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B. Stellung der Gemeinden im Staat

I. Institution der Gemeinde

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Die Verfassungen von Bund und Ländern enthalten ebenso wenig wie die Gemeindeordnungen der Länder eine unmittelbare gesetzliche Definition des Begriffs der Gemeinde. Sie betrachten die Gemeinde als überkommene Institution und erkennen sie an. In den einleitendenden Vorschriften der Kommunalverfassungen finden sich aber Formulierungen, welche die Gemeinden als Gebietskörperschaften beschreiben, die das Wohl ihrer Einwohner in freier Selbstverwaltung durch ihre von der Bürgerschaft gewählten Organe fördern[17]. Darüber hinaus sind sie die Grundlage des demokratischen Staatsaufbaus[18].

1. Gemeinde als Gebietskörperschaft

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Die Gemeinden sind eine organisierte Form räumlichen Zusammenlebens auf der untersten Stufe des Staatsaufbaus[19]. Dabei haben sie den Status einer Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts. Unter Körperschaften des öffentlichen Rechts versteht man mitgliedschaftlich organisierte, rechtsfähige Verbände öffentlichen Rechts, die hoheitliche Aufgaben selbstverantwortlich, jedoch unter staatlicher Aufsicht, wahrnehmen[20]. Die Körperschaft unterscheidet sich von der Anstalt des öffentlichen Rechts dadurch, dass sie Mitglieder hat, die Anstalt jedoch nur Benutzer kennt. Der Begriff der öffentlich-rechtlichen Körperschaft stellt dabei keine apriorische Größe dar, sondern bildet eine Ordnungskategorie für eine bestimmte Gruppe von Funktionseinheiten[21]. Gebietskörperschaften[22] sind Körperschaften des öffentlichen Rechts, bei denen sich die Mitgliedschaft aus dem Wohnsitz im Gebiet der Körperschaft ergibt und die mit Gebietshoheit ausgestattet sind[23]. Bei den Gemeinden sind die Mitglieder die Einwohner, d.h. alle Menschen, die sich nicht nur vorübergehend im Gebiet der betreffenden Gemeinde aufhalten, sondern durch Wohnsitz dort fester gebunden leben[24]. Gebietshoheit bedeutet, dass jedermann, der sich auf dem Gebiet der Körperschaft aufhält, der Herrschaftsgewalt der Körperschaft unterworfen wird[25]. Wesentlich für die Gebietskörperschaft ist somit das unmittelbare Verhältnis, welches zwischen Personen, Fläche und hoheitlicher Gewalt besteht[26].

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Die Gemeinden sind juristische Person des öffentlichen Rechts. Deshalb kommt ihnen Rechtsfähigkeit zu, d.h., sie sind fähig, Träger von Rechten und Pflichten zu sein. Öffentlich-rechtlich gewendet, gehören sie damit zu den Verwaltungsträgern. In Bezug auf das Privatrecht ist vor allem bedeutsam, dass sie rechtsgeschäftlich zu handeln, insbesondere Verträge abzuschließen imstande sind. Die Rechtsfähigkeit besteht (nur) im Rahmen der Verbandskompetenz der Gemeinden, die sich gemäß Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG auf die „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ erstreckt. Verwaltungsakte, die Gegenstände außerhalb des kommunalen Wirkungskreises regeln, sind mangels Verbandskompetenz formell rechtswidrig; öffentlich-rechtliche Verträge sind nach der Fehlerfolgenregelung des § 59 VwVfG zu beurteilen und sonstige Willenserklärungen ebenso wie privatrechtliche Handlungen sind nach der Ultra-Vires-Lehre als nicht existent anzusehen[27]. Die Gemeinden sind im Verwaltungsverfahren nach § 11 Nr. 1 Alt. 2 VwVfG beteiligungsfähig und durch ihre Organe nach § 12 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG handlungsfähig. Im Zivilprozess sind die Gemeinden aufgrund ihrer Rechtsfähigkeit parteifähig nach § 50 Abs. 1 ZPO. Im Verwaltungsrechtsstreit sind die Gemeinden nach § 61 Nr. 1 Alt. 2 VwGO fähig, am Verfahren beteiligt zu sein. Prozessfähigkeit kommt ihnen nach § 62 Abs. 3 VwGO zu, indem sie im Verwaltungsprozess durch ihren Bürgermeister als gesetzlichem Vertreter vertreten werden[28].

