Czytaj książkę: «a tempo - Das Lebensmagazin»
1 – über a tempo
a tempo - Das Lebensmagazin
a tempo Das Lebensmagazin ist ein Magazin für das Leben mit der Zeit. Es weckt Aufmerksamkeit für die Momente und feinen Unterschiede, die unsere Zeit erlebenswert machen.
a tempo bringt neben Artikels rund um Bücher und Kultur Essays, Reportagen und Interviews über und mit Menschen, die ihre Lebenszeit nicht nur verbringen, sondern gestalten möchten. Die Zusammenarbeit mit guten Fotografen unterstützt hierbei den Stil des Magazins. Daher werden für die Schwerpunktstrecken Reportage und Interview auch stets individuelle Fotostrecken gemacht.
Der Name a tempo hat nicht nur einen musikalischen Bezug («a tempo», ital. für «zum Tempo zurück», ist eine Spielanweisung in der Musik, die besagt, dass ein vorher erfolgter Tempowechsel wieder aufgehoben und zum vorherigen Tempo zurückgekehrt wird), sondern deutet auch darauf hin, dass jeder Mensch sein eigenes Tempo, seine eigene Geschwindigkeit, seinen eigenen Rhythmus besitzt – und immer wieder finden muss.
2 – inhalt
1 – über a tempo
2 – inhalt
3 – editorial Schön ists von Jean-Claude Lin
4 – im gespräch Unser Gedächtnis ist ein Geschichtenerzähler Bregje Hofstede im Gespräch mit Janine Malz
5 – augenblicke Der FreuRaum. Gut sein für Etwas von Maria A. Kafitz
6 – verweile doch ... Rose von Brigitte Werner
7 – erlesen «Hockneys Leben» von Catherine Cusset gelesen von Konstantin Sakkas
8 – thema Kein Mittel gegen die Sterblichkeit, aber eine Geschichte von der Unsterblichkeit von Jörg Ewertowski
9 – mensch & kosmos Eine kosmische Lehrstunde von Wolfgang Held
10 – das gedicht Hölderlin 10 / 12
11 – kalendarium Oktober 2020 von Jean-Claude Lin
12 – der himmel auf erden Kann der Augenblick verweilen? von Mario Betti
13 – erfinder & visionäre László József Bíró. Genial und präszise von Daniel Seex und Wolfgang Held
14 – kindersprechstunde Bronchitis – in Ruhe gesund werden von Dr.Genn Kameda
15 – warum ich ohne kafka nicht leben kann Feier des Alltäglichen. «Goldene Jahre» von Arno Camenisch von Elisabeth Weller
16 – kulturtipp Der geteilte Horizont von Claus-Peter Lieckfield
17 – aufgeschlagen «Die Nebelmännle vom Bodensee» von Anke Klaaßen und Daniela Drescher
18 – wundersame zusammenhänge «Die klügste Frau der Bundesrepublik» von Albert Vinzens
19 – literaratur für junge leser «Um 180 Grad» von Julia C. Werner, gelesen von Simone Lambert
20 – mein buntes atelier Waldwichte von Daniela Drescher
21 – sehenswert Stilvoll gestapelt von Julia Meyer-Hermann
22 – weiterkommen Schlaf, Kindlein, schlaf ... von Edmond Schoorel
23 – sudoku & preisrätsel
24 – tierisch gut Führung mit Stil von Renée Herrnkind
25 – suchen & finden
26 – ad hoc hoc Was bleibt aber, von Jean-Claude Lin
27 – bücher des monats & werbeanzeigen
28 – impressum
3 – editorial
schön ists
Liebe Leserin, lieber Leser!
Im Grunde ist schreiben für mich die Suche nach Bedeutsamkeit in einem Leben, das im Prinzip ziemlich zufällig und chaotisch ist», erzählt die junge niederländische Schriftstellerin Bregje Hofstede in unserem Gespräch mit Janine Malz, fragt aber dann: «Wie zuverlässig kann jemand sein, der von sich erzählt?» Sodass Janine Malz den implizierten Gedanken in voller Klarheit bestätigt haben möchte: «Sind wir in Wirklichkeit alle nur Teil einer Geschichte, die wir uns selbst erzählen?»
