROG stehen dem Bund nun vier ganz unterschiedliche Arten von Plänen zur Verfügung:


Die Raumordnungspläne des Bundes für die deutsche ausschließliche Wirtschaftszone („AWZ-Pläne“) gem. § 17 Abs. 1 ROG.
Die Standortkonzepte nach § 17 Abs. 2 ROG sind Vorstufen der Bundesverkehrswegeplanung und sollen in einem geordneten und transparenten Verfahren die See- und Binnenhäfen sowie Flughäfen ermitteln, die im Rahmen des Bundesverkehrswegeplans mit Bundesinfrastruktur (Bundesfernstraßen, Schienenwegen des Bundes oder Bundeswasserstraßen) angebunden werden sollen (Hinterlandanbindung).
Zudem gestattet § 17 Abs. 2 ROG dem Bund, einen länderübergreifenden Raumordnungsplan für den Hochwasserschutz zu schaffen.
Schließlich ermächtigt § 17 Abs. 3 ROG den Bund dazu, für die räumliche Entwicklung des Bundesgebietes einzelne Grundsätze der Raumordnung in einem Raumordnungsplan zu konkretisieren.

Zuständig ist in allen vier Fällen das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur. Die Regeln über die Beteiligung der Öffentlichkeit und von Behörden richten sich nach § 18 ROG.

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Der Raumordnungsplan für die deutsche ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ), zu dessen Aufstellung der Bund gemäß der indikativischen Formulierung des § 17 Abs. 1 ROG verpflichtet ist, ist räumlich auf die deutsche ausschließliche Wirtschafszone (Art. 55, 57 UN-Seerechtsübereinkommen) beschränkt.

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Der Wortlaut des Gesetzes spricht dafür, dass für die deutsche AWZ ein Raumordnungsplan aufzustellen ist, während im Rahmen der Absätze 2 und 3 von Raumordnungsplänen in der Mehrzahl gesprochen wird. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die deutsche AWZ nicht aus einem einheitlichen Meeresraum besteht, sondern räumlich zweigeteilt ist in eine AWZ in der Nordsee und eine AWZ in der Ostsee. Beide sind räumlich nicht miteinander verbunden und weisen hinsichtlich der naturräumlichen Gegebenheiten und der Nutzungskonflikte deutliche Unterschiede auf[171]. Trotz dieser Unterschiede hatte das zuständige Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur zunächst einen einheitlichen Planentwurf für die AWZ der Nord- und Ostsee in das Verfahren gegeben. Aufgrund der besonderen Beteiligungswünsche eines Staates nach § 60 UVPG (damals § 14j UVPG) wurde der Plan dann in eine AWZ Nordsee und eine AWZ Ostsee aufgeteilt, um zumindest den ersten Plan nach einem erneuten Beteiligungsverfahren zügig in Kraft setzen zu können. Dies ist auch wegen § 7 Abs. 1 S. 3 ROG unproblematisch, der räumliche Teilpläne zulässt.[172] Demnach darf der Bund trotz des Wortlauts von § 17 Abs. 1 ROG zwei Raumordnungspläne, nämlich einen für die AWZ der Nord- und einen für die AWZ der Ostsee aufstellen.

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Inhaltlich können gem. § 17 Abs. 1 ROG Ziele und Grundsätze der Raumordnung zu vier Bereichen, nämlich zur Gewährleistung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, zur weiteren wirtschaftlichen Nutzung, zur weiteren wissenschaftlichen Nutzung, und zum Schutz der Meeresumwelt festgelegt werden. Unter weitere wirtschaftliche Nutzungen fallen etwa neben der immer bedeutsameren Offshore-Windenergienutzung die Fischerei sowie Gewinnung von Rohstoffen. Dabei sind die Festlegungsmöglichkeiten in ein umfangreiches Regelungssystem internationaler, europäischer und nationaler Art eingebettet[173]. An erster Stelle nennt das Gesetz die Festlegungen zu Gunsten der Schifffahrt, für die Vorranggebiete und Vorbehaltsgebiete entspr. § 7 Abs. 3 Nr. 1 ROG ausgewiesen werden können. Darüber hinaus können zur weiteren wirtschaftlichen Nutzung Festlegungen für die Rohstoffgewinnung insbesondere für Sand, Kies und Kohlenwasserstoffe entspr. § 2 Abs. 2 Nr. 4 S. 4 ROG getroffen und Vorranggebiete für Windenergie als Ziele der Raumordnung festgelegt werden. Zudem ist es möglich, für die wissenschaftliche Meeresforschung Vorbehaltsgebiete festzulegen. Schließlich können Festlegungen zur Meeresumwelt im Raumordnungsplan für die AWZ getroffen werden. All dies ist im AWZ Nordsee erfolgt[174]