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Die Gemeinde ist ferner dienstherrenfähig, worunter man die Befugnis versteht, „auf sich selbst bezogene“ Beamtenverhältnisse zu begründen, was bei den Gemeinden dann nach Maßgabe des jeweiligen Landesbeamtengesetzes erfolgt[29].

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Schließlich steht ihnen als juristische Person auch das Namensrecht zu; die Gemeindeordnungen räumen diesbezüglich den Gemeinden ein Recht auf ihren geschichtlichen Namen ein[30]. Art. 28 Abs. 2 GG vermittelt Schutz gegenüber Verletzungshandlungen Dritter; in materiell-rechtlicher Hinsicht kann ergänzend auf § 12 BGB zurückgegriffen werden[31]. Die Bezeichnung „Stadt“ dürfen solche Gemeinden führen, denen dies nach altem Recht zusteht oder auf Antrag von der Landesregierung verliehen wird[32].

2. Grundlage des demokratischen Staatsaufbaus

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Die Gemeinden sind nicht nur verfassungsrechtlich (Art. 28 Abs. 2 GG), sondern auch einfach-gesetzlich mit dem Recht auf Selbstverwaltung ausgestattet, d.h., die Bürger sind dazu aufgerufen, die Angelegenheiten ihrer örtlichen Gemeinschaft selbst zu regeln und zu verwalten. Selbstverwaltung bedeutet somit Verwaltung durch die Betroffenen selbst in eigener Verantwortung[33]. Bei den Gemeinden handelt es sich um eine Form der mittelbaren Staatsverwaltung,[34] welche gegeben ist, wenn der Staat seine Verwaltungsaufgaben nicht durch eigene Behörden erfüllt, sondern rechtlich selbstständigen Organisationen in Gestalt von Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen überträgt oder überlässt[35].

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Die Gemeinden nehmen aber im Rahmen der mittelbaren Staatsverwaltung eine Sonderstellung ein und unterscheiden sich von jedem anderen Anwendungsfall mittelbarer Staatsverwaltung[36]. Deutlich wird dies daran, dass die Landesverfassungen teilweise ausdrücklich in den Gemeinden die Grundlage des demokratischen Staatsaufbaus erblicken[37]. Das Bundesverfassungsgericht sieht in den Gemeinden die Keimzellen der Demokratie[38]. Das Verhältnis von Selbstverwaltung und Demokratie war aber lange Zeit umstritten[39]. Zum Teil wurde nämlich vorgebracht, dass kommunale Selbstverwaltung und Demokratie zu trennen seien, weil sich die Selbstverwaltung nicht wie die Demokratie in der Ausübung eines Wahl- und Stimmrechts erschöpfe, sondern die aktive Mitarbeit der Gemeindebürger bei der Durchführung der kommunalen Verwaltungsaufgaben umfasse, weshalb die Gemeinden administrative Gebilde seien, die an der politischen Willensbildung nicht teilnähmen[40]. Das vermag aber nicht zu überzeugen, weil der Begriff der Demokratie keineswegs für die Bezeichnung einer bestimmten Staatsform reserviert ist und deshalb die Möglichkeit besteht, ein demokratisches Gemeinwesen in Stufen aufzugliedern[41]. Die kommunale Selbstverwaltung lässt sich ihrer Funktion nach als eine Form besonderer integrativer örtlicher Demokratie begreifen[42]. Das hat auch das Bundesverfassungsgericht herausgestellt, indem es darauf hinweist, dass sich das Grundgesetz für eine auf Selbstverwaltungskörperschaften aufgebaute Demokratie entschieden hat[43].

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Das Grundgesetz lässt in Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG eine Einbeziehung der Kreise und Gemeinden in den Aufbau der Demokratie hinreichend klar erkennen, indem auch die Gemeinden und Kreise eine Volksvertretung haben müssen, die aus demokratischen Wahlen hervorgegangen ist. Indes ist die Gemeindevertretung kein Parlament, sondern Organ einer Selbstverwaltungskörperschaft. Die Rechtsetzungstätigkeit der Gemeinden ist trotz eines gewissen legislatorischen Charakters im System der staatlichen Gewaltenteilung dem Bereich der Verwaltung und nicht dem der Gesetzgebung zuzuordnen[44].

