Czytaj książkę: «a tempo - Das Lebensmagazin»
1 – über a tempo
a tempo - Das Lebensmagazin
a tempo Das Lebensmagazin ist ein Magazin für das Leben mit der Zeit. Es weckt Aufmerksamkeit für die Momente und feinen Unterschiede, die unsere Zeit erlebenswert machen.
a tempo bringt neben Artikels rund um Bücher und Kultur Essays, Reportagen und Interviews über und mit Menschen, die ihre Lebenszeit nicht nur verbringen, sondern gestalten möchten. Die Zusammenarbeit mit guten Fotografen unterstützt hierbei den Stil des Magazins. Daher werden für die Schwerpunktstrecken Reportage und Interview auch stets individuelle Fotostrecken gemacht.
Der Name a tempo hat nicht nur einen musikalischen Bezug («a tempo», ital. für «zum Tempo zurück», ist eine Spielanweisung in der Musik, die besagt, dass ein vorher erfolgter Tempowechsel wieder aufgehoben und zum vorherigen Tempo zurückgekehrt wird), sondern deutet auch darauf hin, dass jeder Mensch sein eigenes Tempo, seine eigene Geschwindigkeit, seinen eigenen Rhythmus besitzt – und immer wieder finden muss.
2 – inhalt
3 – editorial Ich habe viel geliebt von Jean-Claude Lin
4 – im gespräch Das Geheimrezept zum Glück Eleanor Ozich im Gespräch mit Janine Malz
5 – thema Schöpfen aus dem Nichts von Jean-Claude Lin
6 – augenblicke Music matters. Inklusion inklusive von Claus-Peter Lieckfeld (Text) & Reiner Pfisterer (Fotos)
7 – herzräume Gespräche von Brigitte Werner
8 – erlesen Andreas Kirchgäßner «Die sieben Farben der Nacht» gelesen von Christa Ludwig
9 – mensch & kosmos Den Stier bei den Hörnern packen von Wolfgang Held
10 – alltagslyrik – überall ist poesie – Die Ente und die Nachtigall von Christa Ludwig
11 – kalendarium März 2021 von Jean-Claude Lin
12 – was mich antreibt Die Kunst im Herzen von Franziska Viviane Zobel
13 – unterwegs Ein sicherer Wegweiser von Daniel Seex und Jean-Claude Lin
14 – sprechstunde Mineralstoffe und Spurenelemente von Markus Sommer
15 – blicke groß in die geschichte Folgenschwere Weichenstellung von Andre Bartoniczek
16 – von der rolle Vorsicht: Taschentuchalarm! Harold und Maude von Elisabeth Weller
17 – hörenswert Rudi Stephan: Zeit für eine Renaissance von Thomas Neuerer
18 – wundersame zusammenhänge Die Farben der Erde von Albert Vinzens
19 – literaratur für junge leser Jean E. Pendziwol (Text) | Nathalie Dion (Illustration) «In einem Kirschbaum fand ich Hoffnung» gelesen von Simone Lambert
20 – mit kindern leben Ostern, Frühling, Kniestrumpfzeit von Bärbel Kempf-Luley und Sanne Dufft
21 – sehenswert Julia von Heinz: «Und morgen die ganze Welt» von Konstantin Sakkas
22 – eine seite lebenskunst Salat mit Ziegenkäse von Alessa Dostal
23 – sudoku & preisrätsel
24 – tierisch gut lernen Gut dosiert am Ziegen-Euter von Renée Herrnkind und Franziska Viviane Zobel
25 – suchen & finden
26 – ad hoc Selig, die da hören können von Steffen Hartmann
27 – bücher des monats
28 – impressum
3 – editorial
Ich habe viel geliebt
Liebe Leserin, lieber Leser!
Für den 28. März habe ich in dem von mir für den Futurum Verlag herausgegebenen Almanach Weisheit und Liebe – Erfahrungen des Geistes Tag für Tag einen nur aus acht Wörtern bestehenden kurzen Satz Rudolf Steiners als Eintrag ausgewählt. Es ist ein Satz, den er 1910 in Wien eben am 28. März ausgesprochen hat – wie überhaupt alle in dem Almanach vorkommenden Aussagen Rudolf Steiners an dem jeweiligen Tag des Monats ausgesprochen wurden, sodass die Zuordnung nicht durch mich als Herausgeber bestimmt wurde, sondern vom geschichtlich vorgegebenen Datum des jeweiligen Vortrags Rudolf Steiners selbst, aus dem sie entnommen wurden.
