Czytaj książkę: «Besonderes Verwaltungsrecht», strona 40

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1. Der haushaltsrechtliche Zusammenhang und das Abgabenrecht

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Durch das Erfordernis der haushaltsrechtlichen Bewilligung seitens des Parlaments, steht diesem ein erstrangiges Steuerungsinstrument gegenüber der Verwaltung zu: Diese kann nicht nur keine Stellen einrichten und keine Sachmittel beschaffen, ohne dass der Haushalt dies gestattete; auch das Verwaltungshandeln dem Bürger gegenüber steht unter „Haushaltsvorbehalt“.

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Der Staatshaushaltsplan hat in der Verfassungsgeschichte einen Funktionswandel durchlaufen. Als historische Wurzeln treffen im 19. Jh. das Steuerbewilligungsrecht sowie das Budget als Instrument der Veranschlagung von Ausgaben zusammen, d.h. der Haushaltsplan bezog sich zunächst auf Einnahmen und auf Ausgaben der staatlichen Finanzwirtschaft[21]. Insbesondere auch die Periodizität betraf die Steuergesetze, die im staatlichen Finanzgesetz enthalten waren. Es gehört zur Budgetgeschichte des deutschen Konstitutionalismus, dass – über das Haushaltsmodell der Preußischen Verfassungsurkunde von 1850 und die RV 1871 – der Staatshaushalt sich bei dauerhaften Steuergesetzen ganz auf die Ausgabenseite konzentrierte und durch Gesetz festzustellen war. Die im preußischen Heeres- und Verfassungskonflikt von 1862 bis 1866 kulminierenden Budgetkämpfe sind nur vor dem Hintergrund des konstitutionellen Dualismus zu verstehen[22]: Die Volksvertretungen suchten über die Mittelbewilligung im Haushaltsplan Einfluss auf die monarchische, parlamentarisch gerade nicht verantwortliche Exekutive zu erhalten. Die Zusammenführung separierter Fonds aus der Fondswirtschaft des (aufgeklärten) Absolutismus und die Entwicklung sog. Budgetgrundsätze wie der Budgeteinheit, der Jährlichkeit, der Öffentlichkeit und vor allem einer hinreichenden Spezialität dienten diesem Anliegen[23]. Mehr noch als die Mitwirkung der Volksvertretungen an der Sachgesetzgebung erwies sich das Budgetrecht als „der eigentliche Gegenpol zum monarchischen Prinzip in der konstitutionellen Verfassung“[24].

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In der parlamentarischen Demokratie kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Haushaltsplan ein staatsleitender Hoheitsakt in Gesetzesform ist. Das Budgetrecht des Deutschen Bundestags stellt das wesentliche Instrument der parlamentarischen Regierungskontrolle dar[25]. Das voll ausgebildete Budgetrecht von Volksvertretung bzw. Parlament ist in historischer Perspektive der entscheidende Schlussstein einer Parlamentarisierung des konstitutionellen staatsrechtlichen Systems gewesen bzw. nahm die entscheidende staatsrechtliche Wende 1918/19 vorweg[26]. Durch die Wendung zum Sozial- und Interventionsstaat hat sich – bei prinzipiell unverändertem Wortlaut der einschlägigen Normen – die Bedeutung des parlamentarischen Haushaltsrechts noch verstärkt[27]. Die parlamentarische Ausgabenbewilligung durch die Verabschiedung eines Haushaltsplans ist heute „Gemeingut aller Verfassungsstaaten“[28].

