Czytaj książkę: «Besonderes Verwaltungsrecht», strona 65

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1. Souveränitätsvorbehalt im Bereich der nationalen Sicherheit

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Bereits in den allgemeinen Bestimmungen zur Kompetenzverteilung in Art. 4 EUV verweist das europäische Primärrecht über das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung hinaus auf die Verpflichtung der Europäischen Union, „die grundlegenden Funktionen des Staates, insbesondere die Wahrung der territorialen Unversehrtheit, die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der nationalen Sicherheit“ zu achten und ergänzt ausdrücklich: „Insbesondere die nationale Sicherheit fällt weiterhin in die alleinige Verantwortung der einzelnen Mitgliedstaaten“. Dieser aus der Perspektive der EU negative Kompetenzvorbehalt zu Gunsten der Mitgliedstaaten wird in den konkreten Kompetenzzuweisungsnormen aufgegriffen[27] und insbesondere in Art. 72 AEUV bestätigt, demzufolge Titel V des Vertrags betreffend den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts „nicht die Wahrnehmung der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit“ berührt[28]. Bekräftigt wird die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten durch den Ausschluss Europols von Zwangsmaßnahmen in Art. 88 Abs. 3 S. 2 AEUV und die strengen Anforderungen an den Erlass von Maßnahmen in Bezug auf die operative Zusammenarbeit der hierzu originär berufenen mitgliedstaatlichen Sicherheitsbehörden in Art. 87 Abs. 3 AEUV.

2. Bestehende Unions-Kompetenzen

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Die positiven Kompetenzzuweisungen lassen dessen ungeachtet Raum für vielfältige Bestimmungen unionaler Sicherheitsgewährleistung. Der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts fällt nach Art. 4 Abs. 2 j) AEUV in die geteilte Zuständigkeit von Union und Mitgliedstaaten. Generalklauselartig verweist Art. 67 Abs. 3 AEUV darauf, dass die Union „durch Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Kriminalität sowie von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, zur Koordinierung und Zusammenarbeit von Polizeibehörden und Organen der Strafrechtspflege und den anderen zuständigen Behörden sowie durch die gegenseitige Anerkennung strafrechtlicher Entscheidungen und erforderlichenfalls durch die Angleichung der strafrechtlichen Rechtsvorschriften“ auf „ein hohes Maß an Sicherheit“ hinwirkt. Umfassende Zuständigkeiten hat die Union im Bereich des Grenzschutzes und der Einwanderungs- und Asylpolitik als Korrektiv zur Öffnung der Binnengrenzen[29]. Weitreichende Harmonisierungskompetenzen wurden ihr hinsichtlich der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen in Art. 82 ff. AEUV übertragen. Die polizeiliche Zusammenarbeit „zwischen allen zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, einschließlich der Polizei, des Zolls und anderer auf die Verhütung oder die Aufdeckung von Straftaten sowie entsprechende Ermittlungen spezialisierter Strafverfolgungsbehörden“ ist nach Art. 87 Abs. 1 AEUV ausdrückliches Ziel der EU, zu dessen Erreichung sie im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren Rechtsakte in Bezug auf den Informationsaustausch dieser Behörden, die Aus- und Weiterbildung des Personals sowie dessen Austausch untereinander und zu gemeinsamen Ermittlungstechniken in bestimmten Fällen erlassen darf. Auch Regelungen zur praktischen operativen Zusammenarbeit fallen in ihre Zuständigkeit, bedürfen allerdings der Einstimmigkeit. Auf der Grundlage von Art. 88 AEUV wird diese Kooperation in Europol institutionalisiert, das den Auftrag hat, „die Tätigkeit der Polizeibehörden und der anderen Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten sowie deren gegenseitige Zusammenarbeit bei der Verhütung und Bekämpfung der zwei oder mehr Mitgliedstaaten betreffenden schweren Kriminalität, des Terrorismus und der Kriminalitätsformen, die ein gemeinsames [unionsrechtlich geregeltes] Interesse verletzen, […] zu unterstützen und zu verstärken.“