Für den 28. März habe ich mir die etwas schelmische Freude erlaubt, nur eine kurze Frage aufzunehmen – eine allerdings, die es lohnt, sich mindestens einmal im Jahr zu stellen. Und damit Sie, liebe Leserin, lieber Leser, nicht weiter auf der Folterbank der inneren Spannung verharren und auch nicht schnell zum Telefon oder zum Rechner laufen müssen, um den Almanach im stationären oder Online-Buchhandel zu bestellen, weil Sie diesen Eintrag für den 28. März unbedingt nachlesen wollen, gebe ich ihn hier wieder:
«Wie steht es denn eigentlich mit deinem Vorwärtsschreiten?»
Jedes Jahr lasse ich mir also mindestens einmal in Erinnerung rufen, dass ich mir etwas eingehender über mein «Vorwärtsschreiten», mein Weiterkommen und meine Entwicklung Rechenschaft geben sollte. In diesem Jahr erhält diese Befragung durch eine erneute Lektüre des dritten Vortrags Rudolf Steiners in dem Buch Schöpfen aus dem Nichts, das ich für den Verlag Freies Geistesleben herausgegeben habe, eine besondere Note. In diesem Vortrag vom 19. Januar 1923 heißt es zusammenfassend:
«Wahr sein, heißt beim Menschen, recht zusammenhängen mit seiner geistigen Vergangenheit. Für Schönheit einen Sinn haben, heißt beim Menschen, nicht verleugnen in der physischen Welt den Zusammenhang mit der Geistigkeit. Gut sein, heißt beim Menschen, einen Keim bilden für eine geistige Welt in der Zukunft.»
Im Nachsinnen über diese Worte kann ich nicht umhin, sie in diesem 150. Jahr nach der Geburt Heinrich Manns im inneren Zusammenhang zu empfinden mit einem Satz, mit dem er sein großes zweibändiges Werk über den französischen Hugenottenkönig Henri Quatre aus dem nachtodlichen Leben, «von der Höhe einer Wolke herab» ausklingen lässt: «Ich habe viel geliebt.»
Wer das von sich sagen kann, hat etwas Wahrheit in seinem Leben erkannt, hat Schönheit in der Welt erlebt und Gutes für andere getan.
Mögen auch wir wie Heinrich der Vierte in Heinrich Manns Roman Die Vollendung des Königs Henri Quatre von uns sagen können, wenn wir auf das verflossene, gelebte Leben zurückblicken: «Ich habe viel geliebt.»
Von Herzen grüßt Sie in diesem März, Ihr
4 – im gespräch
Das geheimrezept zum glück
Eleanor Ozich im Gespräch mit JANINE MALZ
Fotos: Jonny Scott
Neuseeland. Ein paradiesischer Flecken Erde am anderen Ende der Welt, Drehort von «Herr der Ringe», Heimat der Kiwis und seit Kurzem das Land mit der jüngsten Regierungschefin der Welt. Seit Jacinda Ardern mit gerade einmal 37 Jahren als Premierministerin antrat, hat sie die Politik ordentlich aufgemischt und verbindet Klimaschutz, die Gleichstellung der indigenen Maori-Kultur und die Gleichberechtigung von Frauen. Das neue Equal-Pay-Gesetz garantiert die Lohngleichstellung zwischen Frau und Mann. Wie kommt es, dass in dem fernen Inselstaat all das möglich ist, womit wir uns trotz aller Beteuerungen nach wie vor schwertun? Wer könnte uns da besser Auskunft geben als eine Neuseeländerin, die selbst Familie und Karriere vereint und dabei auch noch total relaxt wirkt: Eleanor Ozich, Gründerin eines angesagten Cafés, Food- und Lifestyle-Bloggerin und preisgekrönte Bestseller-Kochbuchautorin lebt mit ihrem Mann und den drei Kindern an einem Traumstrand in Piha, Neuseeland. Doch ihr Weg war nicht so geradlinig, wie er klingt. Mit 15 verließ sie die Schule, wurde mit 19 unverhofft Mutter und litt viele Jahre an Depressionen, Angstzuständen und einer Essstörung. Doch irgendwann riss sie das Ruder herum und beschloss, ihr Leben gründlich auf den Kopf zu stellen. Von einer, die auszog, glücklich zu werden – und mit der wir das Glück hatten, uns via Internet zu treffen und zu plaudern.