«Die Suche nach Bedeutsamkeit» oder «Was wir uns selbst erzählen» könnten beide als Überschriften dieser Ausführungen dienen – aber auch «Begegnung bewegt» aus unserer Reportage über den FreuRaum in Eisenstadt im Burgenland von Maria A. Kafitz, in dem so viel von dem, «was wir selbst im Alltag wertschätzen», gefunden werden kann und die Menschen im «Innersten berührt» werden. Und eine Überschrift brauche ich immer, um hier einige Zeilen unserem Lebensmagazin a tempo voranzustellen. Wirklich immer? Wie zuverlässig ist es, das Wort «immer» zu gebrauchen? Es schwingt sogar auch da mit, wo es nicht ausdrücklich erwähnt wird, wie am Ende eines Fragments des Dichters Friedrich Hölderlin, das ganz von einem vorübergehenden Augenblick erzählt:
Wenn über dem Weinberg es flammt
Und schwarz wie Kohlen
Aussiehet um die Zeit
Des Herbstes der Weinberg, weil
Die Röhren des Lebens feuriger atmen
In den Schatten des Weinstocks. Aber
Schön ists, die Seele
Zu entfalten und das kurze Leben
Was macht der Punkt am Ende des Weinstocks, bevor uns gesagt wird, was dann folgt, «Wenn über dem Weinberg es flammt»? Mit den ersten sechs Versen ist noch kein vollständiger Satz gegeben. Und was folgt mit dem «Aber» ist ein vollständiger Satz, aber hat keinen Punkt. Hölderlins Punkt und Aber markieren eine Zäsur. Es ist ein Freiraum. Was folgt, könnte man mit Bregje Hofstede eine «Fiktion» nennen. Aber es ist eine wirkliche – wenn wir es so wollen! Solche «Freiräume» im Erleben könnten wir immer wieder ausmachen – wenn wir wollen – und merken: es sind Freu-Räume zur Entfaltung der Seele. «Schön ists, die Seele zu entfalten und das kurze Leben»!
Mögen Sie viele solche Freu-Räume entdecken und genießen können!
Von Herzen grüßt Sie in diesem Oktober, an dem ich seit 34 Jahren erstmals nicht auf der Frankfurter Buchmesse sein werde, da sie leider abgesagt werden musste,
Ihr
Jean-Claude Lin
4 – im gespräch
unser gedächtnis ist ein geschichtenerzähler
bregje hofstede im Gespräch mit janine malz
Fotos: Willemieke Kars
Zum Gespräch verabreden wir uns per Videocall – das Mittel der Wahl in Coronazeiten, aber auch, weil Bregje Hofstede hochschwanger ist und das Kind jederzeit kommen kann. In ihrer Heimat ist die niederländische Journalistin und Autorin bekannt und schreibt u.a. eine feministische Kolumne für «De Correspondent». Ihr erster Roman «Der Himmel über Paris» wurde auf Anhieb für bedeutende Literaturpreise nominiert und ihr zweiter Roman «Drift», der nun unter dem Titel «Verlangen» in der deutschen Übersetzung von Christiane Burkhardt erscheint, schaffte es auf die Shortlist des renommierten «Libris Literatuurprijs 2019». Doch nicht im geschäftigen Amsterdam treffe ich sie an, sondern in einem verschlafenen Dorf im Burgund, und zwar nicht allein, sondern mit ihrem Hund Kepler zu ihren Füßen – benannt nach dem deutschen Astronomen …
Janine Malz | Frau Hofstede, Sie sind in Ede in den Niederlanden geboren und haben in Utrecht, Berlin, Paris, Brüssel und zuletzt in Amsterdam gelebt. Nun sind Sie unlängst in die Region Morvan im französischen Burgund gezogen und schwanger. Ist das die Stadtflucht junger Familien?