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Durch den Übergang vom konstitutionellen Dualismus zwischen Volksvertretung und monarchischer Exekutive zum parlamentarischen Regierungssystem mit seinem monistischen Legitimationsmodell hat sich die grundsätzliche Funktion des Budgetrechts im Grundsatz nicht verändert[29]. Das Parlament wurde unangefochten zum „Herrn des Budgets“[30]. Auch im Gegenüberstehen der von der Parlamentsmehrheit getragenen Regierung und der parlamentarischen Opposition besitzen die antagonistischen Kräfte über ihre Beteiligung in Haushaltsausschuss und Plenum entsprechende parlamentarische Einflussmöglichkeiten. Das parlamentarische Budgetrecht ist – rechtstechnisch – das Recht des Deutschen Bundestags, den von der Regierung vorgelegten Haushaltsplan durch Gesetz festzustellen (Art. 110 Abs. 2 GG) und mit Hilfe eines unabhängigen Rechnungshofs den ordnungsgemäßen Haushaltsvollzug zu überprüfen (Art. 114 GG). Abgesichert wird das Budgetrecht dadurch, dass die Aufnahme von Krediten und ähnlichen Verpflichtungen ebenfalls gesetzlicher Ermächtigung bedürfen (Art. 115 GG). Das normativ weitgehend unberührte Grundgerüst der Haushaltsverfassung im neuen Legitimationszusammenhang der parlamentarischen Demokratie führte jedoch dazu, dass darin nicht mehr der einzige, sondern nur noch ein Hebel des Parlaments zur Steuerung der Verwaltung besteht[31]: „Die Abhängigkeit der Regierung in ihrem Bestand vom Vertrauen des Parlaments entlässt das Budget aus seiner Rolle als Instrument des Machtkampfs zwischen Regierung und Parlament.“[32] Sowohl Sach-, als auch Personalfragen können unmittelbar parlamentarisch über die Sachgesetzgebung geklärt werden. Man mag darin einen Bedeutungsverlust des parlamentarischen Budgetrechts sehen; zumindest wird man eine Funktionsverschiebung konstatieren müssen, der „Kampf um das System“ hat sich zu einem „Kampf im System“ gewandelt[33].

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Die zentrale Funktion des Staatshaushalts besteht in der periodischen Koordination von Nehmen und Geben. Da das Haushaltsgesetz mit den komplexen Steuerungsaufgaben des funktionsausgeweiteten Verfassungsstaats in seiner sozialtechnokratischen und interventionistischen Spielart allein überfordert wäre, ist die allgemeine Gesetzgebung in diese „Steuerungslücke“ getreten[34]. Gleichwohl wird über Zuweisung und Kontrolle von Finanzmitteln nach wie vor die in Gestalt ihrer Amtswalter mittelbar demokratisch legitimierte Exekutive, die das Normprogramm des Sach-(Verwaltungs-)Rechts durchführt, zusätzlich parlamentarisch kontrolliert und damit zugleich legitimiert. Die haushaltsrechtlich zugewiesene, angemessene Finanzausstattung erweist sich als Vollzugsvoraussetzung für die Verwaltung[35]. Die parlamentarische Kontrolle hat einen doppelten Ansatzpunkt: Durch die Ausgabenbewilligung wird den Verwaltungsstellen die zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendige Finanzausstattung zugewiesen und über Art und Ausmaß der Zuweisung auch das Verwaltungshandeln gesteuert. Durch die nachträgliche Finanzkontrolle besteht insgesamt eine zusätzliche Kontrollebene, insbesondere auch für die Bereiche des Verwaltungshandelns, die ohne gesetzliche Ermächtigung erfolgen. In der parlamentarischen Beteiligung vereinigen sich so die legitimatorische und die kontrollierende Komponente des Haushaltsrechts[36].