Janine Malz | Liebe Eleanor Ozich, im Oktober 2017 wurde Jacinda Ardern als Neuseelands Premierministerin vereidigt und mit 37 Jahren die jüngste Regierungschefin der Welt. Sie schrieb Geschichte, als sie mit ihrer damals dreimonatigen Tochter bei der UN-Vollversammlung erschien. Würden Sie sagen, dass wir wahre Gleichberechtigung erreicht haben und Frauen heute alles werden können, was sie wollen?
Eleanor Ozich | Für Neuseeland würde ich da zustimmen. In anderen Regionen der Welt liegt dagegen noch einiges im Argen. Mir persönlich war dieser Gedanke schon von Geburt an mitgegeben und wurde durch die Erziehung noch bestärkt. Ich habe nie gedacht: «Oh, das kann ich nicht, weil ich eine Frau bin.» Ich habe immer daran geglaubt, dass mir alle Möglichkeiten offenstehen. Und ich wünschte, auch andere Menschen hätten dieses Selbstvertrauen. Wir leben in spannenden Zeiten, wo sich vieles verändert, und in den sozialen Medien gibt es viele wahnsinnig tolle Leute, vor allem Frauen, die ihre Träume verwirklichen und echt was in Bewegung bringen. Als Mutter einer Tochter freue ich mich riesig für sie, aber auch für meine beiden Söhne. Wir sollten uns nicht davon einschränken lassen, was andere Leute denken oder was ältere Generationen für richtig hielten. Ich halte das Mindset für ganz entscheidend und nehme mir jeden Tag Zeit dafür, daran zu arbeiten, indem ich Podcasts höre oder Bücher lese, die mir helfen, meinen Geist zu weiten. Das ist auch etwas, was ich meinen Kindern mitgeben möchte; ich möchte, dass sie daran glauben, alles schaffen zu können, wenn sie nur wollen. Das würde ich sowieso jedem empfehlen.
JM | Nachdem Ihre ersten beiden Kochbücher Bestseller wurden, haben Sie sich einen langgehegten Traum erfüllt und ein Café in Auckland gegründet. Nebenher schrieben Sie Artikel für große Tageszeitungen. Sie waren am Höhepunkt Ihrer Karriere angelangt. Dennoch verspürten Sie das Bedürfnis, Ihr Leben zu ändern und sind mit Ihrem Mann und Ihren drei Kindern aus der Großstadt in ein kleines Strandhäuschen an der Westküste gezogen. Wie kam es dazu?
EO | Ich war einfach an einem Punkt angelangt, an dem ich enorm gestresst und ausgelaugt war und das Gefühl hatte, in einem Hamsterrad zu stecken, aus dem ich nicht mehr rauskam. Es hat mir unheimlich viel Spaß gemacht, das Café zu führen. Aber mir wurde klar, dass es sich schwer vereinbaren ließ, gleichzeitig drei kleine Kinder großzuziehen und nebenher noch alle möglichen anderen Projekte zu verfolgen. Das war nicht fair meinen Kindern und auch nicht meinem Mann gegenüber. Also sind wir nach Titirangi rausgezogen, einen kleinen Vorort an der Westküste. Später sind wir dann nach Piha umgesiedelt, was noch weiter außerhalb der Stadt in den Waitakere Ranges liegt, einer von Regenwald überwucherten Hügelkette. Wir sind in ein wunderschönes Haus mitten im «Bush» gezogen, eine Art kleiner Strandbungalow, insofern hatten wir nicht viel Platz. Während dieser Zeit habe ich geradezu eine Besessenheit dafür entwickelt, minimalistisch zu leben. Bei drei Kindern passiert es leicht, dass das Spielzeug und der Krimskrams das ganze Haus einnehmen, deshalb war es mir wichtig, alles zu entrümpeln – auch meinen Terminkalender. Also habe ich meinen Anteil am Café an meine damalige Geschäftspartnerin verkauft, was ein großer Schritt war.