Bregje Hofstede | Nein, die Stadtflucht war bereits beschlossen, bevor das Kind geplant war. Es war also nicht «Oje, ich kriege ein Kind, nichts wie raus aus der Stadt». Sondern «Ich will raus aus der Stadt» und dann war ich obendrein noch schwanger (lacht).
JM | In Ihrem Essayband Die Wiederentdeckung des Körpers schreiben Sie über Ihre Burn-out-Erfahrung im Alter von 24. Inzwischen sind Sie 31 Jahre alt und bringen in wenigen Tagen Ihr erstes Kind zur Welt. Inwiefern hat die Schwangerschaft Ihren Blick auf den eigenen Körper verändert?
BH | Was ich im Buch unter anderem entdeckte, war, wie schlau der Körper, wie sehr er Teil des Denkens ist. Es gibt in dem Band einen Essay über den Zusammenhang zwischen Denken und Spazieren, und wie Bewegung an der frischen Luft hilft, auch die eigenen Gedanken in Bewegung zu setzen. Diese Erkenntnis wurde durch die Schwangerschaft noch verstärkt. Erstens ist es natürlich bemerkenswert, dass der Körper, ohne dass man es steuern muss, einen Menschen produzieren kann. Und zum Zweiten merkte ich, wie sehr der Körper auf Anspannung reagiert. Im sechsten oder siebten Monat musste ich zu einer Routinekontrolle ins Krankenhaus, wo die Ärzte erschraken, weil sie dachten, das Kind würde viel zu früh kommen. Also bekam ich Medikamente und Bettruhe verordnet. Bis dahin hatte ich keinerlei Beschwerden, aber von da an bekam ich Wehen und Bauchkrämpfe. Klar, der Körper reagiert auf den Gedanken «Oh Gott, das darf nicht schiefgehen». Irgendwann habe ich dann eine andere Hebamme gefragt: «Muss ich wirklich nur liegen?» In Frankreich ist man da strenger, eine niederländische Hebamme sagt eher: «Klar kannst du ein wenig herumlaufen. Das Kind fällt nicht raus, nur weil du aufstehst.» Ab dem Moment, als sie mich beruhigt hatte, gingen auch die Wehen wieder weg. Es hatte natürlich auch damit zu tun, dass ich die 37. Woche erreicht hatte, denn von da an ist das Kind im Grunde «fertig». Unglaublich, wie eng da die Verbindung ist, wenn ich denke «Jetzt kann’s losgehen» und mit einem Mal gibt mein Bauch Ruhe.
JM | Nun erscheint Ihr zweiter Roman Verlangen auf Deutsch. Darin geht es um eine junge Frau, Bregje, die ihre Jugendliebe, Luc, verlässt. Sie haben einmal gesagt, Sie hätten sich jahrelang gegen das Schreiben dieses Buchs gestemmt, sich schließlich aber ergeben. Vom Schriftsteller Luigi Malerba stammt der Ausspruch «Ich schreibe, um zu wissen, was ich denke». Was bedeutet Schreiben für Sie?
BH | Ich erkenne mich in dem Zitat sehr gut wieder, da ich seit meinem elften Lebensjahr Tagebuch schreibe. Aber das ist etwas anderes als für ein Publikum zu schreiben, zumindest für mich. Tatsächlich hatte ich ein anderes Buch geschrieben, von dem mein Verleger begeistert war, aber ich selbst fand es nicht gut genug. Vor allem hatte ich das Gefühl, dass darin keine Notwendigkeit lag, anders als bei Verlangen. Im Grunde ist Schreiben für mich die Suche nach Bedeutsamkeit in einem Leben, das im Prinzip ziemlich zufällig und chaotisch ist. Insbesondere wenn man wie ich nicht gläubig ist, muss man seinem Leben selbst Bedeutung verleihen, und genau das ist es, was Schreiben für mich bedeutet. Was mir auch gut gefällt: Man stellt die Bedeutung her, fast so, als würde man aus verschiedenen Elementen etwas zusammenstricken. Und irgendwann hat man dann einen Pulli, den sich auch andere anziehen können. Die können sich im besten Falle daran erfreuen oder daraus etwas mitnehmen, das auch für ihr eigenes Leben aufschlussreich ist. Das finde ich das Schöne am Schreiben, und das ist auch der Grund, weshalb ich gerne lese.