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Das Budget dient durch das Anknüpfen an gesetzesförmige Ermächtigungen und die Bindung an veranschlagte Einnahmen der Verrechtlichung staatlicher Finanzwirtschaft. Neben die in Gesetzesform gegossenen Eingriffsbefugnisse, Handlungsanweisungen und politischen Programme des Verwaltungsrechts als Sachrecht tritt eine zweite Legitimations- und Kontrollebene über das Steuerungsinstrument der Zuweisung finanzieller Mittel[37]. An die Seite des aus dem Vorbehalt des Gesetzes, der verwaltungsrechtlichen Handlungsformen und der Zuständigkeitsordnung sich formierenden Verwaltungsrechts tritt die konkrete Zuweisung von Personal und sachlichen Mitteln durch Rechtsakte; erst dadurch wird die Verwaltung in Stand gesetzt, real handeln zu können. „Die Finanzkraft befähigt, das Haushaltsgesetz beauftragt, das Verwaltungsrecht ermächtigt zu finanzwirtschaftlichem Handeln.“[38] Die von der Regelungsdichte abhängige, letztlich nur begrenzte Determinationskraft des Verwaltungsgesetzes wird durch Rechtsakte im organschaftlichen Rechtskreis ausgeglichen[39]. Insofern ist die Begriffsbildung vom Haushaltsrecht als dem „Verfahrensrecht des Finanzstaates“[40] zu verstehen. Anschaulich ist davon gesprochen worden, dass die Stellen- und Sachpläne im Staatshaushalt „Organisation durch Zuweisung von Geld“ bedeutet: In der Organisationsfunktion des Haushaltsplans findet ein Stück Lenkung bzw. Steuerung des Staatsapparats mittels des Mediums Geld statt[41]. Was im primären Finanzausgleich auf der Ebene der Verfassung vorgezeichnet ist, findet in dieser Organisationsfunktion des Staatshaushalts periodisiert und auf die Bedürfnisse des Verwaltungsalltags heruntergebrochen seine logische Fortsetzung: Staatliche Einheiten werden erst durch die haushaltsmäßige Zuweisung von Geld handlungs- und funktionsfähig: „Die Zuständigkeit, über Geld zu verfügen, ist verfassungsrechtlich nicht weniger bedeutsam als die Zuständigkeit, Gebote zu erlassen, von Geboten freizustellen oder Zuständigkeiten zum Erlass oder zur Freistellung von Geboten zu übertragen.“[42] Das Geld als Steuerungs- und damit Machtinstrument ist über das Haushaltsrecht parlamentarisch-demokratisch rückgekoppelt. Diese grundsätzliche Koordinationsleistung des Haushaltsrechts im staatlichen Innenrechtskreis wird regelmäßig nur im Falle von Koordinationsstörungen bewusst: Haushaltssperren, Haushaltsstruktur- und -begleitgesetze im Falle des Haushaltsnotstandes und der Knappheit der Finanzmittel führen zu für jedermann spürbaren Folgen im Außenrechtsbereich zwischen Staat und Bürger[43].

2. Steuerung durch Geben und Nehmen von Geld

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Die Finanzwissenschaften gliedern die staatlichen Ausgaben in Realausgaben, Transfers und Maßnahmen des Geld- und Kapitalverkehrs; das Finanzrecht fragt demgegenüber, ob es sich um Beschaffungsausgaben zur Bedarfsdeckung (einschließlich der Personalausgaben) handelt oder um Zweckausgaben, die der Verwirklichung von Verwaltungszwecken dienen[44]. Jegliche staatliche Ausgabe bedarf der Haushaltsermächtigung. Subventionen unterliegen darüber hinaus der (nationalen, supra- und internationalen) Subventionsrechtsordnung, staatliche Aufträge dem Vergaberecht. Bei allen Staatsausgaben ist das übergeordnete Staatsziel aus Art. 109 Abs. 2 GG, auch in seiner durch die Föderalismusreform II modifizierten Fassung, zu beachten. Mit seiner begrenzten Direktivkraft[45] werden so verfassungsrechtliche Vorgaben hinsichtlich der Höhe und des Zeitpunkts der Verausgabung der Mittel geschaffen, während die zu verwirklichenden Sachprogramme Ergebnis des politischen Prozesses sind und folglich durch die Gesetzgebung bestimmt werden[46].