3. Entwicklungspotential unionaler Sicherheitsgewährleistung

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Die primärrechtlichen Kompetenzgrundlagen sind trotz der Souveränitätsvorbehalte entwicklungsoffen: Zum einen eröffnet die Bezugnahme auf ein hohes Maß an Sicherheit einen Gestaltungsspielraum, da sich diese unionale Sicherheit in einem unionsweiten Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts gerade nicht in der Addition der verschiedenen nationalen Sicherheiten erschöpfen kann[30]. Vielfältige Regelungsmöglichkeiten bieten sich weiter im Rahmen der ausdrücklichen Zuständigkeit für alle Formen der zentralen Unterstützung sicherheitsbehördlicher Zusammenarbeit nach Art. 74 AEUV und spezifisch in Bezug auf die Polizeikooperation nach Art. 87 AEUV, die in zentralen Bereichen in eine supranationale Steuerung derselben übergangen ist. Darüber hinaus sehen die Verträge selbst überwirkende und genuin unionale Hoheitsbefugnisse etwa in Gestalt gemeinsamer Ermittlungsgruppen oder Ermittlungsanordnungen unionaler Sicherheitsbehörden wie etwa der Europäischen Staatsanwaltschaft nach Art. 86 AEUV, Eurojusts nach Art. 85 AEUV und Europols nach Art. 88 AEUV vor, auch wenn jedenfalls Europol bislang ausdrücklich Zwangsmaßnahmen verwehrt bleiben. Aus diesen gemeinsamen operativen Einsatzformen entwickeln sich, wie das Beispiel der Grenzschutzagentur Frontex zeigt, Ansätze eines unionalen Einsatzrechts als originärem Polizeirecht[31].

II. Regelungsbereiche unionaler Sicherheitsgewährleistung

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Mit den Kompetenzgrundlagen sind zugleich die Regelungsbereiche unionaler Sicherheitsgewährleistung umrissen. „Europäisches Polizei- und Sicherheitsrecht“ ist notwendig ein Sammelbegriff für eine Vielzahl an Regelungen und Regelungsbereichen, die sich weitgehend selbstständig weiterentwickeln und erst in der Zusammenschau den Befund eines offenen, übergreifenden Rechtsgebiets erlauben. Dass es sich um ein solches handelt, kann politisch allerdings nicht zweifelhaft sein[32] und lässt sich zunehmend auch an verbindenden Rechtsmechanismen und -instrumenten illustrieren[33].

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Zum europäischen Polizei- und Sicherheitsrecht im engeren Sinne gehören die sicherheitsbezogenen Bestimmungen des Asyl- und Grenzschutzrechts sowie die Regelungen zur polizeilichen Zusammenarbeit. Harmonisierungen und Kooperationsbestimmungen im Strafrecht nehmen wie auch die Regelungen zur Terrorismusbekämpfung eine Sonderrolle ein.

1. Polizei- und Sicherheitsrecht im Bereich Grenzschutz, Asyl und Einwanderung

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Zentrale sicherheitsrechtliche Regelungen trifft die EU auf der Grundlage ihrer weitreichenden Kompetenzen im Bereich Grenzschutz, Asyl und Einwanderung nach Art. 77, 78 und 79 AEUV. Mit dem Wegfall der Binnengrenzen ist der Schutz der Außengrenzen schon früh zu einer gemeinsamen Aufgabe geworden[34]. Zu den Regelungen zur wirksamen Überwachung des Grenzübertritts und zum Aufbau eines integrierten Grenzschutzsystems auf der Basis von Art. 77 AEUV gehören die Bestimmungen des sog. Schengen-Acquis auf der Basis des aktuellen Schengener Grenzkodex[35] und flankierender Vorschriften insbesondere zum Informationsaustausch im sog. Schengener Informationssystem[36]. Aufgrund der Sonderbestimmungen für Dänemark, Irland und – bislang – Großbritannien gilt das Schengen Recht als Sonderfall der verstärkten Zusammenarbeit[37], das nun der mit dem Brexit erforderlichen Anpassungen bedarf.

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Nicht das gesamte Asyl- und Einwanderungsrecht ist auch Polizeirecht, aber es bildet die Grundlage für sicherheitsrechtliche Regelungen der Union und z.T. in Umsetzung der unionsrechtlichen Regelungen auch der Mitgliedstaaten. Die behördliche Zuständigkeit für die Anwendung dieser Regelungen liegt grundsätzlich bislang vorrangig bei den mitgliedstaatlichen Grenzschutz- und Polizeibehörden im Rahmen ihrer je national zugewiesenen Aufgaben[38]. Sie werden dabei von der Grenzschutzagentur Frontex unterstützt, die künftig auch eigene operative Befugnisse erhalten soll[39].