JM | Die Ich-Erzählerin im Buch heißt Bregje Hofstede und hat gerade ihren Debütroman Der Welpe veröffentlicht – Ihr Debüt hingegen hieß Der Himmel über Paris. Trotz aller fiktiven Elemente hat man den Eindruck, ein sehr persönliches Portrait Ihrer Person in den Händen zu halten. Was hat Sie zu dieser Form der Autofiktion bewogen?
BH | Die Frage habe ich mir natürlich oft gestellt, schließlich hätte ich meine Figur einfach Eva oder Anne nennen können, dann hätte ich es auch bei Interviews leichter gehabt und sagen können, das sei reine Fiktion (lacht). Aber hier erzählt eine Hauptfigur in der ersten Person von ihrer Beziehung. Und ich fand es interessant, die Frage aufzuwerfen: Wie zuverlässig kann jemand sein, der von sich erzählt? Eigentlich ist jede Figur, die aus der Ich-Perspektive erzählt, ein wenig Fiktion. Insofern dachte ich mir, ist es ein stärkeres Signal, wenn ich meinen eigenen Namen für die Hauptfigur verwende. Damit lege ich die Frage offen auf den Tisch.
JM | An einer Stelle beziehen Sie sich auf den Begriff der «suspense of disbelief», der «Aussetzung der Ungläubigkeit». Er beschreibt wie wir z.B. beim Lesen eines Romans ausblenden, dass es sich dabei um Fiktion handelt, und stattdessen an die Geschichte glauben. Gilt das nicht auch für Liebesbeziehungen?
BH | Ja, sehr sogar, weil man sich schon bemühen muss, daran zu glauben, dass von all den Milliarden Menschen auf der Welt dieser eine Mensch, der mir zufällig begegnet, der einzig Richtige für mich ist. Das ist ziemlich unwahrscheinlich, aber genau so funktioniert romantische Liebe. Man schirmt sich gegen andere Optionen ab, sagt sich «der und kein anderer.». Das hilft einem enorm, daran zu glauben. Wenn Leute kurz nach Ende einer Beziehung über das reden, was schiefgelaufen ist, dann entzaubern sie eigentlich einen Mythos. Sie suchen nach Hinweisen, wann die ersten Probleme auftraten, wieso es eigentlich schon länger nicht mehr lief, und dass es von Anfang an auf eine Trennung hinauslief. Das ist natürlich nur ein weiterer Mythos. Wahrscheinlich könnten sie genauso gut noch zusammen sein. Insofern macht man es sich selbst leichter, wenn man ein wenig an diese Fantasie «Wir sind für einander bestimmt» glaubt. Diese gemeinsame Fantasie kann etwas sehr Schönes sein und funktioniert letztlich wie im Märchen, einer fiktiven Geschichte.
JM | In Verlangen spielt die Frage Fiktion vs. Realität eine große Rolle − wie vertrauenswürdig sind Erinnerungen, Anekdoten aus der Kindheit, Tagebucheinträge oder die Kennenlerngeschichte eines Paars. Sind wir in Wirklichkeit alle nur Teil einer Geschichte, die wir uns selbst erzählen?