a) Subventionen, insbesondere Abgabensubventionen und Auftragsvergabe

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Subventionen sind staatliche Zweckausgaben in Form vermögenswerter Zuwendungen an Personen oder Unternehmen zur Förderung eines im öffentlichen Interesse liegenden Zwecks[47]. Dabei handelt es sich nicht um einen scharf konturierten Rechtsbegriff (von § 264 Abs. 8 StGB einmal abgesehen; § 12 StabG und § 14 HGrG sprechen in jeweils eigenem und unterschiedlichem Zusammenhang von „Finanzhilfen“ bzw. von „Zuwendungen“)[48]. Entscheidend ist die ganz oder teilweise fehlende (marktmäßige) Gegenleistung des Subventionsempfängers. Steuer-/Abgabenvergünstigungen erweisen sich funktional als Verschonungssubventionen[49]. Subventionierung ist Verhaltenssteuerung, Zweckverfolgung über das Medium Geld[50]. Über Anreizinstrumente wie die Auszahlung von Geldbeträgen, vermögenswerten Leistungen (etwa die Bürgschaftsübernahme oder die Realförderung durch die Überlassung bestimmter Grundstücke) oder durch die Verschonung von Zahlungsverpflichtungen kann jenseits der Eingriffsverwaltung Einfluss auf das Wirtschaftsleben genommen werden[51].

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Bei den Subventionen ist darüber hinaus nach wie vor strittig und unklar, ob und inwieweit die Lehre vom Vorbehalt des Gesetzes greift[52]. Im Bereich von steuerlichen Verschonungssubventionen (Steuervergünstigungen) gilt der strenge steuerliche Gesetzesvorbehalt[53]; Steuervergünstigungen müssen sich vor dem Gleichheitssatz in der Ausprägung als Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit[54] rechtfertigen. Im Bereich der Leistungssubventionen ist in jedem Fall ein Gesetz erforderlich, wenn die Begünstigung des einen zu einem Eingriff bei einem anderen führt[55]. Dieser überkommene rechtsdogmatische Streit wird zunehmend durch die Bedeutung inter- und supranationaler Rechtsregimes überlagert und verdrängt. Das europäische Beihilfenrecht (Art. 107 ff. AEUV)[56] und die Rechtsbindungen durch das Welthandelsrecht, insbesondere durch GATT und WTO[57] sind bis hin zu den Steuervergünstigungen[58] inzwischen die inhaltlich bedeutsamen Prüfungsmaßstäbe. Im nationalen Recht geht es um die Entwicklung einer Subventionsrechtsordnung, die insbesondere die Zweckbindung und -verwirklichung von Subventionen sicherstellt und sanktioniert[59].

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Verwirklichen die Staatsausgaben nicht unmittelbar ein Zweckprogramm, sondern dienen sie der Beschaffung sächlicher Mittel, handelt es sich um staatliche Auftragsvergabe[60]. Im Vergaberecht werden verhaltensrechtliche Maßstäbe für die staatliche Nachfragetätigkeit aufgestellt. Handelte es sich in Deutschland traditionell um eine Rechtsmaterie des Haushaltsrechts, bei der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit als Leitmaximen im Vordergrund standen, hat die im Vollzug unionsrechtlicher Vorgaben 1999 durchgeführte Vergaberechtsreform den wettbewerblichen Charakter der teils erheblichen Marktmacht der öffentlichen Hand durch die Überführung der einschlägigen Normen in die §§ 97 ff. GWB deutlich gemacht und durch spezifische Transparenzanforderungen zu bewältigen gesucht[61].

b) Abgabenzwecke
aa) Finanzierungszweck

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Die zentrale Ausgangsfunktion der gesamten staatlichen Finanzwirtschaft und damit im Finanz- und Rechtsstaat des Grundgesetzes ist die Finanzierung der Staatstätigkeit durch die Beschaffung von Finanzmitteln. Das Steuerrecht hat diese instrumentelle Staatsaufgabe in der Einzelanalyse der Steuerrechtsnormen als die Fiskalzweck- oder Lastenausteilungsfunktion der Steuergesetze beschrieben und dogmatisch einzufangen gesucht[62]. Diese stets im Vordergrund stehende Seite des Finanzrechts erschöpft sich nicht in der Vereinnahmung der Mittel, sondern betrifft auch deren Verwaltung und Verausgabung.