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Aktuell sind die Union und vor allem die in der operativen Umsetzung des Unionsrechts zuständigen Mitgliedstaaten mehr denn je gefordert, die Voraussetzungen von Einwanderung und Asyl im Einklang mit den unions- und völkerrechtlichen Grund- und Menschenrechten, insbesondere mit dem völkerrechtlichen non-refoulement-Gebot gegenüber Flüchtlingen und dem auch in der Europäischen Union nach Art. 18 GRC geltenden Grundrecht auf Asyl und der in Art. 1 GRC verankerten Menschenwürde so zu regeln, dass den Flüchtenden an den europäischen Grenzen und in den europäischen Aufnahme-Lagern, in denen zum Teil menschenunwürdige Zustände herrschen, unmittelbar geholfen wird, sie in einer – gerade in Anbetracht der zum Teil lebensverachtenden und für Schutzbedürftige lebensbedrohlichen Zustände – vertretbaren Zeit ein rechtsstaatliches Verfahren erhalten und den mit der Situation des Zustroms überforderten Staaten sofortige und solidarische finanzielle und operative Unterstützung gewährt wird. Das Unionsrecht weist demgegenüber allerdings einerseits einen Trend zur Nationalisierung und damit zur Zersplitterung sowie zum Rückzug aus der gemeinsamen Verantwortung auf und zeigt andererseits dort, wo noch eine Einigung gefunden werden kann, eine starke Tendenz zur Kriminalisierung der Migration, wenn sich der Fokus der Bemühungen auf die Abwehr der illegalen Migration zu richten scheint.

2. Recht der polizeilichen Zusammenarbeit

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Während die Europäische Union im Bereich des Grenzschutzes über sehr umfassende Zuständigkeiten verfügt, die sich auch auf die entsprechende polizeiliche Zusammenarbeit erstrecken, sind die Kompetenzzuweisungen in Bezug auf die allgemeine polizeiliche Zusammenarbeit weniger weitreichend. Nach Art. 87 Abs. 1 AEUV entwickelt die Union „eine polizeiliche Zusammenarbeit zwischen allen zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, einschließlich der Polizei, des Zolls und anderer auf die Verhütung oder die Aufdeckung von Straftaten sowie entsprechende Ermittlungen spezialisierter Strafverfolgungsbehörden“. Mit Blick auf die Tätigkeit der Sicherheitsbehörden unterscheidet das Unionsrecht nicht mit derselben Schärfe zwischen Prävention und Repression, wie dies dem deutschen Recht aus kompetenzrechtlichen und prozeduralen Gründen eigen ist. Die Regelungen zur polizeilichen Zusammenarbeit beziehen sich daher sowohl auf die präventive als auch auf die repressive Sicherheitsgewährleistung. Nach Art. 88 Abs. 1 AEUV ist auch Europol für die Verhütung und Bekämpfung bestimmter schwerer Straftaten mit überstaatlichem Bezug zuständig.

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Differenziert wird allerdings zwischen unterschiedlichen Typen der polizeilichen Zusammenarbeit: Während der europäische Gesetzgeber über den Austausch von Informationen im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren entscheiden kann, unterliegen Maßnahmen zur operativen Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden nach Art. 87 Abs. 3 AEUV insb. dem Einstimmigkeitserfordernis im besonderen Gesetzgebungsverfahren, das – außerhalb des Schengen-Acquis[40] – lediglich im Weg einer verstärkten Zusammenarbeit überwunden werden kann.

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Art. 88 Abs. 1 und 3 AEUV ermöglicht Europol eine Unterstützung der mitgliedstaatlichen Sicherheitsbehörden wie auch ihrer Zusammenarbeit, vorrangig im Bereich der sicherheitsrechtlichen Informationskooperation, aber darüber hinausgehend auch in Bezug auf gemeinsame operative Maßnahmen unter ausdrücklichem Ausschluss der Anwendung von Zwangsmaßnahmen. Die entsprechenden Bestimmungen hat der europäische Gesetzgeber im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren in der Europol-Verordnung[41] niedergelegt.

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Für die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden greifen damit unterschiedliche Rechtsgrundlagen, Anforderungen an das Gesetzgebungsverfahren und in der Folge auch Rechtsakte im Bereich des Grenzschutzes einerseits sowie im Rahmen der allgemeinen Sicherheitsgewährleistung andererseits[42]. Dies führt jedenfalls dann zu einer unübersichtlichen Rechtslage, wenn nach der mitgliedstaatlichen Verwaltungsorganisation und sicherheitsbehördlichen Aufgabenverteilung zum Teil die selben Polizeikräfte adressiert sind und/oder sich die Aufgabenbereiche überschneiden. In der Realität lässt sich die strikte primärrechtliche Trennung und die hierauf zurückzuführende unterschiedliche Reglementierung der sicherheitsbehördlichen Aufgabenerfüllung in Überschneidungsbereichen schlecht abbilden. Insbesondere im Rahmen des Schengen-Rechts und der Informationssysteme sind im Unionsrecht Vereinheitlichungstendenzen zu erkennen, die teilweise zu übergreifenden Regelungen[43], teilweise aber auch zur Dopplung der Rechtsgrundlagen[44] führen.