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Zuständig für die Aufstellung des Raumordnungsplans für die AWZ ist das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, wobei es sich zur Erstellung des Planentwurfs mit Begründung und des Umweltberichts des ihm nachgeordneten Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) bedient. Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie führt im Rahmen der vorbereitenden Verfahrensschritte auch die Unterrichtung und Beteiligungen der Öffentlichkeit sowie der in ihren Belangen berührten öffentlichen Stellen nach § 18 ROG durch. Parallel zum Beteiligungsverfahren arbeitet das Bundesministerium nach § 17 Abs. 2 S. 4 ROG mit den angrenzenden Staaten und den Ländern zusammen, um die Abstimmung und Kohärenz des Raumordnungsplans mit den Raumplanungen der angrenzenden Staaten und Bundesländer sicherzustellen. Nach Durchführung der Verfahren nach § 18 und § 17 Abs. 2 S. 4 ROG trifft das Bundesministerium die abschließende Abwägung und beschließt den Plan im Einvernehmen mit den fachlich betroffenen Bundesministerien als Rechtsverordnung, die im Bundesgesetzblatt Teil I veröffentlicht wird.[175]

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Die Festlegungen des Raumordnungsplans für die AWZ entfalten Bindungswirkungen nach Maßgabe der § 4 Abs. 1 und 2 ROG, wobei zwischen den einzelnen Festlegungen für verschiedene Nutzungen und der Art der Festlegung als Ziel der Raumordnung[176] oder als planerischer Grundsatz[177] zu unterscheiden ist.

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Die Raumordnungspläne des Bundes mit länderübergreifenden Standortkonzepten nach § 17 Abs. 2 ROG sind auf den Bereich der See-, Binnen- und Flughäfen beschränkt. Da das Gesetz von Raumordnungsplänen spricht, könnte dies bedeuten, dass das Bundesministerium jeweils getrennte Pläne als Standortkonzepte für Seehäfen, Binnenhäfen und Flughäfen erstellt. Dieser Schluss ist aber keineswegs zwingend. Vielmehr ist es im Sinne einer integrierten Verkehrsplanung zulässig und sinnvoll, wenn das Ministerium alle drei Standortkonzepte in einem Plan zusammenfasst.

Der Plan dient als Grundlage für ihre verkehrsrechtliche Anbindung im Rahmen der Bundesverkehrswegeplanung und ist für die Bundesverkehrswegeplanung verbindlich, nicht jedoch für raumbedeutsame Planungen der Länder und Gemeinden, weswegen die Zuständigkeit der Länder für die Planung von (Flug-) Hafenstandorten unberührt bleibt[178]. Damit stellt er eine Art „Vorstufe der Bundesverkehrswegeplanung“ dar. Bisher hat das Bundesministerium von dieser seit 2008 bestehenden Planungszuständigkeit keinen Gebrauch gemacht. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden, da das Gesetz im Gegensatz zu den Raumordnungsplänen für die deutsche AWZ nach § 17 Abs. 1 ROG[179] für die Pläne nach § 17 Abs. 2 ROG keine Pflicht zur Aufstellung ausspricht.

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Durch das Gesetz zur Änderung raumordnungsrechtlicher Vorschriften von 2017[180] wurde die Ermächtigung für das Bundesministerium, Raumordnungspläne zu erlassen, um Raumordnungspläne für den länderübergreifenden Hochwasserschutz erweitert. Allerdings hat es der Gesetzgeber versäumt, deren zulässige Inhalte und deren Funktion genauer zu benennen. Nach dem gesetzlichen Grundsatz des § 2 Abs. 2 Nr. 6 S. 5 ROG ist für den vorbeugenden Hochwasserschutz an der Küste und im Binnenland zu sorgen, im Binnenland vor allem durch die Sicherung und Rückgewinnung von Auen, Rückhalteflächen und Entlastungsflächen. Zudem schreibt § 17 Abs. 2 ROG vor, dass die Pläne länderübergreifend angelegt sein müssen. Daraus folgt, dass die großen Flusssysteme von Rhein, Donau, Elbe und Oder, jeweils mit ihren Nebenflüssen und Wassereinzugsbereichen, sowie die Küsten von Nord- und Ostsee als Gegenstände dieser Pläne in Betracht kommen. Der Plan kann Festlegungen in Gestalt von Zielen und planerischen Grundsätzen der Raumordnung enthalten und sich der Gebietsfestlegungen nach § 7 Abs. 3 S. 2 ROG bedienen.