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Mit Vertretung des Volkes kann Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG lediglich den Stadt- bzw. Gemeinderat und den Kreistag meinen. Die zwischenzeitlich nahezu flächendeckend in allen Bundesländern eingeführte Volkswahl des Bürgermeisters bzw. Landrats ist von Verfassungs wegen weder ge- noch verboten[45]. Das Wahlrecht besitzen die Bürger der jeweiligen Gemeinde, d.h. alle Deutschen im Sinne von Art. 116 Abs. 1 GG sowie alle EU-Ausländer, die ein näher definiertes Lebensjahr vollendet (ab 16) und ihren Wohnsitz hinreichend lange in der Gemeinde haben. Die Wählbarkeit unterliegt im Prinzip denselben Voraussetzungen, wenngleich teilweise eine längere Ansässigkeit im Gemeindegebiet und/oder ein höheres Lebensalter verlangt werden. Verfassungsrechtliche Zweifel am aktiven und passiven Wahlrecht für EU-Ausländer sind durch die Einfügung des Art. 28 Abs. 1 S. 3 GG ausgeräumt worden.

3. Gemeindekategorien

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Die Individualität einer Gemeinde zeigt sich im organisationsrechtlichen Status nur begrenzt, da sowohl die Begriffsbestimmung im einfachen Recht als auch in der Verfassung in Art. 28 Abs. 2 GG von der Einheitsgemeinde ausgeht. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Größe, Struktur, Einwohnerzahl und Leistungskraft der Gemeinden stark divergieren; unter den Gemeindebegriff fallen nämlich sowohl Millionenstädte wie München und Köln als auch Kleinstgemeinden wie Gröde (rund zehn Einwohner) im nordfriesischen Wattenmeer. Die Gemeindeordnungen tragen diesem Umstand im Interesse einer sachgerechten Aufgabenerledigung Rechnung, indem es in Gestalt (mittlerer und großer) kreisangehöriger sowie der kreisfreien Gemeinden unterschiedliche Gemeindekategorien gibt. Dieses hat Auswirkungen auf das Aufgabentableau und die Bestimmung der jeweils zuständigen staatlichen Aufsichtsbehörde. Darüber hinaus führen Bürgermeister in Gemeinden ab einer bestimmten Größe zum Teil die Bezeichnung „Oberbürgermeister“[46].

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Das Gebiet der Gemeinde besteht aus den Grundstücken, die nach geltendem Recht zu ihr gehören (§§ 16 Abs. 1 S. 1 GO NRW, 23 Abs. 1 S. 1 KVG Nds), und soll so bemessen sein, dass die örtliche Verbundenheit der Einwohner gewahrt und die Leistungsfähigkeit der Gemeinde zur Erfüllung ihrer Aufgaben gesichert ist (§§ 15 Abs. 1 GO NRW, 23 Abs. 2 KVG Nds). Insbesondere zur Schaffung und Erhaltung hinreichender Verwaltungskraft wurden Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts breit angelegte territoriale Neugliederungen, gepaart mit Funktionalreformen, durchgeführt[47]. Um in den so entstandenen größeren Einheiten bürgerschaftlichen Entfremdungen vorzubeugen, sind interne Gebietsaufgliederungen in Gestalt von Bezirksverfassungen vorgeschrieben oder doch ermöglicht worden[48]. Seit der Wiedervereinigung sind Gebiets- und Funktionalreformen vor allem auf Kreisebene in den Mittelpunkt gerückt[49].

II. Die Verfassungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG

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Die Gemeinden sind als Verwaltungsträger Teil der vollziehenden Gewalt im Sinne von Art. 20 Abs. 3 GG,[50] und zwar der Länderstaatlichkeit[51]. Letzteres verdeutlicht seit der Föderalismusreform I im Jahre 2006 auch Art. 84 Abs. 1 S. 7 u. 85 Abs. 1 S. 2 GG, wonach es dem Bund untersagt ist, den Gemeinden durch Bundesgesetz Aufgaben zu übertragen[52]. Die staatsorganisationsrechtliche Zuordnung der Gemeinden zu den Bundesländern verhindert, dass von einem dreigliedrigen Staatsaufbau gesprochen werden kann[53]. Die Gemeinden werden dabei aber nicht in den landesunmittelbaren Behördenaufbau eingegliedert, sondern bilden das wesentliche Element der mittelbaren Landesverwaltung mit Selbstverwaltung[54]. Sie sind demnach zwar Teil der organisierten Staatlichkeit, dies aber „als dezentralisiert-partizipative Verwaltung mit einem eigenen System demokratischer Legitimation, das der Bürgernähe, Überschaubarkeit, Flexibilität und Spontanität verbunden sein soll“[55].