bb) Lenkungszwecke – Abgaben als Instrumente von Verhaltenssteuerung

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Neben der Finanzierungsfunktion stand schon lange die Steuerungsfunktion staatlicher Finanzmittel und damit des Finanzrechts[63]. Einfachgesetzlich wurde diese Erkenntnis für die Steuer in § 3 Abs. 1 Hs. 2 AO rezipiert: Die Einnahmeerzielung kann Nebenzweck der Steuer sein. Das mag im Einzelfall zutreffen, bei genereller Betrachtungsweise ist jedoch zu beachten, dass die Steuer als Hauptfinanzierungsinstrument des Staates Lenkungszwecke nur als Nebenzwecke verfolgt. Bei anderen Abgabentypen können demgegenüber Lenkungszwecke dominieren.

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Finanzen und daraus resultierende Finanzmacht dienen zum einen der Binnenorganisation des Staates selbst; traditionellerweise steht hier das Haushaltsrecht im Vordergrund[64]. Im postindustriellen Sozial- und Interventionsstaat ist die Gesellschaftssteuerung mittels Lenkungsabgaben und Subventionen neben die ordnungsrechtliche Steuerung flächendeckend hinzugetreten. Verschonungssubventionen in Form von Steuervergünstigungen bilden die Schnittstelle zwischen Sozialzwecknormen und Subventionen. Steuersystematisch werfen Steuern, die insgesamt (auch) aus Lenkungszwecken konzipiert wurden (etwa besondere Verbrauchsteuern), geringere Probleme auf als oftmals systemwidrige Einzelnormen in primär dem Fiskalzweck verpflichteten Regelungen (etwa einzelne Tatbestände des Einkommensteuerrechts)[65].

cc) Zweckabgaben

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Im Zusammenhang mit der Rechtsfolgenseite des Abgabentatbestands können neben dem abstrakten Zweck der allgemeinen Staatsfinanzierung spezielle Finanzierungszwecke unterschieden werden. Zwecksteuer/Zweckabgabe meint vor diesem Hintergrund die Zweckbindung des Abgabenaufkommens, die Reservierung konkreter Einnahmen für bestimmte Ausgabenzwecke[66]. Sie ist von Lenkungszwecken zunächst grundsätzlich unabhängig. Die vorgestellten Abschichtungen werden komplizierter, wenn sich spezielle Finanzierungs- und Lenkungszwecke in einer Steuer überlagern[67]. Dann vermag die Aufkommensbindung ihrerseits wieder einen neuen Lenkungseffekt hervorzurufen. Die Gegenleistungsfreiheit der Steuer führt zu einer Abstraktheit von Leistung und Gegenleistung. Die „Anonymität der Mittel“[68] hat seit je negative Folgen für die Steuer- bzw. Abgabenmoral[69]. Die Zweckbindung von Abgaben vermag den Abgabenwiderstand zu senken, sofern der Verwendungszweck von dem Abgabenschuldner akzeptiert wird: Der stets zu bedenkende Konnex zwischen Geben und Nehmen wird deutlicher[70]. Dies fördert zugleich die politische Begründ- und damit Durchsetzbarkeit neuer oder höherer Abgaben, sofern der steuerzahlende Wähler oder das zustimmungspflichtige Parlament die Notwendigkeit des zu finanzierenden Zwecks nicht bestreiten können[71]. Demgegenüber scheinen die allgemeinen Steuern im großen Topf des Staatshaushalts zu „versickern“.