BH | Ja, das ist in der Tat eine Frage, mit der ich oft spiele. Die Bregje im Buch lasse ich ihre Tagebücher aus der Anfangszeit der Beziehung lesen, und gleichzeitig lasse ich sie sich an dieselbe Zeit erinnern. Oft weichen ihre Erinnerungen und ihre Tagebucheinträge voneinander ab. Die Frage ist also: Woran will man sich erinnern? Wenn man auf eine gescheiterte Beziehung zurückblickt, ist die eigene Erinnerung völlig verschoben. Als ich das Buch schrieb, habe ich auch viel darüber gelesen, wie das Gedächtnis funktioniert. Man stellt sich das ja wie eine Art Videorecorder vor, der wirklichkeitsgetreue Aufnahmen von den Ereignissen macht, die man jederzeit abrufen kann. Dabei verhält es sich in Wahrheit so, dass ich eine Erinnerung jedes Mal neu zusammenstelle, damit sie zu dem Moment passt, in dem ich sie benötige. Insofern sind Erinnerungen unglaublich wandelbar. Unser Gedächtnis ist ein Geschichtenerzähler und enorm unzuverlässig. Das ist praktisch, weil es uns hilft, über Dinge hinwegzukommen, aber es ist auch zum Haareraufen, wenn beispielsweise die Erinnerungen von zwei Menschen völlig auseinanderdriften, je mehr sich diese entfremden. Insofern fand ich die Frage, was von einer Liebe übrigbleibt, ziemlich knifflig und interessant.
JM | Sie scheinen eine glückliche Kindheit genossen zu haben, in der Sie den nötigen Freiraum hatten, um Ihrer Fantasie freien Lauf zu lassen. Nun werden Sie selbst Mutter, im Zeitalter von Smartphone & Co. Glauben Sie, dass die Kindheit von heute eine andere ist?
BH | Ja, das glaube ich. Zum Beispiel besitzen heutzutage in den Niederlanden die meisten Kinder im Alter von sieben Jahren ein Smartphone. So ein Handy wirkt wie eine Kleinigkeit, aber ich glaube, es hat große Auswirkungen darauf, wie man die Welt wahrnimmt. Als ich sieben war, gab es keine Möglichkeit, über ein Display in eine andere Welt zu entfliehen. Manchmal langweilte ich mich, dann begann ich mir Geschichten auszudenken, auf Bäume zu klettern, Abenteuer zu erfinden. An meine Kindheit erinnere ich mich als eine Zeit voller sinnlicher Eindrücke. Ich erkundete meine Umwelt nach und nach, zuerst den Garten, dann die Straße und dann den Wald. Aber wenn ich die Möglichkeit gehabt hätte, jederzeit aus dem Hier und Jetzt entfliehen zu können, dann hätte ich das vermutlich ganz anders erlebt. Und ich frage mich, ob ich die Welt so genau beobachtet hätte. Und ob ich so viel gelesen hätte. Ja, ich frage mich, ob ich überhaupt Schriftstellerin geworden wäre. Denn das sind beides Dinge, die dafür enorm wichtig sind.
JM | Zuletzt ein Ausblick: Im Roman sind die Rücken der Tagebuch-Kladden der Hauptfigur etikettiert. Darauf steht jeweils ein einzelnes Wort, das die jeweilige Lebensphase beschreibt: «Ehe», «Brüssel», «Romandebüt», «Insomnia». Welches Etikett würden Sie für Ihren nächsten Lebensabschnitt wählen?
BH | Gute Frage. Hm, er könnte «Plukkie» («Puschel») lauten – das ist der Arbeitstitel für unser Kind. Diesen Spitznamen haben wir ihm verpasst, als es so groß war wie ein Baumwollbällchen. Oder vielleicht einfach «Leben». Zum einen ist da unser Welpe, der uns jede Menge Aufmerksamkeit abverlangt, aber auch total lieb ist, und das Kind natürlich, was heißt, dass ich zum ersten Mal seit Jahren weniger mit meiner Arbeit beschäftigt sein werde als mit dem Leben selbst. Insofern, ja: L e b e n. Außerdem haben wir jetzt auch einen Gemüsegarten, insofern passt das gut.
Alle Bücher von Bregje Hofstede finden Sie hier. Mehr Informationen zu den Büchern finden Sie in der Rubrik «Bücher und Werbeanzeigen».