Die Entscheidung ist mir nicht leichtgefallen, aber ich wusste, es war das einzig Richtige. Ich habe wirklich so viel wie möglich aus meinem Terminkalender gestrichen − was mir Angst eingejagt hat, weil es mir immer gefallen hat, mich «busy» zu fühlen. Vermutlich können sich damit viele Menschen identifizieren, weil wir in einer Zeit leben, in der es als Zeichen des Erfolgs und der Selbstverwirklichung gilt, einen vollen Terminkalender zu haben. Man muss tatsächlich lernen, die eigenen Gedanken umzusteuern, man braucht quasi ein ganz neues inneres Gerüst, das einen stabilisiert. Das war eine echt große Veränderung für mich. Als ich vor zehn Jahren anfing, meinen Blog zu schreiben, drehte sich alles rund ums Essen und um die Transformation hin zu einem simplen, minimalistischen Lebensstil. Es machte mir große Freude, meine Leserinnen und Leser daran teilhaben zu lassen. Und ich stellte fest, dass die Leute total begeistert waren. In dieser Zeit habe ich auch angefangen mein drittes Buch, The Art of Simple, zu schreiben. Darin steht quasi alles, was wir gelernt haben in den letzten Jahren, all unsere Tipps und Tricks.
JM | Ihre Philosophie steht unter dem Motto «Vereinfachen». Was bedeutet «einfach leben» für Sie?
EO | Einfach zu leben heißt für mich, radikal alles auszusortieren, was einem nichts bedeutet und einem keine Freude bringt. Ich glaube, das fällt den meisten Menschen enorm schwer. Und dafür zu sorgen, dass man immer Zeit und Raum schafft für die Dinge, die man liebt. Ich zum Beispiel liebe Surfen total. Wir leben ja an einem Surfstrand, das heißt für mich, dass ich mir jeden Tag Zeit freihalte, damit ich surfen gehen kann. Andere mögen das extravagant finden, aber wenn ich zufriedener und entspannter bin, bin ich auch bei der Arbeit produktiver. Ich finde, jeder sollte sich fragen: «Was macht mir Spaß, was macht mich glücklich?» – und sich dann jeden Tag ein wenig Zeit dafür schaffen. Was die Dinge betrifft, die wir ungern tun, da gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man streicht sie komplett aus seinem Leben. Oder, wenn es um Dinge geht, die man so oder so tun muss, wie Geschirr spülen oder Wäsche waschen, kann man seine Einstellung dazu ändern. Letztlich ist das reine Kopfsache. Wenn es einen zum Beispiel stresst, Wäsche zu waschen, könnte man sich das nächste Mal sagen: «Ich werde daraus einfach eine schöne Erfahrung machen und es genießen.» Denn wenn man schon etwas den Rest seines Lebens tun muss, kann man wenigstens versuchen, an seiner Einstellung zu arbeiten und das Beste daraus machen, oder nicht?
JM | Stimmt! Man könnte ja Musik dabei hören.
EO | Ja, und ich glaube, man kann das auf jeden Lebensbereich anwenden. Am Ende sind es immer unsere Gedanken, die über unsere Realität bestimmen. Es geht nicht so sehr um das, was uns umgibt, sondern wie wir es bewerten. Und je mehr man versucht, sich dieses Umdenken anzutrainieren, wird es fast schon zu einer Art Spiel. Man kann sich an jeder noch so kleinen Sache erfreuen und für etwas dankbar sein, solange man sich dafür entscheidet.
JM | Das fällt natürlich in manchen Momenten leichter als in anderen. Aktuell gehen einige Familien mit kleinen Kindern aufgrund der Corona-Situation auf dem Zahnfleisch.