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Die Zweckbindung kann – wie Beispiele aus der schweizerischen Bundesverfassung dokumentieren[72] – auf der Stufe der Verfassung selbst vorgenommen werden. Die allgemeine Aufteilung des Steuerertrags zwischen den Gebietskörperschaften sowie zweckgebundene sekundäre, d.h. umverteilende Finanzzuweisungen fallen jedoch nicht in die Kategorie der Zwecksteuer. Sind die Aufkommensbindungen in Präambeln von Gesetzen angeordnet, können sie nahtlos in allgemeine Zweckbestimmungen im Sinne einer (politischen) Rechtfertigung durch Benennung des allgemeinen Gesetzeszwecks übergehen. Andererseits kann eine rechtlich wirksam angeordnete Verwendungsbindung stets eine weitere Spezialisierung durch den Haushaltsplan erfordern und erfahren.

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Neben solch positivrechtlich verankerten Verwendungsbindungen treten politische Verknüpfungen unterschiedlicher Intensität. Sie sollen in Abgrenzung zur rechtsverbindlichen Verwendungsbindung als Verwendungsabsicht bezeichnet werden. Auf einer niedrigen Stufe erscheinen Ausgabenanlässe als Begründung einer Steuer oder Abgabe etwa in den Gesetzesmaterialien oder -beratungen. Bestes Beispiel ist hier der im Zuge der Wiedervereinigung eingeführte Solidaritätszuschlag zur Einkommen- und Körperschaftsteuer[73]. Im Gesetzeswortlaut ist hier allenfalls in dem Wortbestandteil „Solidarität“ ein lockerer Verwendungszweckanlass angedeutet[74]. Mit wem Solidarität geübt werden soll, ergibt sich erst aus dem politischen Kontext. Dieser Steuer- oder Abgabenzuschlag fließt vollständig in den allgemeinen Staatshaushalt. Eine rechtliche Bindung seines Aufkommens existiert nicht. Nur rechtliche Verwendungsbindungen sind an höherrangigen Rechtsmaßstäben zu messen. Politische Verknüpfungen bleiben der Bewertung im politischen Prozess vorbehalten[75]. Unerheblich ist, wie die Verwendungsbindung gesetzestechnisch ausgestaltet ist[76], ob das gesamte Aufkommen oder ein Prozentsatz gebunden wird und ob die zu erfüllende Aufgabe an das Aufkommen gekoppelt oder eine etwaige Finanzierungslücke durch allgemeine Haushaltsmittel auszufüllen ist[77].

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Die überkommene Rechtsprechung[78] und Lehre[79] sehen rechtliche Verwendungsbindungen als grundsätzlich erlaubt an. In der Entscheidung zum „Wasserpfennig“ hat das Bundesverfassungsgericht diese Frage offen gelassen[80]. Das wesentliche Regulativ für die Rechtmäßigkeit von Zwecksteuern ist das haushaltsrechtliche Prinzip der Gesamtdeckung (§ 8 S. 1 BHO; auch Nonaffektations-, Universalitäts- oder Zentralisationsprinzip genannt).

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Das Prinzip der Gesamtdeckung ist entgegen der h.M. aus grundrechtlichen, haushalts- und finanzverfassungsrechtlichen Erwägungen in seinem Kern verfassungskräftig[81]. Es kann daher nur unter Beachtung besonderer Rechtfertigungsgründe eingeschränkt werden. Sämtliche Haushaltsgrundsätze beruhen auf Erkenntnissen der Finanzwissenschaften. Als ökonomische Gesetz- oder Zweckmäßigkeit haben sie allein noch keine Rechtsverbindlichkeit[82]. Andererseits zeigen die vielfältigen Überschneidungen und Zusammenhänge zwischen unterschiedlichen Grundsätzen, dass ihr juristischer Gehalt nicht allein auf eine mehr oder minder explizite Erwähnung in Verfassung und Gesetz reduziert werden kann. Ihre Funktion und ihr Rechtswert ergeben sich vielmehr aus dem verfassungsrechtlich vorausgesetzten parlamentarischen Haushaltsgeschehen. Der Kern des parlamentarischen Haushaltsrechts ist die Mitverantwortung und Kontrolle des Handelns der Verwaltung qua finanzwirtschaftlicher Steuerung, es handelt sich um eine „überragende … rechtlich umfassende, alleinige Entscheidungs- und Feststellungskompetenz des Gesetzgebers“[83], als einem von mehreren Bestandteilen des demokratischen Verfassungsprinzips.