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Das Verhältnis der Gemeinden zum Staat wird maßgeblich von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG bestimmt, der sog. Verfassungsgarantie der kommunalen Selbstverwaltung.[56] Danach „muss (den Gemeinden) das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln“. Selbstverwaltung bedeutet, dass eine vom Staat ausgegliederte, verselbstständigte juristische Person des öffentlichen Rechts Verwaltungsaufgaben im eigenen Namen und durch eigene Organe aufgrund gesetzlicher Ermächtigung oder Zuweisung mit eigenen Finanzen unter staatlicher Aufsicht wahrnimmt[57]. Bedenkt man, dass es sich bei den Gemeinden „um einen Teil des Staates“[58] handelt, kann es sich bei der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie nicht um ein Grundrecht handeln; vielmehr stellt diese eine institutionelle Garantie dar[59]. Innerhalb von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG werden üblicherweise drei Garantieebenen voneinander getrennt: die Rechtssubjektgarantie, die Rechtsinstitutionsgarantie und die subjektive Rechtsstellungsgarantie[60].

1. Rechtssubjektgarantie

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Anknüpfungspunkt für diesen Gewährleistungsgehalt im Wortlaut des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG bildet das Merkmal „die Gemeinden“[61]. Die Rechtssubjektgarantie gewährleistet die Institution der Gemeinde, was bedeutet, dass es überhaupt Gemeinden als Basis des Verwaltungsaufbaus geben muss[62]. Sie verhindert, dass der Staat die institutionell verselbstständigte Verwaltung auf der Ortsstufe ganz oder überwiegend aufgibt und statt dessen eine unselbstständige Verwaltungsebene einzieht[63]. Daraus folgt allerdings nicht, dass jede Gemeinde individuell garantiert wird[64]. Die Gemeinden sind gegen Eingemeindungen und Auflösungen im Zuge einer kommunalen Gebietsreform mithin nicht absolut geschützt. Umgekehrt stehen territoriale Neugliederungen auch nicht zur freien Disposition des Staates, wenn nur hinreichend viele kommunale Körperschaften übrigbleiben. Vielmehr ist der Gesetzgeber zum einen aufgerufen, erst und nur nach vorheriger Anhörung der betroffenen Gemeinde(n)[65], vollständiger und zutreffender Ermittlung der entscheidungserheblichen Tatsachen[66] sowie aufgrund einer Defizitanalyse[67] zu entscheiden; zum anderen sind Gebietsreformen nur aus Gründen des öffentlichen Wohls[68] und nach gründlicher Abwägung aller Neugliederungsziele mit den dadurch prognostisch erreichbaren Vorteilen gegen die damit verbundenen Eingriffe in das Selbstverwaltungsrecht der betroffenen Gemeinde bzw. Kreise[69] zulässig. Zur Rechtssubjektgarantie zählt auch der Schutz des Gemeindenamens[70].

2. Rechtsinstitutionsgarantie

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Die Rechtsinstitutionsgarantie stellt sicher, dass die kommunale Selbstverwaltung nicht bei formaler Aufrechterhaltung der gemeindlichen Einrichtungsebene verletzt, ausgehöhlt oder inhaltlich entwertet wird[71]. Schutzgehalte sind die Allzuständigkeit und die Eigenverantwortlichkeit des gemeindlichen Wirkungskreises, die jeweils unter Gesetzesvorbehalt stehen. Diese Gewährleistungsebene bildet den Maßstab für die Vereinbarkeit staatlicher Maßnahmen mit der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie, sei es, dass etwa durch den Entzug von Aufgaben das „Ob“ der kommunalen Aufgabenwahrnehmung, sei es, dass bspw. durch organisatorische Vorgaben das „Wie“ der Erledigung beeinträchtigt wird.

a) Örtliche Allzuständigkeit

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Aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG folgt die universelle („alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“) Zuständigkeit der Gemeinde. Dieser Grundsatz der „örtlichen Allzuständigkeit“ oder der „subsidiären Universalität“ ist bereits in der Stein‚schen Städteordnung aus dem Jahre 1808 anerkannt und seitdem Inhalt der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie[72]. Daraus folgt eine Zuständigkeitsvermutung zugunsten der Gemeinden, deren Verbandskompetenz jedoch ebenso durch die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft begrenzt wird. Dieses Prinzip der Aufgabenverteilung bildet den Wesensgehalt des Selbstverwaltungsrechts.

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Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft sind „diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben, die also den Gemeindeeinwohnern gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der (politischen Gemeinde) betreffen“[73]. Auf die Verwaltungskraft der Gemeinde kommt es dabei nicht an[74].