5 – augenblicke
der freuraum
gut sein für etwas
von Maria A. Kafitz (Text) und Wolfgang Schmidt (Fotos)
Weit ist die Landschaft, kaum etwas verstellt den Blick. Klein ist die Stadt, dennoch entsprang ihr klangvoll Großes. Wer Streichquartette liebt, kommt an Eisenstadt, der kleinsten der österreichischen Landeshauptstädte, nicht vorbei, denn die ersten wurden dort komponiert. Joseph Haydn, Urvater dieser wunderbaren Kammermusikgattung, verbrachte hier einen Großteil seiner beruflichen Laufbahn. Er war Hofmusiker der adligen ungarischen Magnaten Esterházy, deren Familiensitz sich in Eisenstadt befindet. «Ich war von der Welt abgesondert, niemand in meiner Nähe konnte mich an mir selbst irremachen und quälen, und so musste ich original werden.» Das sagte Haydn über seine Zeit in dieser Gegend. Über 200 Jahre später, unweit des hübsch herausgeputzten Haydn-Hauses (haydnhaus.at), hatten vier Frauen und ein Mann einen ganz ähnlichen Eindruck von ihrer Stadt und sind daher anders «original» geworden: sie gründeten den FreuRaum (freu-raum.at).
»Liebe Maria, wieder zurück aus Eisenstadt sitze ich nun über den Bildern. Der FreuRaum ist kein vegetarisch-veganes Restaurant, kein Treffpunkt für Demenzkranke, kein Strick- und Reparatur-Café, kein Raum für Kunsthandwerk und Trödel, kein soziales Projekt, kein milieuübergreifender Treff, kein Veranstaltungsort, kein Ort für gutes Essen …. Nein: er ist alles zusammen! Der Charme liegt in der Vernetzung all dieser Bereiche. Es ist ein sehr schönes Projekt, zu dem Du mich da geschickt hast. Nun wünsche ich Dir eine gute Reise. Es wird Dir Freude machen.» Diese Nachricht unseres Fotografen Wolfgang Schmidt erreichte mich kurz vor meinem Abreisetag und ließ meine Neugier noch größer werden. Den Hinweis auf diesen Ort – schon der Name «FreuRaum» verfing sich sogleich in meinem Kopf und drehte dort wilde Vorstellungsrunden – hatte ich von einem lieben Freund aus Wien bekommen, der meine Neigung zu Ideen kennt, die Möglichkeiten kreieren, Enge weiten und Menschen verbinden. Wolfgangs Worten nach schien er sich nicht geirrt zu haben.
Nach Wochen mit kleinerem Bewegungsradius und ausgedehnten Digitalkontakten stand endlich wieder ein gepackter Koffer im Flur. Unterwegs sein. Erkunden. Unbekanntes wahrnehmen. Neues entdecken und dabei immer auch etwas über sich selbst erfahren. – Ich machte mich also auf den Weg ins Burgenland und zu diesem Raum, der Freude bereiten soll. Doch der war natürlich nicht einfach aus dem Nichts da – er musste erst er- und gefunden werden, eben weil da nichts war. «Wir haben hier etwas vermisst – und einen Ort gesucht, wo all das stattfindet, was wir kennen und auch das, was wir noch nicht kennen und uns vielleicht noch nicht einmal erträumen konnten. Einen Ort, den wir selbst gerne besuchen würden, wenn wir Urlaub machen. Urlaub vom Alltäglichen, in dem wir dennoch ganz viel von dem finden, was wir selbst im Alltag wertschätzen.» So erklärt das Multitalent, die Unternehmensberaterin, Köchin, Autorin, Politikerin, Marketingexpertin und Mitinitiatorin der ersten Stunde, Anja Haider-Wallner, ihre Sehnsucht, die nach vielen Anläufen, Umwegen und Hindernissen schließlich zum FreuRaum führte. Dessen einjähriges Bestehen wurde gerade gefeiert – und nach all den Corona-Beschränkungen konnte zugleich sein Überleben bestaunt werden. Wir haben zum Glück sehr treue Stammgäste, und in der Zeit der Zwangsschließung wurden sogar von einigen Genossenschaftsanteile erworben, die uns eine gewisse Existenzgrundlage sichern.»
Darmowy fragment się skończył.