3. Harmonisierung und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen

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Im Bereich des Strafrechts und der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen gilt nach Art. 82 Abs. 1 AEUV der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Urteile und Entscheidungen. Außerdem verfügt die Europäische Union über Harmonisierungskompetenzen, die sich auf Mindestvorschriften verfahrensrechtlicher (Art. 82 Abs. 2 AEUV) wie auch materiell-rechtlicher Art in Bezug auf Straftaten mit grenzüberschreitender Dimension (Art. 83 Abs. 1 und 2 AEUV) beziehen[45]. Beide Normen enthalten jeweils eine Notbremse als Souveränitäts-Vorbehalt zum Schutz der grundlegenden Aspekte der nationalen Strafrechtsordnungen[46]. Besonderheiten gelten für die Europäische Staatsanwaltschaft sowie für Sanktionen im Bereich der Terrorismusbekämpfung.

a) Verfahrensrechtliche Regelungen

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Beispiele für strafverfahrensrechtliche Regelungen betreffen die gegenseitigen Anerkennung und Mindeststandards für das innerstaatliche Strafverfahren. Noch auf der Grundlage von Art. 31 Abs. 1a) und Art. 34 Abs. 2 b) EUV aF.[47] einigten sich die Mitgliedstaaten im Rat 2002 und 2008 auf die Rahmenbeschlüsse über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten[48] und über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile in Strafsachen[49]. Für die Beweiserhebung sind vor allem die VO (EU) 2018/1805 über die gegenseitige Anerkennung von Sicherstellungs- und Einziehungsentscheidungen[50] sowie die Richtlinie 2014/41/EU über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen[51] von Bedeutung. Zahlreiche Harmonisierungsvorgaben gewährleisten Mindeststandards für die Rechte des Einzelnen im Strafverfahren, etwa in Bezug auf Übersetzungsleistungen, Belehrungspflichten, Rechtsbeistand, Prozesskostenhilfe, die Unschuldsvermutung oder die Rechte von Kindern als Beschuldigten[52].

b) Materiellrechtliche Regelungen

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Art. 83 Abs. 1 AEUV ermächtigt Rat und EU-Parlament dazu, durch Richtlinien eine Harmonisierung von Mindestvorschriften „zur Festlegung von Straftaten und Strafen in Bereichen besonders schwerer Kriminalität“, „die aufgrund der Art oder der Auswirkungen der Straftaten oder aufgrund einer besonderen Notwendigkeit, sie auf einer gemeinsamen Grundlage zu bekämpfen, eine grenzüberschreitende Dimension haben“, zu bewirken. Zu den Bereichen besonders schwerer Kriminalität zählen Terrorismus, Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung, illegaler Handeln von Waffen oder Drogen, Geldwäsche und Geldfälschung, Korruption, Computerkriminalität und organisierte Kriminalität; der Rat kann diese Liste einstimmig um weitere Kriminalitätsbereiche ergänzen. Darüber hinaus ist eine Angleichung des materiellen Strafrechts im Rahmen einer in Art. 83 Abs. 2 AEUV nun ausdrücklich normierten Annexkompetenz auch in anderen unionsrechtlich harmonisierten Bereichen möglich, um die effektive Durchsetzung des Unionsrechts zu gewährleisten.

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Die Harmonisierungsmaßnahmen betreffen insbesondere die Bekämpfung organisierter Kriminalität und des Terrorismus, die Geldwäsche sowie Straftaten zu Lasten des EU-Haushaltes. Eine Reihe von Rechtsakten wurde bereits auf der Basis von Art. 29, Art. 31 Abs. 1 e) und Art. 34 Abs. 2 b) EUV a.F., d.h. im Rahmen der ehemaligen dritten Säule der EU, erlassen wie zum Beispiel der Rahmenbeschluss 2008/841/JI des Rates zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität[53]. In jüngerer Zeit kamen auf der Basis von Art. 83 Abs. 2 AEUV zu diesen Rahmenbeschlüssen oder an ihrer Stelle Richtlinien zur Bekämpfung des Terrorismus[54], zur Bekämpfung von Betrug[55] und Geldwäsche[56] sowie zu anderen Straftatbereichen hinzu[57]. Übergreifende verfahrens- und materiellrechtliche Bedeutung kommt der auf Art. 82 Abs. 2 und Art. 83 Abs. 1 AEUV gestützten Richtlinie 2014/42/EU über die Sicherstellung und Einziehung von Tatwerkzeugen und Erträgen aus Straftaten in der EU[58] zu.