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Der Haushaltsgrundsatz der Gesamtdeckung hängt eng mit anderen Haushaltsprinzipien wie dem Grundsatz der Budgeteinheit, der Vollständigkeit, dem Bruttoprinzip und dem Prinzip der Kasseneinheit zusammen. Nur in ihrem Zusammengreifen sichern sie die geforderte parlamentarische Gesamtentscheidung über Haushalt und Staatshandeln. Insofern erweist sich das Gesamtdeckungsprinzip als „notwendige Voraussetzung der politischen Willensbildung“[84]. Als Ergebnis eines „politischen Parallelogramms der Kräfte“ stellen die parlamentarischen Dezisionen im Haushaltsbereich keine logisch vorgezeichneten Operationen, sondern Akte politischer Wertung im Sinne einer Gesamtentscheidung dar[85]. Sie sind mehr als die Summe ihrer in der Rechtsordnung anderweitig vorgezeichneten Teile. Die haushaltsrechtliche Gesamtentscheidung erhält gewissermaßen eine zusätzliche Erkenntnisdimension durch die politisch verantwortete globale Koordination der verschiedenen Bereiche. Es ist etwas politisch wie rechtlich Verschiedenes, die Abwägung zwischen Abgabenbelastung und Ausgabenvolumen im Rahmen konkreter Einzelentscheidungen oder auf einem höheren Abstraktionsniveau vorzunehmen[86]. Diese notwendige Gesamtkoordination der Ausgaben und Einnahmen kann ihrer Idee nach wiederum nur periodisch erfolgen.

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Durch Aufkommensbindungen von Steuern oder anderen Abgaben wird diese parlamentarische Gesamtentscheidung eingeschränkt und behindert. Der Haushaltsplan zeichnet nur mehr anderweitig getroffene Entscheidungen nach. Finanzielle Sonderkreisläufe relativieren trotz Etatisierung dieser Einnahmen den Gedanken des Gesamthaushalts, ganz abgesehen von formalen Beeinträchtigungen wie Klarheit und Übersichtlichkeit des Budgets. Daher ist weniger entscheidend, auf welcher Normstufe die zur Absicherung dieses Funktionsmodus erforderlichen Grundsätze und Prinzipien positiviert sind, als vielmehr, welche Ausgestaltungen dieses parlamentarische Zentralrecht beeinträchtigen. Dieses Auslegungsergebnis wird auch durch die neuere Legislationsgeschichte des Prinzips gestützt[87]: In der Reichsverfassung von 1871 noch auf Verfassungsebene (Art. 70, 71 RV) niedergelegt, „rutschte“ der Grundsatz in die wiederum mit verfassungsändernder Mehrheit beschlossene Reichshaushaltsordnung von 1922, um schließlich einfachgesetzlich in § 8 BHO zu enden. Die unbestrittenermaßen in Art. 110 Abs. 1 GG verankerten Haushaltsgrundsätze der Einheit und Vollständigkeit umfassen in dem dargelegten Umfang auch die Prinzipien der Bruttoveranschlagung und der Gesamtdeckung. Für das Bruttoprinzip ist dieser Sachverhalt strittig, für das Gesamtdeckungsprinzip wurde er bisher wenig erörtert.