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Das Bundesministerium ist ebenso wie bei einem Raumordnungsplan mit einem Standortkonzept nicht frei in seiner Entscheidung, einen Raumordnungsplan zum vorbeugenden Hochwasserschutz aufzustellen. Vielmehr ist dies nur zulässig, wenn ein solcher Plan für die räumliche Entwicklung und Ordnung des Bundesgebietes unter nationalen oder europäischen Gesichtspunkten erforderlich ist. Die Erforderlichkeit eines Raumordnungsplans zum vorbeugenden Hochwasserschutz kann sich aus einer Zunahme der Hochwassergefahren und -schäden auf Grund des Klimawandels und aus dem Umstand ergeben, dass die länderübergreifende Zusammenarbeit bisher nicht zu Ergebnissen geführt hat, die dieser steigenden Gefahr wirksam vorbeugt. Der Bund muss dies sorgfältig begründen.

51

Für das Aufstellungsverfahren bestimmt § 17 Abs. 2 S. 4 ROG, dass das Bundesamt für Raumordnung und Bauwesen (BBR) mit Zustimmung des zuständigen Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur die vorbereitenden Verfahrensschritte zur Aufstellung der Raumordnungspläne durchführt. Das zuständige Bundesministerium muss bei der Planaufstellung die Bundesministerien beteiligen und das Benehmen mit den Ländern und den angrenzenden Staaten herstellen, also diese anhören und sich mit deren Einwänden sachlich auseinandersetzen. Die Abwägungsentscheidung trifft das zuständige Ministerium im Einvernehmen mit den fachlich betroffenen Bundesministerien, benötigt also deren Zustimmung. Der Plan wird als Rechtsverordnung im Einvernehmen mit den fachlich betroffenen Bundesministerien beschlossen und Bundesgesetzblatt Teil I unter Angabe des Datums der Ausfertigung veröffentlicht.

52

Die Bestimmung des § 17 Abs. 3 ROG ermöglicht dem Bund, durch einen Raumordnungsplan die abstrakten Grundsätze des § 2 Abs. 2 ROG für die räumliche Entwicklung des Bundesgebietes zu konkretisieren. Die konkretisierten Grundsätze sind im Rahmen von Abwägungs- und Ermessensentscheidungen gem. § 4 ROG zu beachten und dienen somit einer strukturierten Raumplanung, indem die Grundsätze nach § 2 Abs. 2 ROG durch die Konkretisierung in höherem Maße in den Raumordnungsplänen der Länder berücksichtigt werden können[181]. Dadurch soll die Raumordnung im Bereich der Entwicklung des Bundesgebietes gestärkt werden[182]. Die Konkretisierungsermächtigung findet aber dort ihre Grenzen, wo sie nicht mehr bloß konkretisierend aufbereitet und strukturiert, sondern detailliert planerisch gestaltet oder Vorgaben für die planerische Gestaltung der Länder macht[183].

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Ferner ist vor Einleitung des Planungsverfahrens und unabhängig von den Beteiligungsnotwendigkeiten nach § 17 Abs. 3 S. 2 die Beratungspflicht nach § 24 Abs. 1 ROG zu beachten. Dies bedeutet, dass die Einleitung eines Planverfahrens nach § 24 Abs. 1 ROG zu den grundsätzlichen Angelegenheiten der Raumordnung zählt, die in der Ministerkonferenz für Raumordnung (MKRO) gemeinsam zwischen Bund und Ländern beraten werden sollen. Zudem ist das Einvernehmen im Sinne einer positiven Zustimmung der betroffenen Bundesministerien erforderlich, zu deren fachlicher Zuständigkeit der gesetzliche Grundsatz zählt, der konkretisiert werden soll. Schließlich ist das Benehmen mit den Ländern und den angrenzenden Staaten herzustellen. Der Plan ist gemäß § 17 Abs. 5 S. 2 ROG im Bundesanzeiger bekannt zu machen.

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