EO | Klar. Hier in Neuseeland sind die Covid-Fallzahlen ziemlich niedrig und unsere Regierung handhabt die Lage sehr gut. Insofern sind wir da gut aufgestellt. Aber auch wir haben zwei harte Lockdowns hinter uns, in denen wir das Haus nicht verlassen durften. Mit Kindern war das echt hart, das will ich gar nicht bestreiten. Da dreht man natürlich durch – und es ist für alle emotional anstrengend. Das gilt natürlich in besonderem Maß auch für Menschen, die nicht an so idealen Orten oder in engen Wohnungen ohne Garten leben müssen. Andererseits, wann hat man als Familie schon mal Gelegenheit, so viel Zeit miteinander zu verbringen? In allem steckt auch etwas Gutes. Ich fand es aber trotz aller guten Gedanken auch enorm anstrengend, die Kinder zu Hause zu unterrichten. Es gab aber auch einige echt schöne Momente, genauso wie es völlig irre Momente gab. Das Wichtige aber war und ist: Wir hatten die Gelegenheit, uns auf eine andere Art und Weise zu begegnen und uns als Familie neue, spannende Dinge zu überlegen, die wir zusammen machen konnten. Es kann helfen, wenn man sich gedanklich in die Zukunft versetzt und sich fragt, wie man auf diese Zeit zurückblicken will. Wer dann sagen kann: «Wow, wisst ihr noch, wie wir damals im Lockdown nicht vor die Tür durften und quasi ein halbes Jahr zusammen zu Hause waren?» – wird die Zeit zwar anstrengend finden, aber nicht nur als verlorene Wochen betrachten. Ja, das war echt eine irre Zeit, aber sie geht auch wieder vorbei. Und wir entscheiden, was wir daraus machen.JM | Sie betonen immer wieder die Bedeutung von Ritualen, um die Lebensqualität zu steigern. Was meinen Sie damit?
EO | Wir alle haben irgendwelche Rituale. Und was für mich funktioniert, muss nicht unbedingt für jemand anderen funktionieren. Aber die Tatsache, dass ich tägliche Rituale pflege, hat einen großen Anteil daran, dass ich meist – natürlich nicht immer – ausgeglichen und entspannt bin. Darüber habe ich auch schon in The Art of Simple geschrieben, dass man sich Dinge während des Tages sucht, die leicht umzusetzen sind, denn sobald es kompliziert und zeitaufwendig ist, macht man es nicht. Ich habe ganz einfache Rituale, beispielsweise stehe ich gerne auf, bevor die Kinder aufwachen, um mich ein wenig zu dehnen. Außerdem liebe ich es, Tee zu trinken und genieße diese eine «einsame Tasse» am Morgen, und ich lege Musik auf. Diese Kleinigkeiten machen einen großen Unterschied, wie ich in den Tag starte. Und ich schreibe Tagebuch, wenn ich Zeit dafür finde. Ich glaube, Morgen- und Abendrituale können eine große Wirkung entfalten. Wir versuchen außerdem, nach dem Abendessen sämtliche Arbeit und Bildschirme zu verbannen. Wenn ich mich dann doch hinter den Computer oder ans Handy klemme, um noch was zu arbeiten, kann ich entweder nicht schlafen oder schlafe schlechter. Deshalb haben wir diese Regel aufgestellt. Aber man sollte sich nicht davor scheuen, Regeln auch zu ändern. Wenn etwas nicht funktioniert oder für eine gewisse Zeit doch nicht passt, ändere ich es einfach – hinterfrage mich aber zuvor, ob die Änderung nicht aus Bequemlichkeit geschieht. Wir sollten da ganz ehrlich mit uns selbst sein.
JM | Nun, da viele von uns häufiger im Homeoffice arbeiten, aber insbesondere für Familien mit Kindern auch sonst, kann das tägliche Kochen zu einer mühseligen, wenn nicht gar nervenaufreibenden Angelegenheit werden. In Ihrem neuen Buch Homemade haben Sie dieses Thema ja vertieft. Können Sie unseren Leserinnen und Lesern einen Tipp geben?
EO | Ja, ich bin eine große Anhängerin von Essensplänen! Ich weiß, die meisten Leute denken: «Argh, Essenspläne, das klingt so langweilig». Aber ich finde es angenehm, ungefähr zu wissen, was ich für die Woche einkaufen und zubereiten muss. Einfach eine Liste am Kühlschrank hängen zu haben, auch wenn ich mich nicht immer daran halte, gibt mir zumindest eine grobe Vorstellung, sodass mir diese Frage nicht ständig im Hirn rumschwirrt. Daneben finde ich es auch wichtig, eine gute Handvoll an Rezepten für Gerichte zu haben, die alle lieben, die gesund sind und gut schmecken, aber die vor allem echt einfach zuzubereiten sind. Ich bin beispielsweise eine große Freundin von Backofengerichten. Man wirft alles aufs Blech, kippt ein wenig gutes Öl darauf und schiebt es in den Ofen. Das dauert gerade mal zehn Minuten und der Ofen macht die ganze Arbeit. Das mache ich gerne und oft. Nicht dass Sie mich falsch verstehen, ich liebe Kochen, aber als Mutter von drei Kindern habe ich nicht immer Lust, stundenlang in der Küche zu stehen. Insofern sind simple, leckere Rezepte tatsächlich mein ultimativer Rat. Auf jeden Fall sollte man nicht so streng mit sich sein. Natürlich gibt es immer Phasen im Leben, in denen wir mehr um die Ohren haben, und das ist auch gut so. Und es gibt Zeiten, in denen wir instinktiv das Tempo rausnehmen, uns ein wenig entspannen und uns um uns selbst kümmern. Es ist völlig okay, mal einen Gang runterzuschalten und sich das selbst zuzugestehen.