c) Regelungen zur Europäischen Staatsanwaltschaft

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Auf der Basis von Art. 86 AEUV wurde 2017 im Rahmen einer verstärkten Zusammenarbeit im Verordnungswege einstimmig die Grundlage für eine Europäische Staatsanwaltschaft (EUStA) geschaffen[59], die Ende 2020 für zunächst 22 teilnehmende Staaten in Luxemburg eingesetzt und von einem Europäischen Generalstaatsanwalt bzw. aktuell von einer Europäischen Generalstaatsanwältin[60] geleitet und unterstützt werden soll, um nach einheitlichen Standards vor mitgliedstaatlichen Strafgerichten gegen grenzüberschreitende Großkriminalität zu Lasten des EU-Haushalts vorzugehen[61]. Bereits primärrechtlich angelegt ist eine spätere Erweiterung der Zuständigkeiten und Befugnisse der EUStA auf die „Bekämpfung der schweren Kriminalität mit grenzüberschreitender Dimension“ (Art. 86 Abs. 4 AEUV). Insbesondere die Terrorismusbekämpfung könnte damit zukünftig auch in die Hände der EUStA gelegt werden.

d) Sanktionen im Bereich der Terrorismusbekämpfung

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Besonderheiten gelten im Bereich der präventiven Terrorismusbekämpfung: Nicht zuletzt zur Umsetzung der Sanktionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen wurden mit dem Vertrag von Lissabon mit Art. 75 AEUV und Art. 215 AEUV neue Kompetenzgrundlagen geschaffen, die es der EU erlauben, im Verordnungswege einen Rahmen für individual-gerichtete Verwaltungsmaßnahmen gegen die Terrorismusfinanzierung zu schaffen, auch und gerade, um Gelder, Vermögenswerte oder wirtschaftliche Erträge potentieller Terroristen einzufrieren[62].

e) Weitere strafrechtlich relevante Regelungen

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Teilweise werden Harmonisierungsmaßnahmen auch auf andere Kompetenzgrundlagen gestützt, die entweder als Annex strafrechtliche Regelungen mitumfassen oder besondere strafrechtliche Aspekte regeln. So dient die etwa auf Art. 114 AEUV gestützte Richtlinie (EU) 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates von 2015 der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung[63].

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In den Bereich des Europäischen Strafrechts gehören ferner auch die Ermittlungen von OLAF auf der Grundlage der auf Art. 325 AEUV gestützten Verordnung (EU, Euratom) Nr. 883/2013 über die Untersuchungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF)[64]. Auch die Richtlinie zum Schutz von Hinweisgebern wird unter anderem auf Art. 325 Abs. 4 AEUV gestützt[65].

4. Polizeiinformations- und -datenschutzrecht

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Eine Querschnittsmaterie und zugleich einen sicherheitsrechtlichen Regelungsschwerpunkt bildet das sicherheitsrechtliche Informationsrecht[66]. Aus Gründen des objektivrechtlichen wie auch subjektivrechtlichen Datenschutzes und im Wechselspiel mit den europäischen Gerichten[67] haben sich detaillierte Vorgaben entwickelt, die in allgemeinen wie speziellen, genuin unionsrechtlichen wie harmonisierenden Rechtstexten ihren Niederschlag gefunden haben. Für die nationalen Sicherheitsbehörden sind neben den zu vereinheitlichenden innerstaatlichen polizeiinformationsrechtlichen Regelungen vor allem auch die in einer Vielzahl von Verordnungen enthaltenen informationskooperationsrechtlichen Regeln von Bedeutung, da die gemeinsame Sicherheitsgewährleistung in der Europäischen Union zunächst und vor allem auf der horizontalen und vertikalen Informationszusammenarbeit aller Sicherheitsbehörden von Union und Mitgliedstaaten beruht.

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Die Regelungen gründen sowohl in der allgemeinen datenschutzrechtlichen Kompetenzgrundlage des Art. 16 AEUV, in speziellen auf die Sicherheitsgewährleistung bezogenen Kompetenznormen als auch in Annexzuständigkeiten. Regelmäßig gelten für die Verarbeitung und den Austausch personenbezogener Daten im Bereich der Sicherheitsgewährleistung spezifische Regelungen.

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