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Der hier vertretene Verfassungsrang der haushaltsrechtlichen Nonaffektation kann nur auf der Stufe eines Grundsatzes, eines Verfassungsprinzips mit entsprechend eingeschränkter normativer Wirkkraft begründet werden[88]. Die Gesamtdeckung unterliegt von vornherein der gesetzlichen Ausgestaltung, wie dies auch in den einfachgesetzlichen Konkretisierungen der Haushaltsordnungen zum Ausdruck kommt. Entscheidend wird damit, welche Anforderungen an die Rechtfertigung der Durchbrechung des Prinzips zu stellen sind, um sein „Leerlaufen“ zu verhindern. Folge ist, dass der einfachgesetzliche Dispens durch die normhierarchische Hochzonung zum verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalt erstarkt. Die Rechtfertigung muss sich auf zwei miteinander zusammenhängenden Ebenen vollziehen: Aus einer institutionellen Position heraus ist zu gewährleisten, dass der ganz überwiegende Teil der staatlichen Einnahmen ungebunden bleibt. Nur so kann der entfaltete, verfassungsrechtlich vorausgesetzte parlamentarische Haushaltsprozess im Kern erhalten bleiben[89]. Quantifizierungsversuche, wie sie mit einer Begrenzung auf 5 bis 10 % des Gesamteinnahmevolumens in der Literatur vorgeschlagen werden, bleiben stets angreifbar. Neben diese volumenbezogene Sicht ist auf der zweiten, konkreten Ebene der einzelnen Abgabe ein tragfähiger Rechtfertigungsgrund für die Zweckbindung darzulegen. Ein sachlicher Grund, der dem Gewicht der verfassungsrechtlichen Verortung des gegenlaufenden Prinzips entspricht, muss die „zweckgerechte Besonderung“, d.h. die Zuordbarkeit eines Steueraufkommens zu einer konkreten Sachaufgabe nachweisen[90]. Es geht um die verfassungsrechtlich geforderte Symmetrie zwischen Abgabepflicht und Finanzierungsverantwortung und damit um die Abgrenzung des allgemeinen Pflichtenstatus des Steuerbürgers von dem besonderen Pflichtenstatus der Gruppenverantwortlichkeit. Diese Ebene der Rechtfertigung erfüllt eine ähnliche Funktion, wie sie die im Rahmen der haushaltsflüchtigen Sonderabgaben von der Verfassungsrechtsprechung geforderten Kriterien der hinreichenden Sachnähe der Abgabenpflichtigen zum Abgabenzweck und einer – wenn auch lockeren – gruppennützigen Verwendung einnehmen: Die erforderliche Beziehung fügt die Verwendungsbindung mit der gemeinwohlorientierten und d.h. gleichheitsrechtlichen Rechtfertigung der Steuer zusammen. Weitgehend fremdnützige Zwecksteuern ohne jeglichen Konnex zwischen Abgabe- und Finanzierungszweck wären danach ebenso unzulässig wie entsprechende Sonderabgaben, ohne dass der Maßstab völlig identisch sein müsste. Die Finanzwissenschaften sprechen bei Komplementarität zwischen der „Bemessungsgrundlage“ der Abgabe und der damit zu finanzierenden Ausgabe von Zielkonformität, bei deren Fehlen von „sinnentleerten“ oder „nichtzielkonformen Zweckbindungen“. Die Anforderungen an diese Ebene der Rechtfertigung von außerbudgetären Aufkommensbindungen dürfte – auch angesichts des politischen Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers – niedriger sein als bei den Sonderabgaben. Die Gefahren der Haushaltsflüchtigkeit sind hier nicht gegeben. Gefordert ist somit eine lockere Äquivalenzbeziehung, die über bloße Plausibilitätserwägungen hinaus einen finanzwirtschaftlichen Zusammenhang aufzeigt. Ein Großteil der staatlichen Handlungen und Leistungen eignet sich für eine solche Verknüpfung von vornherein nicht, da sie in „allgemeinen Diensten“ bestehen. Insbesondere bei der Koppelung von Elementen von Lenkungs- und Zwecksteuern, wie in der Ökosteuerreform, sind sachliche Zusammenhänge oft schwer zu begründen: Die Allgemeinheit aller energieverbrauchenden Bürger ist nicht deckungsgleich mit den sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern; daraus ergeben sich nicht zu rechtfertigende Asymmetrien zwischen Be- und Entlastung. Demgegenüber dürfte die Äquivalenzbeziehung zur Straßennutzung bei der Mineralölsteuer den entwickelten Kriterien weitgehend standhalten.

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