Eleanor Ozich: The Art of Simple Anregungen und Rezepte für ein entspannteres Leben. Aus dem Englischen von Dieter Fuchs 224 Seiten, mit Fotos und Anleitungen, durchgehend farbig, gebunden | E 25,– (D) ISBN 978-3-7725-2507-0
Eleanor Ozich: Homemade | Essenzielles für zu Hause und einen inspirierenden Alltag Aus dem Englischen von Dieter Fuchs 222 Seiten, mit Fotos und Anleitungen, durchgehend farbig, gebunden | € 25,– (D) ISBN 978-3-7725-2508-7
5 – thema
schöpfen aus dem nichts
Was das leben lebenswert macht
von Jean-Claude Lin
Woher kommen unsere Einfälle? Es ist eine immer wiederkehrende Erfahrung, die ein jeder von uns macht: Wir stehen im Leben vor einer Aufgabe und wissen nicht, wie wir sie lösen können. Das kann etwas ziemlich Alltägliches sein, wie beispielsweise, welches Kleid soll ich heute anziehen oder welches Buch nehme ich mit als Ferienlektüre? Davon hängt nicht so viel ab – höchstens etwas Verlegenheit, Langeweile oder vorübergehender Frust.
Kniffliger kann es beim Aussuchen eines Geschenkes für den Geliebten oder die Geliebte sein. Denn hierbei können wir hin und wieder erleben, dass ein Geschenk von seiner Bedeutung her sehr unterschiedlich gesehen und gewertet wird. Was hat sich mein Liebster von den gemachten Andeutungen gemerkt? Was hat sich meine Geliebte einfallen lassen? Wie gut kennt er meine Interessen, sie meine Wünsche? Es kann die ganze Stimmung eines Tages, ja gar mehrerer Wochen verderben, wenn beim Aussuchen eines Geschenkes der Eindruck erweckt wird, es sei fantasielos oder gar lieblos ausgesucht worden.
Dass wir uns Mühe geben sollen beim Überlegen, ist eine wichtige Voraussetzung – und doch ist es noch keine Garantie, dass uns das Passende einfällt. Denn wir merken immer wieder, dass uns allzu oft nichts wirklich Richtiges einfällt. Was können wir also tun, um einfallsreicher zu werden? Das ist wirklich eine sehr knifflige Frage, denn Einfälle, zumal gute, passende oder gar originelle, lassen sich nicht erzwingen! Oft erleben wir, dass wir tagelang mit einer Frage, mit einem Problem umgehen, um dann beim Zähneputzen oder beim Gang zur Bushaltestelle plötzlich den Einfall der erlösenden Antwort darauf zu erhalten?! Wie aber können wir dem kleinen Stück Welt, das wir selbst beeinflussen können und das unser Leben ausmacht, so begegnen, dass wir einfallsreicher und mit der Welt glücklicher werden können?
Marjoleine de Vos, Dichterin und Kolumnistin, erzählt in ihrem jüngst erschienenen Buch Das, was du suchst. Von der Sehnsucht nach dem Spazierengehen eine kleine Begebenheit, die uns als Suchende nach Einfallsreichtum weiterbringen kann. Vor einiger Zeit sollte sie einen Vortrag über die Suche nach nachhaltiger Spiritualität halten. Das fand sie eine recht interessante Aufgabenstellung. Aber je mehr sie darüber brütete, desto schwerer tat sie sich mit dem Thema. Was soll das bloß sein, nachhaltige Spiritualität, fragte sie sich vermehrt. Eines Tages, als sie über diese Frage besonders intensiv grübelte, entschied sie sich, eine Pause einzulegen und einen kurzen Spaziergang zu machen. Etwas frische Luft, überhaupt frische Eindrücke aus der Natur zu erhalten, könnten ihr vielleicht guttun.
Darmowy fragment się skończył.