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Merkmale der vom Bundesverfassungsgericht in der „Rastede“-Entscheidung entwickelten Aufgabendefinition sind einerseits das betroffene Gebiet, andererseits die Belange der dort lebenden Bürger[75]. Deshalb können die Gemeinden keine allgemeinpolitischen Fragen zum Gegenstand ihrer Tätigkeit machen[76]. So gehören z.B. die Außenpolitik, die Verteidigungspolitik oder Maßnahmen der Weltwirtschaft nicht zum gemeindlichen Aufgabenkreis[77]. Gleichermaßen fraglich ist eine kommunale Verbandskompetenz in Sachen des globalen Klimawandels[78]. Allerdings können auch Aspekte aus den überörtlichen Politiken den Garantiebereich des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG aktivieren, wenn sie einen Bezug auf ein bestimmtes Gemeindegebiet und die dort gegebenen Verhältnisse aufweisen[79]. Die Gemeinde hat dann die Zuständigkeit zu Gemeinderatsbeschlüssen, in denen sie sich mit ihren Belangen auseinandersetzt[80]. Nach der – recht großzügigen – Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts können sich Gemeinden bei örtlich radizierten Gründen auch bereits vorsorglich und ohne unmittelbar zu benennenden Anlass mit der Betroffenheit ihres Verwaltungsraums befassen[81]. Dieselben Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich im Hinblick auf örtliche Klimaschutzmaßnahmen[82].

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Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG führt bei der Aufgabenverteilung zu einer Beschränkung des Gesetzgebers, wenn eine Aufgabe zu den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft gerechnet werden kann. Allerdings verfügt der Gesetzgeber bei der Aufgabenqualifizierung über einen gerichtlich nur begrenzt überprüfbaren Typisierungs- und Einschätzungsspielraum[83]. Liegt keine „Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft“ vor, wird der Schutz der Selbstverwaltungsgarantie nicht ausgelöst, d.h. der Landesgesetzgeber unterliegt keinem Rechtfertigungszwang bei der Aufgabenzuweisung.

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Die Aufgabendefinition der „Rastede“-Entscheidung umfasst einen breit angelegten Wirkungsbereich, der rechtlichen und zeitlichen Veränderungen ausgesetzt ist und deshalb nicht abschließend-enumerativ bestimmt werden kann[84]. Ebenso wenig kann dieser Aufgabenkreis für alle Gemeinden ungeachtet etwa ihrer Einwohnerzahl, flächenmäßigen Ausdehnung und Struktur gleich sein. Illustrativ ist insofern aber Art. 83 Abs. 1 BayVerf, der eine Aufzählung der Aufgaben des eigenen Wirkungskreises enthält. Dasselbe unternimmt § 5 Abs. 1 S. 1 AmtsO SH, der enumerativ einen Katalog an Selbstverwaltungsaufgaben festlegt, die auf ein Amt, eine aus amtsangehörigen Gemeinden bestehende Körperschaft des öffentlichen Rechts, übertragen werden können. Mangels eines fixen Bestands örtlicher Angelegenheiten haben die Gemeinden das Recht, entsprechend den sich wandelnden örtlichen Bedürfnissen jederzeit neue, bislang unbesetzte öffentliche Aufgaben in ihren Bereich zu übernehmen, womit ihnen ein Aufgabenfindungsrecht zukommt[85]. Den Gemeinden ist damit erlaubt, sich aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, die nicht durch Gesetz bereits anderen Trägern öffentlicher Verwaltung übertragen sind, ohne besonderen Kompetenztitel anzunehmen[86]. Umgekehrt bereitet die Aufgabe einer Aufgabe durch eine Kommune dann keine rechtlichen Schwierigkeiten, wenn es sich um freiwillige Selbstverwaltungsangelegenheiten handelt, weil die Kommune autonom über Ob, Wann und Wie der Wahrnehmung entscheidet[87].

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Das Merkmal der „örtlichen Aufgaben“ wirft angesichts von Wanderungsprozessen und Gemengelagen Abgrenzungsprobleme auf. Von Wanderungsprozessen spricht man, wenn die Zuordnung von Aufgaben in der historischen Entwicklung wechselt (z.B. Versorgung mit leitungsgebundener Energie), von Gemengelagen, wenn an Aufgaben die örtliche und überörtliche Gemeinschaft gleichermaßen interessiert und beteiligt sind (z.B. Planung von Verkehrs- und Versorgungsanlagen)[88]. Bei der Einordnung derartiger Aufgaben spielen Tradition und gängige Praxis ebenso eine Rolle wie die sachliche Angemessenheit der Aufgabenerledigung durch die Gemeinden[89].

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